Weltwirtschaftskrise
Als Weltwirtschaftskrise bezeichnet man verkürzt den deflationären schweren Einbruch der kapitalistischen Wirtschaft in allen wichtigen Industrienationen zu Beginn der 1930er Jahre. Die Gleichzeitigkeit der Krisenerscheinungen wurde gefördert durch die gewachsene Verzahnung der Einzelwirtschaften und Finanzströme (Globalisierung). Die Weltwirtschaftskrise beendete die sog. „Goldenen zwanziger Jahre“.
Ein zuerst nur leichter Rückgang des Wachstums der weltweit führenden US-amerikanischen Volkswirtschaft ließ den spekulativ überbewerteten Aktienmarkt der USA im Oktober 1929 (Schwarzer Donnerstag) zusammenbrechen. Dies erzwang eine Umkehr der Finanzströme. Gelder, die in den Jahren davor in andere Volkswirtschaften investiert worden waren, wurden überstürzt abgezogen. In Europa (aber auch in anderen Staaten der Welt) löste dieser Kreditabzug schwerste Krisenerscheinungen in ihren meist ohnehin schon schwachen Wirtschaften aus. In der Kette der Ereignisse kam es unter anderem zu Massenarbeitslosigkeit und einem massiven Rückgang des Welthandels.
In den einzelnen Staaten wurde unterschiedlich auf die Herausforderung reagiert: Ausgehend von den skandinavischen Ländern, insbesondere Schweden, begannen die funktionierenden Demokratien mit dem Übergang zum Wohlfahrtsstaat mit Eingriffen in das Wirken der Marktgesetze z. B. New Deal des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und wachstumsfördernden öffentlichen Investitionen, finanziert durch vermehrte Schuldenaufnahme („deficit spending“). Viele Staaten wie Großbritannien koppelten ihre Währungen vom [Golddevisenstandard]] ab und konnten so wenigstens ihren Exportgewinne behalten. Wieder andere Staaten wie das Deutsches Reich versuchten dagegen durch Stärkung ihrer Währungen einhergehend mit rapidem Sozialabbau aus der Krise kommen. Dies trug zu einer Radikalisierung der Politik bei, die den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigte.
Ursachen der Weltwirtschaftskrise
Die Weltwirtschaftskrise kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Die Krise ging aus von einem weltweiten Preisverfall auf den Agrar- und Rohstoffmärkten. Im Ersten Weltkrieg hatten die USA, Südamerika und auch einige Kolonien ihre Produktion stark ausgeweitet, um die gewachsene Nachfrage der europäischen Staaten, die als Produzenten kriegsbedingt weitgehend ausfielen, zu befriedigen. Als Europa seine Produktion nach 1918 dann wieder aufnahm, kam es zu einem Überangebot, auf das die Märkte mit fallenden Preisen reagierten. Der Börsenkrach an der New Yorker Börse vom Oktober 1929 hatte eine ähnliche Wirkung: Die Börse hatte in den Monaten zuvor eine nie zuvor erlebte Hausse gesehen, weshalb viele Bürger kurzfristige Kredit aufgenommen hatten, um am Boom teilzuhaben. Als die Kurse dann zu fallen begannen, konnten sie ihre Kredite nicht mehr halten und mussten verkaufen, was die Kurse weiter drückte. Das Ergebnis war ein mehrtägiger Kurssturz von bis zu 90%. Der 24. Oktober 1929 wird deswegen auch als Schwarzer Donnerstag bezeichnet und gilt als Anfang der Weltwirtschaftskrise. Durch den extremen Kursverfall wurden Milliarden Dollar, von denen die Amerikaner geglaubt hatten, sie besäßen sie (in Wirklichkeit war das nur Spekulationsgeld) auf einen Schlag quasi vernichtet. Dies führte zu einem deutlichen Rückgang der Investitionen, zu sinkendem Konsum und zu sinkenden Preisen, mit einem Wort: zur Deflation.
Betrachtet man die Entwicklung der deutschen Aktienkurse etwas genauer, so erkennt man, dass sich nach einem relativ steten Anstieg vom Dezember 1925 bis zum April 1927 sich bereits vorher ein klarer Abwärtstrend entwickelt hatte. Diese Abwärtsentwicklung begründete sich auf einen Rückgang von staatlichen und privaten Investitionen besonders in den Jahren 1927/1928, der auf einen kleineren Krach an der Berliner Börse im Mai 1927 gefolgt war. Deswegen wird der amerikanische Börsenkrach von den meisten Forschern auch nicht als Auslöser für die Wirtschaftskrise in Deutschland angesehen, denn er beschleunigte die Entwicklung nur.
