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Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch

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Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch, eigentlich Lazar Mossjewitsch Kogan, (russisch Лазарь Моисеевич Каганович; * 10.jul. / 22. November 1893greg. in Kabany, Gouvernement Kiew; † 25. Juli 1991 in Moskau) war ein sowjetischer Politiker.

Leben

Aufstieg

Lasar Kaganowitsch, war der Sohn jüdischer Eltern. Er lernte das Handwerk eines Schuhmachers und arbeitete danach in einer Schuhfabrik. Im Jahr 1911 schloss er sich der Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) an. Er führte eine aktive propagandistische Parteiarbeit unter den jüdisch stämmigen Arbeitern der Nordukraine und in Weißrussland . Während des Ersten Weltkrieges verhaftet, gelang ihm die Flucht zuerst nach Kiew, dann in das Donezbecken , wo er in der Stadt Jusowka als illegaler Bolschewik mit falschen Papieren ausgestattet tätig war. Dort lernte er den jungen Chruschtschow kennen. Nach der Februarrevolution 1917 wurde er in die Armee einberufen und nach Saratow geschickt, wo er Mitglied der lokaler Bolschewiki-Organisation wurde. Als das seinen Vorgesetzten bekannt wurde, flüchtete er nach Gomel, da er verhaftet werden sollte. Dort erreichte ihn die Nachricht von der erfolgreichen Oktoberrevolution in Petrograd . Kaganowitsch nahm aktiv an der Machtübernahme in Gomel teil und war als Politkommissar tätig. Er war Mitglied der bolschewistischen Fraktion der Konstituante, die von Lenin im Januar 1918 aufgelöst wurde, und Delegierter auf dem 3. Allrussischen Kongress.

Im Juni 1918 wurde er Mitglied der Propagandaabteilung der Roten Armee und ging zuerst nach Nischni Nowgorod und danach nach Woronez . Dort erlebte er den Vorstoß des Mamontow-Korps , flüchtete nach Norden, wo er das lokale militärrevolutionäres Komitee leitete. Nach dem Scheitern der weißen Truppen übernahm er für kurze Zeit die Leitung des Gouvernements Woronez. Im Sommer 1920 wurde Kaganowitsch zum Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare (Regierungschef) von Turkestan ernannt. Gleichzeitig wurde er Mitglied des Büro der RKP(b) für Turkestan, Volkskommissar der Arbeiter-und Bauerninspektion und Vorsitzender des Stadtsowjets von Taschkent .

Kaganowitsch machte als getreuer Gefolgsmann Stalins, eine steile Karriere in der Partei. Nach seiner Wahl zum Generalsekretär der Partei berief Stalin Kaganowitsch aus Mittelasien nach Moskau ab. Von 1922 bis 1923 war er Abteilungsleiter der Organisationsabteilung des Zentralkomitees (ZK). In dieser Zeit veröffentlichte er zwei Broschüren über theoretische Fragen, die seine ersten Abhandlungen waren. Vom 2. Juni 1924 bis zum 30. April 1925 war er zum ersten Mal zum Sekretär des Zentralkomitees gewählt. Stalin brauchte ihm treu ergebenen Leute als Leiter aller wichtigen Sowjetrepubliken, um in dem sich bereits abzeichnenden Kampf mit Grigori Sinowjew und Lew Kamenew seine Machtbasis auch in der Provinz zu vergrößern. Deswegen setzte er die Ernennnung Kaganowitschs zum Generalsekretär der Ukrainischen kommunistischen Partei (von 1925 bis 1928) durch.

Kaganowitschs Politik in der Ukraine zeichnete sich durch die Politik der Ukrainisierung, das heißt der Förderung ukrainischer Sprache in den Schulen und der lokalen nationalen Kader im Verwaltungs- und Parteiapparat. Gleichzeitig ließ er den Kampf gegen "kleinbürgerliche Nationalisten" und Verfechter größerer Autonomie verstärken. Das führte dazu, dass einerseits fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens ukrainisch geprägt wurden und es eine ukrainische Oper und das ukrainische Theater entstanden waren. Andererseits misstraute Kaganowitsch allen Ukrainern, die er für potenzielle Nationalisten hielt. Er forderte von seinen Untergebenen, sie sollen Ukrainisch lernen ( er selber beherrschte die Sprache sehr gut) und sich für die lokale Kultur interessieren. Bei allen Konflikten der ukrainischen Republikführung mit Moskau stand er allerdings immer auf der Seite Moskaus.

