Buddhismus in Deutschland
Der Buddhismus in Deutschland blickt auf eine Entwicklungsgeschichte von etwa 150 Jahren zurück. In Deutschland leben rund eine Viertel Million aktive Anhänger.
In seinen Anfängen ist der Buddhismus in Deutschland eng mit dem Namen Arthur Schopenhauers verknüpft, der bei seiner Beschäftigung mit indischer Philosophie (Vedanta) als einer der Ersten in Europa mit den wenigen vorhandenen Quellen des Buddhismus in Kontakt kam und sich ernsthaft damit auseinandersetzte. Er bezog sein Wissen aus englisch- und französischsprachigen Quellen und hatte Kenntnis über Berichte aus allen Drei Fahrzeugen. Vor allem der deutsche Kalmückenforscher Isaac Jacob Schmidt (1779-1847) und seine Schriften gelten als wichtige Quelle für Schopenhauers erstaunlich umfangreiches Buddhismuswissen. Es war Schopenhauers Einfluss, der in der nächsten Generation eine Reihe von Pionieren hervorbrachte, die dem Buddhismus in Deutschland zum Durchbruch verhalfen. Dazu gehörten u.a. Karl Eugen Neumann, Paul Dahlke, Georg Grimm, Friedrich Zimmermann (Subhadra Bhikschu), der erste deutsche Mönch Nyanatiloka und Ernst Lothar Hoffman, der unter dem Namen Lama Anagarika Govinda indischer Staatsbürger und tibetischer Lama wurde.
Von Schopenhauer ebenfalls angeregt und von erheblichem Einfluss auf die weitere Entwicklung waren Friedrich Nietzsche und Richard Wagner. Der letztgenannte hatte sogar für einige Zeit eine Buddha-Oper unter dem Titel „Die Sieger“ geplant. Aber auch Indologen wie Hermann Oldenberg (1854–1920) und sein 1881 erschienenes Standardwerk „Buddha, sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde“, das noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Neuauflagen erlebte, hatten einen nachhaltigen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Buddhismus in Deutschland.
Die Anfänge des Deutschen Buddhismus (1888–1918)

Mit der ersten Auflage des „Buddhistischen Katechismus“ (1888) von ‚Subhadra Bickshu’ (Friedrich Zimmermann) wurde der erste wichtige Schritt auf dem Weg des deutschen Buddhismus gesetzt. Er war nach dem Vorbild des „Buddhist Catechism“ (1881 in englischer und singhalesischer Sprache erschienen) von Henry Steel Olcott gestaltet und wollte dessen Mängel (er war ursprünglich als Lehrbuch für singhalesische Kinder gedacht) durch eine dem Erwachsenen gemäße Sprache und durch Fußnoten überwinden. Außerdem war die erste deutsche Übersetzung des „Buddhistischen Katechismus“ von Olcott (1887) nur in sehr kleiner Auflage erschienen und schnell vergriffen. Zimmermanns Katechismus erlebte schon 1892 seine dritte Auflage und erreichte mit der Auflage 1908 eine Gesamtanzahl von 11.000 Exemplaren.
Es war der Indologe Karl Seidenstücker, der am 15. August 1903 in Leipzig die erste buddhistische Organisation im Deutschen Kaiserreich, den „Buddhistischen Missionsverein für Deutschland“ gründete (1906 wurde der Verein in „Buddhistische Gesellschaft für Deutschland“ umbenannt, gefolgt 1909 von „Mahâbodhi-Centrale“). Mit einem Vortragszyklus zwischen dem 17. Oktober 1903 und dem 26. März 1904 schrieb Seidenstücker ein neues Kapitel in der Geschichte des deutschen Buddhismus. Es war das selbe Jahr, in dem Florus Anton Gueth zum Theravada Mönch Nyanatiloka wurde.
Karl Eugen Neumann (1865-1915) hatte zu dieser Zeit schon große Teile des Kanons buddhistischer Schriften vom Pali in das Deutsche übersetzt. 1918 lag neben der Mittleren Sammlung auch die Längere Sammlung in seiner Übersetzung vollständig vor. Schon 1907 erschien der erste Band der Angereihten Sammlung in der deutschen Übersetzung von Nyanatiloka. Dieses Werk erschien vollständig erst nach dem Krieg. Einige Auflagen erlebte auch das Buch „Die Lehre des Buddha: die Religion der Vernunft“, das von Georg Grimm 1915 erstmals veröffentlicht wurde.
Buddhismus in der Zwischenkriegszeit

1921 gründete Georg Grimm gemeinsam mit Karl Seidenstücker die "Altbuddhistische Gemeinde" in Utting am Ammersee.
