Videoüberwachung
Videoüberwachung ist die Beobachtung von Räumen mit optisch-elektronischen Einrichtungen.
- Herkömmliche Videoüberwachung besteht in der Regel aus mindestens einer Überwachungskamera und einem Anzeigemonitor, optional erlauben die Systeme häufig auch eine Aufzeichnung der Bilder auf Videoband.
- Moderne Systeme bestehen aus IP-Kameras die an einem Computer via Netzwerk per TCP/IP angebunden werden. Der Computer übernimmt die Funktion der Aufzeichnung. Zum Betrieb einer Videoüberwachungsanlage ist dann der Einsatz einer Videoüberwachungssoftware notwendig, die häufig weitergehende Funktionen wie beispielsweise Bewegungserkennung oder Gesichtserkennung ermöglicht.
Rechtliche Situation in Deutschland
Eine Vielzahl von Gesetzen definiert, wer Videoüberwachung unter welchen Rahmenbedingungen einsetzen darf. Die Zulässigkeit der Videoüberwachung ist speziell davon abhängig, wer diese einsetzt. Generell wird zwischen privater und staatlicher Videoüberwachung unterschieden.
Private Videoüberwachung wird durch § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt. Danach ist sie nur zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung des Hausrechtes oder anderer berechtigter Interessen erforderlich ist. Zweckbindung, Datensparsamkeit und Transparenz sind wesentlichen Aspekte des Datenschutzes und werden in § 6b behandelt. Verstösse gegen diesen Paragraphen sind bussgeldbewährt. In der Praxis bleibt jedoch nur die Möglichkeit private Betreiber um Beseitigung der Missstände zu bitten, da im Anhang des BDSG kein Bussgeld definiert ist.
Das BDSG ist ein Auffanggesetz, d.h. dass Regelungen aus dem BDSG nur greifen, wenn keine speziellen Vorschriften existieren. Spezielle Kompetenzen der Polizei werden in den Landespolizeigesetzen geregelt. In den letzten Jahren haben viele Landesparlamente entsprechende Änderungen verabschiedet, um ihrer Polizei den Einsatz von Videotechnik zu erlauben.
Der Bundesgrenzschutz (BGS) darf nach dem Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) Videoüberwachung nutzen. HIHO ICH BIN DER SCHNUFFI
Argumentation
Menschliche Betrachtung und Freiheitsaspekte
- Gesamtproblem: Wenn jeder Betreiber seinen Anspruch auf "Sicherheit" mittels Videoüberwachung durchsetzt, gibt es keinen unbeobachteten Raum mehr.
- Überwachung fördert Konformität. Dies um so mehr, je weniger über die Überwachung bekannt ist. (panoptisches Prinzip)
- Ein Beobachter einer Konfliktsituationen (Gewalt gegen Menschen) kann annehmen, dass via Videoüberwachung eine Zentrale Kenntnis von dem Vorgang erhält. Anstatt Zivilcourage zu zeigen und einzuschreiten, könnte der Beobachter sich auf professionelle Hilfe verlassen.
- Videoüberwachung unterstützt Repressionen gegen Randgruppen: Hinter einer Kamera steht kein objektiver Betrachter, sondern ein Mensch mit eigener Weltanschauung und eigenen Vorurteilen. Vorurteile können sein Beobachtungsverhalten bewusst oder unbewusst steuern.
Datenschutzrechtliche Probleme
- Ist durch bildliche Darstellung einer Person diese identifizierbar, so unterliegen die Bildaufnahmen dem Datenschutz. Dabei ist unerheblich ob eine Person tatsächlich identifiziert wird oder nicht.
- Videoüberwachung im öffentlichen Raum betrifft nahezu nur unverdächtige Normalbürger. Es gibt keinen Verdacht gegen eine konkrete Person, sondern alle Personen unterstehen einem Generalverdacht. Das widerspricht der Unschuldsvermutung.
- Gespeicherte Daten wecken Begehrlichkeiten. Selbst zweckgebundene Daten sind für Strafverfolger benutzbar (AG Grummersbach zum Autobahnmautgesetz).
