Jüdische Gemeinde Laupheim

Die jüdische Gemeinde in Laupheim in Oberschwaben entstand im Jahr 1724 durch Ansiedlung von mehreren jüdischen Familien aus den bayerisch-schwäbischen Orten Illereichen und Buchau. Sie zählte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den größten jüdischen Gemeinden im damaligen Königreich Württemberg. Die Gemeinde erlosch im Zuge der Judenverfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus.
Geschichte
Die Gemeinde geht auf einige Judenfamilien aus Illereichen und Buchau zurück, die 1724 durch Reichsfreiherr Damian Karl Franz Anton von Welden als Schutzjuden in Laupheim zur Belebung des Laupheimer Markts angesiedelt wurden. Der Schutzherr unterstützte den Bau von Wohnhäusern für die ersten Schutzjudenfamilien, erlaubte mit wenigen Ausnahmen den Handel mit Waren aller Art und verpflichtete die Juden zum Tragen besonderer Hüte und Kleider. Als Judensiedlung entstand auf dem im Nordosten Laupheims gelegenen Judenberg ein vom Marktflecken abgesondertes, nahezu rechteckiges Ghetto, dessen Hauptstraße (die frühere Kapellengasse) bald Judengasse genannt wurde. In einem der von der Herrschaft zur Verfügung gestellten Häuser wurde eine erste Betstube eingerichtet, im Nordosten der Siedlung ein jüdischer Friedhof angelegt.
Nach 1730 zogen weitere jüdische Familien aus Fellheim, Fischbach und anderen Orten zu. Der erste Schutzvertrag von 1730 wurde 1734 vom oberösterreichischen Lehenhof in Freiburg bestätigt und 1754 auf 30 Jahre verlängert. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Gemeinde bereits 27 Familien. Bei der nächsten Vertragsverlängerung 1784 waren es bereits 40. Seit 1771 gab es auf dem Judenberg eine Synagoge, die 1822 durch einen Neubau an anderer Stelle des Judenviertels ersetzt wurde.
Der jüdischen Gemeinde standen zwei von der Gemeinde gewählte Parnassim vor, die Rabbiner, Kantor und Lehrer beriefen. Rabbiner, Kantor und Schulklopfer konnten über die vereinbarte Zahl von Schutzjuden hinaus ohne Schutzgeldpflicht aufgenommen werden. Parnassim und Rabbiner hatten die beschränkte niedere Gerichtsbarkeit über die jüdische Gemeinde.
Größte jüdische Gemeinde im Königreich Württemberg

Die Gemeinde wuchs vom späten 18. Jahrhundert bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts stark an. Zeitweise war sie die größte jüdische Gemeinde in Württemberg. Die höchste Zahl jüdischer Einwohner hatte Laupheim um 1869 mit 843 Personen erreicht. Danach ging die Gemeindegröße jedoch durch Abwanderung in Städte wie Stuttgart, Ulm oder München sowie Auswanderung insbesondere nach Amerika kontinuierlich zurück. Im Jahr 1900 wurden noch 443 Personen bei einer Gesamteinwohnerzahl der Stadt von 7319 Einwohner gezählt. Im Jahr 1933 waren noch 235 jüdische Bewohner gemeldet.
Bis zum württembergischen Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen vom 25. April 1828 war Juden in Württemberg die Ausübung von akademischen und handwerklichen Berufen verboten. Danach wurde zwar ein Berufsfindungsprogramm aufgelegt, das Juden vorzugsweise in handwerkliche Berufe bringen sollte, doch lebten die Laupheimer Juden noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts vorwiegend vom Handel. 1856 gab es 32 Vieh- und Pferdehändler sowie 57 Hausierer. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begründeten einige Laupheimer Juden später bedeutende Unternehmen wie die Haarfabrik Josef Bergmann & Co., die Laupheimer Werkzeugfabrik AG, die Knabenkleiderfabrik E. Heumann, das Bankhaus Heumann, die spätere Volksbank Laupheim und die Hopfengroßhandlung Simon H. Steiner. Die Wirtschaftskraft dieser Unternehmen war so groß, dass Juden bis 1933 die wichtigsten Steuerzahler der Stadt waren. Ab 1867 waren Juden im Laupheimer Gemeinderat vertreten, sie engagierten sich auch in örtlichen Vereinen und tätigten Stiftungen zum Gemeinwohl ungeachtet der Konfessionszugehörigkeit. Das Verhältnis von Juden und Christen wird vor 1933 als einvernehmlich beschrieben. Zu den bekanntesten aus Laupheim stammenden Juden zählen der Gründer Hollywoods, Carl Laemmle (1867–1939), sowie der Bankier Kilian von Steiner (1833–1903).