1922 wurde Hermann Hesses „Siddhartha“, eine literarisch-künstlerische Auseinandersetzung mit dem Buddhismus publiziert, ein Werk, das nicht nur im deutschen Sprachraum, insbesondere von jungen Menschen mit großen Interesse aufgenommen wurde. Im selben Jahr erschien Leopold Zieglers religionsphilosophische Abhandlung Der ewige Buddho : Ein Tempelschriftwerk in 4 Unterweisungen. Ebenfalls 1922 gründete Martin Steinke in Berlin den Gemeinde um Buddha e.V.. Hans Much veröffentlichte sein Buch Die Welt des Buddha : Ein Hochgesang, eine spätere Inspirationsquelle für Paul Debes.
1923 veröffentlichte Rudolf Otto sein Buch Aufsätze das Numinose betreffend, darin ein Kapitel über „Über Zazen als Extrem des numinosen Irrationalen“.
1924 wurde das älteste buddhistische Kloster in Deutschland (und Europa), das „Das Buddhistische Haus“ in Berlin-Frohnau bezogen. Es war von Paul Dahlke gebaut worden und steht in der Theravada-Tradition.
1925 verfilmte die Münchner Filmgesellschaft Emelka unter der Regie von Franz Osten in Indien die Lebensgeschichte des historischen Buddha unter dem Titel Die Leuchte Asiens.
In der Zwischenkriegszeit wurden buddhistische Texte aus der "Gruppierten Sammlung" vom Münchner Indologen Wilhelm Geiger übersetzt. Der deutsche buddhistische Mönch Nyanaponika Mahathera (d.i. Siegmund Feniger, geb.1901 in Hanau, ordiniert 1937 auf Polgasduwa), übersetzte 1941 weitere wichtige Texte aus der "Gruppierten Sammlung" im Internierungslager Diyatalawa auf Ceylon (heute: Sri Lanka), die allerdings erst 1967 erschienen. Erst 1993 wurde die Übersetzung der Gruppierten Sammlung durch die Arbeit des Völkerrechtlers Hellmuth Hecker, eines Schülers von Paul Debes, zum Abschluss gebracht
Deutsches Reich (1933–1945)
Die Zeit des Nationalsozialismus ist trotz des Interesses vereinzelter Machthaber am Buddhismus eine Zeit des Stillstands für seine Entwicklung im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 gewesen.
Die Nationalsozialisten fanden Gefallen an der indischen Swastika, die sie zu ihrem Hakenkreuz machten, und forschten in dieser Richtung auch zu den Ursprüngen der sogenannten arischen Rasse (vgl. Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V.). Heinrich Himmler war bekannt für seinen Hang zum Okkultismus, aber auch für sein Interesse am Buddhismus. Zum einen vermutete er den Ursprung der arischen Rasse im heutigen Tibet, zum anderen beeindruckte ihn die japanische (Zen-)Kultur mit ihrer Kriegerkaste. Der oberste SS-Mann schickte 1938 unter dem Zoologen Ernst Schäfer eine Expedition nach Tibet, um unter anderem erforschen zu lassen, ob Spuren einer arischen Urreligion in den tibetisch-buddhistischen Schriften zu finden seien. Der im Zusammenhang mit dieser Expedition entstandene Propagandafilm „Geheimnis Tibet“ wurde jedoch erst 1943 uraufgeführt.
Deutschland nach dem Krieg
Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, mit den völlig getrennt verlaufenden gesellschaftlichen Entwicklungen, bedarf einer getrennten Schilderung der Entwicklung des Buddhismus in den zwei deutschen Staaten, wobei die Faktenlage über die Entwicklung des Buddhismus in der DDR zur Zeit äußerst dünn erscheint.
Buddhismus in der BRD (1945–1989)

1948 wurde das "Buddhistische Seminar" von Paul Debes gegründet. Das Seminar hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unterweisungen und Lehren des Buddha, des Erwachten, für den heutigen westlichen Menschen zu erschließen. Die Zeitschrift "Wissen und Wandel" erscheint fortlaufend seit 1955 alle 2 Monate als Doppelheft.
Im selben Jahr (1948) erschien Eugen Herrigels Zen in der Kunst des Bogenschießens, das in seiner 1953 erschienen Übersetzung ins Englische (und 1956 sogar ins Japanische) auch über den deutschen Sprachraum hinaus das populäre Bild von Zen mitprägte.
1955 wurde die „Deutsche Buddhistische Gesellschaft“ (DBG) gegründet. Diese wurde 1958 in den Dachverband Deutsche Buddhistische Union e.V. (Kurz DBU) überführt. Die DBU führt jährlich einen Kongress durch. Durch die Schaffung der Buddhistischen Gemeinschaft der DBU (BG) wurde es auch Einzelmitgliedern möglich, in der DBU, die ursprünglich ein Dachverband von Mitgliedsgruppen war, mitzuwirken. Die DBU bringt eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift, unter dem Namen Buddhismus Aktuell (ehemals Lotusblätter) heraus.
