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Gewöhnliche Kuhschelle

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Gewöhnliche Kuhschelle
Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris). Fotograf: Mg-k
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Hahnenfußartige (Ranunculales)
Vorlage:Familia: Hahnenfußgewächse
(Ranunculaceae)
Vorlage:Subfamilia: Ranunculoideae
Vorlage:Tribus: Anemoneae
Vorlage:Genus: Kuhschellen (Pulsatilla)
Vorlage:Species: Gewöhnliche Kuhschelle
(P. vulgaris)

Die Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).
Sie ist eng mit der Großen Kuhschelle (Pulsatilla grandis) verwandt, die manchmal als Unterart der Gewöhnlichen Kuhschelle betrachtet wird.

Die Form der Blüte ähnelt einem Glöckchen oder auch einer Kuhschelle. Die Verkleinerungsform "Kühchen" hat zur Bezeichnung "Küchen"-Schelle geführt. Eine ähnliche Herleitung gilt für die wissenschaftliche Bezeichnung: Pulsatilla leitet sich vom lateinischen pulsare (= schlagen, läuten) ab.

Aussehen

Die Gewöhnliche Kuhschelle ist eine niedrige Staude, die während Blütezeit bis zu 15 cm, zur Fruchtzeit bis zu 40 cm hoch wird. Die Pflanze ist ein Tiefwurzler und dringt über 1 m ins Erdreich ein.

Die Laubblätter sind grundständig in einer Rosette angeordnet und erscheinen gleichzeitig mit den Blüten. Sie sind doppelt gefiedert mit (2-)3-5(-6) Paaren von fiederschnittigen bis fiederspaltigen Hauptfiedern. Das Blatt setzt sich aus etwa 100-150 linealischen, (1-)2-4(-6) mm breiten Abschnitten zusammen. Das unterscheidet sie von der Großen Kuhschelle, deren Laubblätter sich nur aus etwa 40-90 lineal-lanzettlichen, (2-)4-7(-12) mm breiten Abschnitten zusammensetzen und erst gegen Ende der Blütezeit austreiben.

Gewöhnliche Kuhschelle, Blüten. (Fotograf: Mg-k)

Die Blüten stehen einzeln am Ende des Stängels. In der oberen Hälfte des Blütenstängels befindet sich ein Quirl aus drei stark reduzierten, am Grund miteinander verwachsenen, zottig behaarten Hochblättern. Er übernimmt die übliche Schutzfunktion des fehlenden Kelches für die noch nicht entfaltete Blüte.
Die leuchtend purpurn oder violett gefärbten, anfangs nickenden Blüten, die im März bis Mai erscheinen, haben dottergelbe Staubblätter, die in reizvollem Kontrast zur Blütenhülle stehen. Die einfache, nicht in Kelch und Krone unterteilte Blütenhülle erweitert sich mit der Dauer der Blühzeit schüsselartig. Die Blütenhülle ist außen zottig behaart, um eine übermäßige Wasserverdunstung zu verhindern. Die gewöhnliche Küchenschelle ist damit eine typische Trockenpflanze.

Die Blüten, bei denen es sich botanisch gesehen um vorweibliche Glockenblumen handelt, bieten reichlich Pollen und Nektar und werden von Bienen und Hummeln eifrig besucht. Den Nektar holen sich auch Ameisen, die aber keine Bestäubung durchführen und die damit als Honigräuber gelten müssen.

Gewöhnliche Kuhschelle, kurz vor der Fruchtreife

Im Fruchtzustand entwickelt sich aus jedem einzelnen Fruchtblatt ein Nüsschen, an dem der Griffel einen stark verlängerten und zottig behaarten Federschweif bildet. Die Früchte sind „Federschweifflieger“ und bohren sich mit scharfen Spitzen durch hygroskopische Bewegungen tief in den Boden ein.

Verbreitung

Die Gewöhnliche Kuhschelle ist in West- und Mitteleuropa verbreitet, aber im gesamten Gebiet heute eine seltene Art. Sie kommt von Frankreich über Deutschland nach Norden bis nach Dänemark und Südschweden vor. Ein isoliertes Teilareal befindet sich in Mittelengland. Im Osten reichen vereinzelte Vorkommen bis Westpolen und nach Niederösterreich. Ein ehemaliges Vorkommen in Südfinnland ist erloschen.

