Zum Inhalt springen

Globalisierung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. April 2005 um 13:02 Uhr durch 84.134.80.156 (Diskussion) (Allgemeine Begrifflichkeit). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unter Globalisierung versteht man den Prozess der zunehmenden weltweiten Vernetzung der nationalen Märkte und Gesellschaften auf Grund technischen Fortschritts in den Bereichen Information, Kommunikation, Transport und Verkehr sowie der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels.

Allgemeine Begrifflichkeit

Der aus der Ökonomie und Soziologie stammende Begriff Globalisierung dringt nach 1990 in die öffentlichen Debatten und bezeichnet einen mehrdimensionalen Prozess der Zunahme der nationenübergreifenden, wirtschaftlichen, sondern als Entnationalisierung oder Denationalisierung, um auszudrücken, dass nicht alle Länder auf diesem Globus an der weltumspannenden Vernetzung von Informations-, Waren-, Finanz- und Dienstleistungströmen teilhaben.

Man kann die Globalisierung auf mehreren Ebenen unterscheiden, unter anderem Dienstleistungsverkehr, Warenverkehr, Kapitalverkehr, Personenverkehr.

Kapital- und Warenverkehr

Der weltweite statistische nachweisbare Warenhandel stieg zwischen 1950 und 1998 um das 17-fache, während die statistisch dokumentierte Produktion von Gütern sich nur um das 6-fache vergrößerte. Die Zahl der direkten Auslandsinvestitionen war zwischen 1970 und 1998 von 21 auf 227 Mrd. US-$ gestiegen.

Einschränkung durch Regionalisierung

Nicht nur von Ländern, sondern auch von Produktanbietern wird versucht, die Globalisierung im Warenverkehr einzuschränken. Im Warenverkehr sind immer noch regionale Grenzen zu überschreiten. Neben bereits vorhandenen Grenzen können auch neue Grenzen errichtet werden. Ein konkretes Beispiel mit großer wirtschaftlicher Bedeutung ist der Regionencode bei DVDs und die Kriminalisierung von Abspielgeräte-Herstellern, Software-Entwicklern und Besitzern legal erworbener DVDs, die mit technischen Mitteln versuchen, diese konstruierten Handelsbeschränkung zu umgehen. Die Angebotsseite versucht in diesem Beispiel, durch Regionalisierung von Produkte beim globalen Verkauf die freie Wahl der Nachfrageseite beim globalen Einkauf zu begrenzen. Im globalen Marketing ist regionale Segmentierung also ein wichtiger Faktor. Dass eine solche Segmentierung nicht nur eine hingenommene Umgebungsbedingung, sondern ein gepflegtes Marketinginstrument sein kann, zeigt sich beispielsweise auch in den Unterschieden bei der Implementierung von Internationalisierung (I18N) und Lokalisierung (L10N) einerseits in kommerziellen und andererseits in freien Betriebssystemen für Computer.

Transport und zunehmende Wanderungsbewegungen

Die Zahl der Personen-Kilometer im internationalen Flugverkehr hat sich seit 1950 mehr als verhundertfacht. Auch die Menge der Luftfracht hat sich seit 1950 mehr als verhundertfacht. Der Umfang der zu See transportierten Güter steigt seit 1920 stark. Mit der Ausweitung des Zug-, Automobil- und Luftverkehrs weiten sich der grenzüberschreitende Personenverkehr und der Tourismus stark aus. Durch die faktische Zunahme an Transport- und Reisemöglichkeiten wächst auch die illegale Migration.

Einer legalen Migration steht die Tatsache entgegen, dass die Globalisierung für die freie Bewegung von Waren, Dienstleistungen und Kapital im Markt einen viel größeren Fortschritt gebracht hat, als für die freie Bewegung von Menschen im Arbeitsmarkt.

Kommunikationsprozesse

Die Zahl der Telefonanschlüsse am weltweiten Telefonnetz hat sich seit 1960 verzehnfacht. Neben dem Telefon entwickeln sich mit dem Mobiltelefon, dem Fax und dem Internet neue Kommunikationstechnologien. Vor allem über das Internet haben sich die grenzüberschreitenden Kommunikationsprozesse vervielfacht und die Zahl der Internetanschlüsse steigt weiter exponentiell, allerdings über den Globus sehr ungleich verteilt und in totalitär regierten Ländern streng überwacht.