In Deutschland spielten vielmehr die folgenden Gründe eine tragende Rolle: In der Hyperinflation von 1923, als Kapital fast zum Nulltarif zu haben gewesen war, hatten die deutschen Unternehmen stark investiert. Dem stand aber keine entsprechende Nachfrage gegenüber, sodass nun große Überkapazitäten entstanden. Die Auslastung der industriellen Produktionskapazität betrug 1929 z.B. ungefähr 73% und fiel in den nächsten drei Jahren kontinuierlich auf ca. 45%, also auf die Hälfte der allgemein als optimal eingeschätzten Auslastung von 90%.
Die verringerte Nettoinvestition erzeugte zusammen mit der niedrigen Ausnutzung der Kapazitäten eine drastische Einkommensreduzierung, wodurch die Nachfrage nach Ge- und Verbrauchsgütern stark schrumpfte. Zusätzlich zog das Ausland seit 1929 in mehreren Wellen Kapital ab und so verringerten sich die inländische Geldmenge und damit auch die finanzielle Absicherung Deutschlands. Da es sich um eine weltweit auftretende Krise handelte, war es nicht möglich, durch den Export überschüssiger Waren einen Ausgleich zur rückläufigen inländischen Nachfrage zu schaffen, wie Reichskanzler Heinrich Brüning es eigentlich vorgehabt hatte: Durch Lohnsenkungen und Verbilligung der Lohnstückkosten wollte er den deutschen Export ausweiten , damit die Krise überwinden und den Reparationsgläubigern gleichzeitig beweisen, dass Deutschland nur auf diesem – für die Empfängerländer sehr unangenehmen Wege – zahlen könne. Dieser Plan ging indes nicht auf, denn Zollerhöhungen, Handelsbeschränkungen und bald auch Abwertungen der Währungen zum Schutz der heimischen Wirtschaft standen überall auf der Tagesordnung. Der Welthandel insgesamt schrumpfte stark, und es ging das Schlagwort um: „Beggar thy neighbour“ – ruiniere deinen Nächsten wie dich selbst. Daher konnte die deutsche Wirtschaft (trotz eines gewissen Exportüberschusses) nicht genügend Waren im Ausland absetzen konnten, um die Überkapazitäten in der Produktion abzubauen. Brüning hielt dennoch an seiner Deflationspolitik fest, die aber die Krise deutlich verschlimmerte. Die oft gehörte These, er habe diese Politik absichtlich betrieben, um Deutschland von seinen Reparationsverpflichtungen zu befreien, wird neuerdings mit gewichtigen Gründen angezweifelt.
Produktion
Da die Börsenkurse nicht die wirtschaftliche Entwicklung wiedergeben, sondern aus spekulativen Gründen oft entgegengesetzte Trends zeigen, ist es wichtig, sich die Entwicklung der industriellen Produktion genauer anzusehen. Im Vergleich zeigt sich, dass die Börsenkurse in den USA trotz einer Stagnation in der wirtschaftlichen Entwicklung bis Mitte 1928 ganz extrem angestiegen waren. In Deutschland dagegen war 1929 bereits ein Schrumpfen der Wirtschaft von 2% zu verzeichnen. Also war die Wirtschaftskrise auch in der Produktion nicht der Auslöser für den Abwärtstrend, denn diese Entwicklung hatte gleichfalls vorher eingesetzt. Die Wirtschaftskrise hatte in Deutschland nicht nur früher begonnen als in den USA, sondern hatte auch nicht so starke Auswirkungen auf die Produktion gehabt. Bereits 1928 spitzte sich der Widerspruch zwischen der Ausdehnung der Produktionskapazität und der verringerten Nachfrage zu. Bis Mitte 1929 kann man nur von einer Stagnation der Produktion sprechen, die aber mit einer steigenden Arbeitslosigkeit einherging. Die Industrieproduktion halbiert sich bis 1932 und die Aktien verlieren sogar zwei Drittel ihres Wertes. Mitte 1931 wirkte sich der Zusammenbruch der Banken auf große Industriekonzerne aus, die durch die Schließung der Banken an Kreditaufnahme und Neuinvestitionen gehindert wurden. Im internationalen Vergleich ist unschwer zu erkennen, dass es in jedem Land einen anderen Kursverlauf gab, was darauf schließen lässt, dass zwar überall ein Abwärtstrend erfolgte, Ausmaß, Anfangszeitpunkt und Ende der Krise aber sehr unterschiedlich waren. Diese Unterschiede hatten mehrere Ursachen. Allein schon die Stärke des Gegensatzes zwischen übermäßigem Angebot und der verringerten Nachfrage in den einzelnen Ländern spielte hier eine Rolle, ebenso die Frage, wie exportabhängig die inländische Produktion war. In Ländern, in denen viele Arbeitskräfte in der Landwirtschaft arbeiteten und wenn diese auch nur wenig exportorientiert waren, wirkte sich die Krise weniger stark aus. In Deutschland betrug der Anteil der im primären Wirtschaftssektor Beschäftigen dagegen nur 30%. Zu Beginn der Krise erfolgte in der Agrarproduktion auch anfangs kein Abwärtstrend. Im Gegenteil, ab 1931 wurde die Produktion von Nahrungsmitteln sogar ausgeweitet, um einen Ausgleich zu den Einkommensverlusten, die durch Preisrückstände entstanden waren, zu schaffen.
