Konjunktur
Als Konjunktur (lateinisch: coniungere = zusammenfügen) bezeichnet man die Gesamtsituation einer Volkswirtschaft. Sie leitet sich aus der gleichzeitigen Betrachtung verschiedener volkswirtschaftlicher Größen ab. Der wichtigste Indikator ist das BIP (Bruttoinlandsprodukt).
Sie ist dabei durch Konjunkturzyklen, mehrjährige Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität in marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften, gekennzeichnet. Diese Zyklen betreffen die Wirtschaft als Ganzes und weisen eine gewisse Regelmäßigkeit auf. Konjunkturzyklen bestehen im Regelfall aus
- Aufschwungphasen (Expansion),
- Hochkonjunktur (Boom),
- Abschwungphasen (Rezession) und den
- Tiefphasen (Depression).
Tiefphasen können Normaltiefphasen (positives Wirtschaftswachstum), Stagnationen (kein Wirtschaftswachstum), Rezessionen (gering negatives Wirtschaftswachstum) oder Depressionen (stark negatives Wirtschaftswachstum) darstellen.
Solche Schwankungen werden schon seit langem beobachtet, waren aber oft Folge singulärer Ereignisse wie beispielsweise Spekulationskrisen. Eine gewisse Regelmäßigkeit dieser Schwankungen lässt sich zumindest bis ins 19. Jahrhundert hinein belegen. Diese Regelmäßigkeit ist es, die letztlich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Konjunktur begründet.
Verbessert sich die Konjunktur in bestimmten Teilbereichen einer Volkswirtschaft aufgrund einer außerordentlichen Situation - zum Beispiel einer Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen - für einen begrenzten Zeitraum, so spricht man auch von einer Sonderkonjunktur.
Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Abschwächung konjunktureller Schwankungen werden als Konjunkturpolitik bezeichnet.
Wirtschaftsschwankungen
Folgende Arten von Wirtschaftsschwankungen lassen sich aufgrund der Länge der Zyklen unterscheiden:
- Saisonale Schwankungen sind kurzfristiger Natur (etwa drei Monate), sie sind vorher einplanbar und werden durch sich ändernde Wetterbedingungen in den Jahreszeiten verursacht. Diese schlagen sich vor allem branchenspezifisch nieder (wie etwa Abnahme der Wertschöpfung in der Baubranche im Winter).
- Konjunkturelle Schwankungen sind mittelfristiger Natur (etwa vier Jahre): Sie sind schwieriger in den Griff zu bekommen und bilden die Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik. Sie kommen durch Ungleichgewichte zwischen gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und gesamtwirtschaftlichem Angebot zustande und werden zudem noch von zeitlichen Anpassungsverzögerungen beeinflusst.
- Strukturelle Schwankungen (Kondratjew-Zyklen) sind langfristiger Natur (rund 50 bis 60 Jahre). Sie werden durch tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaft ausgelöst (technischer Fortschritt, Industrialisierung, Computertechnologie) und haben große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Hier kann die Politik jedoch nur unter Schwierigkeiten eingreifen.
Länge der Zyklen
Unabhängig von einander haben mehrere Konjunkturforscher Schwankungen unterschiedlicher Länge identifiziert. Kitchin beispielsweise fand Zyklen mit einer Länge von zwei bis vier Jahren, Spiethoff solche mit einer Dauer von sieben bis elf Jahren. Gefunden wurden außerdem Zyklen mit einer Dauer von etwa 40 bis 60 Jahren, die Schumpeter als „lange Wellen“ oder Kondratjew-Zyklen bezeichnete.
