Antidiskriminierungsgesetz
Das Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz - ADG) soll den Schutz von Minderheiten im Privatrechtsverkehr verbessern. Zu dem Zweck erhalten Angehörige der durch das Gesetz geschützten Personengruppen Rechtsansprüche gegen Private, die sich in einer gesetzlich sanktionierten Weise gegenüber dem Geschützten verhalten.
Die Besonderheit des ADG liegt darin, dass es umfassend in den Privatrechtsverkehr eingreift. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dies, da der Grundrechtsschutz primär nur staatliches Handeln erfasst (abgesehen von der sog. mittelbaren Drittwirkung über die zivilrechtlichen Generalklauseln und deren Anwendung durch Gerichte), notwendig, um den objektiv-rechtlichen Auftrag des Grundgesetzes auch unter den Bürgern umzusetzen.
Bislang ist das ADG noch nicht verabschiedet.
Basisdaten | |
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Kurztitel: | Antidiskriminierungsgesetz |
Voller Titel: | Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung |
Typ: | Bundesgesetz |
Rechtsmaterie: | Arbeitsrecht, Zivilrecht, Verwaltungsrecht |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Abkürzung: | ADG |
FNA: | noch keiner |
Verkündungstag: | noch nicht erlassen |
Aktuelle Fassung: | noch keine |
Hintergrund
Das ADG dient der Umsetzung folgender EU-Richtlinien:
- 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22), sog. Antirassismus-Richtlinie
- 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16), sog. Rahmenrichtlinie Beschäftigung
- 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15), sog. Gender-Richtlinie
- Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. Nr. L 373 vom 21/12/2004 S. 0037 - 0043), abgek.: Gleichbehandlungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt
Ein früherer Diskussionsentwurf sah eine Integration des Antidiskriminierungsrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor.
Nach aktuellem Stand sollen jedoch zwei eigene Gesetze geschaffen werden, die die Materie einheitlich regeln: neben dem bereits erwähnten ADG noch das Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Diskriminierungen (SADG).
Darüber hinaus werden Änderungen in bereits bestehenden Gesetzen vorgenommen, z.B. im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Bundesbeamtengesetz (BBG), verschiedenen Büchern des Sozialgesetzbuchs (SGB I-IV) etc.
Begriff der Diskriminierung
Diskriminierungen sind gemäß § 1 ADG Benachteiligungen aufgrund
- der "Rasse" (dazu unten),
- der ethnischen Herkunft,
- des Geschlechts,
- der Religion oder Weltanschauung,
- einer Behinderung,
- des Alters
- oder der sexuellen Identität
bei (vgl. § 2 Abs. 1 ADG)
- der Einstellung in ein Arbeitsverhältnis,
- der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses (Arbeitsentgelt, Beförderung, Entlassung etc.) sowie der Berufsaus- und Fortbildung,
- der Mitgliedschaft in Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung,
- dem Sozialschutz,
- sozialen Vergünstigungen,
- Bildung
- oder dem Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.
Zitat aus der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Begriff der "Rasse":
"Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unproblematisch und bereits bei der Erarbeitung der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (...). Die Mitgliedstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben letztlich hieran festgehalten, weil Rasse den sprachlichen Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen - genutzt werden soll.
Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Artikel 13 EG-Vertrag, dessen Ausfüllung die Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. In Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs Rasse in der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG bedeutet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur Klarstellung wurde daher – auch in Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags - die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“ gewählt. Sie soll deutlich machen, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt."
Folgende Formen der Ungleichbehandlung sind zu unterscheiden:
- unmittelbare Diskriminierung: weniger günstige Behandlung einer Person als einer anderen in einer vergleichbaren Situation (§ 1 Abs. 1 ADG),
- mittelbare Diskriminierung: Benachteiligung durch scheinbar neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren (§ 1 Abs. 2 ADG),
- Belästigung: Verletzung der Würde der Person, insb. durch Schaffung eines von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds (§ 1 Abs. 3 ADG),
- sexuelle Belästigung (§ 1 Abs. 4 ADG),
- die Anweisung zu einer dieser Verhaltensweisen (§ 1 Abs. 5 ADG).
