Welthauptstadt Germania
Zur Welthauptstadt Germania sollte die deutsche Hauptstadt Berlin nach den Plänen des nationalsozialistischen Diktators Adolf Hitler und seines Architekten Albert Speer Mitte des 20. Jahrhunderts ausgebaut werden.
Überblick
Adolf Hitler schrieb schon in Mein Kampf, dass heutige Städte im Gegensatz zur Antike nicht mehr über Wahrzeichen verfügten, über "Monumente des Stolzes" und vertrat die Ansicht, dass der Staat wieder stärker mit seinen Bauten in die Öffentlichkeit treten sollte. Die geplanten Monumentalbauten sollten dem NS-Staat zur Selbstdarstellung und Selbstverwirklichung dienen. Die bisherigen Planungen für Berlin sahen ein Kreuz von breiten Verkehrsachsen vor, an dessen Schnittpunkt die Reichskanzlei liegen sollte. Insbesondere die Nord-Süd-Achse sollte als Prachtstraße ausgebaut werden. Als Ersatz für die wegfallenden Flächen in der Innenstadt sollten im Grunewald eine neue Hochschulstadt und im Süden Berlins ein kompletter neuer Stadtteil entstehen.
Ost-West-Achse
Die 12 km lange Ost-West-Achse sollte von der TH Charlottenburg (heute TU Berlin) am Knie (heute Ernst-Reuter-Platz) entlang der Charlottenburger Chausee (heute Straße des 17. Juni) über den Großen Stern, über das Brandenburger Tor und Unter den Linden bis zum Frankfurter Tor verlaufen. Auf Intervention Hitlers wurde aber die östliche Fortführung verworfen. An der Museumsinsel sollte die Ost-West-Achse um eine Reihe von Museumsbauten erweitert werden, am Kupfergraben war ein Weltkriegsmuseum und ein Rassekundemuseum vorgesehen.

Die Ost-West-Achse war der erste Teil der Planungen, die 1939 fertig gestellt wurde. Die Charlottenburger Chaussee wurde entsprechend der vorgesehenen Verkehrslast von 80 auf 200 m verbreitert. Die Siegessäule wurde vom Königsplatz vor dem Reichstag auf den Großen Stern versetzt und hierbei um 6,5 m erhöht. Da keine Beleuchtung die Straße überspannen sollte, entwarf Albert Speer eine Straßenbeleuchtung links und rechts der Straße, die heute noch vorhanden ist.
Nord-Süd-Achse
Als eigentliche Prachtstraße war die Nord-Süd-Achse vorgesehen, die von einem neuen Nordbahnhof im Norden Moabits bis zu einem ebenfalls neuen Südbahnhof anstelle des heutigen Bahnhofs Papestraße in Tempelhof reichen sollte. Neben dem Nordbahnhof war ein 1.200 x 400 m großes Wasserbecken vorgesehen, in dem sich die Große Halle im Wasser spiegeln sollte. Wie die anderen geplanten Monumentalbauten waren auch die Bahnhöfe von ungekannter Dimension. Sie dienten vor allem der Einbindung der Breitspurbahn, einem anderen Lieblingsprojekt Hitlers.
„Große Halle“ („Ruhmeshalle“, „Halle des Volkes“)
Im Spreebogen, etwas nördlich des Reichstages, war das wichtigste Gebäude der Germania-Planungen vorgesehen, die Große Halle. Das dem Pantheon in Rom nachempfundene Gebäude sollte eine Höhe von 320 m erreichen, der Innenraum einen Durchmesser von 250 m. Der im Inneren gedachte "Kultraum" sollte bis zu 180.000 Menschen Platz bieten; er hätte wegen seiner schieren Größe sein eigenes Klima gehabt. Der Vorplatz der großen Halle sollte Adolf-Hitler-Platz heißen, eingefasst von zahlreichen wichtigen Verwaltungsgebäuden, darunter die neue Neue Reichskanzlei und das Reichstagsgebäude, klein im Vergleich zu den anderen.
Auf der 120 m breiten Nord-Süd-Achse war bis zum Südbahnhof noch ein kolossaler Triumphbogen vorgesehen, der 117 m hoch und 170 m breit werden sollte, im Anschluss daran die so genannte Beutewaffenallee einen triumphalen Abschluss bilden. Entlang der Nord-Süd-Achse sollten alle wichtigen Reichs- und Parteibehörden angesiedelt werden.
Wehrtechnische Fakultät und Hochschulstadt
Im Grunewald, südlich des Olympiastadions wurde 1937 mit dem Bau der Wehrtechnischen Fakultät begonnen. Sie war als erster Teil einer großen Hochschulstadt geplant, die die Wehrtechnische Fakultät nach Westen fortsetzen sollte. Als Teil der Hochschulstadt war ein gigantisches, an die Akropolis erinnerndes Auditorium Maximum, die Langemarckhalle geplant. Außerdem der große Neubau einer Universitätsklinik, die als Ersatz für die in der Stadt wegfallende Charité dienen sollte.