Kaganowitschs Politik in der Ukraine provozierte viele Konflikte mit den lokalen Parteigliederungen und der übrigen Führung der Republik. So bestanden Wlas Tschubar und Petrowski auf einer Abberufung Kaganowitschs aus der Ukraine. Stalin verfügte noch nicht über die absolute Macht und suchte die inneren Konflikte in der ukrainischen Parteiführung zu entschärfen. Er berief Kaganowitsch zurück nach Moskau, wo dieser wieder zum Sekretär des ZK ernannt wurde (vom 12. Juli 1928 bis 10.März 1939)

Im Zentrum der Macht

Vom 23. Juli 1926 bis zum 13. Juli 1930 war Kaganowitsch Kandidat des Politbüros der KPdSU. 1930 stieg in das höchste politische Gremium der Sowjetunion auf: Vom 13. Juli 1930 bis zum 29. Juni 1957 war er Vollmitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Bis zum Tode Stalins 1953 war er neben Schdanow, Molotow, Woroschilow, Mikojan, Malenkow und Berija einer der mächtigsten Parteiführer unter Stalin.

Kaganowitsch unterstütze die Entmachtung von Nikolai Bucharin und Alexei Rykow und war einer der Verfechter der Abschaffung der Neuen Ökonomischen Politik. Er begrüßte die Zwangskollektivierung der sowjetischen Landwirtschaft und spielte eine große Rolle bei dem Kampf gegen die sogenannte Kulakenklasse auf dem Lande. Er wurde zum engsten Mitarbeiter Stalins und war in der ersten Hälte der 1930er Jahre faktisch sein Stellvertreter. Er versuchte sich als Philosoph und attackierte auf dem XVI. Parteitag 1930 den berühmten russischen Philosophen und Wissenschaftler Lossew, indem er ihn unter anderem als "Reaktionär" und "Feind der Sowjetmacht" bezeichnete. Er beteiligte sich an der Diskussionen über den "wissenschaftlichen Marxismus" ein und vertrat dogmatische Positionen. Als Volkskommissar der Arbeiter-und Bauerninspektion übernahm er die Rolle des obersten Hüters der Reinheit des Marxismus-Leninismus. Er war verantwortlich für die Kaderernennungen in allen maßgeblichen Parteizeitschriften und trat für die Bekämpfung des in seinen Augen unnötigen "formal-bürokratischen Herumstocherns" in den Parteidokumenten und des "faulen Liberalismus" gegenüber den "Parteifeinden" ein. Sein besonderer Eifer galt der Bekämpfung aller möglichen Formen von "Abweichungen" in der Erforschung des Marxismus und Leninismus, so vor allem des Trotzkismus und der sogenannten "Bucharinschen Schule".

Gemeinsam mit Molotow nahm er an der All-Ukrainischen Partei Konferenz 1930 teil und unterstütze die Kollektivierungspolitik aktiv, die nach Meinung vieler Historiker zu der katastrophalen Hungersnot von 1932-1933 in der Ukraine führte. Im Sommer 1932 reiste Kaganowitsch als Leiter einer großen Regierungsdelegation in den Nordkaukasus um "Sabotage" in der Belieferung des Staates mit Weizen und Roggen zu bekämpfen. In der Folge wurden die Einwohner ganzer Kosakendörfer nach Sibirien deportiert und Tausende Menschen verhaftet. Mitte Dezember 1932 reiste Kaganowitsch wiederum in die Ukraine, wo er die dort bereits wütende Hungersnot noch einmal durch Terror und unrealistische Forderungen nach Abgabe des nicht vorhandenen Weizens verschärfte.

In der Funktion als Sekretär des ZK war er technischer Organisator des „XVII. Parteitages der Sieger” vom Januar 1934. Danach leitete er die Parteikontrollkomission und von 1930 bis 1935 die Moskauer Parteiorganisation. Als Erster Sekretär der Moskauer Parteiorganisation war Kaganowitsch für die "Umgestaltung" des äußeren Erscheinungsbildes der Stadt verantwortlich. Seine Tätigkeit begann mit der "Aufdeckung" von verschiedenen "konterrevolutionären Verschwörungen" innerhalb der Verwaltungs- und Wirtschaftsabteilungen der Hauptstadt. Kaganowitsch war einer der Hauptverantwortlichen für die Zerstörung des "alten Moskau". Infolge des Generalüberholungsplans wurden dutzende Kirchen und denkmalgeschützte Gebäude abgerissen und Moskau zur "Idealstadt der Zukunft" und zum "sozialistischen Laboratorium" erklärt. Die Sprengung der „Christ-Erlöser-Kathedrale“ in der Moskauer Innenstadt 1931 gehörte zu einem der Höhepunkte der neuen architektonischen Umgestaltung Moskaus. Sie wurde erst nach dem Ende der Sowjetunion zwischen 1992 und 2000 am alten Ort wieder aufgebaut.

