Mindestlohn
Ein Mindestlohn ist ein in der Höhe durch den Staat oder durch einen Gesamtarbeitsvertrag festgeschriebenes Arbeitsentgelt, das vollbeschäftigten Arbeitnehmern als Minimum zusteht.
Argumentation
Befürworter von Mindestlöhnen sehen darin einen Mindeststandard: Ein Mindestlohn sichere den Beschäftigten eine für die Lebenshaltung auskömmliche Lohnhöhe (Existenzminimum). Sie argumentieren ferner, es gäbe Fälle von Marktversagen, in denen der freie Markt nicht immer fähig sei, die Lohnhöhe selbst zu regulieren. Durch Mindestlöhne werde dieses Gleichgewicht geschaffen. Zudem führe ein Mindestlohn zu einer Qualitätssicherung: Durch einen Mindestlohn werde sichergestellt, dass die Arbeitnehmer genügend motiviert sind. Die Qualität der Arbeitsleistung sei somit gewährleistet.
Kritiker hingegen betonen, dass Mindestlöhne zu Arbeitslosigkeit führten: Mindestlöhne erhöhten die Arbeitslosigkeit, da Unternehmen durch die Lohnhöhe (und den Kündigungsschutz) davon abgeschreckt würde, Stellen zu schaffen. So äußerte der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz 2005: „Über kaum einen anderen Sachverhalt besteht in der Volkswirtschaftslehre so viel Einigkeit wie über die schädlichen Wirkungen von Mindestlöhnen.“ Zu den ökonomischen Effekten eines Mindestlohns in der volkswirtschaftlichen Theorie siehe unten.
Kritisiert wird zudem ein Interventionismus: Der freie Markt sei fähig, die Lohnhöhe selbst zu regulieren. Durch Mindestlöhne würde dieses Gleichgewicht gestört. Zudem entstünde ein Nettowohlfahrtsverlust: Durch den Eingriff in den freien Markt sänke die Nettowohlfahrt. Der Mindestlohn führe auch zu geringerer Produktivität, wenn der Produktionsfaktor Arbeit teurer wird, und damit zum Ansteigen der Preise.
Durch den Sozialhilfesatz bestehe in Deutschland faktisch ein Mindestlohn, niemand würde für weniger arbeiten, als ihm auch ohne Arbeit zusteht.
Im nachfolgenden Abschnitt werden die Argumente etwas konkreter beleuchtet.
Effekte des Mindestlohns in der Theorie
Die volkswirtschaftliche Theorie steht Mindestlöhnen sehr skeptisch gegenüber. Zusammenfassend stellt sie fest, dass Mindestlöhne entweder keine Wirkung zeigen (wenn sie unter dem Gleichgewichtslohn liegen) oder zu unerwünschter Arbeitslosigkeit führen.
Niedriger Mindestlohn
Liegt der Mindestlohn unterhalb des Gleichgewichtslohns , so hat die Einführung eines Mindestlohns keinerlei Auswirkungen auf die Lohnhöhe W oder Arbeitsmenge L. Beispielsweise würde die Einführung eines Mindestlohns von 200 Euro pro Monat für Hochschulabsolventen keinerlei Wirkung zeigen.
Höherer Mindestlohn
Liegt dagegen der Mindestlohn so hoch, dass er Auswirkungen auf die Lohnhöhe hat, ist Arbeitslosigkeit die Folge.
Liegt der Mindestlohn über dem Gleichgewichtslohn – darf also unterhalb des Mindestlohns keine Arbeit mehr angeboten bzw. nachgefragt werden – hat das folgende Effekte:
- Die Unternehmen als die Nachfrager von Arbeit (Kurve D) sind zu dem höheren Preis nur mehr bereit, eine geringere Menge Arbeit nachzufragen () als im Gleichgewicht ().
- Die Menschen als die Anbieter von Arbeit (Kurve S) wären zu dem höheren Preis bereit, mehr Arbeit () anzubieten als im Gleichgewicht.
Die Menge an unfreiwilliger Arbeitslosigkeit besteht aus der Differenz zwischen und .
Mindestlöhne und Sozialhilfe
Auch wenn Deutschland nicht in der Liste der Staaten mit Mindestlohn-Vorschriften aufscheint, so sehen viele Volkswirte die vergleichsweise hohen Sozialleistungen de facto als Mindestlöhne an. Während ein Mindestlohn gesetzlich verbietet, unterhalb dieses Niveaus Arbeit anzubieten oder nachzufragen, verhindert ein Transfereinkommen wie die Sozialhilfe dies de facto.
