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Offene Handelsgesellschaft

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Eine offene Handelsgesellschaft (Abkürzung: OHG oder oHG) ist in Deutschland eine Personenhandelsgesellschaft, in der sich zwei oder mehr natürliche Personen und/oder juristische Personen zusammengeschlossen haben, um unter einer gemeinsamen Firma ein Handelsgewerbe zu betreiben.

Firma

Die Firma einer OHG muss die Bezeichnung „offene Handelsgesellschaft“ oder „OHG“ enthalten, § 19 I Nr. 2 HGB. Ist kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so muss die Firma eine Bezeichnung erhalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet, § 19 II HGB.

Gründung

Eine OHG wird von mindestens zwei juristischen oder natürlichen Personen durch einen Vertrag gegründet. Wenn keiner der Paragraphen 110 bis 122 HGB (Gesetzliche Grundlagen zur OHG) ausgeschlossen werden soll, so bedarf der Gesellschaftsvertrag keiner bestimmten Form. Grundsätzlich notwendig zur Gründung einer OHG ist also nur der erklärte Wille der Gesellschafter, unter einer gemeinsamen Firma ein Handelsgewerbe zu betreiben. Unabhängig hiervon sind weiterführende Formalitäten (Gewerbeanmeldung bei der Gewerbeaufsicht, Eintragung im Handelsregister) durchzuführen. Die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages ist hiervon unberührt. Auch ist die Eintragung kein Gründungserfordernis, sondern lediglich der Abschluss eines Gesellschaftervertrages und die Aufnahme der Geschäftstätigkeit zum Betreiben eines Handelsgewerbes.

Werden in die Gesellschaft Grundstücke eingebracht, so ist notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags notwendig (§ 311b BGB).

Sollen Haftungsbeschränkungen gegenüber Dritten, zum Beispiel den Geschäftspartnern, vereinbart werden, so kann dies nicht im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschehen, sondern muss individualvertraglich vereinbart werden.

Kapitaleinlage

Die Gründung der OHG ist nicht von einem bestimmten Mindestkapital abhängig. Die Kapitaleinlage kann sowohl Geld-, Sach- /oder Dienstleistungen sein. Die einzelnen Gesellschafter haften mit ihrem ganzen Vermögen, inklusive Privatvermögen (Sie sind Vollhafter).

Kapitaleinsatzhöhe wird im Gesellschaftervertrag festgelegt.

Pflichten

Die folgenden aufgeführten Pflichten der Gesellschaft stellen das vom Gesetzgeber entworfene "Grundmuster" dar, von dem in der Praxis durch die im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Gestaltungsfreiheit vielfach abgewichen wird.

1. Einlagepflicht

Die Pflicht zur Leistung der Beiträge ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag [ vgl. §§ 705, 706 BGB i.V.m. §105 (3) HGB ]. Beiträge sind meist Kapitaleinlagen in Form von Geldzahlungen, Sachen (z. B. Grundstücke) und Rechten (z. B. Patente). Die Beitragspflicht kann aber auch dadurch erfüllt werden, dass ein Gesellschafter seine persönlichen Dienstleistungen der OHG zur Verfügung stellt.

Durch die Leistung der Kapitaleinlage geht das persönliche Eigentum des Gesellschafters in das Vermögen der OHG über, das den Gesellschaftern nunmehr gemeinsam gehört (Gesamthandsvermögen). Der einzelne Gesellschafter kann danach nicht mehr über seinen Anteil verfügen.

2. Geschäftsführung

Grundsätzlich ist jeder Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Mangels abweichender Vereinbarungen gilt der Grundsatz der Einzelgeschäftsführung, d. h. der einzelne Gesellschafter kann ohne Mitwirkung der anderen Gesellschafter Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt. [ §116 (1) HGB ] Bei außergewöhnlichen Geschäften bedarf es eines Beschlusses aller Gesellschafter [ § 116 (2) HGB ]

Auch bei gewöhnlichen Geschäften hat jeder Gesellschafter ein Widerspruchsrecht [ § 115 (1) HGB ]. Legt ein geschäftsführender Gesellschafter sein "Veto" ein, so muss die Handlung unterbleiben.

Zu dem gewöhnlichen Betrieb eines Handelsgewerbes gehören alle Handlungen in den verschiedenen Entscheidungsbereichen des Betriebes, soweit diese branchenspezifisch sind oder - aus Sicht des Einzelfalles heraus - den normalen Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebes dieser OHG nicht überschreiten.

Beispiele: An- und Verkauf von Waren, Einstellungen und Entlassungen von Personal

Zu den außergewöhnlichen Geschäften zählen alle Geschäfte, die über den "gewöhnlichen Betrieb" hinaus gehen.

Beispiele: Kauf und Verkauf von Grundstücken, Aufnahme von Großkrediten, Errichtung von Zweigniederlassungen, bauliche Maßnahmen größeren Umfanges auf Betriebsgrundstücken, ungewöhnliche lange Lieferverträge.