Nach Osten zu, von Niederösterreich bis in die Ukraine, wird die Gewöhnliche Kuhschelle von der Großen Kuhschelle (Pulsatilla grandis) vertreten, die an wenigen Stellen auch in Bayern und Thüringen vorkommt.

In Deutschland kommte die Gewöhnliche Kuhschelle heute fast nur noch im Mittelgebirgsraum vor. Dabei werden Gebiete mit basenreichem Grundgestein (Kalk, Kalkschiefer) bevorzugt. Das relativ geschlossenes Areal reicht von der Schwäbischen und Fränkischen Alb nach Norden bis zur Eifel und nach Thüringen. Gebiete mit saurem Grundgestein bilden Vorkommenslücken. Die ehemaligen Vorkommen im norddeutschen Tiefland sind zum größten Teil bereits erloschen. Im Bereich der Schotterterrassen im Bayerischen Alpenvorland gibt es ebenfalls vereinzelte Vorkommen. Diese finden in Österreich ihre Fortsetzung auf den Schotterterrassen im oberösterreichischen Zentralraum, also in der Umgebung von Wels, Linz und Steyr.
In der Schweiz kommt die Gewöhnliche Kuhschelle entlang vom südöstlichen Rand des Schweizer Jura, im nördlichsten Teil des Mittellands und in der Umgebung von Chur vor.

Systematik und Unterarten

Carl von Linné ordnete die Küchenschelle im 18. Jahrhundert den sehr ähnlich aussehenden Anemonen zu und nannte sie daher "Anemone pulsatilla". Küchenschellen unterscheiden sich jedoch durch die Ausbildung von federschweifigen Nüßchen von dieser Pflanzengattung. Aus diesem Grund wurden die Arten dieser Gattung später einer eigenen Gattung zugeordnet.

Auf der schwedischen Ostsee-Insel Gotland kommt eine eigenständige Populationsgruppe vor, die als Unterart P. vulgaris subsp. gotlandica eingestuft wird.
Eine weitere isolierte Populationsgruppe ist die Innsbrucker Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris subsp. oenipontana), die in ihrem Merkmalsbestand möglicherweise eine Zwischenform zu Großen Kuhschelle ist. Sie kommt nur an den Südhängen am Fuß des Karwendelgebirges im Großraum von Innsbruck vor und gilt daher als endemisch.

Nach Osten zu, von Niederösterreich bis in die Ukraine, wird die Gewöhnliche Kuhschelle von der Großen Kuhschelle (Pulsatilla grandis) vertreten, die an wenigen Stellen auch in Bayern und Thüringen vorkommt.

Lebensraum

Reicher Bestand der Gewöhnlichen Kuhschelle auf einem südexponierten Muschelkalkhang in der Rhön. (Fotograf: Mg-k)

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Der natürliche Lebensraum der Gewöhnlichen Kuhschelle sind lichte Kiefernwälder und Magerrasen, meist in sonniger Hanglage auf kalkreichem Boden. Die Art stellt relativ hohe Temperaturansprüche und fehlt deshalb in Gegenden mit ausgesprochen kühlen Sommern. Sie ist außerdem sehr lichtliebend und verschwindet unter dem Druck der Konkurrenzvegetation sehr schnell bei Düngung.

Gefährdung und Bestandessituation

Das Vorkommen der Gewöhnlichen Kuhschelle ist an das Vorhandensein von Magerrasen oder lichten mageren Kiefernwäldern gebunden. Sie ist damit besonders durch die Veränderungen in der Landwirtschaft betroffen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben. Der Einsatz von Düngemitteln hat ebenso zum Rückgang von Magerrasen geführt wie gebietsweise die Aufgabe der Viehwirtschaft mit anschließender Umwandlung von Weideland in Ackerflächen. Zudem sind die klimatisch wärmebegünstigten Gegenden, in denen die Kuhschelle vorkommt, auch dicht besiedelt. Das hat zu weiteren Lebensraumverlusten durch den Bau von Siedlungen und Verkehrsflächen auf landwirtschaftlich unrentablen Flächen geführt.

