Antizyklische Finanzpolitik
Als Antizyklische Finanzpolitik bezeichnet man den Versuch, durch Gestaltung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben auf eine Verstetigung des Konjunkturzyklus hin zu arbeiten. In einer Rezession müssen dazu Steuern und Abgaben gesenkt oder die Ausgaben für Subventionen (z.B. Investitionszuschüsse) oder staatliche Käufe erhöht werden. Damit soll einem Nachfragemangel begegnet werden. Umgekehrt müssen in Boomphasen Steuern erhöht und Ausgaben gesenkt werden.
Wirtschaftstheoretische Grundlage der antizyklischen Finanzpolitik bildet der Keynesianismus. Da von den Keynesianern Märkte als in sich instabil angesehen werden, kommt dem Staat die Aufgabe zu, den Markt zu stabilisieren. Anhängern zufolge wies sich dieses Konzept bei der Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise in den USA als erfolgreich. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre beruht jedoch auf dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren, sodass Wirtschaftshistoriker unterschiedliche Ansichten über die Wirksamkeit der antizyklischen Finanzpolitik vertreten. Nicht zuletzt aufgrund dieses Beispiels entwickelte sich in den sechziger Jahren der Glaube an die Eignung der antizyklische Finanzpolitik zur Überwindung konjunktureller Schwankungen.
In Deutschland fand dieser Glaube seinen Niederschlag im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das der Politik Instrumente für eine antizyklische Politik an die Hand gab. So sollte in Boomphasen eine Konjunkturausgleichsrücklage im Staatshaushalt gebildet werden, die in Rezessionsphasen wieder aufgelöst wird. Ein Konjunkturzuschlag zur Einkomemnsteuer sollte im Boom die Nachfrage dämpfen. Ferner sah das Gesetz Investitionszuschüsse vor.
Allerdings versagte diese Art der Politik in den siebziger Jahren. Wichtigste Kritikpunkte waren
- das Fehlen von "Schubladenprogrammen" und damit verbunden die Wirkungsverzögerungen der Politik, die im schlimmsten Fall genau zur falschen Zeit wirkte;
- der mangelnde Wille der Politiker, einmal gewährte Vergünstigungen im nächsten Aufschwung auch wieder zu streichen,
- die Vernachlässigung negativer Wirkungen der durch eine falsch konzipierte antizyklische Politik steigenden Staatsverschuldung.
Zu Beginn der achtziger Jahre verschwand die antizyklische Politik aus dem wirtschaftspolitischen Instrumentenkasten. Allerdings sollen nach dem heute vorherrschendem wirtschaftstheoretischen Verständnis automatische Stabilisatoren für einen gewissen Ausgleich konjunktureller Schwankungen sorgen.