Adal
Der Ausdruck Mohammedanersturm bezeichnet einen muslimischer Eroberungsversuch des christlichen Äthiopien (Abessinien) im 16. Jahrhundert. Er beschreibt eine bestimmte Phase der Auseinandersetzungen zwischen Islam und Christentum am östlichen Horn von Afrika bzw. im Norden desselben. (Zur Nomenklatur siehe Mohammedaner). Dem "Mohammedanersturm", der muslimischen Invasion also, folgte christlich-katholische die Jesuitenmission in Äthiopien.
Durch die arabische Eroberung Ägyptens 641 und endgültig seit dem Scheitern der Kreuzzüge ab 1250 war das christliche Äthiopien von der übrigen christlichen Welt, d.h. vor allem seinem natürlichen Verbündeten Byzanz, abgeschnitten, bis in den Sudan und in den Küstenregionen rund um Äthiopien (Eritrea, Somalia) breitete sich fortan der Islam aus. Im 13. Jahrhundert entstand an der Küste das Sultanat Ifat und erstreckte sich bis in die östlichen Hochebenen. Gleichzeitig war in Äthiopien um 1270 die Zagwe-Dynastie durch die (vermeintlich) Salomonische Dynastie gestürzt worden. 1320-1344 unterwarf Äthiopiens Kaiser Amda Zion (Sion, Seyon, Seyum) von Gondar aus zwar mehrere somalische Emirate, Ifat aber leistete erbitterten Widerstand gegen den fanatischen Inquisitor. Doch 1386 fiel Sultan Haqadin II., 1415 auch sein Nachfolger Saad ad-Din mitsamt seiner Hauptstadt Zeila gegen Kaiser Isaak (Yeshaq, Yesdar). Das neugegründete Sultanat Adal am Golf von Aden übernahm daraufhin die Führung im Kampf gegen Äthiopien. Es umfaßte etwa ganz Eritrea, Somaliland (Nordsomalia), Dschibouti und die äthiopische Region um Harar - eine den muslimischen Königen Abessiniens und den äthiopischen Moslems "heilige" Stadt, heute Zentrum des Islam in Äthiopien.
1516 wurde auch Adal dennoch besiegt, Sultan Mahfuz fiel im Kampf gegen Kaiser Lebna (alias David II.). Danach aber traten zwei neue ausländische Akteure auf. Seit 1493 hatte der portugiesische katholische Einfluß am Kaiserhof zugenommen, 1513 besiegte eine portugiesische Flotte jene des muslimischen Ägypten im Golf von Aden. 1517 aber hatten die energischen türkischen Osmanen das morsche Reich der ägyptischen Mamelucken und bald darauf auch den Hidschas bis Jemen erobert. Dieser Vorstoß entfachte den muslimischen Widerstand erneut. Adal griff abermals zu den Waffen, nachdem der General Ahmad ibn Ibrahim el-Ghasi, auch genannt Mohammed Gran (Granye), 1520 Sultan Abu Bakr gestürzt hatte.
Als Mahfuz´ Schwiegersohn und neuer Sultan vereinigte er die Hirtenkrieger der Stämme der arabisierten Somali, somalisierten Galla sowie der Afar und rief 1527 den "Heiligen Krieg" gegen Lebna aus. 1529 schlug er bei Shimba-Kare angeblich 200.000 Mann äthiopischer Fußtruppen und 16.000 kaiserliche Reiter mit seinen 12.000 Mann und nur 600 Reitern, verlor aber dabei 5.000 Kämpfer. Zusammen mit neuen türkischen Hilfstruppen erobert er in mehreren Feldzügen bis 1533 fast das gesamte Äthiopien, nur Teile des Hochlandes blieben unbesetzt. Das Land wurde von den Nomaden verwüstet, christliche Zeugnisse zerstört, große Teile der Bauern retteten sich nur durch den Übertritt zum Islam. Der Kaiser starb 1540 auf der Flucht, sein Thronfolger wurde gefangengenommen, die Kaiserinwitwe in der Hauptstadt belagert. Erst mit und dank der portugiesischen Schützenhilfe konnten die äthiopischen Resttruppen 1543 die Moslems schlagen, seit 1541 hatte eine portugiesische Flotte unter Vasco da Gamas Sohn Christoph 400 Mann mit Feuerwaffen gebracht und den türkischen Nachschub über das Rote Meer blockiert. Sultan Ahmad, "der Große", (+1543) fiel in der Schlacht am Tanase, 1559 fiel auch sein Nachfolger Barakat in Adals Hauptstadt. Der neue Sultan Nur ibn Mudjahid, Ahmads Neffe, konnte Äthiopier und Portugiesen zwar nochmals zurückschlagen, wurde aber 1567 ebenfalls besiegt, auch sein Nachfolger Mohammed Ibn Nasr fiel 1576. Daraufhin fielen osmanische Türken 1578 und nochmals 1589 über Massaoua in Tigray ein, wurden aber schließlich geschlagen. Die Äthiopier mußten dennoch weite Teile des Landes den Galla (Oromo) überlassen. Diese wiederum aber wurden teilweise sesshafte Bauern und nahmen fortan ihrerseits das Christentum an, was ihre Integration und ihren Einsatz gegen das aus den Trümmern Adals entstandene Sultanat Harar ermöglichte. An der nördlichen Küste (Eritrea) jedoch setzten sich die Türken zunächst fest, bis 1578 umfaßte deren Provinz "Habesh" (türkisch für Abessinien) sogar die eigentliche Spitze am östlichen Horn von Afrika. Bis zum Mahdi-Aufstand im Sudan (1881) gehörte Eritrea dann zum osmanischen Vizekönigreich Ägypten, Massaoua sogar bis 1885.
Im eigentlichen Äthiopien aber nahm zur gleichen Zeit der katholische Einfluss weiter zu, den Portugiesen folgten ab 1557, besonders aber im 17. Jahrhundert die Jesuiten, deren Ansprüche der siegreiche Kaiser Claudius (+1559) noch zurückwies. Dennoch gelang es ihnen, 1603 Kaiser Dengel (+1607) zum Übertritt zu bewegen. Dessen Sohn Socinius (Susenyos, Sissionos) stimmte zwar zunächst sogar einer Kirchenunion mit Rom zu (wie schon um 1450 Kaiser Zara Jakob alias Konstantin I.), widerrief dann aber 1630, die Unzufriedenheit seiner Untertanen fürchtend. Gestürzt und getötet wurde er 1632 dennoch, sein Nachfolger Fasilidas (Basilides) vertrieb die katholischen Priester oder ließ sie hinrichten, ebenso muslimische Missionare. Das Land kehrte zum orthodoxen Christentum koptischer Prägung zurück, fand seinen Frieden wieder und verfiel bis ins 19. Jahrhundert in Isolation.