Die Wehrtechnische Fakultät ist nicht über einen Rohbau hinausgekommen, dessen Ruine nach dem Krieg mit Trümmerschutt überdeckt wurde. Heute liegt an dieser Stelle der 120 m hohe Teufelsberg, ein Naherholungsgebiet. Der Trümmerschutt wurde mit tausenden von Bäumen bepflanzt und von seiner Spitze haben die amerikanischen Streitkräfte jahrelang den Funkverkehr im Ostblock belauscht.
Südstadt
In Verlängerung der geplanten Nord-Süd-Achse war die so genannte Südstadt vorgesehen, hier sollten Wohnungen für ca. 210.000 Einwohner und Arbeitsplätze für ca. 100.000 Arbeiter geschaffen werden. Die Südstadt sollte über den begonnenen Autobahnring angebunden werden. Der Autobahnring, der von der Generalbauinspektion vorgesehen war, wurde auch nach dem Krieg weitergebaut.
Heutige Überreste
Das früheste und grösste Bauwerk der Germania-Pläne, welches heute noch steht, ist das monumentale Olympiastadion, welches nach den Olympischen Spielen ein Teil der Hochschulstadt werden sollte.
Die meisten anderen Bauten des Projekts hingegen sind durch die immer stärkere Bindung aller Ressourcen in der Kriegsführung kaum über die Planungsphase hinaus gelangt.

Bevor Bauten von solch revolutionärer Größe wie der geplante Triumphbogen oder die Große Halle überhaupt in Angriff genommen werden konnten, musste eine Versuchsanlage zur Überprüfung der Tragfähigkeit des sandigen Berliner Bodens errichtet werden: der Schwerbelastungskörper. Dieser Bau besteht aus einem 18 Meter hohen und 12650 Tonnen schweren Betonzylinder, der auf einem schmalen Sockel ruht und so die hohen Drücke auf den Boden simuliert, wie sie z.B. durch die Große Halle entstanden wären. Durch langfristige Messungen am Sockel sollten mögliche Senkungen festgestellt werden.
Der Zylinder aus massivem Stahlbeton hat in der Nachkriegszeit allen Sprengungsversuchen widerstanden und ist daher auch heute noch an der Dudenstraße/General-Pape-Straße zu sehen.
Des weiteren ist im Tiergarten der Bau eines unterirdischen Achsenkreuzes begonnen worden, das nötig erschien, um das Verkehrsaufkommen der Kreuzung von Ost-West- und Nord-Süd-Achse zu bewältigen. Diese Tunnelabschnitte sind heute noch vorhanden. Einige unterirdische Bauten wurden erst beim Bau des Tiergartentunnels entfernt.
Auch die im Verhältnis zum Gesamtprojekt Germania eher geringfügigen Umbauten der Charlottenburger Chaussee und der Standort der Siegessäule entsprechen nach wie vor der heutigen Situation.
Planungen für andere Städte
Auch in Generalplänen für die Städte München, Linz, Nürnberg sowie für die freie Hansestadt Hamburg sollte der Machtanspruch der Nationalsozialisten manifestiert werden.
Für München war geplant, an der Prinzregentstraße ein 214,5 m hohes Denkmal zu errichten, das an den Hitlerputsch von 1923 erinnern sollte. Für Nürnberg war ein gigantisches Stadion geplant, in dem die Reichsparteitage stattfinden sollten. Für Hamburg war eine gigantische Hängebrücke über die Elbe geplant. Sie sollte westlich von Altona entstehen, da Hamburg eine Art Welthandelszentrum werden sollte, in dem Waren bzw. Rohstoffe aus den eroberten Gebieten eintrafen. Hier sollte man die neue deutsche Größe und Stärke sehen können. Diese Brücke hätte die Golden Gate Bridge in San Francisco übertroffen; außerdem war ein 250 m hohes Hochhaus der Partei vorgesehen. Da die Nationalsozialisten planten, alle Bauten aus dem Altertum in den Schatten zu stellen, war für Hamburg außerdem ein neuer größerer Hafen geplant. An der Elbmündung sollte außerdem ein Leuchtturm entstehen, der den Leuchtturm von Alexandria mit einer Höhe von 400m in den Schatten gestellt hätte. In Linz wollte Hitler seinen Lebensabend verbringen, deshalb war hier ein gigantisches Anwesen von Hitler geplant sowie ein "Hitlerkunstmuseum", in dem alle Kunstwerke aus den eroberten Gebieten ausgestellt werden sollten. Es wird berichtet, dass Hitler an seinen letzten Lebenstagen im Bunker in Berlin noch vor den Modellen von Linz gestanden hätte. Hitler hatte zu Speer gesagt, dass alle Projekte bis zur großen Siegesfeier im Jahr 1950 fertiggestellt sein müssten. Es war außerdem in München noch ein über einem Kilometer langer Bahnhof geplant für die geplante Breitspurbahn. Für dieses Bauvorhaben wären mehrere Straßen und die umliegenden Häuserzeilen eingeebnet und verwendet worden. Die Breitspurbahn sollte die "Welthauptstadt Germania" mit anderen Städten und den eroberten Ostgebieten verbinden.
Siehe auch: Generalbauinspektion
Literatur
- Hans J. Reichhardt, Wolfgang Schäche: Von Berlin nach Germania, Transit Verlag Berlin 1998, ISBN 3-88747-127-X