Die Geschäftsführungsbefugnis kann auf Antrag der Gesellschafter (auch der nicht zur Geschäftsführung befugten) durch gerichtliche Entscheidungen entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (z. B. grobe Pflichtverletzung).

3. Verlustbeteiligung

Ergibt sich ein Verlust, wird er nach Köpfen verteilt: die Verlustanteile werden den Kapitalkonten belastet. Unabhängig davon, ob Gewinn oder Verlust festgestellt wurde, kann jeder Gesellschafter 4 % seines für das letzte Geschäftsjahr festgestellten Kapitalanteils für seine private Lebensführung entnehmen. (vgl. §§ 120, 121, 122 HGB)

4. Wettbewerbsverbot

Voraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit der Gesellschafter in der OHG ist ein gegenseitiges Vertrauens- und Treueverhältnis. Es besteht deshalb eine allgemeine Treuepflicht der Gesellschafter (§242 BGB). Eine besondere Ausformung dieser Treuepflicht ist das Wettbewerbsverbot. Ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter darf ein Gesellschafter keine eigenen Geschäfte ( Geschäfte auf eigene Rechnung ) im Betrieb des Handelsgewerbes durchführen (erste Alternative) oder sich als persönlich haftender Gesellschafter an einer gleichartigen, d. h. branchengleichen Unternehmung, beteiligen (zweite Alternative). §§ 112, 113 HGB

Bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann die OHG Schadenersatz verlangen oder sie kann von einem Eintrittsrecht Gebrauch machen, d. h. die OHG kann die Geschäftsergebnisse an sich ziehen. Wenn die übrigen Gesellschafter das verlangen, kann es sogar zur Auflösung der Gesellschaft kommen. [§ 133 (2) HGB ]

Eintragung im Handelsregister

Die Gesellschafter der OHG müssen die Firma im Handelsregister (Abteilung A), in Österreich Firmenbuch genannt, eintragen lassen. Auch der Ein- oder Austritt eines Gesellschafters, die Änderung der Firma oder die Sitzverlegung der OHG müssen zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden. Die OHG entsteht im Innenverhältnis mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ( konstitutiv ) und im Außenverhältnis mit HR-Eintrag ( deklaratorisch ), jedenfalls aber mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit, § 105 Abs. 2 HGB i.V.m. § 1 Abs. 2 HGB.

Geschäftsführung/Vertretung nach Außen

Zur Führung der Geschäfte sind grundsätzlich alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, es sei denn, im Gesellschaftsvertrag ist etwas anderes vereinbart. Grundsätzlich ist dabei jeder Gesellschafter einzelgeschäftsführungsbefugt, das heißt er kann Entscheidungen, die den "normalen" geschäftlichen Rahmen der OHG nicht übertreten, alleine treffen. Darüber hinaus kann im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden:

  • die Übertragung der Geschäftsführung auf einen, oder mehrere Gesellschafter
  • die sog. Gesamtvertretung, das heißt, die zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter müssen die Geschäftsführung gemeinsam vollbringen (z. B. bei einer Kaufentscheidung, müssen alle befugten Gesellschafter dem Kauf zustimmen.)

Die Geschäftsführergehälter für die Gesellschafter sind steuerlich nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig; sie sind bei der steuerlichen Gewinnverteilung dem jeweiligen Gesellschafter als Vorabvergütung zuzurechnen. Zu beachten ist die Eintragung im Handelsregister.

Gewinn- und Verlustverteilung

In einer offenen Handelsgesellschaft haften die Gesellschafter mit voller Einlage und zusätzlich mit dem Privatvermögen. Die allgemeine Aufteilung ist normalerweise vertraglich geregelt. Ist dies nicht der Fall, so gilt die Aufteilung nach dem HGB §121, die besagt, dass jeder Teilhaber 4 % des eingebrachten Kapitals an Gewinn bekommt. Der übrige Gewinn sowie der gesamte Verlust werden nach "Köpfen" aufgeteilt.

Rechtsfähigkeit der OHG gemäß § 124 HGB

Eine OHG kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben und vor Gericht klagen und verklagt werden. Eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der OHG ist nur mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Urteil möglich (§ 124 Abs. 2 HGB; Einzelurteile gegen die einzelnen Gesellschafter genügen also nicht).

Haftung der Gesellschafter

Die Gesellschafter einer OHG haften nach § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Jeder haftet unmittelbar, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch und rückgangsbezogen (Gleichlauf von Herrschaft und Haftung). Scheidet ein Gesellschafter aus, haftet er für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten noch fünf Jahre. Zu beachten ist, dass ein eintretender Gesellschafter auch für die Verbindlichkeiten haftet, die bei seinem Eintritt bereits bestehen.