Nationalsozialismus
Die Gemeinde erlosch im Zuge der Judenverfolgung in Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus. Erste Ausschreitungen gab es bereits am 1. April 1933, als während des Boykotts jüdischer Geschäfte die Schaufenster des Kaufhauses Einstein eingeworfen wurden. Jüdische Fabriken und Geschäfte fielen bis Ende 1938 der „Arisierung“ anheim, die Synagoge wurde während der Reichspogromnacht 1938 niedergebrannt. 1939 wurde die jüdische Religionsgemeinschaft aufgelöst. Diejenigen Juden, die nicht ausgewandert waren, wurden nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs aus dem Judenviertel in Baracken in der Wendelinsgrube umquartiert, während das frühere Judenviertel von den früheren Barackenbewohnern bezogen wurde. In die Barackensiedlung wurden später weitere zwangsweise umgesiedelte Juden aus Stuttgart und anderen Orten einquartiert. Im Zuge der Deportation deutscher Juden in den Jahren 1941 und 1942 wurden über 60 Juden aus Laupheim in die Konzentrationslager Riga, Theresienstadt, Izbica und Auschwitz verschleppt. Von den Überlebenden ist keiner nach Laupheim zurückgekehrt.
Jüdische Bevölkerungsstatistik in Laupheim
Das Tableau zeigt in der mittleren Spalte, bezogen auf das jeweilige Jahr den absoluten Anteil der jüdischen Bevölkerung. Die Prozentangabe steht in Bezug zur Gesamtbevölkerung der Stadt Laupheim.[1] 1856 waren mit 22,6 % fast ein Viertel der Bewohner der Stadt der jüdischen Konfession zugehörig.
Jahr | Einwohner jüdischer Konfession | Prozent zur Gesamtbevölkerung |
---|---|---|
1807 | 270 | 13.3% |
1824 | 464 | 17.3% |
1831 | 548 | 18.2% |
1846 | 759 | 21.7% |
1856 | 796 | 22,6% |
1869 | 843 | 21.1% |
1886 | 570 | 12.6% |
1900 | 443 | 9.1% |
1910 | 348 | 6.4% |
1933 | 235 | 4.5% |
1943 | 0 | 0,0% |
Laupheimer Rabbiner
Jahr | Name | Details |
---|---|---|
c. 1745 - c.1760 | Jakob Bär (Beer) | von Fellheim bei Memmingen |
1763 - 1804 | Maier Lämmle | unbekannt |
1804 - 1824 | David Levi | möglicherweise von Schnaitheim, heute Teilort von Heidenheim |
1825 - 1835 | Salomon Wassermann | (1780 in Oberdorf - 1859 in Lauchheim) vorher Rabbiner in Ansbach, danach Rabbiner in Bad Mergentheim bis 1855 |
1835 - 1852 | Jakob Kauffmann | (1783 in Berlichingen - 1852 in Laupheim) vorher Rabbiner in Weikersheim und Bad Buchau |
1852 - 1876 | Abraham Wälder | (1809 in Rexingen - 1876 in Laupheim) vorher Rabbiner in Berlichingen |
1877 - 1892 | Ludwig Kahn | (1845 in Baisingen - 1914 in Heidelberg) vorher Rabbi der Jüdischen Gemeinde Heilbronn |
1895 - 1922 | Dr. Leopold Treitel | (1845 in Breslau - 1931 in Laupheim) vorher Rabbiner in Karlsruhe; Jüdische Schule |
Literatur
- Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale. Kohlhammer, Stuttgart 1966 (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg. Band 18)
Weblinks
- Alemannia Judaica - Jüdische Geschichte Baden-Württemberg
- Museum Schloss Grosslaupheim - Jüdische Geschichte