Die Länge, die man einem Konjunkturzyklus zuschreibt, hängt wesentlich davon ab, ob man das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität (in der Regel gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Produktion, also dem Bruttoinlandsprodukt) als Maßstab heranzieht, oder die Wachstumsraten. Grenzt man Anfang und Ende eines Konjunkturzyklus danach ab, ob die Wirtschaftsleistung absolut rückläufig war („Klassische Konjunkturzyklen“), so findet man längere Zyklen. Eine Einteilung anhand von Zuwachsraten führt zu einer größeren Zahl von kürzeren „Wachstumszyklen“. Alternativ kann man Konjunkturen daran messen, wie stark die Produktionskapazitäten der Unternehmen ausgelastet sind. Hier sind Schwankungen zwischen etwa 70 Prozent (Rezession) und 100 Prozent (Boom) denkbar. Entsprechend lautet die betriebswirtschaftliche Definition der Konjunktur nach gängiger Lehrmeinung: Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials einer Volkswirtschaft. Hier wird sowohl ein Makrozyklus von mehreren Jahren bis zu Jahrzehnten Dauer beschrieben als auch beinhaltete Microzyklen von wenigen Jahren, nicht jedoch unterjährige Saisonzyklen.
Phasen des Zyklus
Konjunkturphase | Erwartungen | Lageeinschätzung |
---|---|---|
Rezession | negativ | negativ |
Aufschwung | positiv | negativ |
Boom | positiv | positiv |
Abschwung | negativ | positiv |
1 gemäß der im ifo-Geschäftsklimaindex verwendeten Systematik |
Von verschiedenen Forschern und Institutionen werden Konjunkturzyklen in mehrere Phasen eingeteilt. Verbreitet ist ein Zwei-Phasen-Schema, bei dem der Konjunkturzyklus in einen Aufschwung und einen Abschwung eingeteilt wird. Dabei nehmen die Aufschwungphasen meist den weitaus größten Teil des Zyklus ein, während Abschwungphasen im Allgemeinen recht kurz sind. Dieses Schema ist insbesondere in den USA sehr verbreitet. Nach einer Einteilung dauerten die Aufschwünge nach dem Zweiten Weltkrieg im Durchschnitt 52 Monate, die Abschwünge hingegen nur 10 Monate.
Anmerkung zur Grafik: Rezession = Abschwung ; Depression = Konjunkturtief
Expansive Phase (Aufschwung)
Als expansive Phase bezeichnet man die Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs. Sie ist geprägt durch steigende Auftragsbestände und Produktionen, das Sinken der Arbeitslosenquoten, eine tendenziell wahrnehmbare jedoch noch geringe Preissteigerung (Inflation), niedrige Zinsen mit steigender Tendenz sowie optimistische Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung.
Hochkonjunktur (Boom)
In der Phase der Hochkonjunktur (obere Wendepunktphase, Boom) sind aufgrund von starker Nachfrage die Kapazitäten einer Wirtschaft voll ausgelastet. Es herrscht Vollbeschäftigung. Das Lohnniveau steigt, die Preise und die Zinsen ziehen weiter an. Die Produktion wird so lange gesteigert, bis eine Überhitzung des Marktes eintritt - wenn also steigende Zinsen aufgrund erhöhter Kreditnachfrage und vermehrte Fehlinvestitionen aufgrund übermäßig optimistischer Erwartungen immer mehr Unternehmen Probleme bereiten. Man spricht hier von Marktsättigung. Merkmale eines gesättigten Marktes:
- Marktvolumen steigt nur noch in geringem Umfang
- Teilmärkte werden von Stagnation oder Schrumpfung erfasst
- Preisverfall
- weniger produktive und viele kleine Unternehmen scheiden aus dem Markt aus
- Unternehmensübernahmen verstärken Konzentrations- und Konsolidierungsprozesse
- polypolistische Marktstrukturen werden durch oligopolistische Strukturen ersetzt
Von nun an nimmt das Bruttoinlandsprodukt zwar noch weiter zu, jedoch mit sinkenden Wachstumsraten. Die Phase des Abschwungs wurde eingeleitet.