- Private Sicherheitsbetreiber arbeiten Hand in Hand mit der Polizei (Sicherheitspartnerschaften). Die Polizei erhält Hinweise durch private Sicherheitsbetreiber. Damit vergrößern sich die Kontrollmöglichkeit der Polizei. Außerdem verwässert sich dadurch die Trennung zwischen den durch Polizeigesetze gebundenen Beamten und privaten Sicherheitsfirmen.
- Das von Videoüberwachung betroffene Individuum hat im Alltag wenig Chancen, Betreiber und Speicherfristen zu ermitteln - besonders durch die mangelhafte Kennzeichnung.
- Das Ausmaß der privat betriebenen Videoüberwachung ist schlecht kontrollierbar und wird in Zukunft nur schwer zu regulieren sein.
- Durch die zunehmende Digitalisierung stellt die einfache Manipulierbarkeit von gespeicherten Videodaten eine potentielle Gefahr dar, da diese für eine automatisierte Erkennung verwendet werden können. Für den Bereich Videoüberwachung sind bislang keine Beispiele des Missbrauchs durch Manipulation bekannt.
Kritik an der Tauglichkeit
Die Frage nach der Tauglichkeit von Videoüberwachung ist schwer zu beantworten. Einige Studien über die Videoüberwachung in Großbritannien kommen zum Ergebnis, dass Videoüberwachung Kriminalität verringert. Die "Erfolgsmeldungen" wurden jedoch durch neuere Studien relativiert.
- Videoüberwachung kann bei einigen Szenarien verhältnismässig sein:
- Gefahrenplätze in der Industrie: Werden rein technische Abläufe aufgenommen, fallen keine personenbezogenen Daten an. Tendenziell wird keine "breite Masse" gefilmt.
- Parkplatzüberwachung: Die Verhaltensmuster auf einem Parkplatz liegen in einem eingeschränkten Spektrum. "Abweichendes Verhalten" lässt sich schneller Erkennen als beispielsweise in einer Einkaufsstraße, da Parkplatze beziehungsweise Parkhäuser keine Aufenthaltsatmosphäre bieten.
- Um das Ausmaß saisonaler Effekte beurteilen zu können, muss eine Studie einen längeren Zeitraum betrachten. Öffenliche Räume werden in der warmen Jahreszeit stärker genutzt als in der Kalten. Das hat auch auf die Häufigkeit von Delikten einen gravierenden Einfluß. Folglich muß einer Studie mindestens ein Jahreszeitraum zugrunde gelegt werden.
- Eine Studie sollte auch aufgrund von Gewöhnungseffekten längerfristig angelegt sein. Man muss damit rechnen, dass lokale Medien über die Installation von Videokameras berichten und das Einfluss auf Kriminalitätsvorkommen im beobachteten Raum hat. Langfristig kann die Wahrnehmung der Beobachtung abflauen.
- Verdrängung
- Videoüberwachung ist unwirksam bei Drogenkriminalität (weil suchtgetrieben), Verdrängung kann jedoch dazu führen, dass Kriminalitätsbrennpunkte nicht mehr als solche wahrgenommen werden
- Überwachungskameras sind meistens klein und unaufällig
- Wenn Täter die Kameras nicht bemerken, dann werden sie nicht anders handeln
- Dislozierung wird von der Polizei als Erfolg angesehen
- Überwachungskameras dienen der Täterermittelung, nicht der Prävention
- Nicht sinnvoll, weil die Opfer die Tat unabänderlich bereits erlitten haben
- Überwachungskameras benutzten Menschen als Köder, um Täter zu fangen.
Kritische Stimmen zur Videoüberwachung
Hier folgen Mitteilungen aus der Presse über kritische Stimmen zum Thema Videoüberwachung in chronologischer Reihenfolge in einzelnen Bereichen.
