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Hausbesetzung

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Eine Hausbesetzung ist die Inanspruchnahme von leerstehendem Wohnraum ohne ausdrückliches Einverständnis oder gegen den Willen des Eigentümers bzw. Berechtigten.

Begriff

Hausbesetzungen werden aus verschiedenen, sich oftmals überlappenden Motiven durchgeführt: Darunter sind der Wunsch nach kostenlosem Wohnraum, eigener Wohnungsmangel oder sogar Obdachlosigkeit und Protest gegen spekulativen Leerstand und Wuchermieten. Hausbesetzer grenzen sich meist bewusst von gesellschaftlichen Normen ab und versuchen, alternative Formen des Zusammenlebens zu entwickeln. Hausbesetzungen werden auch als Instandbesetzungen bezeichnet, da nicht mehr bewohnbare oder vom Abriss bedrohte Häuser in manchen Fällen wieder instandgesetzt und bewohnbar gemacht werden.

Bei den Hausbesetzungen gibt es grundsätzlich zwei Klassen:

  • offene besetzte Häuser, bei denen die Öffentlichkeit wissen darf - und soll - dass das Haus besetzt ist. Häufig hängen Transparente an der Fassade, es werden Flugblätter verteilt, etc.
  • so genannte stille Besetzungen, hierbei ziehen die Menschen einfach ein und versuchen, die Besetzung nicht öffentlich zu machen.

Das Symbol der Hausbesetzerbewegung ist ein Kreis, durch den ein N-förmiger Blitz von links unten nach rechts oben verläuft. Eigentlich stammt dieses Zeichen vom Hobo-Zeichen ab, in dem ein Kreis mit einem Blitz bedeutet "hier kann man gut eine Nacht bleiben". Das N steht für neemt, was soviel bedeutet wie genommen, also besetzt. Die Ähnlichkeit zum Zeichen der Firma Opel hat dann das Zeichen etwas "gedreht". Entstanden ist es in der holländischen Hausbesetzerszene der 1970er Jahre, auch als Kraaker oder Kraakerbewegung bekannt. In der Schweiz wurde die Zürcher Hausbesetzerszene in dem kontrovers diskutierten Spielfilm Blutgeil filmisch dargestellt.

Geschichtliche Entwicklung

Die Hausbesetzerszene Westdeutschlands war insbesondere Ende der 1970er und in den 1980ern aktiv. In der Wendezeit wurden viele Häuser in der ehemaligen DDR besetzt. Die Besetzung von Häusern war oft ein "politischer Protestakt gegen das politische System" des jeweiligen Staates. Es kam nicht selten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dies geschah v.a. bei Demonstrationen und Räumungen.

Viele der in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren in Deutschland und den Niederlanden besetzten Häuser sind heute legalisiert. Dies bedeutet, dass die Bewohner mit den Eigentümern Duldungs-, Miet- oder Nutzungsverträge abgeschlossen haben. Es gibt aber auch Häuser, die formell nicht legalisiert sind und einen inoffiziellen Status haben, nach dem sie als "geduldet" gelten. In der Schweiz haben besetzte Häuser häufig einen "Gebrauchsleihevertrag", der sichert, dass die Hausbesetzer auch Strom und Wasser bezahlen.

Bekannte besetzte Häuser waren oder sind das Georg-von-Rauch-Haus (Berlin-Kreuzberg), die Häuser in der Mainzer Straße (Berlin-Friedrichshain), die Hafenstraße (Hamburg-St. Pauli) oder die Rote Flora (Hamburg). Aber auch in kleineren Städten gab es spektakuläre und erfolgreiche Hausbesetzungen. In Tübingen sind dies etwa das Richard-Epple-Haus und das ehemalige Polizeihauptquartier im Stadtzentrum, das zum Studentenwohnheim wurde, in Leipzig die Häuser in der Stockartstraße in der Nähe des Conne Islands, in Potsdam das Boumans.

In Berlin-Kreuzberg richtete sich die Bewegung v.a. gegen die Sanierungspläne des Senats, welche im einzelnen den Abriss von Altbauten und den Neubau von Trabantensiedlungen zum Ziel hatten. Dazu ließen die Hauseigentümer die meist noch gut erhaltenen Altbauten durch niedrige Investitionen oftmals gezielt verfallen. Berlins erste Bewegung endete im Jahre 1981, als der Senat die "Berliner Linie" verkündete, welche keine Neubesetzungen mehr möglich machte. Zuvor hatten sich die Besetzer über die Legalisierung der Häuser in zwei Lager gespalten: Die einen wollten ihr neues Wohn- und Lebensverhältnis sichern, während die anderen den Besetzerstatus und ihre damit verbundenen politischen Ziele nicht aufgeben wollten.

Juristische Bewertung

Hausbesetzungen gegen den Willen des Eigentümers sind in Deutschland strafrechtlich gesehen Hausfriedensbruch nach § 123 des Strafgesetzbuchs (StGB); wird Einrichtung oder die Bausubstanz verschlechtert, liegen Sachbeschädigungen nach § 303 StGB vor. Ist der Wille des Eigentümers nicht erforschbar oder stellt er sich sogar ausdrücklich nicht gegen die Besetzung, so liegt hingegen keine strafbare Handlung vor. Oft finden im Umfeld einer Hausbesetzung auch andere Straftaten statt, zum Beispiel Entziehung elektrischer Energie nach § 248c StGB; bei Widerstand gegen polizeiliche Räumungen kommt es manchmal zu Körperverletzungen (§ 242 StGB) oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB).

Zivilrechtlich hat der Eigentümer gegen die Besetzer Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Herausgabe der Nutzungen.

Kontroverse zur juristischen Bewertung

Die Hausbesetzerbewegung interpretierte diese Strafmaßnahmen beständig als Kriminalisierung. Oft bildeten sich eine Solidarisierung mit den Hausbesetzern, die durch Öffentlichkeitsarbeit und Demonstrationen die Hausbesetzung unterstützte und sich gegen die Repression und für den Erhalt der Häuser einsetzte. Für die Kosten der Prozesse gegen Hausbesetzer wurde Geld gesammelt und für die von der Repression Betroffenen wurde sich um Anwälte und rechtliche Betreuung gesorgt. In den Gerichtsverhandlungen war man darum bemüht, das politische Anliegen der Besetzung gegenüber der vermeintlichen Straftat deutlich zu machen. In der Regel sah man sich durch die jeweilige soziale Situation, der städtepolitischen Entwicklung und den Leerstand des Eigentums dazu legitimiert, Gebäude wieder einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Oft wurden Grundrechte, wie ein Recht auf Wohnung, versucht geltend zu machen. Tatsächlich wurde in der Regel ein Großteil der Verfahren gegen Hausbesetzer eingestellt und viele Besetzungsaktionen wurden legalisiert.