Rezession
Die Rezession (Abschwung, kontraktive Phase) bezeichnet die Konjunkturphase, in der eine Stagnation bis hin zum Abschwung der Wirtschaft auftritt. Nach der meistverbreiteten Definition liegt eine Rezession vor, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinander folgenden Quartalen im Vergleich zu den Vorjahresquartalen nicht wächst oder ein Rückgang zu verzeichnen ist (sinkendes Bruttoinlandsprodukt). Eine Rezession hat üblicherweise Kursverluste an der Börse zur Folge. Verschärft sich eine Rezession oder kommt es zu einer längeren kontraktiven Phase, spricht man von Depression. Laut Angaben der Fachleute beim Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Österreich ist aber allein ein Rückgang der Wachstumsraten in zwei aufeinander folgenden Quartalen (immer im Vergleich zur Vorjahresperiode) noch nicht als Rezession zu bezeichnen, sondern erst zwei Quartale mit Negativwachstum. Also erst eine schrumpfende Wirtschaft steckt in einer Rezession, nicht aber eine nur mehr leicht wachsende Wirtschaft. Diese vor allem aus dem amerikanischen Wirtschaftsraum übernommene Definition gelte aber laut WIFO nur in westlichen Staaten. In China wäre eine Periode mit sechsprozentigem Wirtschaftswachstum schon als Rezession zu bezeichnen, da Chinas Wirtschaft ja teilweise jährlich um zehn Prozent wächst.
Die Rezessionsphase ist gekennzeichnet durch:
- Abschwächung der Hochkonjunktur
- pessimistische Beurteilung der Wirtschaftslage
- Rückgang der Nachfrage
- überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- fehlende Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Depression (Konjunkturtief)
Ein Konjunkturtief ist der Tiefstand nach dem Abschwung einer Volkswirtschaft. Verstärkt wird sie durch Strukturkrisen, in denen über einen längeren Zeitraum die wirtschaftliche Tätigkeit (wie es etwa das Bruttoinlandsprodukt anzeigt) zurückgeht, die Börsenkurse fallen, die Arbeitslosigkeit stark ansteigt und Deflation aufkommt (das heißt das Preisniveau sinkt, Güter werden günstiger).
Die ebenfalls häufig verwendete Bezeichnung Depression (von lateinisch: deprimere = niederdrücken) meint im eigentlichen Sinne nicht ein Konjunkturtief, sondern eine negative Wachstumsrate, also ein sinkendes absolutes Bruttoinlandsprodukt. Häufig wird der Begriff Depression mit der Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre in Zusammenhang gebracht, wo er erstmals genannt wurde. Diese Depression war geprägt von einer Massenarbeitslosigkeit bis dahin unbekannten Ausmaßes. Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise war der Zusammenbruch der Börsen am so genannten schwarzen Freitag.
Den Befürwortern psychologischer Gründe für Wirtschaftskrisen zufolge liegt der Hauptgrund für eine Depression in einem Vertrauenszusammenbruch der Bevölkerung in das Wirtschaftssystem. Angst vor Jobverlust führt ihnen zufolge zu verminderten Ausgaben, die wiederum zu vermehrten Entlassungen führen. Andere machen wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen verantwortlich (im Fall der Weltwirtschaftskrise etwa übermäßiger Protektionismus und mangelnde Maßnahmen um Einflüsse von Kursverlusten auf wichtige Märkte zu reduzieren) oder andere Faktoren - unter anderem Herdentrieb bei Investitionen und exogene Einflüsse.
Konjunkturtheorien
Dem Phänomen Konjunktur kann man sich aus unterschiedlichen Perspektiven nähern:
- Eine phänomenologische Sichtweise setzt sich mit dem Konjunkturzyklus als solchem auseinander. Sie versucht, aus dessen Dauer, der Länge der verschiedenen Phasen und dem Verhalten verschiedener Teilaggregate (wie Beschäftigung, Investitionen, Exporte) Lehren für den künftigen Ablauf der Konjunktur zu ziehen. Diese Sichtweise ist insofern wichtig, als sie Konjunkturzyklen überhaupt erst als eigenständiges Forschungsobjekt etabliert.
- Eine analytische Sichtweise versucht das Zustandekommen von Konjunkturschwankungen durch Ansätze aus der Wirtschaftstheorie zu erklären. Einen Ansatzpunkt bieten Akzelerator-Multiplikator-Ansätze (Multiplikator-Akzelerator-Modell). Andere Erklärungsversuche stellen Lagerzyklen in den Mittelpunkt der Erklärung. Als Auslöser von Konjunkturschwankungen werden zudem finanz- oder geldpolitische Maßnahmen analysiert; auch werden politische Zyklen diskutiert, sowie psychologische und sonstige Ursachen.