- 27. September 2004: Cuxhavener Nachrichten, Die "kleinen Brüder" schauen nie weg: Kamera-Überwachung in Cuxhaven, Videobeobachtung im öffentlichen Raum durch Private: Auch ein professioneller Überwacher wie Claus Nöckel von der Detektei Nöckel beobachtet den Umgang mit Bildern von privaten Überwachungskameras im öffentlichen Raum mit Skepsis. "Es ist haarsträubend, wie leichtfertig mit Daten umgegangen wird", sagt der Detektiv, der im Auftrag seiner Kunden beispielsweise die Kameras beim Stadion am Meer aufgestellt hat. So würden mancherorts Videokopien von den Bildern der Überwachungskameras gezogen und mit nach Hause genommen oder es gebe Voyeurismus. Zu häufig fehlten beispielsweise die Schilder, die nach dem Bundesdatenschutzgesetz auf eine Videoüberwachung hinweisen müssen und wer diese durchführt, so Nöckel.
- 17. März 2004, dpa: Zentralrat der Muslime gegen Videoüberwachung von Moscheen
- 28. Februar 2004, Neukölln-online: Steglitz-Zehlendorfs Bildungsstadtrat Erik Schrader (FDP) schließt für seinen Bezirk Kameras an Schulen aus: "Es gibt keine so massiven Vorfälle, die das rechtfertigen würden."
- 13. Februar 2002, MoPo in Bezug auf Überwachung in Brandenburg: Für den Brandenburger Chef der Gewerkschaft der Polizei Andreas Schuster ist Videoüberwachung nicht geeignet, um gegen Straftaten effektiv vorzugehen. Schuster sieht Verlagerungseffekte.
- 13. Dezember 2001, brandenburgische GdP-Landeschef Andreas Schuster: Wir haben in Erkner den bestbewachten Fahrradständer des Landes" Mit diesem und ähnlichen Sätzen kommentierte die Gewerkschaft der Polizei das Videoüberwachungsprojekt von Jörg Schönbohm (CDU, Innenminister) Darauf wurde der Innenminister sauer und ließ ein Sprechverbot für alle Polizisten und Polizei-Pressestellen erlassen. Die Kosten einer Anlage belaufen sich auf einmalig etwa 90.000 Euro und etwa 50.000 Euro pro Jahr. Berlin Online
- 24. März 2000, brandenburgische GdP-Landeschef Andreas Schuster über Videoüberwachung in Brandenburg:¨Die Zahl der Straftaten wird damit kaum zurückgehen¨ ¨Rechtsextremisten oder Drogendealer suchen sich einfach einen anderen Ort für ihre kriminellen Aktivitäten. Das Parlament
- 30. Dezember 1998, Berliner SPD-Fraktionschef Klaus Böger und Chefin des Berliner Bundes Deutscher Kriminialbeamter (BDK) Heide Rudert lehnen Videoüberwachung auf jüdischen Friedhöfen zur Verhinderung von antisemitischen Anschlägen ab. verschiedene Medien
Weblinks
Videoüberwachung reduziert Kriminalität nicht (Florian Rötzer)
Bürgerrechtsnahe Gruppierungen
- FoeBuD e.V.
- Arbeitskreis "Videoüberwachung und Bürgerrechte"
- Seminar für angewandte Unsicherheit
- Die VÜ-Sektion des C4
- Britische Menschenrechtsgruppe Privacy International
- UK Public CCTV Surveillance Regulation Campaign
- surveillance camera players
- Netzwerk Neue Medien
Firmen aktiv in der Videoüberwachung
Kartierungsprojekte
Eine etwas andere Sicht auf Kartierungsprojekte bringt dieses Meldung aus Barnet, einem Londoner Stadtteil. Die Intelligence Unit der Barnet Borough Police sammelt für das Projekt Rainbow Informationen über Kamerastandorte in ganz London. Ziel des Projektes Rainbow ist das Erkennen terroristischer Aktivitäten.
- Offenes Auge (Hamburg)
- Kameras weg (Mannheim)
- Aktuelle Kamera (Bremen)
- Leipziger Kameras
- CCTV Berlin - Berliner Kameras
- Der Große Bruder (München)
- Flickr: 1984 (Galerie für Überwachungskameras)
- [1] hib-Meldung 061/2002, Keine ausdrückliche Kennzeichnungspflicht für Videoüberwachung durch BGS Stand: 7. März 2002
Missbrauch
Hier folgen bekanntgewordene Fälle von Missbrauch beziehungsweise Zweckentfremdung.
