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Thüringer Klöße

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Kartoffelreibe mit geriebener Kartoffel, der sog. „Schab” oder „Reibicht” gelangt in die Schüssel, später wird es von der Kartoffelstärke getrennt
Geriebene Kartoffeln, ausgepresst, und abgesetzte Kartoffelstärke
Bereitung von Kloßteig
Geröstete Semmelwürfel, regional auch „Bröckchen“ (Erfurt) oder „Semmelbrösel“ genannt
Klöße in Wasser beim Ziehen
Fertige Klöße

Thüringer Klöße, Grüne Klöße, Hütes, auch Knölla sind handgeformte, aus 2/3 rohen geriebenen und 1/3 zerkochten Kartoffeln hergestellte Kartoffelklöße. In einigen Gegenden werden unter Grünen Klößen Klöße verstanden, die nur aus roher Kartoffelmasse hergestellt werden.

Thüringer Klöße werden traditionell zum Sonntagsbraten zusammen mit verschiedenen gekochten Krautsorten, besonders Sauerkraut oder Rotkohl serviert.

Etymologie

Das Wort Klöße leitet sich vom althochdeutschen ab und bedeutet Kugel, Knäul und findet sich auch heute noch in Klumpen und Knolle wieder.

Die Bezeichnung des Kloßes in Thüringen ist regional unterschiedlich:

Verbreitung

Kloßrezepte sind vorrangig im Raum Thüringen, Franken, Sachsen , sowie im Vogtland verbreitet gewesen und sind dort ein Bestandteil der regionalen Kultur. Ursprünglich dienten sie als einfaches Arme-Leute-Essen, mitunter während der ganzen Woche, in aufgewärmter oder gebratener Form als Mittags- oder Abendmahl und Brotersatz. Im Thüringer Raum wurde die Vitaminmangelkrankheit Skorbut damit praktisch ausgerottet, da rohe Kartoffeln zur Zubereitung verwendet werden. Wie die Klöße selbst ein Arme-Leute-Essen waren, so wurde einst auch die verbliebene Brühe verzehrt, im Erzgebirgischen die sogenannte „Fitzfädlsub“, ein sehr bescheidenes Mahl.

Küche

Thüringer Klöße werden serviert zu schweren, fleischhaltigen Gerichten, wie sie für die Thüringer Küche typisch sind, gern in Verbindung mit Kohl: dunkle Wildgerichte, Sauerbraten, Gulasch, schweres Geflügel. Typische Gewürze: Schwarzer Pfeffer, Majoran, Lorbeer, Kümmel, Petersilie.

Thüringer Klöße passen normalerweise nicht zu Fisch, Krustentieren, hellen Soßen, Käse oder Rohkost. Auch aromatische Gewürze wie Muskat oder Curry usw. vertragen sie schlecht. Eine Ausnahme hiervon bildet das regional in der Gegend um Plothen ("Land der tausend Teiche") traditionelle Karpfenessen mit Thüringer Klößen.

Besonderheiten bei der Zubereitung

Die Zubereitung der Klöße ist anspruchsvoll und erfordert einiges Geschick sowie einen guten Überblick in der Küche. Die Einhaltung der Zeiten während der Arbeitsschritte ist wichtig. Die Mischung der Komponenten und das Formen der Klöße muss in einem Arbeitsgang erfolgen.

Die oft unter Wasser geriebenen rohen Kartoffeln werden ausgepresst und möglichst trocken weiterverarbeitet. Die abgesetzte Kartoffelstärke wird nach einigen Rezepten mit der Reibemasse vermengt. Die zerkochten, sehr heißen Kartoffeln werden in einer Emailleschüssel portionsweise kräftig unter die rohe Kartoffelmasse geschlagen, bis sich der gesamte Kloßteig von der Wand ablöst. Gleich anschließend müssen die Klöße geformt werden und ins heiße Wasser zum Ziehen gelegt werden. In die Klöße werden oft geröstete Weißbrotwürfel gegeben.