Arbeitsmarktsituation
Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland schien sich bis 1930 nicht von den jahren zuvor zu unterscheiden. Die Zahl der Arbeitslosen lag 1927 unter 5%; Ende September 1929 gab es 1,4 Mio. Arbeitslose, im Februar 1930 waren es 3,5 Mio., was auf jahrszeitliche Schwankungen zurückgeführt wurde. Als diese Zahl wider Erwarten im Frühjahr 1930 nicht zurückging, hofften Reichsregierung und die Reichsbank noch lange auf eine Selbstheilung der Wirtschaft, obwohl die Arbeitslosenzahl schon Ende des Jahres mit 5 Mio. Arbeitslosen im weltweiten Vergleich auf höchstem Niveau stand. Erst als sich der geringe Rückgang Mitte 1931 nicht fortsetzte, wurde man sich der extremen Entwicklung der Krise vollends bewusst. Zu dieser Zeit lief Brünings Sparprogramm bereits auf vollen Touren. Die öffentlichen Gehälter wurden um 25% vermindert und die Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfe wurden brutal gekürzt. Im Februar 1932 erreichte die Krise auf dem Arbeitsmarkt ihren Höhepunkt: Es standen 6.120.000, also 16,3%, Arbeitslose nur 12 Mio. Beschäftigten gegenüber. Zu den Arbeitslosen könnte man auch noch die große Masse der schlecht bezahlten Kurzarbeiter und Angestellten zählen, aber auch die kurz vor dem Ruin stehenden Kleinunternehmer.
Bankenkrise
Die deutsche Bankenkrise kennzeichnete den Beginn des zweiten Teils der Wirtschaftskrise, den Beginn der „Hyperdeflation“. Sie hatte zwei Ursachen. Durch gegenseitige Konkurrenz, durch feindliche Übernahmen kleinerer Banken und aufgrund spekulativer Wertpapier- und Warengeschäfte hatten die großen Banken 1925 wieder das Geschäftsvolumen von 1914 erlangt. Sie waren zwar auf Expansion ausgerichtet, aber durch Eigenkapital und liquide Mittel schlecht dafür gerüstet. Hätten sie ihr Eigenkapital mit geringeren Dividendenzahlungen aufgestockt und wären weitere Aktien herausgegeben worden, wäre die Differenz beider Größen zu der Summe der Kreditoren bei weitem nicht so groß geworden. Hinzu kam die Instabilität des internationalen Kreditmarktes. Als wichtigstes Kennzeichen hierfür muss man den einseitigen Geld- und Kapitalstrom nennen. Von 1925 bis 1929 sind ausländische Kredite von insgesamt 21 Mrd. Reichsmark (RM) nach Deutschland geflossen, denen in gleichem Zeitraum nur 7,7 Mrd. RM deutsche Anlagen im Ausland gegenüberstanden. Ein Großteil der aufgenommenen Kredite war obendrein kurzfristiger Natur, das heißt, sie mussten binnen drei Monaten zurückgezahlt werden. Bis 1929 wurden sie aber regelmäßig verlängert; ja die Banken liehen diese kurzfristigen Gelder mitunter mit langen Laufzeiten aus. Somit war die Situation der Banken bereits vor der Weltwirtschaftskrise kritisch: Sollten die ausländischen Gläubiger ihr Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Banken verlieren und die kurzfristigen Kredite einmal nicht verlängern, drohten sofort ein empfindlicher Devisenmangel bis hin zur Illiquidität. Im Ausland führte die Krise ebenfalls zur Verknappung der Liquidität der Banken. Im November 1930 gerieten die Banken in den USA und in Frankreich, wo sich die Wirtschaftskrise ansonsten noch gar nicht bemerkbar gemacht hatte, in eine Krise und zogen , große Summen kurzfristiger Gelder aus Deutschland ab. Hier erfasste die Krise zunächst hauptsächlich kleinere Banken, so dass das Ausmaß zunächst nicht so transparent war.
