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Castor (Kerntechnik)

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Datei:Castorbehälter.jpg
Verladung eines Castor-Behälters im März 2001

Castor ist die Abkürzung (Akronym) für "cask for storage and transport of radioactive material", also "Behälter für Lagerung und Transport radioaktiven Materials". Castor-Behälter sind Spezialbehälter zur Lagerung und zum Transport hochradioaktiver Materialien, zum Beispiel von Brennelementen oder hochradioaktiven Abfallprodukten ("Glaskokillen") aus der Wiederaufarbeitung.

Castor ist ein international geschützter Markenname der GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort jedoch auch als Synonym für Brennelementbehälter oder Behälter für hochradioaktive Abfälle verwendet.

Über die Behälter

Für Transport und Zwischenlagerung von abgebrannten Brennelementen werden heute meist die Typen CASTOR V/19 (für 19 Brennelemente aus Druckwasserreaktoren) oder CASTOR V/52 (für 52 Brennelemente aus Siedewasserreaktoren) verwendet. Beide Typen können etwa 10 Tonnen Schwermetall aufnehmen. Bereits zurück gelieferte hochradioaktive Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung wurden bisher in Behältern vom Typ CASTOR HAW 20/28 CG transportiert und gelagert. Die genannten Behälter sind etwa 6 m lang und haben einen Durchmesser von rund 2,50 m, wobei die Wand 45 cm dick ist. Im beladenen Zustand haben die Behälter ein Gewicht von rund 120 Tonnen. Hauptbestandteil der Castor-Behälter ist Gusseisen mit Kugelgraphit. Derzeit befindet sich ein neuer CASTOR Behälter in der Prüfung durch die BAM. Der neue Behälter HAW 28M ist für den Transport von Glaskokillen gedacht und kann eine Wärmeleistung von 56 kW abführen.

Die Sicherheit und Eignung von Castor- und anderen Lagerungs- und Transportbehältern für radioaktives Material wird regelmäßig auch bei dem internationalen Symposium PATRAM debattiert.

Sicherheitsbestimmungen für Castor-Behälter

Castor-Behälter sind so genannte Typ-B-Verpackungen. Die Anforderungen an die Castorbehälter entsprechen in Deutschland den Empfehlungen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO). Behälter müssten danach folgenden Unfallszenarien widerstehen:

  • Aufprall aus 9 m Höhe auf ein unnachgiebiges, stahlbewehrtes Betonfundament
  • Aufprall aus 1 m Höhe auf einen 15 cm dicken Stahldorn
  • Feuer (30 Minuten bei 800 °C)
  • Druck von 20 m Wassertiefe über acht Stunden
  • Druck von 200 m Wassertiefe über eine Stunde

Zum Nachweis genügt die rechnerische Beweisführung oder der Test eines (maßstäblichen) Modells. Die ersten drei Unfallszenarien könnten nacheinander am selben (maßstäblichen) Modell durchgeführt werden. Der Behälter muss nicht völlig unbeschädigt bleiben, sondern die abschirmende Wirkung des Behälters darf sich durch die Belastung maximal um den Faktor 100 verschlechtern (auf 10 mSv/h (Millisievert pro Stunde in 1 m Entfernung)). Der Fall aus 9 m Höhe führt dazu, dass die Geschwindigkeit der Behälter beim Auftreffen auf die Oberfläche etwa 48 km/h beträgt.

Zusätzlich werden zu den vorgeschriebenen Tests weitere durchgeführt. So zum Beispiel:

  • Sturz eines Behälters von einer Autobahnbrücke aus 40 m Höhe,
  • Sturz eines auf -40 °C durchgekühlten Behälters aus 9 m Höhe,
  • Explosion eines Flüssiggastankwagens mit 5 t Propan direkt neben einem Behälter,
  • Feuertest mit 1200 °C für 30 min,
  • Abwurf eines maßstabsgetreuen Behälters von einem Bundeswehrhubschrauber (CH-53G) aus 800 m Höhe,
  • direkter Anprall eines Personenzuges mit 130 km/h an die Längsseite eines Behälters,
  • Beschuss eines Behälters mit einer 1000 kg schweren Nachbildung einer Flugzeugturbinenwelle mit 292 m/s (1050 km/h).

