Kernenergie nach Ländern
Belgien
Der belgische Atomausstieg wurde 1999 von der damaligen Regierung (Liberale, Sozialisten und Grüne) beschlossen und gesetzlich festgelegt. Die Abschaltung der sieben belgischen Reaktoren erfolgt stufenweise nach jeweils 40 Betriebsjahren, der Bau neuer Kernkraftwerke wurde verboten. Als das Gesetz verabschiedet wurde, spekulierten viele, dass es eine größere Überarbeitung durch neue Regierungen ohne die Beteiligung der Grünen geben würde.[1]
2003 wurde eine neue Regierung ohne die Beteiligung der Grünen gewählt. Dennoch scheint es bis heute (2005) nicht so auszusehen, als ob am belgischen Atomausstieg Änderungen durchgeführt würden, zumal der Störfall im Kernkraftwerk Tihange am 22. November 2002 große Teile der Öffentlichkeit vom Ausstieg überzeugte.[2]
Deutschland
In Deutschland ist der Atomausstieg in einem Vertrag der Bundesrepublik mit den Betreibergesellschaften geregelt, dem so genannten Atomkonsens. Auf Grundlage des Vertrags wurde das Atomgesetz novelliert. Ausgehend von einer Regellaufzeit von etwa 32 Jahren bestimmt der Vertrag genau, welche Reststrommengen ein Kraftwerk in den Betriebsjahren noch produzieren darf. Das Übereinkommen zwischen Regierung und Stromkonzernen war von langen Verhandlungen geprägt. Demnach würde das letzte Kernkraftwerk im Jahre 2021 abgeschaltet. Vom Netz genommen wurden inzwischen die Kernkraftwerke Stade (am 14. November 2003) und Obrigheim (am 11. Mai 2005). Der Abbau des Letzteren soll erst im Jahr 2007 beginnen.17 kommerziell genutzte Kraftwerke sind noch in Betrieb.
Schweden
Nach der partiellen Kernschmelze in Three Mile Island in den USA (1979) wurde in Schweden eine Volksabstimmung gegen Kernenergie erfolgreich durchgeführt. Dies hatte zur Folge, dass das Parlament 1980 entschied, keine weiteren Kernkraftwerke mehr zu bauen und die vier vorhandenen bis 2000 abzuschalten.
Dieser Ausstiegsplan wurde nur teilweise vollzogen. Zwischenzeitlich versuchte eine konservative Regierung den Atomausstieg ganz auszusetzen, dies wurde jedoch durch starke Proteste aus der Bevölkerung verhindert. Mit dem Kernkraftwerk Barsebäck ist nach der Abschaltung des zweiten Blocks am 1. Juni 2005 das erste schwedische Kernkraftwerk vollkommen vom Netz.
Siehe auch: Stand beim Ausstieg aus der Kernenergie in Schweden
Spanien
In Spanien wurden im vergangenen Jahrhundert zehn KKWs errichtet. 1983 wurde ein Moratorium verabschiedet. Trotzdem wurden noch mehrere Kernkraftwerke fertiggestellt. Weitere Neubaupläne wurden allerdings immer wieder verschoben und 1994 endgültig eingestellt. Im selben Jahr wurde auch der Reaktor Vandellòs 1 aus Sicherheitsgründen stillgelegt.
Mit dem Regierungswechsel 2004 hat sich die Atompolitik gewandelt. Die neue Regierung unter Führung der Sozialisten will bis 2024 aus der Kernenergienutzung aussteigen.
Aktive Nutzung der Kernenergie
Derzeit betreiben 31 Länder 437 Kernkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 389.488 Megawatt. (Stand: 31. Dezember 2006, Quelle: atw)
Armenien
In Armenien gibt es einen aktiven Druckwasserreaktor vom sowjetischen Typ WWER-440/270 im Kernkraftwerk Mezamor. Die Abschaltung ist für 2016 geplant, gleichzeitig bestehen Planungen für einen Neubau, die aber noch kein konkretes Stadium erreicht haben.
Brasilien
Brasilien hat derzeit zwei aktive Kernreaktoren, Angra 1 und 2. Seit 30 Jahren ist ein dritter Reaktor am gleichen Standort in Planung und im Bau. Eine Fertigstellung des Baus ist derzeit nicht abzusehen.
Bulgarien
Bulgarien betreibt derzeit zwei von ursprünglich sechs aktiven Kernreaktoren am Standort Kosloduj. Vier Blöcke mussten im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt abgeschaltet werden. In Belene gibt es ein Projekt für ein neues KKW, um den Produktionsausfall durch die Abschaltung der Blöcke in Kosloduj aufzufangen.
