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Wuxia

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Wuxia (Traditionelle Schreibweise 武俠, vereinfacht 武侠) oder ritterliche Kampfkunst ist ein charakteristisches Genre der chinesischen Literatur und des chinesischen Films. Wuxia ist sehr populär in der chinesischen Volkskultur und die wichtigsten Schriftsteller haben hingebungsvolle Fans.

Definition

Der Wuxia-Roman und der Wuxia-Film beschreiben chinesische Schwertkämpfer, Schlachten, Soldaten- und Reiterkämpfe, die überwiegend an historischen oder pseudohistorischen Schauplätzen spielen. Das Genre besitzt starke phantastische Elemente.

Von Wuxia zu unterscheiden ist der Martial-Arts- oder Kampfkunstfilm, dessen Schwerpunkt auf der Darstellung des chinesischen Faustkampfs Kung-Fu bzw. Wushu liegt. Solche Filme weisen in der Regel keine phantastischen Elemente auf. Beispiele für dieses Genre sind die Filme von Bruce Lee.

Der Begriff Wuxia setzt sich aus zwei chinesischen Zeichen zusammen. Wu (武) kann mit Kampfkunst, Krieg oder Miliär übesetzt werden. Xia (俠) beschreibt eine bestimmte Personenkategorie, die je nach Kontext als Held, Abenteurer, Söldner, Krieger oder (fahrender)Ritter gelesen werden kann. Am meisten gebräuchlich ist die Übersetzung von Xia als (fahrender)Ritter. In der chinesichen Geschichte waren die Xia fahrende Krieger, die durch das Land zogen. Im Unterschied etwa zu den Samurai gehören den Xia nicht nur Aristokraten an, sondern auch Leute aus dem Volk.

Die Xia hatten bestimmte Vorstellungen von Ehre und Gerechtigkeit, die sich stark auf konfuzianistische Vorstellungen stützt. Viele Xia verstanden sich als Kämpfer für Gerechtigkeit. Diese muss gelegentlich auch gegen die Obrigkeit z.B. in Form korrupter Beamte durchgesetzt werden. Im diesem teilweise subversivem Aspekt unterscheidet sich die Ethik der Xia von derjenigen der Kriegerkasten anderer ostasiatische Kulturen wie dem Bushido der Samurai.

Themen

Fantasy ist ein wichtiges Thema in Wuxia, egal ob in Filmen oder in Büchern. Die Helden in vielen Filmen meistern die Kampfkunst in einem Ausmaß, dass sie de facto übernatürliche Kräfte beherrschen. Sie beherrschen u.a. folgende Fähigkeiten:

  • Sie können mit blitzartiger Geschwindigkeit kämpfen, in dem sie eine festgelegte Sequenz von Bewegungen durchlaufen (招, Zhao).
  • Sie können die unwahrscheinlichsten Objekte als tödliche Waffen benutzen, z.B. Pinsel, Regenschirme oder Musikinstrumente.
  • Sie können Waffen mit unwahrscheinlicher Präzision benutzen.
  • Sie können mittels Qinggong (T: 輕功 V: 轻功) an Wänden hochlaufen oder fliegen
  • Sie erlangen durch den Gebrauch von Neili (内力) die Fähigkeit, die mystische innere Energie (Qi) zu kontrollieren, um damit Opponenten nach innen zu saugen oder Gift aus dem eigenen Körper auszuscheiden.
  • Mittels Dianxue (T: 點穴 V: 点穴), sind sie in der Lage, einen Opponenten durch Druck auf dessen Akkupressurpunkte (Xue 穴) mit einem Finger oder einer Waffe zu lähmen oder zu töten.

Diese außergewöhnlichen Fähigkeiten werden nicht durch die Anwendung von Magie erklärt, sondern sie erfordern lange Jahre des Studiums und der Meditation. Die dahinterstehende Philosophie besteht aus Elementen des Taoismus, des Buddhismus oder der traditionellen chinesischen Medizin. Details dieser Techniken sind in schwerverständlichen oder verschlüsselten Schriftrollen zu finden, die als Miji (秘笈) bekannt sind. Häufig beinhalten sie alle Geheimnisse einer Sekte und sie werden oft gestohlen.

Jiang Hu, die chinesische Unterwelt zur Zeit des Kaiserreichs ist ein weiteres wichtiges Thema. Sie setzt sich zusammen aus Geächteten, Geheimgesellschaften, Sekten und edlen Banditen, die von den Reichen stehlen und die Beute den Armen geben. Viele Wuxia-Geschichten beschreiben den Kampf gegen korrupte Beamte oder machtgierige Eunuchen, die die kaiserliche Regierung ursurpiert haben. Deshalb wurde das Genre häufig als subversiv angesehen und Wuxia Filme waren in der Periode der ersten chinesischen Republik zeitweise verboten.