Erst als der Plan einer Zollunion von Österreich und Deutschland im März 1931 auf entschiedenen Widerstand Frankreichs traf, welches das als einen Bruch des Versailler Vertrags ansah, verschlechterte sich die Situation der österreichischen Banken in Österreich empfindlich. Ermuntert von der französischen Regierung zogen die Pariser Großbanken ihre Kredite aus Österreich ab, was den Zusammenbruch der größten österreichischen Bank bewirkte. Man befürchtete nun, dass diese Entwicklung ebenso in Deutschland auftreten könnte. In dieser gefährlichen Lage erklärte Reichskanzler Brüning selbst im Juni 1931 aus innenpolitischen Gründen – er hoffte nämlich auf die Unterstützung der Rechten und der Rechtsradikalen im Reichstag für ein neues Paket von Sparmaßnahmen – die Reparationen öffentlich für "unerträglich". Das schien auf eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des Reiches zu deuten und untergrub das Vertrauen der ausländische Kapitalmärkte nachhaltig. Devisen im Wert von mehreren Milliarden RM wurden abgezogen, und nachdem im Juli 1931 eine der Berliner Großbanken illiquide geworden war, kam auch noch ein massenhafter Ansturm der Bevölkerung auf die Banken hinzu: Niemand im In- und Ausland hatte mehr Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der deutschen Banken. Deswegen mussten sie am 13. Juli 1931 ihre Zahlungen einstellen, weil sie einfach kein Geld mehr herausgeben konnten. Die Kreditorenbeträge sanken im Juni/Juli um 21,4%. Um die Bankenkrise zu überwinden, wurden die Banken für mehrere Tage geschlossen und der Kontrolle der Regierung unterstellt. Auch die Börse blieb monatelang geschlossen – Kredite und Neuinvestitionen waren so monatelang unmöglich. Zudem war einen Monat zuvor das Hoover-Moratorium, das zur Wiederherstellung des Vertrauens alle politischen Schulden für ein Jahr stornierte, psychologisch verpufft, weil französische Vorbehalte wochenlange, schwierigste Verhandlungen nötig gemacht hatten. Da Reichsbankpräsident Hans Luther den Abfluss von Devisen ins Ausland mit allen Mitteln stoppen wollte, erhöhte er den Diskontsatz auf 15% und bewirkte dadurch eine extreme inländische Kreditverteuerung und -verknappung. Der Banknotenumlauf betrug 1929 noch 5 Mrd. RM, aber durch Luthers Maßnahmen verringerte er sich um 30% auf 3,5 Mrd. RM im Jahre 1932.
Außenhandel
Im Ersten Weltkrieg und in den Nachkriegsjahren ging der Außenhandel erheblich zurück. Die Hyperinflation von 1923 hatte zwar den Wiederaufschwung der deutschen Industrie, erleichtert, doch auch zu massiven Fehlinvestitionen geführt. Zwar erreichte die deutsche Industrieproduktion schon 1926 wieder ihren Vorkriegsstand, doch der Import überstieg bereits 1925 den Importwert des Vorkriegsjahres: Deutschland hatte bis 1930 eine passive Handelsbilanz. In der Weltwirtschaftskrise sank die Einfuhr schneller als die Ausfuhr, stellte sich ein Exportüberschuss ein. Das Verhältnis zwischen inländischen und ausländischen Waren verschob sich daher zu Deutschlands Gunsten. Die Preise fielen zwischen 1928 und 1933 für importierte Waren um 55%, für ausgeführte Waren um 26%. Im Verhältnis zu den Vorkriegsjahren hatte sich die Importstruktur aber nur geringfügig verändert. Die Fertigwareneinfuhr stieg von 13% 1913 auf ungefähr 17% 1925 bis 1933. Deren Ausfuhr betrug 1913 66% und in dem eben genannten Zeitraum 75%. Bei Nahrungsmitteln, Halbwaren und Rohstoffen gab es kaum Veränderungen. Die Nahrungsmitteleinfuhr betrug schon vor dem Krieg ein Drittel des gesamten Imports. Die Exportquote lag 1913 bei 19%, im Zeitraum von 1925 und 1931 bei ungefähr 15%, 1932 bei 11% und 1933 sogar nur etwa 9%.