- Eine exogene (außerwirtschaftliche) Sichtweise betrachtet die Faktoren, die nicht unmittelbar mit der Wirtschaft zu tun haben. So sind zum Beispiel Kriege, Naturkatastrophen, Entdeckungen, Erfindungen, neue Rohstoffquellen Faktoren, die die Konjunktur verändern können.
Die verschiedenen Schulen der Volkswirtschaftslehre favorisieren dabei unterschiedliche Erklärungsansätze:
- Die Klassiker kannten zwar schon das Phänomen konjunktureller Schwankungen, sie erklärten diese aber mit singulären Ereignissen (Schocks) wie Missernten oder dem Platzen von Spekulationsblasen. William Stanley Jevons machte Sonnenflecken für Konjunkturschwankungen verantwortlich. Dadurch seien die Ernten beeinflusst.
- Dass exogene Schocks Auslöser von Konjunkturen sein können, wird in neuerer Zeit von der Real-Business-Cycle-Theorie vertreten.
- Die monetäre Überinvestitionstheorie der Österreichischen Schule (Mises, Hayek).
- Der Keynesianismus versteht hingegen Konjunkturen als Ausdruck temporärer Ungleichgewichte auf den Güter- und Faktormärkten, die ihren Ausdruck etwa in Unterkonsumtion oder in Überinvestitionen fänden. Ein Beispiel für eine solche Überinvestition (der Begriff Fehlinvestition wäre angebrachter, da nur ein Teil der Wirtschaft betroffen war) findet man in den USA in den Jahren 1999/2000, als im Vertrauen auf die New Economy erhebliche Investitionen in IT-Ausrüstungen und -Unternehmen getätigt wurden, die sich bald als zu optimistisch herausstellten, was eine der Ursachen für die Rezession 2001 war. Da Keynesianer Marktungleichgewichte und Strukturkrisen als Auslöser derartiger Rezessionen ansehen, sehen sie die Möglichkeit, dass die Wirtschaftspolitik die Wirkungen konjunktureller Schwankungen abmildern kann, indem sie zum Beispiel in der Rezession die fehlende private durch staatliche Nachfrage ersetzt (antizyklische Wirtschaftspolitik). Der Ansatzpunkt des Keynesianismus um der Gleichgewichtsstörung entgegenzuwirken ist, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch Konsumsteigerung (nachfrageorientiert) oder Investitionen in die Infrastruktur bzw. Wirtschaft (angebotsorientiert) gestärkt werden müsse.
- Der Monetarismus schließlich fasst hingegen Konjunkturen als die Folge von staatlichen Eingriffen in den Wirtschaftskreislauf auf. Insofern empfehlen sie der Finanz- wie der Geldpolitik konjunkturpolitische Abstinenz. Stattdessen soll die Politik festen Regeln folgen, Eingriffe in den Markt möglichst vermeiden und das langfristige Wachstum fördern. Der Ansatzpunkt des Monetarismus um der Gleichgewichtsstörung entgegenzuwirken ist, dass das gesamtwirtschaftliche Angebot durch Verbesserung der Produktions- und Leistungsbedingungen gestärkt wird.
- Die Neue Politische Ökonomie verweist auf die Möglichkeit politisch induzierter Konjunkturschwankungen (Politischer Konjunkturzyklus).
Diese unterschiedlichen Auffassungen spiegeln sich in den konjunkturpolitischen Empfehlungen wider.
Die konjunkturelle Situation ist auch im Bereich der Fundamentalanalyse von Aktien relevant. Je nach Konjunkturphase ist eine Anlage in Aktien aus zyklischen Branchen mehr oder weniger sinnvoll.
Konjunkturforschung und -prognose
Forschungseinrichtungen
In den USA wurde die Konjunkturforschung von Burns und Mitchell begründet. In Deutschland unter anderem von Arthur Spiethoff und Ernst Wagemann. Der von Burns/Mitchell in den 1920er Jahren entwickelte Harvard-Indikator geriet in Misskredit, als er die Weltwirtschaftskrise 1929 nicht anzeigte. Allerdings lebte die Tradition der Konjunkturforschung in den 1930er Jahren wieder auf.
In Deutschland begann die Konjunkturforschung mit Gründung des Instituts für Konjunkturforschung in Berlin (heute: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW), das entstand, um jene Konjunkturanalysen durchzuführen, für die das Statistische Reichsamt kein Mandat hatte und die im Hochschulbereich auf wenig Interesse stießen. Daneben etablierten sich in Deutschland fünf unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitute, die regelmäßig Konjunkturprognosen veröffentlichen:
- das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel,
- das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) in Hamburg,
- das Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen,
- das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln und
- das ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München.
Diese erstellen seit 1950 zweimal im Jahr eine Gemeinschaftsdiagnose im Auftrag der Bundesregierung. Nach der Wiedervereinigung kam mit dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in Halle an der Saale ein sechstes Forschungsinstitut in den Kreis der führenden Institute hinzu. Nicht zu vergessen das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit.
Daneben befassen sich die Forschungsinstitute der Arbeitgeber (Institut der Deutschen Wirtschaft) und der Gewerkschaften (seit 2005 das neu gegründete Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung) mit Konjunkturanalysen.
Der 1963 gegründete Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erstellt ebenfalls einmal pro Jahr eine Konjunkturprognose, die im November veröffentlicht wird.
Weitere regelmäßige Prognosen veröffentlichen die internationalen Organisationen OECD, EU und IWF.
Methoden der Konjunkturprognose
Konjunkturprognosen werden ausgehend von Erfahrungen aus der Vergangenheit über den Ablauf früherer Konjunkturzyklen, empirisch überprüften wirtschaftlichen Zusammenhängen (zum Beispiel die Wirkung von Zinsen auf Investitionen oder von Steuern auf die Konsumnachfrage) und schließlich Konjunkturindikatoren abgeleitet. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung liefert den definitorischen Rahmen, um die Konsistenz der Prognosen herzustellen. Dabei bedient man sich zum Teil intuitiver Verfahren, zum Teil ökonometrischer Methoden. Ökonometrische Konjunkturmodelle stützen sich auf mathematisch-statistische Verfahren, es können aber zusätzliche Informationen in die Modelle eingegeben werden, die sogenannten Adds (konstante additive), aber auch multiplikative Veränderungen der endogenen Variablen. Beispielsweise müssen neue politische Maßnahmen, „per Hand“ in die Modellstruktur eingegeben werden, die Wirkungen müsste das Modell selbst ausrechnen können.
Konjunkturzyklen in Deutschland
Im Gegensatz zu den USA, wo es eine „offizielle“ Datierung der Konjunkturzyklen gibt, liegt eine offizielle Klassifikation der Zyklen für Deutschland nicht vor. Betrachtet man nur Konjunkturen im engeren Sinne, die durch absolute Rückgänge in der Wirtschaftsleistung begrenzt werden, so lassen sich seit 1945 fünf volle Zyklen erkennen, die zumeist mit Abschwächungen der Weltwirtschaft zusammenfielen.
Der erste Nachkriegsaufschwung endete 1966, als das Bruttoinlandsprodukt erstmals seit 1949 sank. Der zweite Zyklus endete mit der Rezession 1974, als es wegen der ersten Ölkrise zu einem Nachfrageentzug kam. Ein dritter Zyklus endete 1981/82, im Gefolge der zweiten Ölkrise. Das Ende des vierten Zyklus markiert die Rezession 1993, der bisher einzigen Rezession in der Bundesrepublik, die binnenwirtschaftlich ausgelöst wurde, wegen der im vorhergehenden Wiedervereinigungsboom aufgetretenen Übersteigerungen und der daraufhin restriktiven Geldpolitik, die wegen der zuvor hohen Inflation auf Bremskurs gegangen war.