China
Die Volksrepublik China hat aufgrund seines enormen Wirtschaftswachstums einen extrem großen Energiebedarf festgestellt. Der größte Teil der Energie soll durch Kohle gedeckt werden. Jedoch sollen 100 neue Kernkraftwerke zur Energieversorgung beitragen.
Finnland
Finnland hatte 1993 aufgrund erheblicher öffentlicher Proteste die Planung für den Neubau von Kernkraftwerken gestoppt. Derzeit werden vier Reaktoren in zwei Kernkraftwerken betrieben und es wurde in Olkiluoto mit dem Bau eines fünften begonnen, dem ersten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR). Am Standort Loviisa will Atomstroiexport einen weiteren Reaktor vom Typ WWER-1000 als AES-91 errichten. Wann der Baubeginn erfolgen wird, ist noch nicht bekannt.[3]
Frankreich
Frankreich bezieht 80 Prozent seiner elektrischen Energie aus Kernenergie und hat damit eine der höchsten Quoten weltweit. Ein Teil des erzeugten Stroms wird exportiert, unter anderem nach Deutschland und Italien. Es plant derzeit, mindestens 56 neue EPR zu errichten. Der Grundstein für den ersten französischen EPR wurde in Flamanville gelegt. Der Bau eines weiteren EPR wurde am 3. Juli 2008 von Staatschef Nicolas Sarkozy angekündigt. Der Reaktor soll aber unabhängig von dem Reaktor in Flamanville gebaut werden.[4]
Großbritannien
Großbritannien betreibt derzeit 14 kommerzielle KKWs. Im November 2005 hat der damalige Premierminister Tony Blair dafür plädiert, eine ideologiefreie Debatte über den Neubau von einigen KKWs neuester Bauart zu führen. Ein Vertrag zum Bau von Kernkraftwerken mit Frankreich ist beschlossen.
Japan
Japan betreibt derzeit 56 Kernkraftwerke mit einer Kapazität von knapp 49.860 Megawatt (Stand: 31. Dezember 2006, Quelle: atw), was knapp einem Drittel des Verbrauchs entspricht. Des Weiteren sind 15 Versuchsreaktoren in Betrieb. Das Langzeitprogramm der Regierung sieht vor bis 2010 die Kapazität durch neue KKWs auf 70.000 Megawatt zu erhöhen. Derzeit sind 15 weitere Reaktoren in Planung bzw. bereits im Bau.
Niederlande
In den Niederlanden entschied sich 1994 das Parlament für einen Atomausstieg, nach einer langen Diskussion über die Lagerung von Atomabfällen. Der erste Reaktor in Dodewaard wurde 1997 abgeschaltet, und es wurde beschlossen, den zweiten niederländischen Reaktor, in Borssele, Ende 2003 abzuschalten. 2003 wurde die Abschaltung durch einen Gerichtsentscheid ausgesetzt und von einer konservativen Regierung auf 2034 verschoben.
Rumänien
In Rumänien wird derzeit am Standort Cernavodă ein Kernkraftwerk betrieben. Im Juni 2006 wurde seitens eines großen deutschen EVU ein neues Kernkraftwerksprojekt für Rumänien angekündigt. Das neue Kernkraftwerk soll in Drobeta Turnu Severin gebaut werden und im Jahre 2020 bis 1200MW produzieren.
Schweiz
In der Schweiz wurden am 18. Mai 2003 die beiden Kernenergie-Ausstiegsinitiativen Strom ohne Atom und Moratorium Plus (für die Verlängerung des Kernkraftwerk-Baustopps und die Begrenzung des Atomrisikos) abgelehnt (Moratorium Plus: 41,6 % Ja, 58,4 % Nein; Strom ohne Atom: 33,7 % Ja, 66,3 % Nein).
Am 10 Juni hat die Aare-Tessin AG für Elektrizität beim Bundesamt für Energie (BFE) ein Gesuch um eine Rahmenbewilligung für ein zweites Kernkraftwerk in Gösgen eingereicht, das Kernkraftwerk Niederamt heissen soll. Dieses soll ab 2025 Strom liefern.[5]
Slowenien
Slowenien wird sein einziges Kernkraftwerk in Krško voraussichtlich 2023 abschalten. Dies ist das einzige Kernkraftwerk der ehemaligen Volksrepublik Jugoslawien. Es existieren (noch sehr unklare) Pläne für ein neues Kernkraftwerk.
USA
Die USA haben in letzten Jahren einen großen Bedarf an neuen Energiequellen festgestellt. Der wachsende Bedarf soll durch neue Anlagen verschiedenster Arten gedeckt werden. Unter anderem ist vorgesehen, die Lizenzen für bestehende KKWs zu verlängern und sechs neue KKWs vom Typ AP1000, der von Westinghouse entwickelt wurde, zu errichten. Die USA betreiben derzeit 104 KKWs mit einer Kapazität von 104.787 Megawatt (Stand: 31. Dezember 2006, Quelle: atw').