Der Thüringer Kloß ist idealerweise kugelrund, glatt und nahtlos geformt. Er darf keine kleinen Risse enthalten, durch die Wasser ins Innere gelangen kann. Wassertemperatur (nicht kochend, nur leicht siedend) und Salzgehalt spielen ebenfalls eine Rolle. Auch spielt das Verhältnis der eingelegten Semmelbrösel zur Kloßgröße eine Rolle, denn sie bestimmen das spezifische Gewicht des fertig geformten Kloßes und auch die Dicke der zu garenden Schicht. Die Semmelbrösel dienen insgesamt primär dazu, dass die Hitze nicht bis in die Mitte des Kloßes vordringen muss, da er sich sonst am Rande schon aufzulösen beginnt.

Ein perfekt angefertigter Kloß lässt an seinem Schwimmverhalten erkennen, ob er gar ist. Fertige Klöße steigen langsam nach oben. Dazu muss der Topf der Menge entsprechend groß genug gewählt werden.

Bei falscher Zeiteinteilung während der Zubereitung können sich die Klöße, bedingt durch ihren Anteil an rohen Kartoffeln, während des Ziehens in heißem Wasser dunkelgrau bis -grün färben. Dies kann so genanntes „Schwefeln“ abwenden. Werden die ungekochten Klem durch Verbrennung von Schwefelfäden entstehenden Schwefeldioxid ausgesetzt, verhinöße oder der Kloßteig dabei ddern Oxidationsprozesse die Grünfärbung. Das Schwefeln ist aber nicht notwendig, wenn die Zubereitungszeiten eingehalten werden. Die Herkunft der Bezeichnung '"Grüne Klöße" ist nicht gesichert. Sie kann auf o.g. Umstand oder aber auf ihre anteilige Bereitung aus rohen Kartoffeln zurückgehen. Die Farbe der Klöße hat jedoch keinen Einfluss auf ihren Geschmack. Verfärbungen sind nur hässlich anzusehen.

Es gibt zwischen den einzelnen Dörfern, Regionen und Familien Unterschiede in der Zubereitung, die jeweils als „Originalrezept“ verteidigt werden. Der Unterschied besteht insbesondere darin, wie das Verhältnis zwischen rohen und gekochten Kartoffeln ist, ob Semmelbrösel verwendet werden, ob die Kartoffelstärke, die sich im Reibewasser der rohen Kartoffel absetzt, beigemischt wird und ob geschwefelt wird. Für die Zubereitung wurden zum Teil spezielle Kochgeräte entwickelt wie Kloßsack und Kartoffelpresse zum Auspressen der roh geriebenen Kartoffeln.

Kloßmasse

Neben der Kloßerstellung aus Rohzutaten, sind auf dem Markt auch eine Reihe von Fertigteigmischungen erhältlich. Die Verwendung gefrorener Kartoffel-Rohmasse (Kartoffelraspeln), die vom Hersteller noch nicht mit zerkochten Kartoffeln versetzt wurde, kann fast an handgeriebene Thüringer Klöße reichen. Hiermit ist es möglich, die Masse je nach eigenen Wünschen herzustellen und das Aroma der Klöße gezielt auszubauen.

Varianten

Als Variante wird statt Brei aus gekochten Kartoffeln Grießbrei eingesetzt. Nach alten Überlieferungen wurde vor dem Ersten Weltkrieg auch Reisbrei verwendet.

Qualitätsmerkmale Thüringer Klöße

Sie müssen sofort verzehrt werden und verlieren durch Auskühlung deutlich an Qualität. Über die Konsistenz gibt es unterschiedliche Vorstellungen und Bevorzugungen. Sie hängt vor allem mit dem Mischungsverhältnis der Komponenten und der Garzeit zusammen. Insbesondere ein höherer Stärkeanteil führt zu einer gummiartigen Beschaffenheit, die aber auch gewünscht werden kann, wenn der Kloß nicht sofort verzehrt, sondern später in Scheiben geschnitten und in Butter aufgebraten werden soll. So lassen sich durch nachträglichen Zusatz von Kartoffelstärke in übermäßig hergestellte Kloßmasse festere Exemplare anfertigen, die kühl gestellt noch tags danach verwendungsfähig sind oder in Papier gewickelt als kräftige Pausenmahlzeit z. B. mit zur Arbeit aufs Feld genommen werden.