Maßnahmen zur Überwindung der Krise und deren Auswirkungen Die Krise schien die deutsche Wirtschaft zunächst nicht direkt zu beinträchtigen und die Auslandskrediten der Länder und der Privatwirtschaft blieben bis September 1930 im Land. Am 14. September 1930 wurde die NSDAP bei den Reichstagswahlen zweitstärkste Partei und sofort wuchsen die Kreditabzüge in schwindelerregende Höhen, denn im Ausland war man von der politischen Entwicklung beunruhigt. Aber nicht nur wegen des Wahlerfolges der NSDAP wurde ausländisches Kapital abgezogen; es sollte auch die Liquidität in den betreffenden Ländern erhöhen. Die Reichsregierung betrachtete die Wirtschaftskrise als ein Ungleichgewicht des Staatshaushaltes. Das Defizit betrug Ende 1929 1,5 Mrd. RM. Die Reichsbank unternahm erst etwas, als die Deckung der Goldreserven- und Devisenreserven des Geldumlaufs durch den Transfer der gekündigten Auslandskredite unter die gesetzlich festgelegte 40%-Grenze fielen (siehe Golddevisenstandard), doch die Erhöhungen des Leitzinses verschärften die Krise noch. Gleichfalls krisenverschärfend wirkten die Maßnahmen, die Reichskanzler Heinrich Brüning ergriff. Brüning hatte immer versucht, der Bevölkerung die Ursachen der Wirtschaftskrise und sein Konzept zur Abhilfe klarzumachen. Er erklärte, dass die getroffenen Regierungsentscheidungen zu einer Wiedergenesung der deutschen Wirtschaft führen würden, aber nur, wenn die Bevölkerung die sich daraus ergebenen Härten mit Geduld ertrüge. Er hoffte, seine Deflationspolitik würden den Export wiederbeleben und so genügend Devisenreserven für die Reparationszahlungen erwirtschaften. Außerdem wollte er so mehr Arbeitsplätze in der Industrie schaffen. Mit Hilfe von Notverordnungen versuchte er die öffentlichen Ausgaben und vor allem den Staatsetat den sinkenden Preisen und Steuereinnahmen anpassen – ein Rennen, das er nicht gewinnen konnte, weil seine Maßnahmen dazu beitrugen, dass Preise und Steuereinnahmen immer weiter sanken. Auf Grund der im Rückblick offenkundigen Verfehltheit von Brünings Deflationspolitik vermutete die ältere Forschung, es sei sein primäres Ziel gewesen, durch absichtliche Verschärfung der Krise die Alliierten davon zu überzeugen, dass die Reparationsforderungen einfach nicht erfüllbar waren. Zudem würde die Einstellung der Zahlungen die radikalen politischen Kräfte schwächen. Weil er den Zusammenhang zwischen Reparationen und Deflationspolitik aber fast ausschließlich in öffentlichen Reden, nicht aber in internen Besprechungen äußert, glauben neuere Forschungen dagegen, dass er ehrlich davon überzeugt war, zu seiner Politik keine Alternative zu haben. Brüning steckte in einer Zwickmühle: Er musste den Reparationsgläubigern Deutschlands ehrlichen Willen nachweisen, den Young-Plan zu erfüllen, machte sich aber eben dadurch für die politische Rechte angreifbar, auf deren innenpolitische Unterstützung er gleichwohl hoffte. So strengte er die Zollunion mit Österreich an, die aber, wie bereits erwähnt, wegen Frankreich den Zusammenbruch des Bankensystems einleitete. Ob es realisierbare Alternativen zu Brünings Deflationspolitik und zur sparsamen Haushaltsführung gab, die die Krise nur verschärften, ist in der historischen Forschung sehr umstritten. Denkbar wären a) eine Abkopplung der Reichsmark vom Golddevisenstandard gewesen, b) eine Kreditausweitung oder c) eine Erhöhung der Geldmenge z.B. durch Notenbankkredite . Gegen alle drei Optionen gab es, wie der Münchner Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt faktenreich nachzuweisen suchte, wichtige Argumente: Auf Grund der (zum Teil durch eigene Schuld verschlimmerten) Vertrauenskrise standen der Reichsregierung keine Kreditmöglichkeiten offen; eine Abkehr vom Golddevisenstandard war völkerrechtlich durch den Young-Plan ausgeschlossen und hätte die traumatische Erinnerungen an die Hyperinflation von 1923 wachgerufen. Dasselbe Argument sprach auch gegen einen Ausgleich des defizitären Haushalts mit Hilfe der Notenpresse. Die Kreditausweitung, die unter Brünings Nachfolgern eingeleitet und die Hjalmar Schacht, Adolf Hitlers Wirtschaftsexperte, ab 1933 dann massiv betrieb, war jedenfalls nur durch die ganz erhebliche Verschleierungsmechanismen der MEFO-Wechsel möglich.
