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Bindung Isaaks

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Hier der konkrete Grund, warum dieser Artikel nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen soll: Theologische Abhandlung aber kein Enzyklopädieartikel. --Irmgard 23:27, 10. Apr 2005 (CEST)

Die biblische Erzählung von der Beinahe-Opferung Isaaks (Gen. 22, 1-19) - die jüdische Theologie spricht treffender von der "Bindung" (hebräisch "akedah") - spielt für die Theologie des Alten Testaments eine wichtige Rolle. Sie findet sich im Rahmen der so genannten Erzvätergeschichten (Gen. 12 - 50), hier wiederum innerhalb der Abrahamserzählungen (Gen. 12 - 25). Sie nimmt aber darin mit ihrer theologischen Dichte und reflektierenden Hintergründigkeit eine Ausnahmestellung ein.

Inhalt

Abraham ist für die Bibel der Stammvater Israels, der bei seiner Berufung die Zusage Gottes erhielt: "Und ich werde dich zu einem großen Volk machen und dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die die verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Generationen auf Erden." (Gen. 12, 2f)

Diese Heilszusage bildet das Leitmotiv der im Folgenden breit ausgeführten Frühgeschichte Israels, die das Werden dieses Volkes im Zeichen der gnädigen Führung Gottes darstellt. Mit der Rettung Sarahs aus Königshand, der Geburt Isaaks und dem Friedensabkommen mit Abimelech, dem Herrn des fremden Landes, schien sich die Verheißung erfüllt zu haben: Abraham hatte Land, Sicherheit und einen Erben. In diese Situation hinein stellte ein Redaktor der Vätergeschichten die Erzählung von einer radikalen Gehorsamsprobe, der Abraham durch Gott unterzogen wird.

Wie zu Beginn, als er in das unbekannte Land aufbrechen sollte, in dem er nun friedlich wohnt, wird Abraham angerufen und erhält den Befehl: "Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berg, den ich dir sagen werde." So lässt der Text keinen Zweifel, dass für Abraham alles auf dem Spiel steht. Er sieht sich vor die äußerste vorstellbare Zerreißprobe gestellt: Der Verlust des Liebsten, das er hat, seiner ganzen Zukunftshoffnung, steht gegen seine Treue zu dem Gott, der ihn bis hier geführt hat und nun völlig unerwartet seine Verheißung zurücknimmt.

Detailliert, prosaisch und schnörkellos beschreibt der Text dann Zug um Zug die Handlungen, die Abraham vollzieht, um Gottes Befehl auszuführen. Drei volle Tage ist er mit Isaak und seinen Knechten unterwegs, bis er diese zurücklässt, Isaak das Feuerholz aufbürdet und seine quälende Frage aushalten muss: "Wo ist denn das Schaf zum Brandopfer?" Erst im letzten Moment, als Abraham das Messer schon gereckt hat, unterbricht der Anruf eines Engels vom Himmel her die Prozedur: "Nun weiß ich, dass Du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen." Erst jetzt entdeckt Abraham einen Widder, der sich im Gestrüpp verfangen hat und den er an seines Sohnes statt zum Opfer darbringt. Er gibt dem Ort dieses Ereignisses den Namen: "Jahwe sieht". - An diesen Schluss hängte der Redaktor eine nochmalige Engelsrede an: Die ursprüngliche Völkerverheißung an Abraham wird wiederholt und sogar noch überboten, so dass der verbindende Faden der Erzvätergeschichten wieder aufgenommen wird.