Um die überfüllten Moskauer Straßen zu entlasten und den Verkehr an die veränderte demographische Situation anzupassen war der Bau der ersten sowjetischen U-Bahn sowohl in praktischer Hinsicht als auch als Demonstration der fortschrittlichen bolschewistischen Ideologie die "Baustelle Nr. 1". Kaganowitsch spielte dabei die Rolle des "Einpeitschers", der sich persönlich um alle Details kümmerte und nach Kräften versuchte, die Rückschläge und Missstände durch aggressive pseudomilitärische Propaganda zu kompensieren. Um die Arbeiter zu motivieren, nahm Kaganowitsch sogar selber den Spaten in die Hand. Trotz all dieser Anstrengungen gelang es nicht, die ersten Linien zum 7. November 1934 für den öffentlichen Verkehr zu eröffnen. Erst am 15. Mai 1935 fuhren Stalin, Kaganowitsch und andere Parteiführer "zusammen mit dem einfachen Volk" zum ersten Mal mit der U-Bahn. Eine Station der Moskauer Metro trug den Namen Kaganowitschs. Für den Bau der Metro wurde er mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet.

In der Regierung der Sowjetunion

Am 28. Februar 1935 wurde er zum Volkskommissar für das Eisenbahnwesen ernannt, blieb aber Sekretär des ZK und Mitglied des Politbüro. Seine Posten als Erster Moskauer Parteisekretär und Leiter der Parteikontrollkomission gab er auf.

1937 bis 1939 war er Volkskommissar für die Schwerindustrie und 1938 bis 1942 Volkskommissar für das Eisenbahnwesen, gleichzeitig leitete er 1939 das Volkskommissariat für die Brennstoffe und 1939 bis 1940 das Volkskommissariat für die Ölindustrie. Von 1938 bis 1947 war er stellvertretender Vorsitzender des Sownarkom bzw. ab 1946 des Ministerrates der Sowjetunion und 1943 bis 1944 zum dritten Mal der Volkskommissar für das Eisenbahn- und Transportwesen. 1945 bis 1947 Minister für Baustoffe sowie von 1947 bis 1955 Stellvertretender und von 1955 bis 1957 Erster Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates in den Kabinetten von Stalin, Malenkow und Nikolai Bulganin .

Stalinsche Säuberungen

Als aufbrausend und herrisch, durchgreifend und rücksichtslos, beschrieben, war er mitverantwortlich für die Stalinschen Säuberungen in den Jahren 1937 bis 1939. Er rechtfertigte sich später: „Wir haben uns versündigt, in dem wir zu weit gingen und gewiss alle Fehler gemacht … dafür aber den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben.” Die Zahl der Opfer überstieg die Millionengrenze.

Kaganowitsch war unmittelbar an der Verfolgung des Theaterregisseurs Wsewolod Meyerhold beteiligt. In der Ukraine gilt Kaganowitsch bis heute für die durch die Zwangskollektivierung herbeigeführte Hungersnot in der Bevölkerung in den 1930er Jahren als verantwortlich. Er tat nichts gegen die Verfolgung seines Bruders Michail Kaganowitsch , der sich, nachdem er offiziell von der Parteikonferenz 1941 verwarnt wurde, das Leben nahm. In dieser Zeit verlor Kaganowitsch viel an seinem Einfluss und wurde als Politbüromitglied zweiter Reihe betrachtet.

Seine Schwester (nach anderen Angaben: Nichte) Rosa Moissejewna Kaganowitsch wird von einigen Historikern als dritte Ehefrau Stalins — Rosa Stalina — eingeordnet. In der neueren Forschung findet sich jedoch keine derartige Bestätigung.