Rechtsfolgen von Ungleichbehandlungen
Individualarbeitsrecht
§ 7 Abs. 2 ADG stellt klar, dass im Arbeitsverhältnis alle Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam sind (diese Klarstellung ist allerdings rein deklaratorisch, da sich diese Rechtsfolge bereits aus § 134 BGB in Verbindung mit der jeweils verletzten Norm ergibt).
Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist. So kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn dadurch auf angemessene Weise eine bestehende Diskriminierung beseitigt wird (§ 5 ADG). Ein absoluter Vorrang der geschützten Gruppe ist dabei jedoch ausgeschlossen.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist nur zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist (z.B. Einstellung einer Balletttänzerin), § 8 Abs. 1 Nr. 1 ADG. Für diesen Einwand trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast. Er wird also den Prozess verlieren, wenn er unzureichend vorträgt oder der Beweis misslingt.
Unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder Weltanschauung sind ebenfalls nur ausnahmsweise zulässig (§ 9 Abs. 1 ADG). So wird es z.B. keine verbotene Diskriminierung darstellen, wenn ein Moslem nicht als Leiter eines katholischen Kindergartens eingestellt wird. Dies entspricht auch der bereits bestehenden Rechtslage im Arbeitsrecht bei sog. Tendenzbetrieben.
Altersbedingte Ungleichbehandlungen können nach § 10 ADG gerechtfertigt werden, wenn sie objektiv angemessen sind und ein legitimes Ziel verfolgen.
Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor und ergreift der Arbeitgeber nicht die geeigneteten Maßnahmen, um diese zu beseitigen (§ 12 ADG), hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 ADG). Er darf also, ohne den Anspruch auf das Arbeitsentgelt zu verlieren, die Arbeit einstellen, soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist (§ 14 ADG). Daneben hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden und sonstiger Schäden, die er durch eine Diskriminierung erleidet (§ 15 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 ADG). Jede Diskriminierung gilt als Pflichtverletzung des Arbeitsvertrags (§ 7 Abs. 3 ADG). Bei Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung obliegt es dem Arbeitgeber, sich zu entlasten, d.h. im Prozess darzulegen und nötigenfalls zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (§ 15 Abs. 4 S. 2 ADG); dies entspricht auch dem allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatz (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Der Arbeitgeber haftet nicht nur für eigenes Verhalten, sondern nach § 16 ADG auch für jede Diskriminierung
- durch Beschäftigte, die im Namen des Arbeitgebers gegenüber anderen Beschäftigten Weisungen erteilen dürfen, in Ausübung dieser Befugnisse erfolgt (§ 16 Nr. 1 ADG)
- oder durch sonstige Beschäftigte oder Dritte erfolgt und der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus § 12 Abs. 1 bis 3 schuldhaft verletzt hat (§ 16 Nr. 2 ADG); in diesem Fall liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer.
Die Vorschriften des ADG gelten - unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung - auch für Beamte und Richter (§ 25 ADG).
Kollektives Arbeitsrecht
Regelungen dazu finden sich insb. in §§ 15 Abs. 2, 18, 19 ADG.
Allgemeines Zivilrecht
Auch im allgemeinen Zivilrechtsverkehr sind Diskriminierungen aus einem der in § 1 ADG genannten Gründen grundsätzlich unzulässig. Das betrifft nach § 20 ADG
- den Abschluss von sog. Massengeschäften (Begriff: § 20 Abs. 1 Nr. 1 ADG)
- und privatrechtliche Versicherungsverträge.
Darüber hinaus ist jede Benachteiligung aus Gründen der "Rasse" oder ethnischen Herkunft auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig (§ 20 Abs. 2 ADG).