Angeregt durch den Durchbruch der österreichischen Buddhisten, die 1983 als Religionsgemeinschaft die volle Anerkennung erhielten, wurde 1985 in Hamburg die Gründung einer Buddhistischen Religionsgemeinschaft in Deutschland (BRG) beschlossen, um die staatliche Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß dem Grundgesetz zu erreichen. Der Einspruch insbesondere Bayerns bei der Kultusministerkonferenz vereitelte zwar diese Initiative auf Jahrzehnte, brachte aber die Einigung auf das "Buddhistische Bekenntnis". Diese Herstellung einer gemeinsamen Plattform der unterschiedlichsten buddhistischen Gruppen stellt im westlichen Buddhismus eine allseits anerkannte Novität dar.
Buddhismus in der DDR (1945–1989)
Über ein Interesse an Buddhismus, oder gar Strukturen eines organisierten Buddhismus in der DDR gibt es in der vorliegenden Literatur kaum Hinweise. Dem sozialistisch-atheistischen Staat wäre das Entstehen von Meditationsgruppen weder verborgen geblieben, noch hätte er sie ohne Bespitzelung toleriert. Die seit 1841 bestehende Indologie in Leipzig brachte aber auch in diesen Jahren Publikationen zu Buddhismus und Tibetologie heraus. Michael den Hoet schreibt in seinem Artikel über das Vorhandensein kleiner buddhistischer Gemeinschaften in Potsdam und im Ostteil Berlins. Auch die zahlreichen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam, lebten ihre Religion (soweit sie sich noch als Buddhisten verstanden) nur im Familien- und Freundeskreis in Wohnzimmern.
Buddhismus in den 90er Jahren
Mit der Veranstaltung des Kongresses der „Europäischen Buddhistischen Union“ (EBU) durch die Deutsche Buddhistische Union (DBU) in Berlin 1992 zum Thema „Einheit in der Vielfalt“ konnte die Entwicklung des deutschen Buddhismus eine neue Wegmarke setzen.
Buddhismus im 21. Jahrhundert

Derzeit existieren in Deutschland rund 600 buddhistische Gruppen und Gemeinschaften, während es Mitte der 1970er Jahre rund 30 waren. Die Deutsche Buddhistische Union geht von einer Zahl von 250.000 aktiven Buddhisten in Deutschland aus, die Hälfte davon eingewanderte Asiaten. (Zahlen nach: Die Zeit 12/07, S.13)
Die in Deutschland z.Z. populärsten Richtungen des Buddhismus sind Schulrichtungen des Theravada, des tibetischen Buddhismus und des Zen-Buddhismus. Die meisten Gruppen dieser Schulen sind Mitglieder bei der Deutschen Buddhistischen Union (DBU).
Siehe auch
Literatur
- Hellmuth Hecker: Chronik des Buddhismus in Deutschland. 3. Aufl. Deutsche Buddhistische Union, Plochingen 1985
- Hellmuth Hecker: Lebensbilder Deutscher Buddhisten. Band I: Die Gründer. Universität Konstanz, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", Konstanz 1990.
- Hellmuth Hecker: Lebensbilder Deutscher Buddhisten. Band II: Die Nachfolger. Universität Konstanz, Forschungsprojekt "Buddhistischer Modernismus", Konstanz 1992.
- Jürgen Offermanns: Der lange Weg des Zen-Buddhismus nach Deutschland. Vom 16. Jahrhundert bis Rudolf Otto. Lunds Univ., Lund 2002, ISBN 91-22-01953-7
- Eva Sabine Saalfrank: Geistige Heimat im Buddhismus aus Tibet. Eine empirische Studie am Beispiel der Kagyüpas in Deutschland. Farbri, Ulm 1997, ISBN 3-931997-05-7
- Klaus-Josef Notz: Der Buddhismus in Deutschland in seinen Selbstdarstellungen. Eine religionswissenschaftliche Untersuchung zur religiösen Akkulturationsproblematik. Lang, Frankfurt a.M. u.a. 1984.
- Andrea Rübenacker: Buddha boomt. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der im deutschen Fernsehen gesendeten Beiträge zum Thema "Buddhismus in Deutschland". Unter besonderer Berücksichtigung einer stofflichen Buddhismus-Betrachtung. Diss. Dortmund 2000.
- Ulrich Schnabel: Eine Religion ohne Gott. In: Die Zeit Nr. 12/07, S. 13.
- Volker Zotz: Zur Rezeption, Interpretation und Kritik des Buddhismus im deutschen Sprachraum vom Fin-de-Siècle bis 1930. Historische Skizze und Hauptmotive. Wien: Phil. Diss., 1986.
- Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln. Buddhismus in der deutschen Kultur. Theseus, Berlin 2000. ISBN 3-89620-151-4.
- Frank Usarski: Buddhismus in Deutschland. In: Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland, hg. von Michael Klöcker und Udo Tworuschka, Loseblattwerk seit 1997, jährlich 3 Ergänzungslieferungen, Kapitel VII (Buddhismus: ständig aktualisiert).
Weblinks
- Buddhismus in Deutschland - Geschichte und Gegenwart; Beginn bis 1997 von Martin Baumann
- Deutsche Buddhistische Union (DBU)
- Artikel über Buddhismus in Deutschland bei stern.de