Kultur

Befürworter einer Globalisierung der Kultur sehen darin eine Entwicklung zur weltweiten Verfügbarkeit von Elementen aller Kulturen (beispielsweise Restaurants deutscher Tradition in Afrika, afrikanische Musik in Deutschland, das in England erfundene Chicken Tikka in Indien, die Inbesitznahme der englischen Sprache durch ehemalige Kolonien etc.). Die Verdrängung der einheimischen Kulturen spiele sich, sagen sie, häufig nur auf einer oberflächlichen Ebene ab. Einflüsse würden lokal modifiziert und in die eigenen kulturellen Wertvorstellungen eingebunden. Als Beispiel dafür lässt sich etwa die Aneignung der Figur Rambo von anti-imperialistischen und damit auch anti-amerikanischen Widerstandsgruppen in der Dritten Welt sehen. Außerdem verbessere sich die Situation von vielen Menschen, bzw. Menschengruppen durch den Kontakt mit der westlichen Kultur (zum Beispiel Gleichberechtigung der Frau). Es bilde sich eine "universale" Kultur heraus, es entstünden aber auch hybride Formen aus verschiedenen Traditionen und der Moderne (Postmoderne) - und danach der Postpostmoderne usw. Der Status der Kunst in der Globalisierung war Thema der Documenta 2002 (kuratiert von Okwui Enwezor).

Unter Globalisierung der Kultur verstehen vor allem die Kritiker einer aus ihrer Sicht bestehenden "westlichen" Dominanz die Ausbreitung "westlicher" Wertvorstellungen und Lebensstile. Eine massive Verbreitung westlicher Werte finde vor allem über das Fernsehen und das Kino statt, aber auch Musik und Mode (wie zum Beispiel die Krawatte) würden weltweit vom Westen beeinflusst. Der Massentourismus in die exotischen Urlaubsländer allerdings führe - so die Kritiker - dort immer häufiger zum deutlichen Rückgang der kulturellen Traditionen, weil im Zuge einer wachsenden Abhängigkeit fast nur noch für die Touristen gelebt und gearbeitet werde. Diesem Klischee stehen jedoch alleine schon die Auseinandersetzungen innerhalb des "Westens" gegenüber, beispielsweise zwischen einem "imperialen" Amerika und einem "alten Europa".

Globalisierung führt aber nicht nur zu einer Verbreitung der "westlichen" Kultur, sondern auch der globale Einfluss "östliche" Kulturen wird deutlicher. "Westliche" Unternehmer und Politiker führen öfters die für sie im "östlichen" Ausland besseren Umgebungsbedingungen an und stellen damit das, was für "westlich" gehalten wird, teilweise in Frage. Das Verhalten eines Teils der "asiatischen" Arbeitnehmer beispielsweise wird im "Westen" nicht selten als positives Beispiel für die Wirkung "asiatischer Werte" gesehen, die als "Dynamik" verstanden wird, von denen man lernen könne.

"Ich komme gerade aus Asien zurück. In vielen Ländern dort herrscht eine unglaubliche Dynamik. Staaten, die noch vor kurzem als Entwicklungsländer galten, werden sich innerhalb einer einzigen Generation in den Kreis der führenden Industriestaaten des 21. Jahrhunderts katapultieren. Kühne Zukunftsvisionen werden dort entworfen und umgesetzt, und sie beflügeln die Menschen zu immer neuen Leistungen. ... Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen." (Damaliger Bundespräsident Roman Herzog im Hotel Adlon, 26.4.1997)

Charakteristisch für die in verschiedenen Gebieten Asiens herrschenden und zur "Dynamik" beitragenden kulturellen Spielregeln ist allerdings, dass das, was "asiatische Werte" seien, nur in einem Teil der asiatischen Gesellschaften (z.B. in Indien, Japan, Süd-Korea und Taiwan) ausreichend frei diskutiert werden darf, "asiatische Werte" also nur von einer paternalistisch führenden Minderheit definiert werden, mit Paternalismus selbst als "Wert". Ein Beispiel für ein wachsendes Selbstbewusstsein gab Mahatir bin Mohamad als damaliger Premierminister von Malaysia: "Asiatische Werte sind universell, und europäische Werte sind europäisch." (asiatisch-europäische "Gipfelgespräche", März 1996, Bangkok).