Kontext, Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte

Neuere exegetische Entwürfe (siehe Literatur) deuten diesen Text nicht isoliert, sondern im Kontext einer Reihe verwandter, aber nicht unbedingt direkt benachbarter Bibeltexte, die repräsentativ für die Bundes- und Opfertheologie im bereits kanonisierten Pentateuch (1. - 5. Buch Mose) sind. Dazu gehören:

  • Gen. 12, 1-9: Berufung Abrahams, Aufbruch und Durchzug durch Kanaan
  • Gen. 21, 1-21: Geburt Isaaks, Vertreibung Hagars und Ismaels
  • Ex. 3-4: Berufung Moses
  • Ex. 19-24: Offenbarung am Sinai, Gesetzesverkündigung
  • Lev. 1-9.16: Brand-, Speis-, Dankopfergesetze
  • Ex. 29, 38-46: Das tägliche Schafsopfer
  • Dtn. 8, 2-6: Summarum: "Gedenke des ganzen Weges, den dich der Herr, dein Gott, geleitet hat..."
  • Dtn. 12: Der exklusive Gottesdienst an der Opferstätte, die Gott sich erwählt.

Die kanonisch-intertextuelle Lektüre zeigt viele verwandte Motive, die eine einseitige Deutung von Gen. 22 ausschließen und seine Bedeutungsvielfalt erschließen. Traditionelle Exegese hat bereits früh Verwandtes mit Gen. 12 und Gen. 21 (Verheißungsthematik) erkannt. Hinzu kommt die Opferthematik mit Aspekten wie heiliger Ort, Details des Opfervorgangs, Präsenz Gottes. Diese Motive sind für die Sinaiperikope in Ex. 19-24 zentral, die die kompositorische Mitte des Pentateuch bildet. Auch das Thema der Gehorsamsprobe taucht dort sowie in Dtn. 8 schon auf. Wie sich Abrahams Handeln hier zu den kultischen Opfergesetzen dort verhält, kann daraufhin genauer festgestellt werden.

Demnach war diese Episode wahrscheinlich kein länger mündlich tradiertes "Erzähl-Produkt" aus der Zeit der Erzväter, sondern ein sehr später Text, der erst beim oder nach Abschluss des Pentateuch entstand und zu dessen jüngster Überarbeitungsschicht gehört. Denn er setzt dessen wichtige Themen schon voraus, nimmt ständig darauf Bezug und wurde offenbar bewusst daraufhin gestaltet. Es handelt sich also wohl um die Komposition eines späten einzelnen „Autoren“, der hier eine Art theologische "Summe" der ihm vorliegenden Abraham-Sara-Erzählungen zog und diese gezielt als theologischen Höhepunkt in den Kontext von Gen. 12-25 eintrug. Darüber hinaus verband er vor allem die nachfolgende Sinaiperikope mit der Gestalt Abrahams. Diese Hypothese kann vieles einfacher erklären, was sonst unverständlich und für moderne Menschen nicht akzeptabel bliebe.

Die neuere Forschung konnte die vielfach beobachtete Vielschichtigkeit von Gen. 22 bisher nicht von einem einheitlichen theologischen Ausgangspunkt her erklären. Vermutet wurden Abhängigkeiten von religionsgeschichtlichen Parallelen (Menschenopfer-Motiv) einer ursprünglich selbstständigen Episode, die ein Redaktor übernommen, umgeformt und in den jetzigen Kontext gestellt habe. Dies knüpft an den früheren Schluss an, der die Herkunft einer als bekannt vorausgesetzten Opferstätte erklären will ("Jahwe sieht"). Andererseits lässt sich die Geschichte zwar ohne die redaktionell angehängte Neuverheißung, nicht aber ohne den ersten Vers erzählen, so dass Redaktor und Verfasser wohl als identisch anzusehen sind.

Setzt man dies voraus, dann ergibt sich für die Exegese, dass Gen. 22 die zwei wichtigsten Konzeptionen der Tora für Israels Gottesverhältnis verbindet und auf Abraham bezieht: die Begegnung mit Gott im Gesetz und die Gotteserfahrung im Kult. Die Gehorsamsforderung gegen das Gesetz ist ein Grundgedanke des Deuteronomiums, die sich im Tempelgottesdienst konzentriert, während die zahlreichen Opferformen, Opferregeln und religiösen Feste das priesterliche Modell darstellen.

