Zum Inhalt springen

Martinisingen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. November 2008 um 18:05 Uhr durch Toffel (Diskussion | Beiträge) (Revert: URV von der angegebenen Seite). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Martinisingen ist ein alter protestantischer Brauch, der in Ostfriesland gepflegt wird, aber auch vielen anderen norddeutschen Regionen, und ist auch unter dem plattdeutschen Namen Sünnematten, Mattenherrn oder Matten Matten Mähren (in Hannover und Südniedersachsen) bekannt. Bei ihm wird am 10. November (ähnlich dem katholischen Martinssingen am 11. November) mit Laternen von Haus zu Haus gezogen und gesungen.

Geschichte

Es ist ein Brauch, in dem sich mehrere Ursprungselemente mischen. Traditionell war der 10. November der Tag, an dem Landarbeiter und Dienstpersonal über Winter entlassen wurden. Für diese weitgehend besitzlosen Bevölkerungsschichten galt es nun, die kalte Jahreszeit ohne eigenes Einkommen zu überstehen. Einen Beitrag dazu leisteten dann die Kinder, die an diesem Tag von Haus zu Haus zogen und insbesondere bei wohlhabenden Bauern und Bürgern um Gaben bettelten. Ursprünglich sammelten sie dabei Lebensmittel ein, die tatsächlich für den Wintervorrat mit eingelagert und nach und nach verzehrt werden konnten. Manchmal pflegten insbesondere die etwas älteren Sänger sich auch zu verkleiden oder Gesichtsmasken (sğabellenskoppen) aufzusetzen.

Später wandelten sich die Gaben mehr und mehr zu symbolischen Spenden, und heute gibt es überwiegend Süßigkeiten und Obst. Zu den traditionellen Gaben dagegen gehören Stutenkerl, Moppen (moppen) und Pfeffernüsse (pēpernööten) sowie Äpfel.

Das Betteln um Gaben erfolgte in gereimten Sprüchen oder dem Vortrag entsprechender Lieder, wobei die Kinder Laternen (kipkapköögels) mit sich führten, die früher aus einer Runkelrübe geschnitzt wurden. Später benutzte man wohl auch gelegentlich kleine Kürbisse dazu, und es setzten sich nach und nach farbige Papierlaternen durch, wie sie noch heute gebräuchlich sind. Auch verschiedene selbst gefertigte Geräuschinstrumente (Rasseln, Rummelpott) kamen zum Einsatz.

Es mischte sich inhaltlich das ursprüngliche Motiv des Bettelns mit Ausbreitung der Reformation mit religiösen Motiven und der Verehrung des Reformators Martin Luther. Die protestantische Kirche war gezwungen, auf die ursprünglich katholische Sitte zu reagieren.[1] Anlässlich der 300-Jahrsfeier der Reformation von 1517 wurde 1817 das Martinisingen auf den Vorabend des Martinstages vorgezogen. Von da an wurde nur noch Martin Luther, der „Lichtfreund und der Glaubensmann" gefeiert, „de de Papst in Rom de Kroon offschlog". So wurde denn auch der Martinstag des Martin von Tours am elften zusammen mit dem Martinisingen auf den 10. November, den Geburtstag des Reformators, vorverlegt.[2] Zunehmend wurde als Anlass des Martinisingens die Feier des Geburtstages Luthers herausgestellt und das Bettelmotiv mit Gebräuchen der Mönchsorden erklärt. Die vorgetragenen Lieder bekamen eine religiöse Färbung oder es wurden neue geschaffen, die allein der religiösen Bedeutung des Tages Rechnung trugen bzw. sich auf die Verehrung Martin Luthers bezogen.

Heutige Gebräuche

Kinder ziehen heute nach Einbruch der Dämmerung in den Vororten von Tür zu Tür und singen Martinilieder. Das Licht in der Laterne ist keine Kerze mehr, sondern elektrisch, da im Novemberwind oft die Laternen Feuer fingen (in „Laterne, Laterne“ heißt es daher noch „flamme auf, mein Licht, aber nur meine liebe Laterne nicht“). Aber nach wie vor werden die Laternen gerne selber aus Papier gebastelt.

Zu Matten Matten Mären schreibt das Hannoversche Wochenblatt: „Dabei gilt die eiserne Regel früher wie heute: Wer nichts schenkt, dem wird ein Streich gespielt“;[3] auch beim ostfriesisch-norddeutschen Martinisingen muss der Verweigerer später am Abend mit einem Klingelstreich oder ähnlichem rechnen; wer umgekehrt aber nicht singt, bekommt auch nichts.