Keine Anwendung finden Diskriminierungsverbote nach §§ 20 ff. ADG auf:
- familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse (§ 20 Abs. 4 ADG)
- Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird (§ 20 Abs. 5 S. 1 ADG); dies gilt auch für das Mietrecht, und zwar insb., wenn die Parteien oder ihre Angehörigen auf demselben Grundstück wohnen (§ 20 Abs. 5 S. 2 ADG).
Liegt objektiv eine Ungleichbehandlung vor, kann diese im Einzelfall gerechtfertigt, d.h. erlaubt und sanktionslos, sein.
Rechtfertigungsgründe können sich aus entsprechender Anwendungen des 2. Abschnittes (betrifft das Arbeitsrecht, s.o.) ergeben (§ 20 Abs. 3 S. 2 ADG). Weitere Rechtfertigungsgründe stellt § 21 ADG. Gerechtfertigt sind demnach Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z.B. zur Abwehr von Gefahren (§ 21 Nr. 1 ADG).
Bei Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung hat der Benachteiligte folgende Ansprüche:
- auf Beseitigung der Diskriminierung (§ 22 Abs. 1 S. 1 ADG)
- auf Unterlassung künftiger Diskriminierungen (§ 22 Abs. 1 S. 2 ADG)
- auf Abschluss des Vertrags (sog. Kontrahierungszwang), der aufgrund der Diskriminierung nicht zustande gekommen ist (§ 22 Abs. 2 ADG); hierfür muss der Benachteiligte jedoch darlegen und beweisen, dass der Vertrag ohne die Diskriminierung abgeschlossen worden wäre (§ 22 Abs. 2 S. 2 ADG)
- Schadensersatz (§ 22 Abs. 3 ADG); hier gilt dasselbe wie im Arbeitsrecht (s.o.)
Besonderheiten im Prozess
Beweislast für Diskriminierung
§ 23 ADG regelt eine sog. Beweislastumkehr (bzw. einen gesetzlichen Fall des sog. Anscheinsbeweises): Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft macht, die eine Diskriminierung vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass diese entweder gerechtfertigt (§§ 8 bis 10, 21 ADG) oder aus anderen Gründen nach dem ADG zulässig ist (z.B. § 5 ADG). (Entsprechende Regelungen befinden sich bereits im geltenden Recht, vgl. § 611a Abs. 1 S. 3 BGB bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 SGB IX).
Um den Gesetzeszweck effektiv durchsetzen zu können, erscheint eine solche Regelung auch notwendig, da es ansonsten dem Benachteiligten zu schwer gemacht werden würde, eine Diskriminierung im Einzelfall darzulegen und zu beweisen.
Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Rechtsprechung künftig an die Vermutung für eine Diskriminierung stellen wird. Der in hohem Maß auslegungsbedürftige Begriff bildet wohl die Weichenstellung für die Anwendung des ADG und die künftige Rechtsentwicklung.
Stellung von Verbänden im Prozess
§ 24 ADG gibt Verbänden, die (nicht gewerbsmäßig) die Interessen der nach § 1 ADG geschützten Personengruppen vertreten, das Recht, solche Personen gerichtlich zu vertreten (allerdings nur bei Verfahren ohne Anwaltszwang, § 24 Abs. 2 ADG).
Weitere Verbandsklagerechte ergeben sich aus dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG).
Antidiskriminierungsstelle
Geregelt in §§ 26-31 ADG.
Kritik
Das Gesetzesvorhaben unterliegt scharfer Kritik, insbesondere zu folgenden Punkten:
- bürokratischer Aufwand
- schwierige Abgrenzungsfragen zwischen erlaubter und verbotener Ungleichbehandlung wird zu unüberschaubarer Kasuistik führen
- Mehrbelastung der Justiz mit einer Vielzahl von Prozessen
- Umkehr der Beweislast stellt ihrerseits einen Eingriff dar
Weblinks
Text des Gesetzesentwurfs mit Begründung:
Texte der EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung:
sonstiges: