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Österreichische Identität

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Die österreichische Nation ist ein Überbegriff für kulturelle, soziale, historische und sprachliche Identitäten, die sich auf dem Gebiet der Republik Österreich entwickelt und die zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl der österreichischen Bevölkerung geführt haben.

Österreichischer Bundesadler

Die Historische Entwicklung der österreichischen Identität

Der geschichtliche Prozess hin zur Kleindeutschen Lösung

Der Name Österreich besteht seit dem Mittelalter; im 9. Jahrhundert als Ostarrichi, im 13. Jahrhundert als Osterrich[1], zunächst als Bezeichnung für das Gebiet des Herzogtums Österreich, später auch für den weiteren habsburgischen Herrschaftsbereich um das Kernland. Laut Friedrich Heer wurde so Wien zum Zentrum eines ersten Österreich-Bewusstseins das jedoch nicht nationalstaatlich ausgeprägt war[2].

Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches durch die Niederlegung des Kaisertitels durch Franz II. 1806, der bereits 1804 als Franz I. das Kaisertum Österreich begründet hatte, und der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte 1815 wuchsen die Bestrebungen innerhalb des Deutschen Bundes, diesen in einen Nationalstaat umzuwandeln. An der Frage der Vormachtstellung innerhalb des Deutschen Bundes entzündete sich schließlich der Konflikt im Deutschen Krieg zwischen den Großmächten Preußen und Österreich, den Preußen mit der Niederwerfung Österreichs 1866 in der Schlacht von Königgrätz für sich entschied.

Im Jahr darauf wurde das bis dahin einheitliche Kaisertum Österreich durch den Ausgleich in zwei Reichshälften geteilt. Im nichtungarischen Teil wurde der Begriff Österreich weiterhin übernational verwendet: „Für alle Angehörigen der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder besteht ein allgemeines österreichisches Staatsbürgerrecht.“[3]

Nach dem erfolgreichen Feldzug gegen Frankreich 1870/71 erfolgte schließlich die vom preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck favorisierte Gründung eines Deutschen Reiches ohne Österreich (Kleindeutsche Lösung) und Wilhelm von Preußen wurde im Spiegelsaal des Schlosses Versailles von den deutschen Fürsten zum Deutschen Kaiser ausgerufen.

Entwicklungen nach 1871

Karikatur Schönerers, die als Antwort auf einen Gewaltakt des betrunkenen Politikers gilt.

In der deutschsprachigen Bevölkerung der damaligen österreichischen Monarchie, vor allem im liberalen Bürgertum, war das Bekenntnis der Zugehörigkeit zur deutschen Nation weit verbreitet. Nach der Reichsgründung schrieb etwa Franz Grillparzer:

„Als Deutscher ward ich geboren, bin ich noch einer? Nur was ich Deutsches geschrieben, das nimmt mir keiner.“

An Aussagen wie diesen zeigt sich deutlich, dass nationale und kulturelle Identitäten damals vor allem über sprachliche Gemeinsamkeiten, als Zugehörigkeitskriterium zu einem Volk, definiert wurden. Hierzu trug auch die Vereinheitlichung des Deutschen in Sprache und Schrift bei, die überstaatlich erfolgte. Gleichzeitig ist von Grillparzer aber auch folgendes Zitat überliefert:

„Ich bin kein Deutscher, ich bin Österreicher.“[4]

Aussagen wie diese belegen die Ambivalenz, welcher der Begriff „Österreicher“ lange Zeit unterworfen war. Einerseits diente er zur Eigendefinition als spezielle Ausformung der Deutschen, andererseits als Abgrenzung diesen gegenüber.[5] Die deutschsprachigen Österreicher wurden aufgrund des sprachfixierten Nationsbegriffes lange Zeit als Deutsche bezeichnet. Kaiser Franz Joseph I. war ein Vertreter des einheitlichen deutschen Kulturraumes und erklärte dem britischen König Eduard VII.: „Sire, ich bin ein deutscher Fürst.“ Friedrich Heer nannte ihn deshalb und aufgrund seiner späteren Annäherung an die Hohenzollern den „Erzvater des Anschlusses“[6]

Trotz dieses Bekenntnisses des Monarchen zum Deutschtum zählten vor allem die deutschnationalen bürgerlichen Kreise zu den größten Kritikern des Herrscherhauses, sahen sie in den Habsburgern doch das Haupthindernis einer Vereinigung mit dem Deutschen Kaiserreich. Führender Protagonist der Großdeutschen Lösung war Georg von Schönerer, der nicht nur Staat und Kaiserhaus, sondern auch den staatstragenden Katholizismus ablehnte, gegen den er die Los-von-Rom-Bewegung initiierte. Das brachte ihm vor allem Konflikte mit den Christlichsozialen ein, zumal diese als kaisertreu galten. Die deutschnationalen Tendenzen manifestierten sich schließlich im Linzer Programm. Die Forderung nach einem kompletten Anschluss war aber auch im deutschnationalen Lager auf die Dauer nicht mehrheitsfähig – für die Deutschradikale Partei von Karl Hermann Wolf, die nach 1900 hegemonial wurde, war das kein Thema.[7]

Die österreichische Sozialdemokratie, damals nationalitätenübergreifende Partei, versuchte im Vielvölkerstaat Reformen auf evolutionärem Weg zu erreichen, wurde vom bürgerlich-konservativen Lager und vom Kaiser selbst aber abgelehnt, zumal sie in ihrem Inneren von Nationalitätenkämpfen selbst nicht frei war. Einige ihrer führenden Politiker wie Victor Adler oder Engelbert Pernerstorfer hatten gleichfalls eine deutschnationale Vergangenheit.

Der Vielvölkerstaat Österreich wurde als supranationales Gebilde begriffen. Die Spannungen zwischen den einzelnen Völkerschaften des Habsburgerreiches wuchsen jedoch zusehends. Auslöser dafür war nicht nur die Heterogenität der Bevölkerung, sondern auch die Hegemonie des deutschsprachigen Teils der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, die vor allem von Seiten des Königreichs Ungarn bekämpft wurde. Otto von Habsburg nannte die deutschsprachigen Untertanen der Monarchie das „Reichsvolk schlechthin“.[8] Der Historiker Ernst Bruckmüller bestätigt dies folgendermaßen:

„In der Habsburgermonarchie waren die deutschsprachigen Bewohner (vor allem) des westlichen, österreichischen Reichsteiles, also die Mehrzal der Bewohner des heutigen Österreich, und darüber hinaus die Deutschböhmen, Deutschmährer, und -schlesier sowie deutschsprachigen Bewohner der anderen Kronländer einfach ‚Deutsche‘ genannt worden. Das war ebenso praktisch wie einleuchtend, denn die ‚anderen‘ waren eben Tschechen, Polen, Ruthenen, Rumänen, Slowenen Kroaten und Italiener (wir sehen hier von der ungarischen Reichshälfte einmal ab). Aber die deutschsprachigen Österreicher waren nicht nur eine von acht ‚Nationalitäten‘ des zisleithanischen Teilstaates der Monarchie, sie sahen sich doch als etwas anderes, nämlich als die staatstragende, um nicht zu sagen eigentliche Staatsnation dieses Teilstaates, oder sogar der ganzen Habsburgermonarchie.“[9]

Um sich mit dem ungarischen Adel zu arrangieren wurde 1867 schließlich der Österreichisch-Ungarische Ausgleich herbeigeführt, der allerdings nur die politische Mitbestimmung der Ungarn selbst verbesserte, während die Forderungen der slawischen Völker, allen voran der Tschechen, unerfüllt blieben. Auf sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten und auf politische Forderungen nach Selbstbestimmung gestützt, begannen sich so mit der Zeit unter den Völkern der Monarchie eigenständige nationale Identitäten herauszubilden. Der Wunsch nach staatlicher Eigenständigkeit beziehungsweise nach einer Vereinigung mit außerhalb des Habsburgerreiches bestehenden Nationalstaaten führte schließlich in Verbindung mit der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg zum Scheitern des Vielvölkerstaates.

Entwicklungen in der Ersten Republik

Demokratie

Parlamentsgebäude in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch der Monarchie strebten fast alle politischen Kräfte ein rasche Vereinigung mit dem Deutschen Reich an. So lautete Artikel 2 im „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“ vom 12. November 1918:

„Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.“

Das durch den Staat Deutschösterreich beanspruchte Territorium umfasste im Wesentlichen die Siedlungsgebiete der deutschsprachigen Bevölkerung der österreichischen Reichshälfte der untergegangenen Monarchie. Im Vertrag von Saint Germain wurde im Herbst 1919 das Staatsgebiet jedoch von den Alliierten einseitig festgeschrieben. Das spätere Sudetenland und andere deutschsprachige Gebiete, die schon seit November 1918 nicht unter der Kontrolle der deutschösterreichischen Staatsregierung gestanden hatten, fielen nun definitiv an die Tschechoslowakei, Südtirol an Italien und die Untersteiermark an das neu entstandene Königreich der Serben Kroaten und Slowenen. Auch wurden Teile Kärntens dem SHS-Staat oder Italien zugeschlagen. Andererseits erhielt Österreich westliche Grenzgebiete Ungarns zugesprochen, aus denen dann das Burgenland konstituiert wurde.

Das im Friedensvertrag ausgesprochene Verbot des Anschlusses an Deutschland wurde von den meisten politisch Verantwortlichen als Verwehrung des Selbstbestimmungsrechts der Völker betrachtet und daher abgelehnt. So schrieb etwa der Christlichsoziale Michael Mayr, der an der Ausarbeitung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) mitarbeitete und später für kurze Zeit Bundeskanzler war, in der Präambel zu einem seiner Verfassungsentwürfe:

„Kraft des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes und seiner geschichtlich gewordenen Glieder und mit feierlicher Verwahrung gegen jede zeitliche Schranke, die der Ausübung dieses unveräußerlichen Rechtes gesetzt ist, vereinigen sich die selbständigen Länder der Republik Österreich zu einem freien Bundesstaat unter dieser Verfassung“[10]

Selbst der als sehr prosaisch geltende Rechtspositivist Hans Kelsen schrieb im Schlusswort zu seinem Buch „Österreichisches Staatsrecht“:

„Dennoch: […] stärker als der aller Vernunft und Sittlichkeit hohnsprechende Verlauf der jüngsten Geschichte, deren Produkt das heutige Oesterreich ist, stärker als Oesterreich selbst ist sein Wunsch: aufzugehen im deutschen Vaterland.“[11]

Andererseits beschreibt der Lyriker Anton Wildgans in seinem Gedicht „Das österreichische Credo“, das in jener Zeit entstand, die emotionale Anhänglichkeit vieler seiner Landsleute an den Begriff Österreich nach dem Ersten Weltkrieg:

Datei:Deutschösterreich1.PNG
Das von Deutschösterreich beanspruchte Staatsgebiet und die tatsächliche Ausdehnung der Republik Österreich.
„Klein bist du zwar, mein Vaterland, geworden,
ein Baum entblättert von der Zeiten Sturm,
sieht deine Grenzen jetzt nach Ost und Norden
beinah der Wächter doch vom Stephansturm.
Und was da fiel, es waren nicht nur Blätter,
abbrach auch mancher engverwachsne Ast,
doch immerhin, das Herzland deutscher Väter,
der Stamm, blieb er nicht ganz, blieb er's doch fast!
Er war es ja, den wir schon immer meinten,
wenn unsere Lippe aussprach: Österreich!
Denn all die anderen, mit uns Vereinte,
empfanden fremd zumindestens nicht gleich!
Wir aber fühlten diesen alten Namen,
wie Heiliges, durch das ein Schauer weht,
und Millionen Herzen sprachen Amen
zu diesem Namen wie auf ein Gebet!“

Noch bevor eine Bundesverfassung beschlossen werden konnte, kam es in den Ländern zu Anschlussbewegungen. Tirol und Salzburg hielten Volksabstimmungen über den Beitritt zu Deutschland ab. In Vorarlberg sprach man sich für den Beitritt zur Schweiz aus. Obwohl diese Bestrebungen von der Bevölkerung mehrheitlich unterstützt wurden, machten die Pariser Vorortverträge sie hinfällig. Deutschösterreich nahm mit der Ratifizierung des Friedensvertrages im Oktober 1919 den im Vertrag vorgeschriebenen Namen Republik Österreich an. Spätere Annäherungsversuche zwischen Österreich und dem Deutschen Reich wurden von den Alliierten durch das Beharren auf dem Wortlaut der Friedensverträge unterbunden. So erhoben sie gegen den 1931 lancierten Plan einer österreichisch-deutschen Zollunion Einspruch.

1929 sprach Wildgans in seiner „Rede über Österreich“ vor ausländischem Publikum zwar von den Deutschen Altösterreichs, die das neue, kleine Österreich gebildet hätten, hob aber die besonderen historischen Erfahrungen Österreichs und das Einfühlungsvermögen des „österreichischen Menschen“ für die fremdsprachigen Nachbarvölker, mit denen er so lang im gemeinsamen Staat gelebt habe, als wesentliche eigenständige Charakterzüge hervor.[12] Auch in seinem Gedicht „Wo sich der ewige Schnee spiegelt im Alpensee“, das Wildgans gern zur österreichischen Volkshymne gemacht hätte, aber von Richard Strauss für diesen Zweck zu kompliziert vertont wurde, arbeitete der Dichter die Eigenschaften des „österreichischen Menschen“ heraus.[13] Hingegen teilte die Berliner Reichskanzlei den deutschen diplomatischen Vertretungen um diese Zeit mit, dass „vom Gebrauch der Bezeichnung ‚österreichisches Volk‘ grundsätzlich abgesehen wird“ und nur mehr vom „deutschen Volk in Österreich“ zu sprechen sei.[14]

Die Idee, Österreich als eigene Nation zu begreifen, wurde in der Politik dieser Zeit im Wesentlichen nur von Teilen der Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) vertreten. Explizit formuliert wurde diese Position 1937 vom kommunistischen österreichischen Staatswissenschaftler Alfred Klahr im Exil in Moskau. Er befasste sich mit dieser Frage in einem Artikel. Klahr lehnte es ab, die Österreicher von vornherein als Deutsche zu betrachten, und verlangte eine detaillierte wissenschaftliche Aufarbeitung der Unterschiede zwischen der Entwicklung der Deutschen und der Österreicher in den letzten Jahrhunderten.

Ernst Bruckmüller spricht im Zusammenhang mit dem Zugehörigkeitsempfinden der Österreich in der Ersten Republik von einer fundametalen kollektiven Identitätskrise.[15]

Austrofaschismus

Nach der Ausschaltung des Parlaments durch die Bundesregierung unter Kanzler Engelbert Dollfuß im März 1933, betonte dieser in seiner Trabrennplatzrede in Wien im Herbst des selben Jahres das Deutschtum Österreichs. Sämtliche Parteien wurden verboten. Im Gegenzug wurde die „Vaterländische Front“ als politische Einheitsbewegung geschaffen. Durch die letzten christlich-sozialen Abgeordneten des Nationalrats ließ Dollfuß auf verfassungswidrige Weise am 1. Mai 1934 eine neue Verfassung für einen „christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage“ verabschiedet. Die Regierungspropaganda des sogenannten Ständestaates sprach von Österreich häufig als vom „besseren deutschen Staat“. Dieser, durch die Staatsführung vertretene Patriotismus wich in der Zeit darauf, trotz seines starken Österreichbezugs, nie wirklich von der deutschen Nationsidee ab. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, der Gründer der Paneuropabewegung, forderte jedoch schon 1934 in einem viel beachteten Artikel die Akzeptanz einer eigenständigen österreichischen Nation ein. Nach deren Geburt, so meinte er, sei die Nationswerdung in Europa abgeschlossen.[16] Das austrofaschistische System versuchte jedoch bis zuletzt, ein unabhängiges, aber „deutsches“ Österreich zu erhalten. Am 9. März 1938 sagte Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der nach der Ermordung von Dollfuß durch nationalsozialistische Putschisten im Juli 1934 an die Macht gekommen war, bei einer Veranstaltung der Vaterländischen Front in Innsbruck:

„Jetzt will und muss ich wissen, ob das Volk von Österreich dieses freie und deutsche und unabhängige und soziale, christliche und einige, dabei keine Parteizerklüftung duldende Vaterland will. […] Das möchte ich wissen und darum Landsleute und Österreicher, Männer und Frauen, rufe ich Sie in dieser Stunde auf: Am nächsten Sonntag, am 13. März dieses Jahres, machen wir Volksbefragung […].“ [17]

Diese Volksbefragung musste auf Druck Adolf Hitlers abgesagt werden. Die Ansicht, Österreich sei nur ein deutscher Staat und seine Einwohner seien Deutsche, hielt sich unter den austrofaschistischen Machthabern aber bis zuletzt. In seiner Radioansprache am 11. März 1938, am Abend vor dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich, verkündete Bundeskanzler Kurt Schuschnigg das Bundesheer nicht einsetzen zu wollen um „kein deutsches Blut [zu] vergießen“. [18] Seine Ansprache schloss Schuschnigg mit den Worten: „So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volke mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich!“ [19]

Nationalsozialismus

Datei:Stimzettel-Anschluss.jpg
Stimmzettel zur Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und dem Verlust der Unabhängigkeit sollte der Begriff Österreich möglichst konsequent aus dem politischen Vokabular verschwinden. So wurde aus dem Land Österreich bald die Ostmark. Um Österreich auch als politische Einheit endgültig zu eliminieren sprach man zuletzt nur mehr von den „Donau- und Alpenreichsgauen“. Die Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich erhielten die Bezeichnungen Niederdonau und Oberdonau. In seiner kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am Heldenplatz in Wien gehaltenen Rede sprach Hitler lediglich von seiner „Heimat“ und der „ältesten Ostmark des Deutschen Reiches“, und vermied den Begriff Österreich. Die neuen Machthaber organisierten am 10. Aprill 1938 eine Volksabstimmung über die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. Der Abstimmung ging eine gewaltige Propagandaaktion voraus. Auch wenn wahrscheinlich die Mehrheit der Stimmberechtigten für den Anschluss gestimmt hätten, wurde die Abstimmung massiv manipuliert.[20] Einerseits wurden die Wähler unter Druck gesetzt ihre Stimme direkt vor der Wahlkommission abzugeben, andererseits wurde am Wahlergebnis manipuliert.[21] Laut amtlichen Angaben erreichte die Vorlage in Österreich eine Zustimmung von 99,73 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 99,71 Prozent. Bei der Volksabstimmung waren rund acht Prozent der österreichischen Bevölkerung aus rassistischen oder politischen Gründen von der Wahl ausgeschlossen worden. Schon kurz nach dem deutschen Einmarsch war jedoch die Euphorie über den Anschluss in manchen Bevölkerungsschichten bereits abgekühlt. Grund dafür war vor allem die Tatsache, dass die Stellung Österreichs und inbesonderen Wiens innerhalb des Reiches anders ausfgefallen war als erwartet. War noch in den Verhandlungen über die Vereinigung Österreichs mit der Weimarer Republik eine Sonderstellung für die österreichische Hauptstadt vorgesehen gewesen, wurde sie nun, wie Renner später in der österreichischen Unabhängigkeitserklärung schrieb, „zu einer Provinzstadt [degradiert]“ . Die Reichsinsignien und der Goldschatz der österreichischen Nationalbank wurden ins „Altreich“ verbracht. Die österreichischen Nationalsozialisten hatten nach dem Anschluss auf ihre Berücksichtigung bei den anstehenden Postenverteilungen gehofft, wurden aber selbst enttäuscht, da die NSDAP lieber auf reichsdeutsche Parteigänger setzte. Der deutsche Politikwissenschafter Richard Loewenthal meinte zur resigantiven Stimmung unter den Österreichern nach dem Anschluss:

„Die Österreicher wollten Deutsche werden - bis sie es dann wurden.“[22]

Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg losbrach, wurden auch die österreichischen Männer sukzessive in die deutsche Wehrmacht eingezogen. Dabei wurde eine Anhäufung von Österreichern in den einzelnen Truppenkörpern systematisch vermieden um eine soziale Abschottung gegenüber den Soldaten aus dem „Altreich“ zu verhindern. Nur unter den Gebirgsjägern stellten die Österreicher eine signifikante Gruppierung dar.

Die Rolle des österreichischen Widerstandes

Zeichen der Widerstandsbewegung O5 am Stephansdom
Nach 1945 wurde vermehrt Literatur zum Thema der österreichischen Identität veröffentlicht.

Als sich 1943 die Hinweise auf eine endgültige militärische Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg verdichteten und damit das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft absehbar erschien, begannen einige jener Politiker der Ersten Republik, die nicht dem politischen Terror zum Opfer gefallen waren oder sich in Haft befanden, im Geheimen ein selbstständiges Österreich zu planen. In dieser Zeit fand, was die österreichische Identität betraf, das erste Umdenken statt.

Hiebei spielte die Formierung österreichischer Widerstandsgruppen wie O5 eine zentrale Rolle. Der Autor Ernst Joseph Görlich schrieb zur Bedeutung des Widerstandes für das Erstarken der österreichischen Identität, dass dieser zwar nicht in seinem Ausmaß, jedoch in seiner Wirkung von äußerster Relevanz war.[23] Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes schätzt die Zahl der am Widerstand beteiligten Österreicher auf 100.000.[24] Auch der Historiker Felix Kreissler sieht im österreichischen Widerstand durchaus nationale Charakterzüge und gesteht ihm eine zentrale Rolle bei der österreichischen Nationswerdung zu.[25]

Auch in den beiden großen politischen Lagern der Ersten Republik, den Christlichsozialen und den Sozialdemokraten, „in Österreichern, die jetzt, sehr zu ihrem Erstaunen, wie sie selbst gestehen, bemerkten, dass sie sich nicht mehr als Deutsche, sondern primär als Österreicher erleben“[26], setzte sich im Laufe des Jahres 1943 die Überzeugung durch, dass Österreich nach Kriegsende wieder einen eigenständigen Weg einschlagen solle.

So wurde das Bestreben von deutschen Sozialdemokraten, vertreten durch Wilhelm Leuschner, der bei Adolf Schärf vorstellig wurde, die Vereinigung Österreichs mit Deutschland nach Kriegsende beizubehalten, von diesem zurückgewiesen. Obwohl Schärf, wie weite Teile der sozialdemokratischen Führungsriege, vor 1933 ein überzeugter Anschlussbefürworter gewesen war, setzte sich bei ihm im Laufe des Gesprächs die Erkenntnis durch, dass sich die Situation geändert habe.[27] Zu Leuschner sagte er spontan: „Der Anschluss ist tot. Die Liebe zum Deutschen Reich ist den Österreichern ausgetrieben worden.“[28] Erst danach sprach Schärf über das Thema mit Renner, Seitz und anderen: „Wir alle sind langsam […] zu der Auffassung gekommen, die mir zuletzt Leuschner gegenüber auf die Lippen gekommen war.“[29] Karl Renner etwa hatte sich noch 1938, unter anderem in einem Zeitungsinterview, für den Anschluss ausgesprochen, mit dem Argument dieser sei zwar nicht so abgelaufen wie man sich das gewünscht habe, im Endeffekt zähle aber das faktische Ergebnis.

Lois Weinberger, Mitglied im österreichischen Widerstand und später ÖVP-Politiker, bekam 1942 Besuch von Carl Friedrich Goerdeler, Mitglied des deutschen Widerstandes, der sich später am Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 beteiligte und dafür enthauptet wurde; dieser sprach sich für die Beibehaltung des Anschlusses aus. Weinberger verteidigte gegenüber Goerdeler den Plan der nationalstaatlichen Unabhängigkeit Österreichs nach dem Krieg.[30]

Das Jahr 1943 wird von mehreren Wissenschaftern, unter anderem von Felix Kreissler, als das entscheidende für die österreichische Nationswerdung angesehen. Es markiert gewissermaßen den Wendepunkt, der vom Pangermanismus weg- und zur österreichischen Nation hinführte. [31] Die Alliierten erklärten 1943 in der Moskauer Deklaration, Österreich sei „das erste Opfer“ Hitlers geworden und werde nach Kriegsende als selbstständiger Staat wiederhergestellt. Auf diese Position hatten unter anderem österreichische Exilanten Einfluss ausgeübt.[32]

Die Begriffsevolution und Akzeptanz der österreichischen Nation nach 1945

Umfrageergebnisse zur Akzeptanz der österreichischen Nation.[33]
Eine weitere Umfrage zur Frage, ob die Österreicher eine eigene Nation seien.[34]

Die Tatsache, dass die Eingliederung Österreichs staatsrechtlich nichtig war, bildete schließlich auch Renners Hauptargument in der österreichischen Unabhängigkeitserklärung:

„Angesichts der Tatsache, daß der Anschluß des Jahres 1938 nicht, wie dies zwischen zwei souveränen Staaten selbstverständlich ist, zur Wahrung aller Interessen durch Verhandlungen von Staat zu Staat vereinbart und durch Staatsverträge abgeschlossen, sondern durch militärische Bedrohung von außen und den hochverräterischen Terror einer nazifaschistischen Minderheit eingeleitet, einer wehrlosen Staatsleitung abgelistet und abgepreßt, endlich durch militärische kriegsmäßige Besetzung des Landes dem hilflos gewordenen Volke Österreichs aufgezwungen worden ist […] erlassen die unterzeichneten Vertreter aller antifaschistischen Parteien Österreichs ausnahmslos die nachstehende Unabhängigkeitserklärung.“[35]

Von einer eigenständigen österreichischen Identität ist in der Unabhängigkeitserklärung nicht die Rede.

Nach Kriegsende wurde die Idee, Österreich sei eine eigene Nation, auch dazu genützt um die Opferthese aufrecht zu erhalten. Die rechtliche Tatsache, dass Österreich zum Opfer deutscher Aggression geworden war wurde gewissermaßen im ethischen Sinne auf dessen ganze Bevölkerung umgemünzt. Von österreichischer Seite war man deshalb auch gerne bereit, sich gemäß der Moskauer Deklaration, selbst als erstes Opfer des Nationalsozialismus zu fühlen und die Eigenstaatlichkeit zu betonen. Um diese Theorie zu untermauern wurde 1946 durch das Außenministerium das Rot-Weiß-Rot-Buch aufgelegt, das Dokumente aus den Jahren 1933 bis 1945 sowie dazugehörige Kommentare enthielt. Das Buch wurde in der Folge von vielen Historikern als tendenziös kritisiert. In einem Spottlied thematisierte auch Erich Kästner den österreichischen Opfermythos in dem er die Nationalallegorie Austria folgendes singen ließ:

„Ich habe mich zwar hingegeben, doch nur weil ich gemußt.
Geschrien habe ich nur aus Angst und nicht aus Liebe und Lust.
Und daß der Hitler ein Nazi war – das habe ich nicht gewußt!“[36]

Der erste österreichische Bundeskanzler der Zweiten Republik Leopold Figl wies schon in seiner ersten Regierungserklärung vor dem Nationalrat am 21. Dezember 1945 darauf hin, dass man die Fehler der Ersten Republik nicht wiederholen wolle. Die österreichische Nation wies er in dieser Rede indirekt als Kulturnation aus, zugleich lehnte er es ab, diese als bloße politische Erfindung zu betrachten:

„Das Österreich von morgen wird ein neues, ein revolutionäres Österreich sein. Es wird von Grund auf umgestaltet und weder eine Wiederholung von 1918 noch von 1933 noch eine von 1938 werden. […] Unser neues Österreich ist ein kleiner Staat, aber es will dieser großen Tradition, die vor allem eine Kulturtradition war, treu bleiben, als Hort des Friedens im Zentrum Europas. Wenn wir immer wieder mit allem Fanatismus heimatverwurzelte Treue zu uns selbst betonen, daß wir kein zweiter deutscher Staat sind, dass wir kein Ableger einer anderen Nationalität jemals waren, noch sein wollen, sondern daß wir nichts anderes sind als Österreicher, dies aber aus ganzem Herzen und jener Leidenschaft, die jedem Bekenntnis zu seiner Nation innewohnen muß, dann ist dies keine Erfindung von uns, die wir heute die Verantwortung für diesen Staat tragen, sondern die tiefste Erkenntnis aller Menschen, wo immer sie auch stehen mögen in diesem Österreich.“[37]

In weiten Teilen der Bevölkerung setzte sich der Gedanke der nationale Eigenständigkeit allerdings erst im Lauf der Zeit durch. Noch 1955 fühlten sich nur knapp über 50 % der österreichischen Nation zugehörig, seither stieg der Wert auf gegenwärtig über 80 %. Laut einer Umfrage des Fesselinstituts lag die Akzeptanz der Österreichischen Nation im Jahr 2008 bei 82 %, wobei 7 % der Befragten deren Existenz ablehnten.[38] Trotz seiner außenpolitsichen Nützlichkeit kann das entstandene nationale Selbstbewusstsein der Österreicher aber nicht nur auf die Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Krieg, sondern auch auf politische, kulturelle und wirtschaftliche Identitätsbildung zurückgeführt werden.

Die staatliche Teilung entlang der Grenzen der Besatzungszonen, wie sie schließlich in Deutschland eintrat, konnte in Österreich verhindert werden. Schließlich wurde 1955 die Besatzungszeit mit dem Staatsvertrag beendet. Im gleichen Jahr wurde Österreich in die Vereinten Nationen aufgenommen und erklärte verfassungsrechtlich seine „immerwährende Neutralität“. Die österreichische Neutralitätspolitik wurde in der Folge auch als identitässtiftend angesehen.

Aufgrund der historischen und sprachlichen Nähe zu Deutschland und wegen der bis dahin geltenden Annahme, dass Österreich ein Teil der deutschen Nation sei, wurde die Spezifizierung des österreichischen vor allem durch die Unterscheidung zum deutschen Nationsbegriff vorangetrieben. Um diese Abgrenzung so deutlich wie möglich zu machen, wurde häufig alles Deutsche als nicht österreichisch und damit als negativ betrachtet. Man kann in diesem Bereich auch von Ansätzen eines österreichischen Nationalismus sprechen, der sich jedoch nicht nur gegen die Deutschen, sondern – wie alle Nationalismen – gegen „das Fremde“ schlechthin richtet.[39][40] Ein besonders enthusiastischer Patriotismus hatte sich in Österreich lange Zeit nicht entwickelt. Der Historiker Ernst Bruckmüller klassifiziert das Österreichgefühl in der Zweiten Republik folgendermaßen:

„eher realistisch-resignativ als begeistert-emphatisch“.[41]

Neue empirische Studien zeigen jedoch, einen insbesondere im Vergleich zu anderen Nationen sehr ausgeprägten österreichischen Patriotismus.[42] Anton Pelinka schrieb zur Entwicklung des österreichischen Patriotismus der „Presse“:

„Das waren noch Zeiten, als man (als ich) als österreichischer Patriot noch Ärgernis provozieren konnte - in Österreich; als der Hinweis auf die österreichische Nation noch Reaktionen wie "ideologische Mißgeburt" auslöste; als der Patriotismus Gegensätze nicht zu-, sondern aufdeckte. Diese Zeiten sind vorbei. Und das ist irgendwie schade. Denn nun sind sie alle Patrioten, und zwar österreichische [...] Nein, der gute alte Österreich-Patriotismus ist tot - leider. Er hat Gegensätze nicht verschlampt, er hat sie verdeutlicht. Der neue Patriotismus, für den alle sind - oder sein sollen, der ist wie Opium. Er soll Verstand durch Wohlgefühl ersetzen; und die oft schmerzhafte Analyse durch dumpfe Nestwärme. Das mag wollen, wer will. Ich mag es nicht.“[43]

Positionierungen zum Nationsbegriff

Der Soziologe Gunter Falk sieht prinzipiell drei Positionen gegenüber einer eigenständigen nationalen Identität Österreichs. Neben der ablehnenden, deutschnationalen Position, die alternative, internationalistische Haltung und schließlich die österreichisch-nationale Position.[44] Es bestehen auch durchaus regionale Unterschiede, wobei von einigen auch lokale Identitäten als primäre Identifikationsfaktoren angegeben werden. Regionale Identitäten sind laut Norbert Mappes-Niediek und Ernst Bruckmüller in Österreich noch wesentlich wichtiger als in anderen europäischen Ländern.[45][46] Neben dem individuellen Verhältnis bestehen auch Positionierungen einzelner sozialer Gruppen zum Nationsgedanken. In die drei Hauptpositionen lassen sich auch die wesentlichen politischen Kräfte der Zweiten Republik einordnen.

Die Position der Parteien nach 1945

ÖVP

Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) war 1945 neu gegründet worden und stellte einen bewussten Bruch gegenüber der christlichsozialen, aber auch der austrofaschistischen Tradition der ersten Republik dar. Sie repräsentierte jedoch weiterhin wie ihre Vorgängerparteien das konservative Lager. In ihren ersten „Programmatischen Leitsätzen“, die sie 1945 formulierte, wich die ÖVP aber vom bisherigen deutschnationalen Kurs des christlichsozialen Lagers, in dem sie etwa in „den Schulen aller Stufen“ die „restlose Durchdringung des Unterrichts mit österreichischem Gedankengut“ sowie die „Intensivste Arbeit am Aufbau der österreichischen Nation, die ein starkes, stolzes österreichisches Staats- und Kulturbewußtsein formen muß“ forderte.[47]

SPÖ

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei der ersten Republik hatten sich nach ihrer Zerschlagung 1934 in Sozialdemokraten und „revolutionäre Sozialisten“ gespalten. Um eine Teilung der Arbeiterschaft nach dem Krieg zu verhindern wurde die Partei zwar als Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) wiedergegründet, ihr programmatischer Schwerpunkt war jedoch sozialdemokratisch ausgeprägt. Auch die SPÖ begann von ihrer großdeutschen Ausgangslage abzuweichen. Noch 1926 hatte sie den Anschluss als Ziel ihrer Politik in ihr Parteiprogramm aufgenommen, 1933 in Folge der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich aber wieder daraus gestrichen. Obwohl Teile der SPÖ zur Bejahung der nationalen Eigenständigkeit Österreichs tendierten, hielten einzelne Vertreter, allen voran Friedrich Adler, an der Zugehörigkeit der Österreicher zum deutschen Volk fest. Aber sogar Karl Renner bezeichnete diese starre Haltung als „eine herausgefallene und aufgeklaubte Seite eines längst vergilbten politischen Lesebuchs“.[48] Dennoch hielt sich die SPÖ in der Nationalitätsfrage lange Zeit bedeckt, wohl auch um die Anhängerschaft Adlers nicht zu vergrämen. Bruno Kreisky wiederum war der Ansicht, dass Österreich „kein rein deutsches Land“ sei.[49] Spätestens mit dem Parteiprogramm von 1972 und dem neuen Grundsatzprogramm setzte sich jedoch die Akzeptanz der Österreichischen Nation auch in der Sozialdemokratie weitestgehend durch.

KPÖ

Die österreichischen Kommunisten waren bereits vor 1938 unter den Ersten gewesen die eine nationale Eigenständigkeit Österreichs forderten. Diese Haltung behielt die KPÖ auch nach 1945 bei, wobei stellenweise eine politische und ideologische Abhängigkeit zur sowjetischen Besatzungsmacht gegeben war. Im KPÖ-Parteiorgan „Weg und Ziel“ forderte 1947 Otto Langbein, der auch von 1969 bis 1973 für die Redaktion des Österreichischen Wörterbuches zuständig war, eine klare Distanzierung vom Deutschtum:

„Wir müssen in allem und jedem uns selber und der Welt beweisen, daß wir keine Deutschen sind, daß wir mit dem Deutschtum nichts zu tun haben. […] Die deutsche Nation, die deutsche Kultur sind für uns eine fremde Nation, eine fremde Kultur. Österreich muß sich endlich zu dem bewußten Gefühl durchringen: die Deutschen gehen uns nicht um ein Haar mehr an als irgend ein anderes Volk.“[50]

Die Kommunisten kritisierten daher auch die deutschnationale Haltung des Verbandes der Unabhängigen (VdU) und die großdeutschen Tendenzen in der SPÖ heftig. Die KPÖ, die im Vergleich zu anderen europäischen Staaten, immer eine kleine kommunistische Bewegung gewesen war, wurde schließlich 1959 aus dem Nationalrat gewählt.

VdU/FPÖ

Nach der Aufhebung des Wahlverbotes für ehemalige Nationalsozialisten wurde der Verband der Unabhängigen als Partei des sogenannten dritten Lagers gegründet und Vertrat sowohl großdeutsche und liberale, als auch deutschnationale Anliegen. Der VdU, der sich später in Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) umbenannte, war damit das wichtigste Sammelbecken der Gegner der österreichischen Nationswerdung. Im umstrittenen Ausseer Programm von 1954 hieß es: „Österreich ist ein deutscher Staat, seine Politik muss dem gesamten deutschen Volk dienen.“[51] Auf die innerparteilichen Spannungen hin, die sich aus dem Ausseer Programm ergaben, folgte eine schwere Wahlniederlage bei der Nationalratswahl von 1956. Vom Bekenntnis der Zugehörigkeit zum deutschen Volks- und Kulturraum ist auch die FPÖ im Wesentlichen bis heute nicht abgegangen. Im Parteiprogramm von 1997 heißt es, dass „von der Rechtsordnung denklogisch vorausgesetzt wird, dass die überwiegende Mehrheit der Österreicher der deutschen Volksgruppe angehört.“ Absatz drei weicht diese deutschnationale Grundhaltung jedoch mit der folgenden Formulierung auf:

„Jeder Österreicher hat das Grundrecht, über seine Identität und Volkstumszugehörigkeit selbstbestimmt und frei zu befinden.“ [52]

Selbst inerhalb der Wählerschaft der FPÖ stellt die deutschnationale Position aber mittlerweile nur noch eine Minderheitsmeinung dar. Laut Umfragen verneinen lediglich 17 % jener Befragten, die sich als FPÖ-Anhänger deklarieren, die Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation.[53] Als der FPÖ-Politiker Wolfgang Jung 2002 meinte er bezeichnete sich, frage man ihn nach seiner Nationalität, als Deutscher[54], wurde er auch von der eigenen Parteispitze kritisiert.[55]

BZÖ

Auch das Bündnis Zukunft Österreich(BZÖ) legt sich in seinem Programm nicht eindeutig auf ein Bekenntnis zur Österreichischen Nation fest. Dort heißt es unter anderem:

„Wir wollen den Schutz der Heimat im Rahmen des souveränen Nationalstaates, der ethnisch neutral mit seiner Verfassung die demokratische Mitwirkung des Bürgers auch in der EU gewährleistet.“[56]

Wie auch im Duktus der FPÖ, aus der das BZÖ hervorging, wird sehr häufig auf die Vokabel „Heimat“ zurückgegriffen. Ob unter den Begriff des souveränen Nationalstaates eine nationale Eigenständigkeit Österreichs subsumiert werden kann ist nicht eindeutig feststellbar.

Grüne

Die Grünen können mehrheitlich der internationalistischen Position zugerechnet werden. Der Nationsgedanke ist für sie negativ konnotiert und historisch belastet. Sie sehen die kollektive Identität als Ausgrenzungsgrund und Gefahr für die individuelle Selbstbestimmung. Im Grünen Grundsatzprogramm heißt es dazu unter anderem:

„Heterogene Interessen (etwa im Nationalstaat oder im Staatenverband der EU) lassen sich nicht ins enge Korsett einer verordneten Identität pressen.“[57]

Die Positionen anderer Gruppierungen

Der der eigenständigen nationalen Identitätsidee standen und stehen auch monarchistische und legitimistische Kreise kritisch gegenüber. Diese hängen großteils pannationalistischen Strömungen an, die sich vorwiegend am Beispiel der untergegangenen Vielvölkermonarchie orientieren. Gleichzeitig stehen sie aber auch in Opposition zum Anschlussgedanken, da dieser einem formalen Verzicht auf die Restitution der Habsburger gleichkommen würde.[58] Kardinal Theodor Innitzer hatte 1938 noch mit der Bischofskonferenz den Anschluss befürwortet und den entsprechenden Hirtenbrief mit „Heil Hitler!“ unterschrieben, sich aber später vom Nationalsozialismus distanziert. Eindeutige Positionierungen der Kirchen zur nationalen Identität hat es aber nach 1945 nicht mehr gegeben.

Südtiroler

Aufgrund der historischen, kulturellen und sprachlichen Verbundenheit mit Österreich stellt sich für Teile der deutschsprachigen Südtiroler Minderheit in Italien die Frage, inwieweit diese am österreichischen Nationsbegriff teil hat. Grundsätzlich bestehen dort noch starke deutschnationale Strömungen. Der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder bejahte aber in der ORF-Sendung „Pressestunde“ die Zugehörigkeit der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols zur österreichischen Nation. Die Südtiroler sind für ihn „eine österreichische Minderheit, die in Italien lebt“.[59] Im Grundsatzprogramm der Südtiroler Volkspartei (SVP), die im Südtiroler Landtag zur Zeit über eine absolute Mehrheit verfügt[60], wird festgehalten, dass die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols „einen Anspruch auf die geistige und kulturelle Zugehörigkeit Südtirols zum Vaterland Österreich“ habe.[61] Im SVP-Wahlprogramm von 2008 wird Italien als „fremdnationaler Staat“ bezeichnet.[62] Der ehemalige italienische Staatspräsident Francesco Cossiga erregte 2006 mit der Aussage Aufsehen, die deutschsprachigen Südtiroler seien eine deutsche, keine österreichische Minderheit, und dass es eine österreichische Nation ebenso wenig wie eine österreichische Literatur oder Musik gebe.[63] Politisch hat Österreich, gemäß dem Gruber-De-Gasperi-Abkommen, eine Schutzmachtfunktion über die deutschsprachige Minderheit in Südtirol inne.

Begriffsverwendung

Die Begriff Nation wird im Allgemeinen auf zwei Arten verwendet. Zum Einen in seinem eigentlichen ideologischen Sinn, als Sammelbegriff für kollektive Identitäten, zum Anderen als Ausdruck zur Beschreibung der Gesamtheit der Bevölkerung. Aussagen wie: „Die ganze Nation trauert.“, sind deshalb nicht als, im eigentlichen Begriffssinn verwendet, zu betrachten. Des Weiteren hat sich das Wort Nation, beziehungsweise der Wortteil National-, in etlichen politische Begrifflichkeiten in Österreich niedergeschlagen. Auch hierbei ist zu beachten, dass die Bezeichnung „national“ meist eher im staatsrechtlichen als im Sinne der nationalen Identität verwendet wird. Beispiele dafür sind etwa: Nationalrat, Nationalbank, Nationalbibliothek, Nationalpark[64], Nationaler Sicherheitsrat[65] oder Nationalfonds[66]. Eher im Sinne der eigentlichen Begriffsbedeutung ist der Nationalfeiertag zu verstehen. Durch seine Bezeichnung grenzt sich dieser deutlich vom Staatsfeiertag ab. Begangen wird der Nationalfeiertag am 26. Oktober, zum Gedenken an die Verabschiedung des Neutralitätsgesetzes. Auch Görlich sieht den Nationalfeiertag durchaus ideologisch belegt:

„Wer für den 26. Oktober bewußt das Wort Nationalfeiertag nicht verwendet, zeigt, wes Geistes Kind er ist.“[67]

Kritik

Der österreichische Nationsbegriff war und ist naturgemäß großen Anfeindungen deutschnationaler Kreise ausgesetzt. Jörg Haider sagte 1988 in einem Interview über die österreichische Nation:

„Das wissen sie so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologische Missgeburt, denn die Volkszugehörigkeit ist die eine Sache und die Staatszugehörigkeit ist die andere Sache.“[68] [69]

Aber auch aus wissenschaftlicher Sicht ist der Nationsbegriff im Allgemeinen und das, die Nationswerdung betreffende, österreichische Geschichtsbild im Besonderen, gewisser Kritik ausgesetzt. Die Politologin Erna Appelt warnt etwa vor der Vereinheitlichung des Individuums der es durch den Nations- oder den Volksbegriff unterworfen sein kann und vor deren ausgrenzender Wirkung:

„Die Rede von den ‚echten Österreichern‘ bzw. von den ‚Deutschen als ein normales Volk‘ greift auf ein Vokabular zurück, das Versatzstücke jener Ideologie verwendet, die den Nationalsozialismus vorbereitet hat. ‘Was ist normal?’. ‘Was ist ein Volk?’, und vor allem: ‘Was ist ein normales Volk?‘. […] Und hieran schließt sich unmittelbar die Frage an, was mit all jenen zu geschehen habe, die eben nicht dieser angenommenen Norm entsprechen und nicht in diese Echtheit einbezogen werden. […] Die ‚GastarbeiterInnen‘, Kärntner SlowenInnen, die Roma und Sinti, die Juden, Kommunisten und die antifaschistischen Partisanen des Zweiten Weltkrieges, sie alle sind verdächtig, keine ‚echten Österreicher‘ zu sein.“[70]

Gleichzeitig streicht Appelt auch die Wandelbarkeit heraus, der alle Begrifflichkeiten unterworfen sein können und von der, ihrer Meinung nach, auch der österreichische Nationsbegriff nicht verschont wird:

„Die Geschichte dieses Jahrhunderts hat uns skeptisch werden lassen. Vieles was etwa vor einigen Jahren über die österreichische Nation geschrieben werden konnte, klingt heute überholt. Schon werden Stimmen laut, die das Projekt Österreich als ein transitorisches Projekt auffassen. Daß die Legenden der österreichischen Nachkriegszeit sich endgültig als Mythen entpuppt haben, kann durchaus als Chance begriffen werden.“[71]

Während in den meisten europäischen Staaten die Nationswerdung noch im 19. Jahrhundert abgeschlossen wurde, ist Österreich im Vergleich dazu ein nationaler Spätentwickler.[72] Trotzdem, so Appelt, könnte die Vorstellung von einer österreichischen Nation bald durch eine gesamteuropäische Identifikationsidee abgelöst werden. Diese Entwicklung wiederum wird von deutschnationaler Seite ebenso kritisiert wie die Vorstellung von einer eigenständigen nationalen österreichischen Identität. Andreas Mölzer schrieb dazu:

„Und die Frage, ob die Österreicher des beginnenden 21. Jahrhunderts nun Deutsche seien oder Angehörige einer eigenen Nation, stößt zunehmend auf emotionsloses Unverständnis. Kein Wunder, angesichts der multikulturellen Gesellschaft, die die Existenz des deutschen Volks insgesamt relativiert. Kein Wunder auch angesichts der nivellierenden Tendenzen der allgemeinen Europäisierung. Geradezu skurril dabei ist allerdings, daß jene Kräfte, die nach 1945 die „österreichische Nation“ zum politischen Dogma erhoben haben, in unseren Tagen zuerst bereit sind, diese „österreichische Nation“ gegenüber der multikulturellen Gesellschaft und der nivellierenden Europäisierung preiszugeben.“[73]

Wissenschaftliche Einordnung

Sprachen und Volksgruppen in Österreich und Südtirol

Gerade über das Thema österreichische Nation wurden und werden immer wieder teils heftige politische Diskurse geführt. Da der Nationsbegriff aber generell emotional und ideologisch aufgeladen ist, wird auch dessen wissenschaftliche Einordnung häufig durch Grabenkämpfe erschwert. Da bei der Identifikation des Individuums mit dem übergeordneten Ganzen, der Nation, dessen gefühlsmäßige und weltanschauliche Tendenzen eine wesentliche Rolle spielen, werden dem Nationsbegriff auch immer wieder methaphysische Eigenschaften, bis hin zur Vergöttlichung (vgl. etwa die Nationalallegorien) zugeschrieben. Der Schriftsteller Ferdinand Bruckner sah diesen Hang zur Übersteigerung vor allem beim österreichischen Selbstverständnis als zentrales Problem an:

„Ob da […] einst in Wien ein glanzvoller Kaiser residierte, oder ob ein blasser Herr Schuschnigg ‚Österreichs historische Erbpflicht‘ erfüllen wollte: immer gab es eine österreichische Fiktion, eine metaphysische Begründung, warum die Österreicher auf der Welt sind. Die Tatsache, daß sie auf der Welt sind, einfach anerkennen, wäre gleichbedeutend gewesen mit dem amtlichen Einverständnis, daß die Österreicher ein Volk sind. Völker brauchen keine metaphysische Begründung. Ihr Dasein beantwortet bereits alle Fragen nach dem Sinn ihrer Existenz.“[74]

Für wissenschaftliche Einordnungsversuche verschiedener nationaler Identitäten werden häufig kulturelle, sprachliche, historische, religiöse oder ethnische Gemeinsamkeiten der jeweiligen Bevölkerung gewählt. Aufgrund der Unschärfe mancher diese Begriffe wird die wissenschaftliche Definition des österreichischen Nationsbegriffes besonders erschwert.

Sprache

Hauptartikel: Sprachgebrauch in Österreich

Das österreichische Deutsch (siehe auch: Liste von Austriazismen) ist mittlerweile als eigenständige Varietät der deutschen Sprache weitgehend anerkannt. Nach 1945 wurde von vielen Seiten zunehmend eine deutlichere Betonung der sprachlichen Eigenständigkeit Österreichs gefordert. Dazu gehörte sowohl die Aufforderung zur zunehmenden Verschriftlichung dialektaler Begriffe, als auch die Ablehnung gegenüber außerösterreichischen deutschen Wörtern.[75] Der Versuch, die nationale Eigenständigkeit über sprachliche Unterschiede zu definieren, ist dennoch schwierig. Vor allem im Dialektbereich herrschen große regionale Unterschiede, etwa zwischen den in Vorarlberg und Westtirol vorherrschenden verschiedenen alemannischen Dialektvarianten und den süd- und mittelbairischen Dialekten, die in den restlichen deutschsprachigen Gebieten Österreichs dominieren. Im Verfassungskonvent von 2005 wurde auch darüber diskutiert, die Definition der Staatssprache in Artikel 8 B-VG als „Österreichisches Deutsch“ stärker zu betonen. Eine sprachliche Nationsbegründung würde allerdings die Einbeziehung der kroatisch-, ungarisch-, tschechisch-, slowakisch-, romanes- und slowenischsprachigen Volksgruppen (anerkannte Minderheitensprachen in Österreich) in den österreichischen Nationsbegriff erschweren.

Kultur

Hauptartikel: Österreichische Kultur

Einen wichtigen Identifikationsfaktor stellt die österreichische Kultur dar. Wobei der breitgefasste Kulturbegriff sowohl moderne Musik, Literatur und bildende Künste als etwa auch Brauchtum und Volkskultur umfasst. Laut Wendelin Schmidt-Dengler lässt sich eine österreichische Literatur aber nicht allein über das österreichische Deutsch, sondern vor allem über inhaltliche und stilistische Eigenschaften definieren. Der Begriff sei zwar schwer fassbar, von der österreichischen aber als deutsche Literatur zu sprechen, empfand Schmidt-Dengler als lächerlich.[76] Umstritten ist, inwiefern Kulturgut, das vor der Nationswerdung – besonders aber vor der Staatsgründung 1806 – entstanden ist, als österreichisch bezeichnet werden kann. Wolfgang Amadeus Mozart wird deshalb auch in etlichen Quellen als Deutscher bezeichnet. Dennoch gehen manche Wissenschaftler schon früh von einer eigenständigen österreichischen Kultur aus:

„Katholische Weltauffassung und italienische Barocke prägten vom Siege der Gegenreformation bis Maria Theresia der österreichischen Kultur ihren Charakter auf, protestantische Weltanschauung und französischer Klassizismus beherrchten bis zum Schluß von Gottscheds Diktatur das Geistesleben Deutschlands.“[77]

Religion

Hauptartikel: Anerkannte Religionen in Österreich

Eine religiöse Definition scheitert nicht nur am säkularen Fundament der Republik, sondern auch an der mangelnden Homogenität. Viele Staatsbürger bezeichnen sich bereits als „ohne Bekenntnis“, neben der katholischen Mehrheitsbevölkerung bekennen sich aber auch etliche Österreicher zum protestantischen, orthodoxen, muslimischen oder jüdischen Glauben.

Ethnie

Die Frage, ob Österreicher an sich eine Ethnie darstellen, ist umstritten. Von mancher Seite wird dies jedoch mittlerweile angenommen.[78] So listen sie etwa das CIA Factbook oder der Österreichische Schulatlas von Westermann als eigenständige ethnische Gruppe auf.[79] Auch die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit spricht von „ethnischen Östrerreichern“.[80] In der internationalen Fachliteratur wird der Begriff einer österreichischen Ethnizität ebenso verwendet.[81] Auch das Institut für Höhere Studien greift auf den Begriff zurück. [82] Der Slowenische Präsident Janez Drnovšek sagte gegenüber dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer, die Tatsache, dass ethnische Österreicher in Kärnten vermehrt Slowenisch lernten zeige, dass man auf dem richtigen Weg zu einem beiderseitigen Verständnis sei.[83] Der Begriff „ethnische Österreicher“ findet vor allem auch in englischsprachigen Medien Verwendung.[84] Lois Weinberger hingegen schrieb, in Bezugnahme auf einen abstammungsorientierten Begriff von Ethnizität, in seinen Erinnerungen:

„Wenn die Österreicher eine Nation sind, dann keine des Blutes, aber eine solche des besten menschlichen Geistes“[85]

Die Presse schrieb in einem Kommentar zum Buch „Gestörte Identitäten“ von Lutz Musner, Gotthart Wunberg und Eva Cescutti: „Gibt es einen Ethnonationalismus ohne Ethnie? Im Land unbegrenzter Unmöglichkeiten - warum nicht?“[86] Für Ernst Hanisch sei der Ansatz zu einem österreichischen Ethnonationalismus ein Problem der „Reaustrifizierung“:

„Mußte doch eine nationale Identität auf einer nicht scharf definierbaren Ethnie aufgebaut werden“.[87]

Die meisten Historiker und Ethnologen sehen heute den Begriff Volk als keine permanente und konsistente Gruppe von Menschen mit gemeinsamer Abstammung an. Die Vorstellung von genealogisch einheitlichen Völkerschaften wird als nazistischer Mythos angesehen. Der Mediävist Jörg Jarnut hält den Begriff Germanen selbst letztlich für eine Konstruktion:„Die Vorstellung von einer ethnischen Einheit der Germanen ist historisch unhaltbar.“[88] Der Historiker Herwig Wolfram meinte dazu: „Daß es keine unvermischten Völker gegeben haben kann, hat bereits Seneca logisch deduziert“.[89] Außerdem, so Wolfram, werde weiterhin an unzutreffenden Abstammungsmythen festgehalten:

„So wollen etwa die Bayern und Österreicher heute noch Boier, das heißt Kelten sein, und in Kärnten gibt und gab es bekanntlich keine oder nur dünn siedelnde Slawen.“[90]

Ein Problem des ethnischen Nationsbegriffs ist es, dass dieser ebenso wie die Konstruktion der Sprachnation die Volksgruppen generell ausschließt.

Willensnation

Im Zusammenhang mit dem Versuch, die österreichische Nation auf ein wissenschaftliches Fundament zu stellen, wird häufig auf den Begriff der Willensnation zurückgegriffen, die sich nicht ausschließlich über Sprache, Kultur und ethnische Homogenität, sondern vor allem über ein „Identitäts- und Zusammengehörigkeitsgefühl“ der Nationsangehörigen definiert. Als Willensnation bezeichnen sich zum Beispiel Einwanderungsländer wie Kanada oder die USA, aber vor allem auch die Schweiz. Von dort stammt auch eine, zum Gedenken an den Untergang des Staates Österreich vor siebzig Jahren im März 2008 publizierte, Meinung:

„Die Zweite Republik steht heute glänzend da. Sie ist, anders als damals, nicht nur ein Staatskonstrukt, sondern eine prosperierende Willensnation […].“[91]

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Brauneder: Quellenbuch zur Österreichischen Verfassungsgeschichte 1848–1945.
  • Ernst Bruckmüller: Nation Österreich. Kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse, Studien zu Politik und Verwaltung 4, Wien/Köln/Graz ²1996.
  • Ernst Bruckmüller: Die Entwicklung des Österreichbewußtseins. (pdf).
  • Peter Diem: Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeichen. K&S Wien 1995, ISBN 3-218-00594-9 (Webauszug: Die Symbole Österreichs)
  • Friedrich Heer: Der Kampf um die österreichische Identität. Böhlau, Wien/Köln/Graz 1981
  • Robert Sedlacek: Das Österreichische Deutsch.
  • Anton Staudinger: Zur „Österreich“-Ideologie des Ständestaates. In: Das Juli-Abkommen von 1936. Vorgeschichte, Hintergründe und Folgen. Wien 1977. 198-240
  • Karl Vocelka: Geschichte Österreichs, Heyne/Styria, 3. Auflage, 2004, ISBN 3-453-21622-9.