Der Hersteller gibt an, dass die Behälter durch diese Tests keine Beeinträchtigungen der Sicherheitsfunktionen erlitten hätten und druckdicht geblieben seien.[1]

Genehmigungen

Die Zulassung der Transportbehälter erfolgt durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Als Gutachter beauftragt das BfS die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Auch die Hersteller führen eigene Vortests durch.

Der Transport von hochradioaktivem Abfall muss ebenfalls beim BfS beantragt und von diesem genehmigt werden. Die Daten werden auch im Internet veröffentlicht.

Kritik an der Sicherheit

Testverfahren

Kritiker bezweifeln die Aussagefähigkeit der Versuche, Testreihen und Hochrechnungen zur Sicherheit der verschiedenen Castor-Behälter oder entsprechender Behälter. Für frühere Tests wurden leere Behälter verwendet, sie waren daher etwas leichter als im Anwendungsfall. Zwischenzeitlich kommen bei Fallversuchen nachgebildete Inventare zum Einsatz, die in ihren Abmessungen und mechanischen Eigenschaften dem Original-Inventar entsprechen. Viele Versuche wurden mit verkleinerten Modellen im Maßstab 1:2 durchgeführt, deren Statik annähernd den Originalen entspricht. Kritiker vergleichen dies polemisch mit einem Crashtest von Autos, bei dem sich niemand auf Miniaturversuche verlassen würde.

Schließlich wurde lange Zeit auf verschiedene Tests völlig verzichtet und stattdessen alleine auf theoretische Berechnungen zurückgegriffen. Nachdem von unabhängigen Beobachtern Rechenfehler bei der Beurteilung des Sturzes auf Betonboden benannt wurden (7/2002) fanden neue Berechnungen statt, die bis 12/2005 unter Verschluss waren.

Die Genehmigung wird nur für neu entwickelte Behälter beantragt. Für Variationen von einmal getesteten Behältern werden standardmäßig keine neuen Genehmigungsverfahren durchgeführt, zum Beispiel wenn ein anderer Einsatzkorb verwendet oder ein völlig anderer Stoßdämpfer (Endkappe) verwendet wird.

Weitere Szenarien

Neben dieser allgemeinen Skepsis gibt es auch konkrete Kritik an dem vorgeschriebenen Testverfahren.

  • Die Aufschlag-Tests werden kritisiert, da schon bei der Verladung der Container auf dem Kraftwerksgelände oder beim Überfahren von Brücken die Höhe von neun Metern überschritten wird.
  • Der Hitzetest deckt einige Szenarien nicht realistisch ab, wenn etwa größere Mengen brennbaren Materials an einem Unfall beteiligt sind. Bei einem Zusammenstoß mit einem Tanklastzug, insbesondere in einem Tunnel, ist es wahrscheinlich, dass Temperaturen über den vorgesehenen 800 °C entstehen und das Feuer länger als eine halbe Stunde andauert.

Terroranschläge

Rechtsprechung

Gerichte sahen in diesen Argumenten niemals einen Grund, die Sicherheit der eingesetzten Behälter zu bezweifeln. Die Kritiker scheiterten in allen Gerichtsverfahren. Die Richter folgten regelmäßig den Argumenten der Gutachter der Genehmigungsbehörden und bestätigten die rechtliche Zulässigkeit der Zwischenlagerung oder die Verwendung der eingesetzten Behälter.