Die priesterliche Endgestalt der Sinaiperikope führt diese beiden Konzepte schon zusammen und macht Abraham zum Modell Israels: Er repräsentiert wesentliche Grundzüge der Gottesbeziehung dieses Volkes. Diese Tendenz prägt die späten Bearbeitungen der Abraham-Sara-Erzählungen und war Motor der Pentateuchentstehung. Der Autor von Gen. 22 verlagert wichtige Themen vom Sinai weiter nach "vorn" in die Erzelterngeschichten hinein. Er bündelt sie noch mehr und leistet damit eine erstaunliche Integration theologischer Grundmotive des gesamten Pentateuch. Denn anders als Gen 18, 19 und 26, 3-5 erweiterte er nicht bloß vorhandene Erzählstoffe, sondern schuf eine eigene Erzählung ("Makroglosse") extra für den vorliegenden Zusammenhang und lehnte sich eng daran an. Diese kommentiert nicht nur punktuell die Nachbartexte, sondern stellt einen großräumigen Horizont her: Von Beginn an hat Gott Israel zu seinem "Opfer" bestimmt und erwählt, damit dieses Volk Gehorsam lernt und ihm in allen späteren Generationen dient. Dieser Gedanke umgreift die riesige Stofffülle im Pentateuch, die sich von den Ätiologien (Herkunftslegenden) der Halbnomadensippen bis zu Staatswerdung und Tempelbau über gut 1000 Jahre erstreckt.

Der Bezug zum Sinai, aber auch zum Jerusalemer Tempel ist zum Verstehen von Gen. 22 konstitutiv. Letzterer wird auf einer anderen Ebene bedeutsam: Am Ort der Gottesoffenbarung fügen sich die verschiedenen Themen theologisch zusammen, aber erst im Zentralheiligtum wird die gemeinsame Gottesbegegnung in Israel örtlich möglich. Der Autor von Gen. 22 setzt den Tempelbau schon voraus, da er dem um ein Heiligtum "auf dem Berg" zentrierten Israel die entsprechende Theologie anbietet. Abrahams Brandopfer auf Gottes Befehl repräsentiert "das von JHWH gnädig ermöglichte Selbstopfer Israels“ (Stein S. 218f).

Zusammfassend lässt sich sagen, dass Gen. 22 zu einer der jüngsten Redaktionsschichten des schon sehr weit entwickelten Pentateuch gehört. Damit stellt sich die Frage seiner Entstehungszeit, die die Forschung bisher nicht eindeutig entschieden hat.

Deutung

"Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: 'Abraham!' Und er antwortete: 'Hier bin ich.'"

Der erste Vers lässt sich als Überschrift für das Folgende verstehen: „Gott prüft Abraham“. Das "Hier bin ich" erscheint im Text dreimal und verklammert Gottes Anrede mit der des fragenden Sohnes ("Mein Vater!", v. 7) und des Engels ("Abraham! Abraham!", v. 11), dessen Doppelung den Anruf noch steigert und die sorgfältige Komposition des Ganzen sichtbar macht. So rückt Abrahams Antwort auf die Glaubensprobe ins Zentrum.

Dieses Thema weicht bereits von allen nicht-priesterschriftlichen Abrahamerzählungen ab. Angelpunkt für seine Deutung ist, dass Abraham das ganze Volk Israel repräsentiert. Dadurch macht der „Autor“ den HÖrer/Leser aufmerksam: In dieser Erzählung geht es nicht um ein Ereignis aus der Geschichte des Erzvaters, sondern um das theologische Thema der Versuchung, mit der Gott sein Volk prüft.