Im Jiang Hu werden Gunst (恩 ēn) und Rache (仇 chóu) sehr ernst genommen, eine Geschichte mag sich ausschließlich mit dem Streben des Protagonisten nach Rache beschäftigen, welche Dekaden dauern kann. Figuren sind sehr besorgt um ihr Gesicht (=Ansehen), ihrer Vertrauenswürdigkeit und ihre Ehre. Um diese Werte zu verteidigen, sind sie bereit Leben zu opfern (einschließlich ihres eignen). Der Moralcodex des Jiang Hu wird in Wuxia normalerweise in einer Weise idealisiert, die im realen Leben als unrealistisch angesehen würde.

Liebe ist ebenfalls ein sehr wichtiges Thema in Wuxia; die Beziehung zwischen zwei jungen Liebenden (die gleichzeitig einmalige Wuxia Meister sind) kann eine ganze Geschichte vorantreiben.

Ein anderes bedeutendes Thema in Wuxia ist die Aussage, dass die mächtigen Fähigkeiten mit reinem Herzen trainiert und praktiziert werden müssen. Ungeduld oder ungenügende Kontrolle des Geistes und des Qi während des Trainings kann zu körperlichen und / oder geistigen Schäden führen. (走火入魔 = Verlust der Kontrolle und Übergang zur dunklen Seite)

Handlung

Von ihrer Handlung her haben Wuxia Geschichten oder Romane Ähnlichkeiten mit Fantasyliteratur aus anderen Erdteilen. Sie drehen sich meistens um einen jungen, häufig männlichen Protagonisten, der als Kind häufig Elend oder andere tragische Umstände erlebte, wie z.B. den Verlust der Familie, Erniedrigungen oder Trennung von seiner Heimat. Die Figuren haben dann eine Reihe von außergewöhnlichen Erlebnissen, müssen schwierige Prüfungen bestehen und es kommt zu unglaublichen Zufällen. Oft treffen sie einen großen Meister der Kampfkunst, unter dem sie dann studieren und der an sie fast übernatürliche Kampffähigkeiten weitergibt. Die Hauptperson gewinnt so auch eine „ritterliche“ Weltanschauung. Häufig wird sie selbst zu einem überlegenen Meister der Kampfkunst, die unerreicht oder kaum erreicht in ganz China ist. So wird sein oder ihr Name Legende.

Andererseits wird der Roman „Der Hirsch und der Kessel“ von Jinyong als Anti-Wuxia-Roman bezeichnet, der alle obigen Klischees verletzt und einen Antihelden präsentiert, den faulen, geizigen, lüsternen und speichelleckenden Bordell-Jungen Wie Xiaobao. Er wurde selbst zu einem kulturellen Symbol, geliebt von den einen und gehasst von anderen.

Schauplatz

Die Handlung spielt meistens in der Vergangenheit, hauptsächlich weil es glaubwürdiger ist, dass die Figuren in der Vergangenheit tatsächlich quasi übermenschliche Kräfte besessen haben, heute aber das Wissen darüber verloren gegangen ist. Es gibt auch Wuxia-Filme, die in der Gegenwart oder der Zukunft spielen, aber die meisten gelten als unrealistisch. Als Star Wars gegen Ende der 70er Jahre veröffentlicht wurde, hielten es viele Chinesen für einen westlichen Wuxia-Film, der ein futuristischen und fremden Welt spielt. Es ist unbekannt, aber wahrscheinlich, dass George Lucas Konzept der Jedi-Ritter vom Wuxia-Genre beeinflusst wurde. Das chinesische Publikum akzeptiert auf jeden Fall bereitwillig das Konzept der Macht in der Star Wars Serie oder die übermenschlichen Kräfte der Mutanten in X-Men oder von Superman. Andererseits mag das westliche Publikum Schwierigkeiten haben, die Wuxia Fantasy zu akzeptieren, weil die Helden als normale Menschen portraitiert werden, die dennoch über außergewöhnliche Kräfte verfügen.

Romane

Wuxia Romane (T: 武俠小説, V: 武侠小说, Wuxia Xiaoshuo) sind ein sehr populäres Literaturgenre in der Volksrepublik China, Taiwan, Hong Kong und Singapur. Viele Wuxia-Romane, besonders wenn sie von Autoren wie Jinyong oder Gu Long kommen, haben eine fanatische Anhängerschaft in chinesisch sprechenden Gebieten, durchaus vergleichbar mit einigen Fantasy oder Science Fiction Romanen im Westen.