So stößt nicht nur die Ausbreitung westlicher Wertvorstellungen und Lebensstile auf Kritik, sondern andererseits sehen sich auch konservativere Vertreter einer Kultur, die sie als "christlich-abendländische" Kultur charakterisieren, von Globalisierungseffekten bedrängt. Die Auswirkungen dieser Ängste zeigt sich dann beispielsweise in der Diskussion um Quotenregelungen beim Rundfunk für deutsche und nicht-deutsche Musik.

Die Globalisierung macht die Arena nicht nur freier für den Kampf der Kulturen selbst, sondern wir erleben - weil Toleranz in unterschiedlichen Kulturen einen unterschiedlichen Stellenwert hat - auch einen harten Kampf um die Spielregeln des Kulturkampfes.

Internationaler Rechtsverkehr

Grundlage aller Globalisierung ist ein Miteinander der Völker in geregelten, rechtlichen Bahnen, eben dem internationalen Rechtsverkehr. Neben einer Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen ist die im Jahre 1961 beschlossene Haager Konvention Nummer 11 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung bzw. Legalisation die wichtigste Rechtsnorm. Die darin vorgesehene Entbürokratisierung und Vereinfachung des Rechtsverkehrs zwischen den Staaten hat eine Globalisierung, wie sie sich heute darstellt, erst ermöglicht. Sie ermöglicht wegen des hohen Mitgliederstandes einen beinahe weltumspannenden Rechtsverkehr, ohne dass die diplomatischen Dienste in Anspruch genommen werden müssen (Siehe auch Apostille).

Internationale Politik

Globalisierungsprozesse sind vielfältig und komplex, sie beschreiben eine Vielzahl ineinander fließender wirtschaftlicher, politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und technischer Prozesse. Sie stellt neue Ansprüche an die Zusammenarbeit zwischen Staaten und an die Entwicklung von supranationalen Organisationen (siehe auch Weltkonzern, Weltwirtschaft).

Als erstes Parlament der Welt hat der Deutsche Bundestag 1999 eine Kommission eingerichtet, die sich systematisch mit den Fragen der Globalisierung beschäftigte, die Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten, (Bundestagsdrucksache 14/2350), Vorsitzender der Enquete-Kommission war der Abgeordnete Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD), Stellvertreter der Abgeordnete Thomas Rachel (CDU). Der Abschlussbericht der Kommission wurde 2002 dem Parlament vorgelegt (Drucksache 14/9200 [1]).

Kritik

Siehe Hauptartikel: Globalisierungskritik


Wenn heutzutage die „Globalisierung“ kritisiert wird, kommt das von sehr unterschiedlichen Gruppierungen oder so genannten "Globalisierungsgegnern":

Die (dem linken Spektrum zugeordnete) Globalisierungskritik beispielsweise vom Weltsozialforum (WSF), von Peoples Global Action (PGA), ATTAC und BUKO richtet sich gegen die „neoliberale Globalisierung“. Gemeint ist vor allem die deregulierte Öffnung der Märkte weltweit im Sinne des Neoliberalismus: Alle Waren und alle Dienstleistungen, einschließlich der Bildungseinrichtungen, des Öffentlichen Verkehrswesens und der Güter der Grundversorgung (z.B. Trinkwasser), sollen der Kritik zufolge nicht unbeschränkt privatisiert und überall verkauft und gekauft werden können. Kritisiert wird, dass diese Form der Globalisierung zu einer Zunahme der weltweiten sozialen Ungleichheit führe. Vehement kritisiert werden die unterstellte mangelnde Transparenz und demokratische Legitimation von Gremien wie der WTO, des IWF oder der Weltbank.