Gewöhnliche Kuhschelle im Gegenlicht (Fotograf: Mg-k)

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In Deutschland ist die Gewöhnliche Kuhschelle in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nach den Roten Listen „vom Aussterben bedroht“, in Bremen, Hamburg und Berlin bereits ausgestorben. Nicht ganz so schlecht wie sonst in Norddeutschland ist die Bestandessituation in Sachsen-Anhalt, wo die Art „stark gefährdet“ ist. In Sachsen ist sie sehr selten. In allen übrigen Bundesländern außer Bayern sowie bundesweit ist sie als „gefährdet“ eingestuft. Sie ist nach der Bundesartenschutzverordnung eine besonders geschützte Art.
In Österreich war die Art noch um 1900 in den Magerrasen der „Welser Heide“, auf den Terrassenschottern zwischen Wels und Linz, eine häufige Art. In diesem Gebiet ist sie vermutlich inzwischen ausgestorben. Die heute noch bekannten Vorkommen beschränken sich auf die Umgebung von Steyr. In der Roten Liste wird sie als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Dieselbe Einstufung gilt auch für die Innsbrucker Kuhschelle (P. vulgaris subsp. oenipontana). Die Art ist in allen betroffenen Bundesländern streng geschützt.

Verwendung als Zierpflanze

Gewöhnliche Kuhschelle als Gartenpflanze
Gewöhnliche Kuhschelle als Gartenpflanze
Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris),
als Gartenpflanze

Einzug in die Gärten hat diese Pflanze im 16. Jahrhundert gefunden, wobei sie jedoch all die Jahrhunderte eher selten blieb. Erst als die Anlage von Steingärten populär wurde, hat sie weitere Verbreitung gefunden und ist heute häufig im Angebot von Staudengärtnereien und Gartencentern zu finden.

Inhaltsstoffe

Die Pflanze ist sehr giftig. Sie enthält Protoanemonin, das ein außerordentlich heftig wirkendes Reizmittel für Haut und Schleimhäute ist. Schon der Umgang mit der Pflanze kann Blasenbildung hervorrufen.

Die Pflanze enthält Saponine, Harze und Gerbstoffe sowie Protoanemonin, ein starkes Gift, das sich erst beim Trocknen in das weniger giftige Anemonin umwandelt.

Verwendung in der Pflanzenheilkunde

Kuhschellen fanden bereits in der Antike Verwendung als Heilmittel. Hippokrates setzte sie ein gegen hysterische Angstzustände und zur Menstruationsförderung. In der Volksmedizin hat sie nie viel Verwendung gefunden, was sicherlich auch auf ihre Eigenschaften als starkes Hautreizmittel zurückzuführen ist. Lediglich aus der russischen Volksmedizin kennt man eine Verwendung bei Kopfschmerzen und Erkältung: Die frisch zerquetschten Blätter wurden auf den Hinterkopf gelegt.

Heutzutage wird die Gewöhnliche Kuhschelle nur noch in der Homöopathie gegen eine Vielzahl von Beschwerden eingesetzt, die von Bronchitis, Kopfschmerzen bis zu bakteriellen Hautinfektionen reichen.

Gewöhnliche Kuhschelle, weiße Farbvariante (var. alba), am Naturstandort. (Fotograf: Mg-k)
Gewöhnliche Kuhschelle, weiße Farbvariante (var. alba), am Naturstandort. (Fotograf: Mg-k)
Gewöhnliche Kuhschelle, weiße Farbvariante
Pulsatilla vulgaris var. alba, (Fotograf: Mg-k)

Die Kuhschelle im Aberglaube

Die Bewunderung für die Schönheit der Kuhschelle scheint ein eher modernes Phänomen zu sein. Unsere Vorfahren war die Pflanze mit ihrem seidig glänzenden Schopf von, der nach der Blüte als Fruchtstand erscheint, eher unheimlich. Teufelsbart oder Bocksbart nannte man ihn. Im Brandenburgischen war man sogar davon überzeugt, dass der Fruchtstand die Stelle kennzeichnen würde, wo der Jäger eine Hexe aus der Luft heruntergeschossen habe. In anderen Regionen glaubte man, dass die jungen Gänschen im Ei ersticken würden, wenn man sich die Küchenschelle ins Haus holen würde.

Literatur

  • Angelika Lüttig & Juliane Kasten; Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen, Fauna Verlag, Nottuln, 2003, ISBN 3-9359980-90-6
  • Andreas Alberts, Peter Mullen; Giftpflanzen in Natur und Garten, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, 2003, ISBN 3-440-09550-9
  • Manfred Bocksch; Das praktische Buch der Heilpflanzen - Kennzeichen, Heilwirkung, Anwendung, Brauchtum, BLV Verlagsgesellschaft München, ISBN 3-405-14937-1


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