Länder ohne Nutzung der Kernenergie
Zahlreiche Länder haben Kernenergie nie zur Energiegewinnung genutzt. Eine politische Debatte über einen Ausstieg erübrigt sich daher. Dazu gehören etwa die meisten Länder in Afrika, Lateinamerika und Asien (vergleiche Liste der Kernkraftanlagen). Einer der Gründe dafür ist eine mangelnde wirtschaftliche Entwicklung zu Zeiten, als viele kommerzielle KKWs gebaut wurden (1970er); anders herum steigen derzeit einige wirtschaftlich prosperierende asiatische Staaten in die Kernenergie ein.
In vielen Fällen, vor allem in Europa, ist ein Ausstieg dagegen eine bewusste Entscheidung der entsprechenden Regierung. Einige dieser Länder setzen sich auch in ihrer Außenpolitik gegen Kernkraft ein.
In Irland wurde 1968 das erste Kernkraftwerk geplant und in den 1970ern in Carnsore Point im County Wexford gebaut. Zunächst war lediglich ein Reaktor geplant, schließlich wurden es dann vier. Allerdings wurde der Bau nach starken Protesten von irischen Atomkraftgegnern eingestellt. Seitdem ist Irland frei von Nuklearanlagen.
Auf den Philippinen (in Südostasien) wurde 2004 von Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo eine neue Energieleitlinie vorgeschlagen. Die Leitlinie sieht eine stärkere Nutzung der heimischen Öl- und Gasreserven vor, ebenso wie die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien, unter anderem Kokos-Diesel. Das einzige vorhandene, aber nie in Betrieb genommene Kernkraftwerk in Bataan soll danach in ein Gaskraftwerk umgebaut werden.
Besonders scharfe Gesetze gegen Kernenergie hat Neuseeland, das seit 1984 frei von Nukleartechnik ist und 1987 den New Zealand Nuclear Free Zone, Disarmament, and Arms Control Act verabschiedet hat. Dieses Gesetz verbietet insbesondere auch die Stationierung von Kernwaffen, sowie das Befahren neuseeländischer Gewässer durch Fahrzeuge mit einem Nuklearantrieb.
Im Juli 2000 hat die Regierung der Türkei entschieden, das umstrittene Kernkraftwerk in Akkuyu nicht zu bauen. Die Atompolitik des Landes ist allerdings wechselhaft. Es existieren Pläne für drei Kernkraftwerke mit insgesamt fünf Blöcken in Sinop oder Gokova.[6] Erste Angeboten für den Bau eines Kernkraftwerks liefert der russische Kernkraftwerksbauer Atomstroiexport. Das Kernkraftwerk solle günstiger und zuverlässiger sein als amerikanische Reaktoren.[7] Atomstroiexport ist als einziger von allen Unternehmen an dem Projekt geblieben. Alle anderen Unternehmen die ebenfalls an der Ausschreibung für den Bau des Kernkraftwerks Akkuyu teilnahmen, haben mit einer Danksagung abgesagt. Das Kernkraftwerk soll zwischen 3.000 und 5.000 MW Leistung haben.[8]
Einige weitere europäische Länder, die keine Kernenergie nutzen, sind unter anderem Dänemark, Estland, Griechenland, Lettland, Luxemburg, Norwegen, Polen, Portugal und Österreich.
Siehe auch
Weblinks
- Liste der KKWs im Bau
- Übersicht über Atomenergienutzung und Ausstiegsdebatten der europäischen Länder, vom BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland
- Überblick über Kernenergie in Europa mit Grafik (Seite der BBC) (englisch)
Fußnoten
- ↑ http://www.scientific-alliance.org/pdf/essential_programme_to_underpin_government_policy_on_nuclear_power.pdf PDF
- ↑ http://www10.antenna.nl/wise/index.html?http://www10.antenna.nl/wise/582/5485.html
- ↑ Atomenergoprojekt - Тендер ФИН5 АЭС "Ловииза (russisch)
- ↑ Frankreich baut zweiten Europäischen Druckwasserreaktor; Artikel vom 3. Juli 2008
- ↑ http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/konkretes_begehren_fuer_ein_zweites_kernkraftwerk_goesgen_1.755951.html Konkretes Begehren für ein zweites Kernkraftwerk Gösgen
- ↑ WNA - Emerging Nuclear Energy Countries, November 2007 (englisch)
- ↑ RIA Novosti - Russland-Türkei-Beziehungen: Mehr als nur Blue Stream; vom 01.07.2008
- ↑ Verivox - 24.09.2008 - Nur Atomstroiexport will Atomkraftwerk in der Türkei bauen