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Senfgas

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Begriffsklärung Für weitere Bedeutungen des Begriffs siehe Lost


Datei:Yperit opfer kopf.jpg
Lost - Opfer in Iran durch irakischen Einsatz 1980

Lost (benannt nach seinen Entwicklern Lommel und Steinkopf) ist ein gasförmiger chemischer Kampfstoff (Hautkampfstoff). Schwefellost (S-Lost; Code: HD) wird auch als Senfgas, Yperit, Schwefelyperit oder HD bezeichnet. S-Lost wurde im ersten Weltkrieg bei der 3. Flandernschlacht in Belgien erstmals eingesetzt.

Eigenschaften

Schwefellost (S-Lost)

Bis(2-chlorethyl)sulfid
CAS: 505-60-2
Schmelzpunkt: 14°C
Siedepunkt: 229°C
Zustandsform vor Einsatz: flüssig
Geruch: senfartig, meerettichähnlich
Wirkungsdauer bei 15°C: 3-5 Tage

Neben dem normalen S-Lost wurde auch das sogenannte Winterlost hergestellt, um den Gefrierpunkt zu senken gab man dem S-Lost Arsinöl zu. Reines S-Lost ist geruchlos, der typisch Knoblauch ähnliche Geruch entsteht, da das S-Lost in organischen Lösungsmitteln gelöst ist deren Inhaltsstoffe chemische ähnlichkeit mit dem Duftstoff von Knoblauch(Allicin) besitzten.

  CH2-CH2-Cl
 /
S
 \
  CH2-CH2-Cl

Stickstofflost (N-Lost)

HN-1

Bis-(2-chlorethyl)-ethylamin
CAS: 538-07-8
Schmelzpunkt: -34 °C
Siedepunkt: 85 °C
Zustandsform vor Einsatz: flüssig
Geruch: schwach fischig, tranartig

          CH2-CH2-Cl
         /
CH3-CH2-N 
         \
          CH2-CH2-Cl

HN-2

Bis-(2-chlorethyl)-methylamin
CAS: 51-75-2
Schmelzpunkt: -65 °C
Siedepunkt: 75 °C
Zustandsform vor Einsatz: flüssig
Geruch: seifig bis fruchtartig

      CH2-CH2-Cl
     /
CH3-N 
     \
      CH2-CH2-Cl

HN-3

Tris-(2-chlorethyl)-amin
CAS: 555-77-1
Schmelzpunkt: -4°C
Siedepunkt: 230°C
Zustandsform vor Einsatz: flüssig
Geruch: geruchlos
Wirkungsdauer bei 15°C: 1-2 Monate

             CH2-CH2-Cl
            /
Cl-CH2-CH2-N 
            \
             CH2-CH2-Cl



Sauerstofflost (O-Lost)

Bis-(2-chlorethylthioethyl)-ether
CAS: 63918-89-8

  CH2-CH2-S-CH2-CH2-Cl
 /
O
 \
  CH2-CH2-S-CH2-CH2-Cl

Toxizität

Es ist ein starkes Hautgift und wahrscheinlich carcinogen. Die Wirkung auf die Haut ist vergleichbar mit starken Verbrennungen oder Verätzungen. Es bilden sich große, stark schmerzende Blasen. Die Verletzungen heilen sehr schlecht. Das Gewebe wird nachhaltig zerstört und die Zellteilung gehemmt. Großflächig betroffene Gliedmaßen müssen meistens amputiert werden. Werden die Dämpfe eingeatmet, so werden die Bronchien zerstört. Eine Entgiftung der Haut kann durch eine sofortige Behandlung durch Abwaschen mit starker Seifenlauge oder durch Besprühen der betroffen Stellen mit Chlorkalk erfolgen.

Die toxische Wirkung beider Lost-Varianten kommt durch die Bildung von hochreaktiven Verbindungen durch einen intramolekularen SN2 Angriffs des Nucleophils. Dabei bildet sich im Falle von N-Lost ein Aziridin oder Thiiran im Falle des S-Lost.

Beide Gase schädigen vorwiegend die Haut und die Schleimhäute. Es kann jedoch auch zur tödlichen Vergiftung kommen, z.B. durch Einatmen hoher Konzentrationen oder direkter Kontamination durch den flüssigen Kampfstoff. Beide Lostformen durchdringen poröses Material und bestimmte Gummi- und Kunststoffarten. Teilweise werden beide Kampfstoffe mit Wachsen, Harzen oder Kunststoffen angereichert, um Zählost zu schaffen, welches an Materialien haften bleibt und somit sehr schwierig zu entgiften ist.

Geschichte

im Juli 1917 setzten die Deutschen das erste mal Senfgas ein, um den britischen Angriff bei Ypern abzuwehren.

Von den Nazis wurde bis 1942 in Halle-Ammendorf S-Lost produziert. Neben einem Werk in der Lüneburger Heide war die Ammendorfer Firma „ORGACID“ der größte Giftgashersteller in Deutschland. Unter dem ehemaligen Firmengelände an der heutigen Camillo-Irmscher-Straße liegen acht weit verzweigte (und grün geflieste) Zisternen, die auf Grund fehlender Baupläne nur schwer zu entgiften waren und nach der Wende hermetisch versiegelt worden sind. Noch im Jahr 1990 wurden 30 Tonnen Giftreste durch das Grundwasser an die Oberfläche gespült.

Der irakische Diktator Saddam Hussein setzte am 16. März 1988 während des Iran-Irak-Krieges Senfgas gegen die kurdische Stadt Halabdscha (70.000 Einwohner, ca. 260km Nord-Östlich von Baghdad) ein: ca. 5.000 Tote, 7.000 Verletzte - vor allem Frauen und Kinder.

Lost wurde in folgenden Konfilkten eingesetzt:

Lager

Stand 2003 (AC-Schutzzentrum Spiez):

  • Russland: 40.000t (Militärisch nicht mehr einsetzbar; Vernichtungsprogramm in den Anfängen)
  • USA: 31.500t (davon ca. 25% zerstört)
  • Indien: mehrere tausend Tonnen (Aktives Vernichtungsprogramm)
  • Südkorea: mehrere tausend Tonnen (Aktives Vernichtungsprogramm)

Darstellung

S-Lost

Verfahren nach Lommel und Steinkopf:

                             CH2-CH2-Cl
                            /
 SCl2 +    2H2C=CH2 -----> S
                            \
                             CH2-CH2-Cl
Schwefel-   Ethen           S-Lost
dichlorid

Dieses Verfahren ist aber in höchstem Grade ineffektiv da viele mindergiftige Abfallstoffe anfallen, welche durch Vakuumdestillation entfernt werden müssen.

Modernes Verfahren:

1.

                                 CH2-CH2-OH
            CH2 - CH2           /
 NaHS  +   2  \  /     ----->  S
               O                \
                                 CH2-CH2-OH
 Natrium-  Ethylenoxid         Bis-(2-hydroxyethyl)sulfid
hydrogen-          
 sulfid

2. Durch Erwärmen mit Thionylchlorid in benzolischer Lösung wird das Bis-(2-hydroxyethyl)sulfid zu Lost chloriert.

                         Thionylchlorid
  CH2-CH2-OH                               CH2-CH2-Cl
 /                           +SOCl2       /
S                        --------------> S
 \                           -H2SO4       \
  CH2-Ch2-OH                               CH2-CH2-Cl
Bis-(2-hydroxyethyl)sulfid               S-Lost