Besonderheiten der Weltwirtschaftskrise
Das Besondere an der Weltwirtschaftskrise war, dass sie keine Krise in der Produktion wie die bis dahin bekannten war. In einer Produktionskrise sind nicht genügend Güter vorhanden, um die Menschen zu versorgen (so genannte Unterkonsumptionskrise, z.B. Hungerkrisen durch Missernten), aber bei einer Überakkumulationskrise wie der Weltwirtschaftskrise finden bereits produzierte Güter keinen Absatz mehr. Während einerseits die Lebensmittel in den Lagern verfallen, müssen tausende Menschen Hunger leiden. Zahlreiche Menschen verloren ihre Arbeit, weil viele Fabriken aufgrund des geringen Absatzes stillgelegt wurden. Die Betriebe hatten - getrieben von den spekulativen Erwartungen der Börsen und nicht orientiert an der Kaufkraft des Volkes - über den Bedarf des Marktes hinaus produziert. Hinzu kam dann noch die schwere Erschütterung des Vertrauens der Kreditmärkte durch den New Yorker Börsenkrach und durch die ungelöste Reparationsfrage, die zu weiterer Verknappung des Kapitals und zu einer Steigerung der Deflation führten.
In den USA Die Geldmenge ging während der Krise, die als "Great Depression" bezeichnet wurde, um ein Drittel zurück. Tausende von Banken stellten ihren Geschäftsbetrieb ein. Die industrielle Produktion und die Einkünfte der Farmer halbierten sich. Jeder vierte US-Bürger war arbeitslos. Der Aktienindex Dow Jones fiel von 381,17 Punkten (im September 1929) auf 41,22 (Tiefpunkt im Juli 1932). Geldvermögen von rund 74 Milliarden US-Dollar war verloren, das entspricht in heutiger Kaufkraft etwa 1 Billion US-Dollar (oder mehr als 800 Milliarden Euro). Alle Industrieländer wurden ausgehend von den USA von der Krise erfasst. Das internationale Währungssystem mit festen Wechselkursen sorgte dafür und zerbrach schließlich.
Im Deutschen Reich
Die einsetzende Depression wurde durch die Reparationszahlungen für den verlorenen Ersten Weltkrieg und die Rückforderung früher erhaltener Auslandskredite besonders zugespitzt. Eine Spirale von sinkender Kaufkraft, Nachfrage, Produktion und Beschäftigung kam in Gang. Die Einkommen reduzierten sich um ein Fünftel, der Aktienindex um über ein Drittel. Die Warenproduktion in der Industrie sank auf den Stand von 1904.
Begriffserklärungen
- Deflation: Sinken des Preisniveaus
- Devisen: ausländische Zahlungsmittel
- Diskont: Zinsabzug, Zinsvergütung
- Dumping: Preisunterbietung
- Geldtransfer: Geldüberweisung
- Kredit: befristete Überlassung von Geldern
- Kreditor: Gläubiger, Kreditgeber
- Liquidität: die Möglichkeit, das Vermögen in Geld umzuwandeln
- Moratorium: Zahlungsaufschub
- Wertpapier: Aktie, Anleihen