Orientierung (Mathematik)
Die Orientierung ist ein Begriff aus der linearen Algebra und der Differentialgeometrie. Durch ihn werden die anschaulichen Begriffe rechts und links (in der Ebene) sowie Rechtsschraubung und Linksschraubung (im Raum) mathematisch exakt definiert. In einem -dimensionalen Raum haben Basen gleiche Orientierung, wenn sie durch lineare Abbildungen mit positiver Determinante (zum Beispiel Streckungen und Drehungen) auseinander hervorgehen; sind zusätzlich Spiegelungen erforderlich, so sind die Basen nicht gleich orientiert.
Einleitung
sei ein endlichdimensionaler -Vektorraum. Dann kann man jede lineare Abbildung (solch eine Abbildung nennt man einen Endomorphismus) als (Koordinaten-)matrix darstellen. Diese Matrixdarstellung ist jedoch von der Wahl der Basis von abhängig. Seien nun und Basen von . Um nun von der Basis in die Basis zu transformieren, kann man immer eine Basiswechselsmatrix finden. Es ändert sich also unter verschiedenen Basen die Darstellung der Funktion .
Nun untersucht man die Determinante von . Diese kann niemals Null werden, da Basiswechselmatrizen immer bijektiv und damit regulär sind. Nimmt einen positiven Wert an, so sagt man, die Basen und haben dieselbe Orientierung. Wie man sich leicht überlegen kann, ist nicht jeder Vektorraum orientierbar. Um einen orientierbaren Vektorraum zu erhalten, muss dieser über einem Körper mit Ordnungsrelation definiert sein, so zum Beispiel alle Vektorräume über .
Definition in Vektorräumen
Die Orientierung ist über eine Äquivalenzrelation zwischen Basen eines -Vektorraumes definiert. Man definiert die Äquivalenzrelation über die Basistransformationsmatrix zwischen zwei Basen , wie folgt:
- .
Bezüglich dieser Äquivalenzrelation gibt es zwei Äquvalenzklassen, die die Verallgemeinerungen von Rechts- und Linkssystemen sind. Dass diese Äquivalenzrelation wohldefiniert ist und es tatsächlich nur zwei Äquivalenzklassen gibt, sichert der Determinantenmultiplikationssatz sowie die Tatsache, dass Basistransformationen umkehrbar sind. Man nennt nun jede dieser beiden Äquivalenzklassen eine Orientierung.
Beispiel für Orientierungen in Vektorräumen
In sind sowohl , als auch Basen. Die Basistransformationsmatrix ist . Die Determinante von ist: . Also sind die beiden Basen nicht gleich orientiert und Repräsentanten der beiden verschiedenen Äquivalenzkassen.
Das lässt sich leicht veranschaulichen: Die erste Basis entspricht einem „normalen“ -Koordinatensystem, bei dem die -Achse nach rechts und die -Achse nach oben „zeigt“. Kehrt man eine dieser beiden Achsen um, „zeigt“ also die -Achse nach links oder die -Achse nach unten, dann erhält man eine zweite Basis mit anderer Orientierung.
Orientierung einer Mannigfaltigkeit
Eine Orientierung einer Mannigfaltigkeit ist eine Menge von Orientierungen des Tangentialraums im Punkte : . Diese sind in folgendem Sinne stetig im Punkt :
- existiert eine Karte , so dass die Basis der Orientierung entspricht.
Eine Mannigfaltigkeit ist nun orientierbar, falls eine solche Orientierung existiert.
Eine einfachere Charakterisierung von Orientierbarkeit erhält man mittels folgendem Satz:
- ist orientierbar. Es existiert ein Atlas derart, dass für Karten mit nichtleerem Schnitt .
Das wäre eine Charakterisierung in lokalen Koordinaten.
Koordinatenfreie Definition auf Mannigfaltigkeiten
Sei eine glatte, -dimensionale Mannigfaltigkeit. Diese Mannigfaltigkeit ist genau dann orientierbar, wenn auf eine glatte, nicht-degenerierte -Form existiert.
Homologische Orientierung einer Mannigfaltigkeit
Sei eine -dimensionale Mannigfaltigkeit und ein Ring. Mit Hilfe des Ausschneidungsaxioms für eine Homologietheorie erhält man:
Eine -Orientierung auf ist eine Auswahl von Erzeugern
mit folgender Kompatibilitätsbedingung: Für jedes gibt es eine offene Umgebung und ein Element , so dass für alle die von der Inklusion von Raumpaaren induzierte Abbildung auf der Homologie
das Element auf abbildet. Beispielsweise stimmt der Begriff der -Orientierung mit dem gewöhnlichen Orientierungsbegriff überein. Für andere Ringe kann man allerdings andere Ergebnisse erhalten; so ist zum Beispiel jede Mannigfaltigkeit -orientierbar.
Literatur
- Gerd Fischer: Lineare Algebra. Vieweg-Verlag, ISBN 3-528-03217-0.
- Ralph Abraham, Jerrold E. Marsden, Tudor Ratiu: Manifolds, Tensor Analysis, and Applications. Springer-Verlag, ISBN 0-387-96790-7.