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Wohldefiniertheit

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Man kann in der Mathematik ein Objekt nicht nur durch eine Definitionsgleichung (explizit), sondern auch durch eine charakteristische Eigenschaft (implizit) definieren. Während eine explizite Definition immer zulässig ist, ist eine implizite Definition nur unter der Bedingung zulässig, dass es tatsächlich genau ein Objekt mit der angegebenen Eigenschaft gibt. Diese Bedingung nennt man die Wohldefiniertheit der impliziten Definition.

Den Beweis der Wohldefiniertheit kann man in zwei Teile zerlegen: die Existenz und die Eindeutigkeit des zu definierenden Begriffs.

Implizite Definitionen tauchen oft unbemerkt auf, wenn man Abbildungen auf Faktormengen definiert. Das Ergebnis wird durch eine Abbildung auf einem Repräsentanten definiert. Wohldefiniertheit läuft hier auf die Unabhängigkeit des Ergebnisses von der Wahl des Repräsentanten hinaus.

Einfaches Beispiel

  1. "Für alle ist definiert als diejenige Zahl , für die gilt ."
  2. "Für alle ist definiert als diejenige Zahl , für die gilt ."
  3. "Für alle ist definiert als diejenige Zahl , für die gilt ."

Zu 1: Die Wohldefiniertheit von besagt, dass es für jede Zahl genau eine Zahl gibt mit der Eigenschaft . Das ist in der Tat der Fall, denn die Quadratfunktion von nach ist bijektiv. Die Funktion ist also wohldefiniert --- ist die Quadratwurzelfunktion.

Zu 2: Wohldefiniertheit gilt hier nicht, denn zum Beispiel gilt und . Die Eindeutigkeit ist verletzt.

Zu 3: Auch hier gilt Wohldefiniertheit nicht, denn hat keine reellen Lösungen . Die Existenz ist verletzt.

Repräsentantenunabhängigkeit

In der Literatur findet sich häufig die Definition von Wohldefiniertheit als Repräsentantenunabhängigkeit.[1] Vereinzelt wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine darüber hinaus gehende Bedeutung gibt.[2]

Die Repräsentantenunabhängigkeit soll zunächst an einem Beispiel erläutert werden. Jede rationale Zahl lässt sich als Bruch aus zwei ganzen Zahlen, dem Zähler und dem Nenner, schreiben. "Definieren" wir also als Funktion, die jeder rationalen Zahl ihren Zähler zuordnet.

Es gilt bekanntlich , also gilt , ein Widerspruch! Die Definition von kann also nicht in Ordnung sein. Die Definition von ist tatsächlich eine implizite Definition und sie ist nicht wohldefiniert. Sehen wir uns dazu die Definition von genauer an: Der Bruch steht für die Äquivalenzklasse aller Paare , für die gilt . Die Definition von müsste also genauer lauten: Für alle rationalen Zahlen ist definiert als derjenige Wert für den es ein gibt mit . Nun stellt sich heraus, dass es mehrere solcher gibt, zum Beispiel 1 (mit ) oder 2 (mit ). Die Wohldefiniertheit gilt also nicht.

Hat ein Element also mehrere Darstellungen (im Beispiel: , , , …), dann muss eine Funktion diesem Element einen Wert zuordnen, der von der Darstellung von unabhängig ist. Die Definition zum Beispiel erfüllt diese Bedingung.

Für zwei mathematische Konzepte muss die Repräsentantenunabhängigkeit nachgewiesen werden:

Induzierte Abbildungen

Definition der induzierten Abbildung

Gegeben seien zwei Mengen und sowie die Äquivalenzrelationen auf und auf . bezeichne die Äquivalenzklasse des Elements bezüglich und die Äquivalenzklasse des Elements bezüglich . Die Menge der Äquivalenzklassen heißt auch Faktormenge.

Hat man nun eine Funktion gegeben, so ergibt sich eine dazugehörige Funktion auf der Faktormenge gemäß der Vorschrift

.

heißt die von induzierte Abbildung.

Wohldefiniertheit bei induzierten Abbildungen

Um die Wohldefiniertheit von zu zeigen, ist nachzuweisen, dass der Wert unabhängig vom ausgewählten Repräsentanten der Äquivalenzklasse ist. Anders gesagt muss gelten:

Falls , dann folgt .

Beispiele für induzierte Abbildungen

Im ersten Beispiel sei und . Als Äquivalenzrelation wählen wir die „Äquivalenz modulo 3“, d. h., es gelte

Die Äquivalenzrelation sei die gewöhnliche Gleichheit, also , falls . Als Funktion wählen wir

Die induzierte Abbildung ist dann

Es gilt nun , obwohl . In diesem Fall ist also die induzierte Abbildung nicht wohldefiniert.