Es wird also gar nicht die Globalisierung an sich kritisiert, die ja an sich linken Vorstellungen sehr entgegenkommt, sondern die derzeitig stattfindende Ausprägung wird angeprangert, die vor allem an einer Globalisierung des Marktes und der Geschäftsbeziehungen, sehr viel weniger aber an der Globalisierung von Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten, ökologischen Standards oder Demokratie interessiert scheint, und auf die der Bürger, im Gegensatz zu Lobbygruppen der Wirtschaft, kaum noch Einfluss hat.

Auch werden in Anlehnung an das Stolper-Samuelson-Theorem Lohnsenkungen in reicheren Ländern befürchtet. Dem wird wiederum entgegengehalten, dass in der Realität die Löhne kapitalreicher Länder in den letzten Jahrzehnten (absolut gesehen) stark angestiegen sein sollen. Globalisierungskritiker verweisen hierbei aber auf relative Zahlen, die tatsächlich sinkende Realeinkommen bei den meisten Menschen der Industrienationen belegen sollen. Hier solle der technische Fortschritt mit konsekutiver Steigerung der Produktivität eine Rolle spielen.

Von Kritikern wird auch eingewendet, dass Dienstleistungen sich nicht global handeln ließen und Lohndumping somit kaum zu befürchten sei. Globalisierungsgegner wenden darauf ein, dass dies branchenspezifisch durchaus vorkomme, z.B. in auf Kommunikation, Elektronik und Mikroprozessoren basierenden Branchen wie den Call-Centern und Software-Schmieden, aber auch (wenn nicht global, so doch regional) im Baugewerbe und bei landwirtschaftlicher Saisonarbeit oder in Au Pair-Arbeitsverhältnissen; zudem nehme die (teils illegalisierte) Arbeitsmigration von so genannten Gast- und SaisonarbeiterInnen auch objektiv in vielen Industrienationen zu. Als Konsequenz fordern einige Gewerkschaften und Globalisierungskritiker daher trotz der Gefahr von Nettowohlfahrtsverlusten u. a. gesetzliche Regelungen der Mindestlöhne und einen verbindlichen Grundsatz vom "gleichen Lohn für gleiche Arbeit".

Ein weiterer Kritikpunkt ist die zunehmende Umweltzerstörung, weil die Abgase der Flugzeuge, Autos und Fabriken immer mehr zunehmen. Auch verbreiten sich durch den zunehmenden Tourismus Tropenkrankheiten sogar in Länder gemäßigter Breite, weil man sich z.B. im Flugzeug anstecken kann.

Die Globalisierungskritik von rechtsextremen Gruppierungen hingegen wie z.B. der NPD wendet sich gegen die zunehmende Vereinheitlichung der Kulturen und gegen die abnehmende Bedeutung der Nationalstaaten (und somit von Nationalismus). Rechtsextreme wenden sich dabei insbesondere gegen die im Zuge der Globalisierung erfolgende Zuwanderung, die die von ihnen behauptete rassische Reinheit der Völker gefährde. Häufig vermischt sich diese Ablehnung der Globalisierung auch mit anti-amerikanistischen Haltungen.

Globalisierungsbefürworter wenden ein, dass trotz aller Kritik transnationaler Handel (s. dort) doch für einen (absoluten) Wohlstandsgewinn sorge. Dies lasse sich am komparativen Kostenvorteil illustrieren. Globalisierungskritiker behaupten jedoch, diese These stünde nicht im Widerspruch zur Anklage der Anti-Globalisierungsbewegung, dass es zu einer Zunahme der weltweiten sozialen Ungleichheit im Sinne einer Umverteilung "von unten nach oben" komme (siehe eingangs).

Aus Erwägungen der Systemtheorie stammt der Begriff der Globalen Beschleunigunskrise, der von dem Physiker Peter Kafka geprägt wurde. Danach führt ein sehr schneller und global vereinheitlichter Strukturwandel zwangsläufig in eine instabile Gesamtlage der menschlichen Zivilisation und der menschenfreundlichen Biosphäre.


Siehe auch

Literatur

Globalisierungskritik