- In Großbritannien, dem Land mit der größten Überwachungskameradichte der Welt, gibt es immer mal wieder Überwachungsfilme mit pikanten Szenen zu kaufen (30. Juni 2004). Der dort zitierte Spiegel Artikel kostet 0,50 €.
- Ein Beispiel für Überwachung ohne Kameras. Wieviel perfekter die Überwachung geworden wäre, wenn man auch noch Kameras mit Verhaltens- und Gesichsterkennung benutzt hätte, kann sich jeder selber ausmalen. "...noch in den 60er Jahren in den öffentlichen Herrentoiletten von Hamburg Einwegspiegel angebracht wurden. Durch diese inspizierte die Hamburger Polizei, in dahinter liegenden Räumen sitzend, gezielt die schwule Szene, nahm Festnahmen vor und führte sogenannte "Rosa Listen". Erst 1980 flog die andere "Spiegel-Affaire" durch eine spektakuläre Aktion auf. Damals zertrümmerte der Architektur-Historiker Wolfgang Voigt Spiegel in den Toiletten und der Kabarettist Corny Littmann stellte diese Aktion wenig später noch einmal für die Medien nach." Das Zitat selber ist von Krista Sager (GAL), damalige zweite Bürgermeisterin von Hamburg, Gleichstellungs- und Wissenschaftssenatorin, heute Fraktionsvorsitzende der Bündnis 90/Grünen im Bundestag. Es stand auf: www.politikerscreen.de Hinweis: www.politikerscreen.de ist eine Tochtergesellschaft der EUTOP Group und als solche eine Kooperation mit dem ZDF.
- Veröffentlichung von Fotos im Internet von mutmaßlichen TeilnehmerInnen einer 'Reclaim the Streets' Aktion in London durch die englische Polizei. Die Aktion wurde nicht durch Videokameras verhindert, diese - gegen die sich die Aktion unter anderem richtete - dienen möglicherweise nun als Hilfsmittel bei der Kriminalisierung des Protestes gegen Überwachung. Diese Information ist nicht
- Videoüberwachung von Internetcafes in Schanghai futurezone (22. April 2004)
- Sicherheitskonferenz in München
- An der HAK/HAS in Oberwart/Österreich filmte ein Lehrer mit Minikameras verdeckt das Damenklo. Die beiden Kameras war auf das die Kloschüssel ausgerichtet und sollte zur Aufdeckung von Drogenmißbrauch dienen. Die erste Kamera war bereits im Mai von einer Putzfrau entdeckt worden und dann von einem Sprengstoffexperten als Mini-Kamera identifiziert. Erst jetzt, nachdem der betreffende Lehrer eine zweite Kamera aufgehängt hatte, wurde etwas dagegen unternommen. Angeblich war die Schulleitung nicht informiert. Laufen in Österreich jeden Tag Sprengstoffexperten in der Schule rum? Quellen: Neues Volksblatt (kein Datum); Telepolis: Florian Rötzer 30. Juli 2004; Niederösterreichische Nachrichten vom 30. Juli 2004; MUND Florian Steiniger
- Webcam in einer Wiesbadener Straße. Der Spiegel berichtete.
- assicam.de: Eine Webcam in Meißsen filmte Trinker in der Innenstadt. Quelle: telepolis (6. Juni 2002)
Sonstiges
- Die Schillpartei hat Wahlplakate in Bernau gefilmt, da wiederholt Plakate gestohlen wurden. Ein Dieb wurde erwischt. Phoenix online (23. August 2002)
- Die Bahnhofskameras in Erkner könnten auch Aufnahmen von privatem Wohnraum machen, wenn nicht eine Software den betreffenden Teil schwärzen würde. Ob und wieweit das funktioniert ist nicht bekannt. Aus: S. 163; Die Wachtürme des Generals a. D.; Leo Hempel und Eric Töpfer; Privat!; Ralf Grötker (Hrsg.); 1. Auflage 2003; heise-verlag