Das spiegelt Israels konkrete historische Lage: Sie war wohl schon durch den Verlust des Tempels 587 v. Chr. und die radikale Krise der älteren Verheißungen im babylonischen Exil geprägt. Dies wollte der Text zu verarbeiten helfen, indem er die Geschichte von der Erprobung Abrahams erzählt. Er ist also jüngeren Datums. Sein historisches Fundament ist nicht die Zeit der Erzeltern, sondern die Gegenwart seiner Adressaten, die mit einer scheinbar zurückgenommenen Heilsgeschichte Jahwes mit seinem Volk konfrontiert waren.

Die Reflexion darauf durchzieht auch andere Erzeltern-Geschichten. So stellt Gen. 18, 17-33 in Form einer Erzählung die theologische Frage nach Jahwes Gerechtigkeit. Die spät eingefügten Verheißungen von Land und Nachkommen versuchen auf die Erfahrung zu antworten, dass diese Verheißungen durch das babylonische Exil für das Volk Israel gerade radikal in Frage gestellt waren. Diese Erfahrung wird in unserer Geschichte Gen. 22 folgendermaßen erzählt:

Jahwe befielt Abraham, seinen einzigen Sohn zu opfern. Er selbst nimmt damit die schon erfüllte Verheißung der Nachkommenschaft scheinbar zurück. Das durch das babylonische Exil im „Väterglauben“ irre gewordene Israel projiziert seine eigene reale Situation - den Verlust seiner Zukunftshoffnung - auf die Gestalt des Erzvaters. Der Befehl an Abraham, seine Zukunft zu "opfern", setzt die „vernichtende“ Erfahrung der Tempelzerstörung schon voraus. Der Tempelkult hatte Israels Vertrauen in seine Erwählung garantiert. Mit dem Zentralheiligtum auf dem Zion zerbrach die Möglichkeit, Jahwes Gegenwart unter seinem Volk sichtbar zu erfahren. Demgemäß wurde die Vertreibung Israels ins Exil als Verlust der von Jahwe gegebenen Landverheißung erlebt. Diese Erfahrungen wurden im Exil wiederum als eine Erprobung durch Jahwe selbst gedeutet.

Das Handeln ihres Ahnen bietet den Hörern des Textes ein Modell an, wie sie in ihrer Gegenwart und näheren Zukunft Hoffnung und Handlungschancen gewinnen können: nämlich, indem sie wie Abraham wieder auf Jahwes Stimme hören, vertrauen und ihn allein fürchten, also seine Tora (Weisung) treu befolgen und auf seinen Wegen gehen, selbst wenn die Zukunft völlig im Dunkeln liegt. Wenn Israel sich selbst zum Opfer bringt, also auf eigenmächtige Existenzsicherung verzichtet und seine Zukunft erneut ganz in Gottes Hand legt, dann - so will der Text verkünden - wird es ganz unvermutet Gottes Gegenwart neu entdecken: "Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer."

Der Widder erfüllt dieses Vertrauen, nachdem Abraham seinen Sohn neu geschenkt erhielt. So verheißt das Brandopfer, das er darbringt, obwohl Gott dies gar nicht verlangt hat, indirekt bereits einen neuen Kult: Dieser kann nur gewonnen werden, wenn Israel den alten Kult aufgibt und seinen bisherigen Ungehorsam opfert. So werden Gesetz und Kult, die beiden Hauptformen des israelitischen Gottesdienstes, neu miteinander verknüpft: Die Treue zum Gesetz wird Gottes Gegenwart erneuern, nicht umgekehrt. Dann und nur dann wird Gottes Volk jenseits des Exils eine Zukunft haben: auch in dem Land, das ihm von Jahwe einst zugesprochen worden ist.

Siehe auch

Literatur

Georg Steins: "Die 'Bindung Isaaks' im Kanon (Gen 22). Grundlagen und Programm einer kanonisch-intertextuellen Lektüre." Herders Biblische Studien, Freiburg 1999, ISBN 3451269163

Romana Gerhard, Dissertation zur Opferung Isaaks (PDF-Datei)]