Seit Ende der neunziger Jahre macht sich auch die Werbung der Geschäfte und amerikanische Fernsehserien Halloween als Konkurrenz gegen das Martinisingen bemerkbar, auch durch die Begeisterung einiger Erzieher in Grundschulen und Kindergärten, das neue Fest werde aber, von Diskotheken abgesehen, kritisch gesehen und weitgehend noch abgelehnt, heißt es in der Emder Zeitung.[4]

Die bekanntesten Martinilieder

Laterne

Ich geh mit meiner Laterne

Beginn des Kehrreims:
Ich geh mit meiner Laterne
und meine Laterne mit mir.
Da oben leuchten die Sterne
und unten da leuchten wir.
Vers
1. Ein Lichtermeer zu Martins Ehr
2. Der Martinsmann, der zieht voran
3. Wie schön das klingt, wenn jeder singt
4. Ein Kuchenduft liegt in der Luft
5. Beschenkt uns heut, ihr lieben Leut
6. Laternenlicht, verlösch mir nicht!
7. Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus
Ende des Kehrreims:
rabimmel, rabammel, rabumm.


Laterne, Laterne

Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne,
brenne auf mein Licht,
brenne auf mein Licht,
aber nur meine liebe Laterne nicht.

Weitere Lieder

  • Von Luther lasst uns singen
  • Zu Eisleben war uns geboren ein Mann
  • Kinder zieh'n von Haus zu Hause
  • Martinus Luther war ein Christ
  • Heut ist Martini wieder
  • Als Martin noch ein Knabe war
  • Singet heute Freudenlieder
  • Horch, durch des Winters Sturmgebrause
  • Seht doch, ihr lieben Leute
  • Heut' ist der Tag, an dem vor vielen Jahren
  • Wir zünden unsre Lichter an
  • Am Martinstage kommen wir Kinder all

Hannoversches und Westfalen

Als Martin noch ein Knabe war,
hat er gesungen manches Jahr vor fremder Leute Türen,
er sang so schön, er sang so zart, so recht nach frommer Kinder Art,
das mag ein Herz wohl rühren.

Dieser Abschnitt gehört nicht mehr zum ursprünglichen Martinslied.

Matten Matten Herren (auch ähnliche Schreibung wie Mären, Kurz- und Langform der Liedes)

Matten-, Mattenherrn, [Martin, mein Herr]
die Äppel un de Beern, [die Äpfel und die Birnen]
de hebbt wi ja so geern. [die haben wir ja so gerne]
maak op de Döör, maak op de Döör, [mach auf die Tür]
staat paar lüttje Kinner vöör. [es stehen ein paar kleine Kinder davor]
Giff se wat, giff se wat, [gib ihnen etwas]
laat se nich so lange staan, [lass sie nicht zu lange stehen]
mött noch paar Huus füdder gaan. [sie möchten noch einige Häuser weiter gehen.]

Auch anstelle der letzten Zeile:

wi wull`n noch bis Bremen gahn. [wir wollen noch bis Bremen gehen][5]

Im Raum Rethem/Aller (Landkreis Soltau-Fallingbostel) wird/wurde diese Version gesungen:

''Matten Matten Herrn,
de Äppel un de Beern
die mögen wi so geern.
Lat uns nich so lange stohn,
denn wi mut noch widergohn.
Acht Hus achter wohnt de Slachter
Acht Hus wieder wohnt de Snieder.''

oder folgendes Lied:

Martinsabend ist heute Abend,
klingelt auf die Büchse,
liebe Frau gib uns was,
lass uns nicht so lange stehen,
wir müssen noch nach Bremen gehen,
Bremen ist ne große Stadt,
die so viele Häuser hat.

Plattdeutsche Martini-Lieder

Mit Kippkappkögels kam' wi an
elk singt so munner, as he man kann
is ja Sünner Maarten, nümms blifft to Hus,
Appels und Beeren kreegen wie tom Schmuus
Worum wi singen dat weit ji doch,
Luthers Geburtstag de fiern wie nu noch.

KippKappKögels-Variante aus dem Harlingerland
Mit Kippkappkögels kam' wi an
elk singt so munter, as he man kann
is ja Sünner Maarten, nüms blifft to Hus,
Appels und Beeren kreegen wie tom Schmuus
Veerhunnertfieftig Johr is dat heer,
Luthers Geburtsdag de fiern wi nu sehr.

Mien lüttje Lateern,
ik hebb di so geern.
Du danzt dör de Straten,
du kannst dat neet laten,
ik mutt mit di lopen,
mutt singen un ropen:
Mien lüttje Lateern,
ik hebb di so geern.

Mien lüttje Lateern,
ik hebb di so geern.
Du, Wind, laat dat Susen
Kruup achter de Husen,
kruup achter de Dieken,
vandaag musst du wieken.
Mien lüttje Lateern,
ik hebb di so geern.

Literatur

  • Ernst Müller / Griet Voss: De Utrooper's kleines Buch von Martini, ISBN 3-934370-14-4 (Broschüre).

Einzelnachweise

  1. http://www.holtgast-urlaub.de/holtgast-heimat-ag/martinisingen.htm
  2. http://www.fulkum.de/IG/Brauchtum/Martinisingen/martinisingen.html
  3. Hannoversches Wochenblatt, 07. November 2007, S. 3
  4. Superintendent Erich Bolinius in der Emder Zeitung, http://www.emderzeitung.de/news/index.asp?ID=28264&RESS=1&LAY=1
  5. Niederdeutsch, Hannoversches Wochenblatt, 07. November 2007, S. 3