Zweiter Weltkrieg und Nchkriegszeit

Während des „Krieges gegen die Sowjetunion” war er ab Februar 1942 als Mitglied des Staatlichen Verteidigungskomitees (Kriegskabinett) für sämtliche Kriegstransporte und Um- bzw. Ansiedlungen von Industriekomplexen verantwortlich. Er wurde er als Volkskommissar für das Eisenbahn- bzw. Transportwesen abgelöst. In diesem Zusammenhang wurden ihm "Versäumnisse in den Organisationsfragen" vorgeworfen. In dieser Zeit verlor er die Gunst Stalins. Die Tatsache, dass Kaganowitsch ein Jahr später wieder zum Volkskommissar für Transportwesen ernannt wurde, kann als Begnadigung bewertet werden. In der Zwischenzeit war er im Nordkaukasus tätig, wo er 1942 als Mitglied des Militärrates der Nordkaukasischen Front für die Evakuierung und Liquidierung der dortigen Ölförderanlagen zuständig war.

Von 1946 bis 1947 löste er für kurze Zeit Chruschtschow als Erster Sekretär der Ukrainischen Parteiorganisation ab, um nach einer Dürre die Leitung des Wiederaufbaus zu übernehmen. Dort arbeitete er zusammen mit Patolitschew. Er förderte Leonid Iljitsch Breschnew, den er zum Parteisekretär des Gebietes Saporischschja machte und Wladimir Semitschastny ,den er zum Generalsekretär des ukrainischen Komsomol ernannte, nachdem er fast die gesamte Führungsspitze dieser Organisation vernichtet hatte. Sein Führungsstil unterschied sich keinesfalls von den gewohnten Mustern der 1930er Jahre. Allerdings forderte Stalin Kaganowitsch zur Zusammenarbeit mit Chruschtschow auf und berief ihn wenige Monate später zurück nach Moskau ab. All das waren deutliche Zeichen des Misstrauens gegenüber seinem früheren engsten Mitarbeiter.

Als Stellvertretender Ministerpräsident oblag ihm ab 1947 unter anderem die Kontrolle der Ministerien für den Komplex der Schwerindustrie, des Verkehrs und des Wiederaufbaus. Kaganowitsch war der einzige Jude in der obersten sowjetischen Führung, unternahm jedoch nichts, um die Ende 1940er gestartete antisemitische Kampagne zu stoppen. Sein Einfluss schwan zunehmend.

Machtverlust

Nach dem Tode Stalins (1953) und dem XX. Parteitag der KPdSU von 1956 gelang es Chruschtschow 1957 die „Stalinisten“ (Malenkow, Molotow, Kaganowitsch, Perwuchin, Saburow, Bulganin und Woroschilow), die seine Ablösung betrieben, als Mitglieder der „Anti-Partei-Gruppe” zu entmachten. Kaganowitsch wurde in die Stadt Asbest als Direktor eines Werkes geschickt, das sich auf die Produktion von Asbest spezialisierte, blieb dort aber nur ein Jahr und kam 1958 nach Kalinin, wo er für Wohnungsbau zuständig war. Nach dem XXII. Parteitag im Jahre 1961 wurde er zusammen mit Molotow, Malenkow und anderen aus der Partei ausgeschlossen und in die Rente geschickt.

Danach durfte er in Moskau bleiben, wo er als Pensioner bis zu seinem Tod 1991 wohnte. Zeit seines Lebens beharrte er darauf, dass die Politik Stalins und seine eigene Rolle darin der einzig richtige Weg waren. Um seine Positionen zu untermauern, schrieb er Memoiren, in denen er versuchte, die Zeit der stalinschen Repressalien auszublenden und seine eigene Rolle in der Revolution hervorzuheben. Aber alle seine Versuche zur eigener Rehabilitierung waren in den 1970er Jahren gescheitert.

Literatur

  • Leo Trotzky: Stalin – Eine Biographie; Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, 1952; Herrsching: Pawlak, [1982?]; ISBN 3-88199-074-7; Essen: Arbeiterpresse-Verlag, 2001; ISBN 3-88634-078-3
  • Bertold Spuler: Regenten und Regierungen der Welt; Minister-Ploetz Bd. 4, Teil 2: Neueste Zeit 1917/18–1964; Würzburg: Ploetz, 19642
  • Merle Fainsod: Wie Russland regiert wird; Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, 1965
  • Simon Montefiore: Stalin. Am Hofe des roten Zaren; Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 2006; ISBN 978-3-596-17251-1
  • Roj Medwedew. Okruzenie Stalina. Moskau, 2006.