Ein fünfter Zyklus endete nach dieser Zählung 2001, ausgelöst unter anderem durch das Ende des Booms in der IT- und Kommunikationsbranche. Die Schwächephase zog sich lange hin (2002 - 2004). Erst das relativ starke Wirtschaftswachstum seit 2005 läutete den Beginn des sechsten Zyklus' in Deutschland ein.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für 2009 die erste weltweite Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg; in Deutschland soll die Wirtschaftsleistung deutlich zurückgehen.
Konjunkturrisiken
Konjunkturrisiken stellen ein allzeit gegenwärtiges Phänomen moderner Volkswirtschaften dar, denen ein Großteil der Wirtschaftssubjekte ausgesetzt ist. Dies tritt besonders in Zeiten einer Rezession in Erscheinung, so wenn die Unternehmensgewinne schrumpfen, Firmen geschlossen und Mitarbeiter entlassen werden. Es wäre eine mögliche Situation im Risikomanagement, wenn Wirtschaftssubjekten die Option zur Verfügung stünde, bestimmte Konjunkturstatus durch eine Hedgetransaktion auszuschließen. Dies könnte dadurch möglich gemacht werden, indem Derivate auf Makroindices begeben werden, die den Konjunkturzyklus abbilden. Durch den Kauf oder Verkauf dieser Makroderivate könnte so auf dem Konjunkturzyklus investiert werden. Dies kann aber durch die Komplexität wieder neue Risiken erzeugen (siehe Hedgegeschäft). [1]
Quellen
- ↑ Michael Durica (2006). Product Development for Electronic Derivative Exchanges: The case of the German ifo business climate index as underlying for exchange traded derivatives to hedge business cycle risk. Pro Business. Berlin. ISBN 393953305X.
Literatur
Das Phänomen der Konjunktur wird in allen gängigen makroökonomischen Lehrbüchern erörtert, zum Beispiel:
- Lutz Arnold: Makroökonomik. Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 3-16-148075-9.
- Olivier Blanchard und Gerhard Illing: Makroökonomie. 4., aktualisierte Auflage. Pearson Studium, 2006, ISBN 978-3-8273-7209-3.
- Michael C. Burda und Charles Wyplosz: Makroökonomik. Eine europäische Perspektive. 2. Auflage. Vahlen, 2003, ISBN 978-3800628568.
- N. Gregory Mankiw: Makroökonomik, 5. Auflage. Schäffer-Poeschel, 2003, ISBN 978-3791020266.
Folgende Lehrbücher beschäftigen sich speziell mit der Konjunktur:
- Lutz G. Arnold: Business cycle theory. Oxford University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-925682-9.
- Alfred Maußner: Konjunkturtheorie. Springer, Berlin 1994, ISBN 3-540-57790-4.
- Gunther Tichy: Konjunktur. Stilisierte Fakten, Theorie, Prognose. 2. Auflage. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3540574378.
Sonstige Literatur:
- Allen, R.G.D.: Macro-Economic Theory: A Mathematical Treatment. - London, Melbourne, Toronto : Macmillan, 1968.
- Gudehus, T.: Dynamische Märkte, Praxis, Strategien und Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft, Abschn. 4.12 Konjunkturzyklen u.a., Springer, Berlin-Heidelberg-New York, 2007, ISBN 978-3-540-72597-8
- Mandel, Ernest: Marxistische Wirtschaftstheorie. Suhrkamp, Frankfurt 1968
- Jörn Altmann: Wirtschaftspolitik. Lucius & Lucius, Stuttgart 7. Auflage 2000. 5.50- 54
Weblinks
- DIHK Konjunkturlinks
- Gerald Braunberger, Warum geht die Wirtschaft mal rauf und mal runter? (FAZ, 18. Juni 2006)
- Arbeitsmarkt: Aufschwung-Trick mit der Statistik? (LifeGen.de, 1. Dezember 2006)
- Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Juli 2006, S. 61-68: Interpretation von Wirtschaftsdaten zur Analyse der Konjunkturentwicklung
- Konjunkturberichte und -umfragen des Bundesverbandes deutscher Banken
- Konjunkturberichte für die Neuen Bundesländer
- ifo-Geschäftsklimaindex
- Bodensee Geschäftsklimaindex BGKI.net