Im zweiten Beispiel sei . Die Äquivalenzrelation sei erklärt durch

und sei wieder die gewöhnliche Gleichheit. Der reelle Kosinus induziert nun die Abbildung

.

Diese Abbildung ist wohldefiniert, wie man folgendermaßen zeigt:

Seien mit der Eigenschaft . Gemäß der Definition von existiert nun ein mit , und deshalb folgt , wobei wir die Tatsache verwendet haben, dass der Kosinus eine Periode von besitzt.

Induzierte Verknüpfung

Definition der Induzierten Verknüpfung

Sei eine nichtleere Menge mit der inneren Verknüpfung . Zu einer Äquivalenzrelation auf und der zugehörigen Faktorstruktur definiert man die von auf der Faktorstruktur induzierte Verknüpfung als

Wohldefiniertheit für induzierte Verknüpfungen

Verschiedene Repräsentanten derselben Klassen müssen stets dasselbe Ergebnis liefern, um von einer wohldefinierten Verknüpfung auf der Faktorstruktur sprechen zu können. Es ist also zu zeigen, dass für alle mit der Eigenschaft gilt

Beispiele für induzierte Verknüpfungen

  • Die Verknüpfung , gegeben durch , ist nicht wohldefiniert: Es gilt [5] = [2] und [3] = [6], aber
.


  • Betrachte die symmetrische Gruppe und darin die Untergruppe . Die auf der Faktormenge induzierte Verknüpfung ist nicht wohldefiniert. Es ist und selbstverständlich aber


  • Die Addition und die Multiplikation in einem Restklassenring sind wohldefiniert. Die Restklassen-Addition ist gerade die von der Addition in und dem Normalteiler induzierte Verknüpfung.


  • Ist ein Normalteiler der Gruppe , dann ist die auf induzierte Verknüpfung wohldefiniert, und heißt Faktorgruppe. Die Eigenschaft, Normalteiler zu sein, ist sogar äquivalent dazu, dass die induzierte Verknüpfung auf der Faktormenge wohldefiniert ist.

Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit

In einem weiteren Sinn wird Wohldefiniertheit auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Sie bezeichnet dann eine sinnvolle und widerspruchsfreie Definition. Synonym für „nicht wohldefiniert“ in diesem Sinn werden auch „nicht definiert“ oder „nicht vollständig definiert“ gebraucht.

Definitionsbereich einer Funktion

Hat man zum Beispiel die Formel , so darf die Null nicht im Definitionsbereich enthalten sein, da für die Formel liefert. Durch Null zu teilen, ist in den reellen Zahlen allerdings nicht erklärt, d. h., es gibt keine reelle Zahl „“. (In einem erweiterten Sinne könnte man zwar setzen. Das tut dem Beispiel aber nichts, da keine reelle Zahl ist! Zudem müsste man und miteinander identifizieren, da für gegen divergiert.)

Ebenso ist es in den reellen Zahlen nicht erklärt, die Quadratwurzel aus negativen Zahlen zu ziehen. Anders gesagt wäre die „Funktion“ nicht wohldefiniert, die Funktion hingegen schon.

Wertebereich einer Funktion

Schreibt man die Formel als „Funktion“ , so wird dem Wert zwar der Wert zugeordnet. Das ist in diesem Fall aber nicht zulässig, da keine natürliche Zahl ist und somit nicht im Wertebereich liegt.

Verknüpfungen bei Gruppen

Innere Verknüpfungen einer algebraischen Struktur (z. B. einer Gruppe) sind ebenfalls Funktionen (meist mit zwei Argumenten). Für sie gelten also dieselben Bedingungen: Die Verknüpfung von Elementen der Struktur muss ein eindeutig bestimmtes Element von ergeben. Hier wird oft fälschlicherweise der Ausdruck Abgeschlossenheit benutzt, welcher sich aber auf die Definition von Unterstrukturen bezieht.

Wohldefiniertheit von Mengen

Eine Menge ist wohldefiniert, wenn das Definiens für jedes beliebige Objekt eindeutig festlegt, dass es entweder Element der Menge ist oder nicht Element der Menge ist. Insbesondere werden so gewisse Formen imprädikativer Definitionen ausgeschlossen.

Einzelnachweise

  1. Serge Lang: Algebra. 3. Auflage. 1993, S. X (Prerequisites).
  2. Albrecht Beutelspacher: Das ist o.B.d.A trivial! Braunschweig 1997, S. 9.