Die wichtigsten Wuxiaschriftsteller sind:

  • Jinyong
  • Gu Long
  • Huang Yi
  • Wen Rui’an
  • Liang Yusheng
  • Sima Ziyan
  • Xiao Yi

Viele populäre Werke, darunter die meisten von Jinyong, wurden in der Volksrepublik, in Taiwan oder in Hong Kong verfilmt oder sie bildeten die Grundlagen von Fernsehserien. Die populärsten Werke erlebten zahlreiche Adaptionen, so dass die Betrachtung und der Vergleich der unterschiedlichen Versionen ein eigenständiges Hobby geworden ist. Darüber hinaus hat das Studium der Werke von Jinyong einen eigenständigen Zweig der Sinologie hervorgebracht.

Als Vorläufer der Wuxia-Literatur können drei klassische chinesische Romane gelten:

Filme

Wuxia-Film oder Wuxia Pian (T: 武俠片, V: 武侠片) ist ein Filmgenre in Taiwan und Hong Kong. Es unterscheidet sich in bestimmten Merkmalen von anderen Kampfkunstfilmen. Das Genre entstand in den 1950er und 1960er Jahren; die frühesten Einzelwerke lassen sich allerdings bis auf die 1920er Jahre zurückführen. In den 1960er Jahren produzierte das Studio der Shaw-Brothers erste Vorläufer der aktuellen Form des Genres, in denen viel Wirework eingesetzt wird. Ein bedeutender Regisseur von Wuxia-Filmen war King Hu. In den 1980er und 1990er Jahren können viele Filme des Regisseurs Tsui Hark dem Wuxia-Genre zugerechnet werden. Im Jahr 2000 gewann der Wuxia-Film Tiger & Dragon erstmals auch im westlichen Mainstreamkino Aufmerksamkeit. Dieser Film basiert auf einem Roman von Jinyong. Der internationale Erfolg von Tiger & Dragon konnte im Jahr 2002 mit dem Film Hero von Zhang Yimou fortgesetzt werden.

In den 1990er Jahren wurden auch viele westliche Filme vom Wuxia-Genre beeinflusst: Besonders offensichtlich ist das bei dem Film Matrix. Hier erlangen allerdings die Helden und die Bösen ihre übernatürlichen Kräfte, indem sie die Regeln der virtuellen Realität erkennen und biegen. Sie können dadurch an Wänden hochlaufen, über außergewöhnliche Distanzen springen und fliegen, schweben, sich in ein Gespenst verwandeln und Kugeln ausweichen, bzw. sie stoppen.

Wichtige Wuxia-Filme

  • Torching the Red Lotus Temple (《火燒紅蓮寺》, 1928) Eine der ersten Wuxia Filmserien mit 18 Folgen. Das Genre wurde von der chinesischen Regierung 1931 gebannt. Kopien des Films wurden konfisziert und verbrannt. Im März 1935 drehten Filmemacher in Hong Kong (damals eine britische Kolonie) eine 19. und später eine 20. Episode. In China selbst waren Wuxia-Filme bis in die 1950er Jahre verboten.
  • Ru Lai Shen Zhang (《如來神掌》, 1964) Eine sehr populäre schwarz-weiße Wuxia-Filmreihe mit Cho Dat Wah (曹達華) und Yu So Chau (于素秋).
  • Dragon Gate Inn (《龍門客棧》,1966) von King Hu. Es wurde erstmals Wirework eingesetzt.
  • The One-armed Swordsman (《獨臂刀》, 1967) Ein für damalige Verhältnisse extrem blutiger Film.
  • Touch of Zen (1971) ebenfalls von King Hu. Der Film enthält für die damalige Zeit sehr dynamische Kampfsequenzen und viel "Herumgefliege".
  • A Chinese Ghost Story (《倩女幽魂》drei Filme ab 1987) Diese Filmserie hat starke Fantasy Elemente, die auf buddhistische bzw. taoistische Vorstellungen zurückgehen.
  • Swordsman(《笑傲江湖》), Swordsman II, The East is Red (ab 1990) Die Filme spielen zur Zeit der Ming-Dynastie und die Figuren haben die unglaublichsten Kampffähigkeiten.
  • The Heroic Trio (1993) Ein Wuxia-Film der in der Gegenwart von Hong Kong spielt. Hauptpersonen sind ausschließlich Frauen, die von Anita Mui, Maggie Cheung und Michelle Yeoh dargestellt werden.
  • Tiger & Dragon (《臥虎藏龍》2000) machte das Wuxia-Genre erstmals weltweit bekannt.
  • Hero (《英雄》2002) Besonders auffällig sind die kunstvollen Bilder.

Siehe auch

Literatur

  • Petra Rehling: Schöner Schmerz: Das Hong Kong Kino zwischen Tradition und 1997-Syndrom, Mainz 2002
  • Ralph Umard: Film ohne Grenzen, Lappersdorf 1996
  • Stefan Hammond / Mike Wilkins: Sex und Zen und eine Kugel im Kopf, München, 1999 (nur Filmbeschreibungen)