Rechtliche Grundlage in Deutschland

In Deutschland bedürfen Transport und Lagerung von Kernbrennstoffen einer Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (§ 4 Atomgesetz). Castor-Behälter werden durch die Deutsche Bahn transportiert. Straßentransport erfolgt in der Regel dort, wo keine Bahnanlagen existieren, etwa auf den letzten Kilometern zwischen dem Verladekran bei Dannenberg (Elbe) und dem Transportbehälterlager Gorleben.

Transporte von Castor-Behältern nach und in Deutschland

Hauptartikel: Atommülltransport

In Deutschland herrscht in Teilen der Bevölkerung großer Widerstand gegen den Transport von hochradioaktiven Abfällen. Die größten Proteste verursachen regelmäßig Transporte aus der Wiederaufarbeitungsanlage von La Hague in Frankreich in das Zwischenlager Gorleben. An Demonstrationen und Sitzblockaden beteiligen sich regelmäßig mehrere tausend Menschen. Vor Ort im Landkreis Lüchow-Dannenberg gibt es eine stark verankerte Protesttradition mit gut ausgebildeter Infrastruktur. Aber auch entlang der Transportstrecke in Frankreich und in Deutschland kommt es regelmäßig zu Protesten und Blockaden.

Die Kritik der Gegner richtet sich nicht generell gegen den Rücktransport des deutschen Atommülls nach Deutschland. Dies zeigt auch die Beteiligung französischer Umweltaktivisten an den Blockaden entlang der Transportstrecke und im Wendland. Die Proteste wenden sich allgemein gegen die fortgesetzte Produktion von weiterem Atommüll in den laufenden Atomkraftwerken und ganz speziell gegen den Endlagerstandort Gorleben, der als ungeeignet und gefährlich angesehen wird. Nicht nur die lokale Bevölkerung befürchtet, dass durch die Transporte ins Transportbehälterlager Gorleben die politische Entscheidung für das Endlager gefestigt wird. Dagegen verkürzen dezentrale Zwischenlager an den Kraftwerksstandorten die Transporte in die Zwischenlagerung und sind keine Vorentscheidung für einen bestimmten Endlager-Standort.

Behältertypen

Technische Daten CASTOR V/19 CASTOR V/52 CASTOR 440/84 Excellox CASTOR HAW20/28CG CASTOR HAW28M TN 13/2 TN 17/2
Abfallherkunft
Druckwasserreaktor Siedewasserreaktor WWER-440 Wiederaufbereitungsanlage Wiederaufbereitungsanlage Wiederaufbereitungsanlage Druckwasserreaktor Siedewasserreaktor
Brennelementmenge
19 BE 52 BE 84 BE 6 Glaskokillen 28 Glaskokillen 28 Glaskokillen 12 BE 17 BE
Länge
5.862 mm 5.451 mm 4.080 mm - mm 5.933 mm 6.122 mm - mm - mm
Breite
2.436 mm 2.436 mm 2.660 mm - mm 2.480 mm 2.430 mm - mm - mm
Gewicht
125,6 t 123,4 t 116 t - t 112 t 114 t - t - t

Literatur

  • Robert Jungk: Der Atomstaat, München 1977, ISBN 3-453-05219-6
  • N. Paech/E. Spoo/R. Butenschön (Hrsg.), Demokratie-wo und wie?, VSA-Verlag, Hamburg 2002;
  • Auf dem Weg in den Atomstaat, Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V., Köln 2003;
  • Thomas Oelschläger, Kerstin Enning, Bernd Drücke (Hg.): Ahaus. Das Buch zum Castor, Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1999, ISBN 3-932577-16-7

Staatliche Stellen

  • www.bfs.de Bundesamt für Strahlenschutz
  • www.bam.de Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung

Pro

Contra

  • www.bi-ahaus.de Ahauser Bürgerinitiative gegen Castor-Transporte
  • randbild.de: Umfangreiche Pressefotodatenbank zum Thema: Castor/Gorleben/Widerstand

Einzelnachweise

  1. GNS:Tests