Es ist für die Menschen ökonomisch irrational, eine Arbeit für weniger Geld anzunehmen, als sie an Sozialhilfe erhalten. Erst wenn der Lohn ihren Anspruch auf Sozialhilfe ausreichend übersteigt (Reservationspreis), wird sich für sie die Erwerbsarbeit wieder lohnen. Der ökonomische Effekt ist also de facto derselbe, auch wenn man streng genommen dann nicht mehr von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit sprechen kann.
In Deutschland existiert daher bisher kein gesetzlicher Mindestlohn. Die Diskussion ist allerdings neu entbrannt, weil osteuropäische Arbeitnehmer - die in Deutschland nicht sozialhilfebrechtigt sind - zunehmend zu Niedrigstlöhnen Arbeit in Deutschland anbieten.
Mindestlohn in ausgewählten Staaten
Staat | gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn pro Monat in Euro (Stand 2004-01) |
---|---|
Luxemburg | 1.403 |
Niederlande | 1.265 |
Belgien | 1.186 |
Frankreich | 1.173 |
Vereinigtes Königreich | 1.083 |
Irland | 1.073 |
USA | 727 |
Griechenland | 605 |
Spanien | 537 |
Portugal | 498 |
Russland | ca. 10 (300 Rubel) |
Schweden, Dänemark | Branchenregelungen |
Österreich | über Wirtschaftskammer |
Deutschland | (in der Diskussion) |
In den meisten EU-Ländern wird er als Monatslohn definiert, in den USA, England und Irland als Stundensatz. Im Jahr 2002 hatten 9 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Belgien, England, Frankreich, Griechenland, Holland, Irland, Luxemburg, Portugal, Spanien) einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn, der von etwa 400 bis 1.300 EUR reicht; in einigen anderen Staaten bestehen Branchen- und andere Regelungen.
Nach einer Analyse der FAZ spricht die empirische Situation in diesen Ländern weder eindeutig für, noch gegen eine Mindestlohn-Regelung. Das bedeutet, dass die politische Debatte weniger praktisch, sondern eher grundsätzlich zu sehen ist.
In der Schweiz gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn, nur wenige Gesamtsarbeitsverträge enthalten Angaben zu Mindestlöhnen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund empfiehlt einen Mindestlohn von 3.550 CHF (~ 2.300 €). Dies gilt als das Existenzminimum für eine alleinerziehende Person mit einem Kind. Es gibt Branchen, vorwiegend in der Gastronomie und beim Detailhandel, die Leute zu tieferen Löhnen anstellen (rund 2.700–3.300 CHF). Dabei gelten Löhne unter 3.000 CHF (~2.000 €) von der Bevölkerung gewöhnlich als inakzeptabel unabhängig der Beschäftigung und es gibt Diskussionen, vor allem seitens des Gewerkschaftsbundes, einen gesetzlichen Mindestlohn von 3.000 CHF einzuführen.
Die "Reichweite" von Regelungen
In einigen der reicheren EU-Länder bestehen zwar keine gesetzlichen Regelungen zum Mindestlöhn, doch gibt es sie de facto in freierem Rahmen - z.B. in Schweden in Form industrieller Branchenregelungen durch Kollektivverträge.
Die Situation in Österreich ist dem vergleichbar, obwohl sie lediglich über die Mitgliedschaft aller größeren Arbeitgeber in der Wirtschaftskammer geregelt ist. In Deutschland entfaltet die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eine ähnliche Wirkung; von der ausserdem bestehenden gesetzlichen Grundlage zur Bestimmung von Mindestlöhnen im Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen ist bislang kein Gebrauch gemacht worden.
Doch auch in Ländern mit gesetzlichem Mindestlohn sagt dessen Existenz nur wenig über seine Reichweite aus. So erfasst die Regelung in Spanien nur 0,8 % der Vollzeitkräfte; in England und Holland sind die entsprechenden Werte 1,9 und 2,3 Prozent.
Siehe auch
Weblinks und Literatur
- Mankiw, Gregory N.: Volkswirtschaftslehre, 3. Aufl., Schäffer-Poeschel, 2004, S. 666 ff.
- zu den Mindestlöhnen in Deutschland - Arbeitnehmerentsendegesetz - AEntG
- Mindestlöhne in der EU, den Beitrittsländern und der USA herausgegeben von Eurostat 2004, erscheint jährlich, ca 320 kB, (Pdf)
- Niedriglöhne? - Mindestlöhne! Materialien des WSI in der Hans-Böckler-Stiftung zur aktuellen Debatte