1. unmittelbar/direkt: Der Gläubiger kann jeden Gesellschafter direkt in Anspruch nehmen, zur Begleichung von Verbindlichkeiten auffordern, unabhängig davon, ob der Gesellschafter die Verbindlichkeit persönlich eingegangen ist.

2. unbeschränkt/persönlich: Die Gesellschafter haften mit ihrem Geschäfts- und Privatvermögen in voller Höhe der Verbindlichkeit.

3. gesamtschuldnerisch/solidarisch: Jeder Gesellschafter haftet allein für die gesamten Schulden der Gesellschaft. Ein Gesellschafter kann gegenüber dem Gläubiger nicht einwenden, dass die Schulden von allen Gesellschaftern zu gleichen Teilen zu tragen sei. Innerhalb der Gesellschaft gibt es allerdings einen Ausgleichsanspruch.

4. rückbezogen: Nimmt die OHG neue Gesellschafter auf, haften diese für bestehende Verbindlichkeiten.

5. abgangsbezogen: „Die Gesellschafter haften bis zu 5 Jahre nach Verlassen der OHG. Vertraglich kann jedoch ein Ausschluss vereinbart werden“; so lautet ein weit verbreiteter Irrtum in Bezug auf die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters bei der OHG. Dieser Irrtum basiert auf einem Fehlverständnis des § 160 (1) S.1 HGB; dort heißt es: Scheidet ein Gesellschafter aus, so haftet er für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird; bei öffentlich rechtlichen Verbindlichkeiten genügt ein Verwaltungsakt. Bsp.: Gesellschafter G scheidet am 28. Dezember 2003 aus der OHG aus. Am 31. Dezember 2003 wird dies in das Handelsregister eingetragen. Am 31. Dezember 2001 entstand ein Steueranspruch gegen die OHG, welcher am 31. Dezember 2008 fällig wird. Am 2. Januar 2008 erlässt das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen G. Am 30. Dezember 2009 vollstreckt die Behörde zulässig gegen G.

Auflösung einer OHG

Eine OHG wird aufgelöst:

  • wenn sie für eine bestimmte Zeit eingegangen worden ist, durch Zeitablauf
  • wenn die Gesellschafter ihre Auflösung beschließen
  • wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wird
  • durch gerichtliche Entscheidung

Ein Gesellschafter scheidet aus der OHG aus:

  • durch Tod des Gesellschafters
  • durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen
  • durch Kündigung des Gesellschafters
  • durch Kündigung durch einen Privatgläubiger des Gesellschafters
  • durch Beschluss der Gesellschafterversammlung
  • durch Eintritt der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Ausscheidungsgründe

siehe auch: Fortsetzungsklausel

Rechnungslegung der OHG

Eine OHG ist Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs. Ein Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich zu machen [§ 238 (1) HGB]. Ein Kaufmann hat zur Begründung seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen.

Steuerliche Behandlung einer OHG

Sonderbetriebsvermögen

Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter einer OHG für Zwecke der OHG nutzt, gehören zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters; sie müssen in einer sog. Sonderbilanz ausgewiesen werden.

Gewerbesteuer

Die OHG ist in der Regel gewerbesteuerpflichtig. Die von der OHG zu zahlende Gewerbesteuer wird entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die Einkommensteuer der Gesellschafter angerechnet. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wird ein Freibetrag von 24.500 Euro nicht mehr abgezogen. Dies geht aus der neuen Steuerreform 2008 hervor. Dafür wurde der Messbetrag für die Anrechnung auf 3.8 gelegt.

Einkommensteuer

Ein Gesellschafter einer OHG erzielt aus seiner Beteiligung an der OHG Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Somit ist jeder einzelne Gesellschafter Einkommenssteuerpflichtig. Die OHG muss keine Körperschaftssteuer bezahlen.

Umsatzsteuer

Die OHG ist Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes.

Erbschaftsteuer

Bei der Übertragung eines Betriebs im Wege der Schenkung oder Erbfolge auf einen Nachfolger wird bei der Erbschaftsteuer ein spezieller Freibetrag für Betriebsvermögen gewährt.

Kosten

Bei der Eintragung einer OHG fallen mehrere Kosten an:
Eintragungsanmeldung durch einen Notar in das Handelsregister : ca. 500 €
Eintragung durch das Amtsgericht (inkl. vorgeschriebenen Bekanntmachungen) : ca. 300 €
Vorgeschriebene Mitgliedschaft in der IHK: 50 € - 150 € p.a. Mindestsatz, auf Antrag Ratenzahlung möglich

Literatur

  • Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 33. Aufl., München 2008
  • Capelle/Canaris: Handelsrecht, 24. Aufl., München 2006
  • Eisenhardt, U.: Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., München 2005
  • Hueck/Windbichler: Gesellschaftsrecht, 20. Aufl., München 2003
  • Olfert/Rahn, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 8. Aufl., Ludwigshafen/Rhein 2005