Quellen

  1. Friedrich Heer: Der Kampf um die österreichische Identität, Verlag Hermann Böhlaus Nfg., Wien – Köln – Graz 1981, ISBN 3-205-07155-7, S. 26
  2. Friedrich Heer, a.a.O., S. 28 f.
  3. Art. 1 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Reichsgesetzblatt Nr. 142 / 1867, S. 394
  4. Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 11.
  5. Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 10 f.
  6. Paul-Ludwig Völzing: Begründen, Erklären, Argumentieren. Modelle und Materialien zu einer Theorie der Metakommunikation. Quelle & Meyer, Heidelberg 1979, S. 116 f.; zit. nach: Bernd Michael Matouschek: Die Österreichische Nation… eine ideologische Mißgeburt? S. 64.
  7. Brigitte Hamann: Hitlers Wien, Piper, München 1996, S. 381 ff.
  8. Otto von Habsburg: Im Frühling der Geschichte. Wien, S. 174; zit. nach http://www.cafecritique.priv.at/pdf/scheinland.pdf
  9. Ernst Bruckmüller in: Österreichische Gallerie Belvedere: Das neue Österreich, Wien 2005, S. 242.
  10. Schmitz, Die Vorentwürfe Hans Kelsens für die österreichische Bundesverfassung, S. 115; Ermacora, Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920), S. 43.
  11. Kelsen, Österreichisches Staatsrecht, S. 238.
  12. Anton Wildgans: Rede über Österreich, Verlag „Das Bergland-Buch“, Salzburg 1962
  13. Peter Diem: Die Symbole Österreichs, Kremayr & Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00594-9, S. 140 f.
  14. Norbert Schausberger: Der Griff nach Österreich. Der Anschluß, Jugend und Volk, Wien, München 1978, ISBN 3-7141-6532-0, S. 164
  15. Ernst Bruckmüller in: Österreichische Gallerie Belvedere: Das neue Österreich, Wien 2005, S. 242.
  16. Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 42.
  17. Zit. nach Manfred Jochum: Die Erste Republik in Dokumenten und Bildern, Wilhelm Braumüller, Universitäts-Verlagsbuchhandlung, Wien 1983, S. 222.
  18. Zit. nach Manfred Jochum, a.a.O., S. 225.
  19. Zit. nach Manfred Jochum, a.a.O., S. 226.
  20. http://diepresse.com/home/diverse/zeichen/155067/index.do?from=suche.intern.portal
  21. Wilhelm J. Wagner, Der große Bildatlas zur Geschichte Österreichs. Kremayr & Scheriau 1995, ISBN 3-218-00590-6 (Kapitel „Heim ins Reich“).
  22. http://diepresse.com/home/diverse/zeichen/155067/index.do?from=suche.intern.portal
  23. Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 30.
  24. http://www.doew.at/thema/widerstand/tagung_wn.html#ueberpart
  25. Felix Kreissler, La Prise de Conscience de la Nation Autrichienne 1938–1945–1978, Presses Universitaires, Paris 1980, S. 315 (PDF)
  26. Friedrich Heer, a.a.O., S. 441
  27. Vgl.: Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 30f.
  28. Adolf Schärf: Österreichs Erneuerung 1945–1955, Wien 1955, S. 19 ff; zitiert nach Friedrich Heer, a.a.O., S. 441.
  29. Schärf, a.a.O.
  30. Vgl.: Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 31f.
  31. Bernd Michael Matouschek: Die Österreichische Nation… eine ideologische Mißgeburt? Wien 1989, S. 63.
  32. Bernd Michael Matouschek: Die Österreichische Nation… eine ideologische Mißgeburt?: Wien 1989, S. 63.
  33. Bernd Michael Matouschek: Die Österreichische Nation… eine ideologische Mißgeburt? S. 68.
  34. Peter Wiesinger, in: Nation und Sprache, de Gruyter, Berlin, S. 556.
  35. http://ris1.bka.gv.at/bgbl-pdf/RequestDoc.aspx?path=bgblpdf/1945/19450001.pdf&docid=19450001.pdf
  36. Vgl. Walter Simon: Mehr Hitze als Licht, S. 32. In: Academia, S. 32–34
  37. Peter Wiesinger, in: Nation und Sprache, de Gruyter, Berlin, S. 545.
  38. http://derstandard.at/?url=/?id=3261105
  39. http://hrcak.srce.hr/file/40149
  40. http://iiss210.joanneum.at/demokratiezentrum2/media/pdf/appelt.pdf
  41. Bernd Michael Matouschek, Die Österreichische Nation… eine ideologische Mißgeburt?, Wien 1989, S. 66.
  42. http://www-news.uchicago.edu/releases/06/060301.nationalpride.shtml
  43. http://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/274747/index.do?from=suche.intern.portal
  44. Bernd Michael Matouschek, Die Österreichische Nation… eine ideologische Mißgeburt?, Wien 1989, S. 67.
  45. Peter Pelinka, Wozu noch Österreich? Bestandsaufnahme eines Kleinstaates, Ueberreuter, Wien 2001, S. 54.
  46. Ernst Bruckmüller in: Österreichische Gallerie Belvedere: Das neue Österreich, Wien 2005, S. 242 ff.
  47. Kriechbaumer: Von der Illegalität zur Legalität, 1985, S.166
  48. Renner in der Wiener Zeitung vom 17.1.1947. Z.n. Ardelt, S.71
  49. Vgl. V. Reimann: Die dritte Kraft in Österreich. Wien 1980
  50. Peter Wiesinger, in: Nation und Sprache, de Gruyter, Berlin, S. 547 f.
  51. Programme gedruckt bei Berchtold, S.488f Zit. nach http://lehrer.freepage.de/cgi-bin/feets/freepage_ext/41030x030A/rewrite/foel/Fm031/nation3.htm#001
  52. Parteiprogramm vom 30. Oktober 1997, S.5 Zit. nach http://lehrer.freepage.de/cgi-bin/feets/freepage_ext/41030x030A/rewrite/foel/Fm031/nation3.htm#001
  53. http://derstandard.at/?url=/?id=3261105
  54. http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/261998/index.do?from=suche.intern.portal
  55. http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/264717/index.do?from=suche.intern.portal
  56. http://www.bzoe.at/index.php?content=bzoe_programm
  57. http://www.gruene.at/uploads/media/grundsatzprogramm2001_03.pdf
  58. Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 24f.
  59. http://tirol.orf.at/stories/51310/
  60. ORF: „SVP hält absolute Mandatsmehrheit“
  61. SVP-Grundsatzprogramm – 4. Südtirol und Österreich
  62. SVP-Wahlprogramm 2008 (PDF)
  63. „Von Quoten und Grenzen“, derStandard.at vom 27. Februar 2006
  64. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/umweltthemen/naturschutz/NSG-NP-RZ2.pdf
  65. http://www.bka.gv.at/site/3504/default.aspx
  66. http://www.de.nationalfonds.org/
  67. Vgl.: Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 36.
  68. http://www.news.at/articles/0841/13/221959/von-oesterreich-missgeburt-ss-umstrittene-sager-haiders-karriere
  69. http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/262740/index.do?from=suche.intern.portal
  70. http://iiss210.joanneum.at/demokratiezentrum2/media/pdf/appelt.pdf
  71. http://iiss210.joanneum.at/demokratiezentrum2/media/pdf/appelt.pdf
  72. http://www.cafecritique.priv.at/pdf/scheinland.pdf
  73. http://www.andreas-moelzer.at/index.php?id=405
  74. http://www.cafecritique.priv.at/pdf/scheinland.pdf
  75. Peter Wiesinger, in: Nation und Sprache, de Gruyter, Berlin, S. 548 f.
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  85. Ernst Joseph Görlich: Die Österreichische Nation und der Widerstand. Europaverlag: Wien 1967. S. 32.
  86. http://diepresse.com/home/diverse/literatur/277020/index.do?from=suche.intern.portal
  87. http://diepresse.com/home/diverse/literatur/277020/index.do?from=suche.intern.portal
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  91. Neue Zürcher Zeitung, Zürich, Nr. 63, 15./16. März 2008, S. 1/2, Wege aus bewegter Geschichte.