Abgrenzung der Thüringer Klöße

Abzugrenzen sind die Thüringer Klöße von anderen Kloßarten, wie Semmelklößen, Mehlklößen, Grießklößen und Kartoffelklößen, halbseidenen Klößen. Den Begriff Klöße gibt es im bayerischen Sprachraum nicht. Die dort übliche Bezeichnung Knödel galt ursprünglich für Mehlklöße, wird aber heute auch auf Thüringer- oder Grüne Klöße angewandt. Knödel, genauer Semmelknödel, bezeichnen außerdem ein tschechisches Nationalgericht.

Trotz der aufwendigen Zubereitung ist der originale Thüringer Kloß in jedem Thüringer Gasthof mit regionaler Küche auf der Speisekarte, wenngleich oft auf fertige Kloßmasse oder Kartoffelmasse zurückgegriffen wird. Außerhalb von Thüringen sind oft hybride Herstellungsformen gebräuchlich, die verschiedene Zugeständnisse hinsichtlich der Gebrauchseigenschaften machen. Zusätze von Mehl, Grieß oder anderen Füllstoffen als Semmelbrösel kommen durchaus vor.

Lokales Brauchtum und Sagen

Raum Meiningen und Thüringer Wald

In Meiningen findet alljährlich Anfang Juli das Hütes-/Stadtfest mit großem Festumzug statt, das den Thüringer Klößen gewidmet ist und auf einer Meininger Sage basiert. Nach dem Umzug wird das Hütes-Ritual zelebriert, bei dem die „Hütes-Holle“, ein Ehrenamt, welches alle drei Jahre gewählt wird, dem Bürgermeister das Kloßrezept mit den Worten übergibt:

  • Du Sohn uralten Stadtgeblütes
  • hier hast Du das Receptum
  • Hüt es!

Nach dem Ritual werden auf dem Marktplatz und in vielen Gaststätten tausende Gerichte mit Thüringer Klößen serviert sowie das Lied von den Hütes gesungen, deren Name auf diesen Spruch zurück geht.

Nach der Sage, die im 18. Jahrhundert entstand, seien die Klöße erstmals im 16. Jahrhundert in der Gastwirtschaft Schlundhaus in Meiningen herstellt worden. Die Sage erzählt, dass die heidnische Göttin Holle beim Besuch in der Wirtschaft den Meininger Wein kostete, dieser aber so sauer war, dass sie vor Zorn mit einen späten Frost alle Weinreben in der Gegend erfrieren ließ. Da Holle aber nicht nur eine strafende, sondern auch eine mitfühlende Göttin war, hat sie den Meiningern durch die Gabe der Kartoffel geholfen und ihnen gleichzeitig gezeigt wie man daraus den wohlschmeckenden Kartoffelkloß herstellt.

Das in der Sage beschriebene Wetterphänomen gab es am 28. August 1522 tatsächlich, bei dem die gesamte Thüringer Ernte zerstört wurde. Da die Kartoffel allerdings zu diesem Zeitpunkt in Europa als Nahrungsmittel noch weitgehend unbekannt war erkennt man die Entstehungszeit der Sage hieran recht deutlich. Großflächiger Kartoffelanbau kam in Thüringen erst Anfang des 18. Jahrhunderts auf, der einerseits die jährlichen Hungersnöte beendete, andererseits die alte Thüringer Küche reformierte. Das einfache Volk empfand die Knolle aus Amerika als „göttliche Gabe“ und verband beide Ereignisse zu einer Sage. Der Dichter Rudolf Baumbach, Verfasser des Textes „Hoch auf dem gelben Wagen“ hat diese Sage aufgegriffen und in Verse gefasst, in der das Geheimnis gelüftet wird, warum die Thüringer Klöße in Meiningen „Hütes“ heißen.

Sprichwörter

Es heißt in Thüringen (und anderswo): Das ist doch klar wie Kloßbrühe, wenn etwas völlig klar, sonnenklar ist. In der Gegenwart wird der Satz von vielen, die das ursprüngliche Sprichwort nicht kennen, umgedeutet zu "unklar", "durchaus nicht klar". Dabei hat die sprichwörtliche "Kloßbrühe" eigentlich gar nichts mit Klößen zu tun. "Kloßbrühe" ist eine volksetymologische Umdeutung von "Klosterbrühe" - und die hatte klar zu sein.

Volksmund: Ein Sonntag ohne Klöße verlöre viel von seiner Größe.

In Lauscha gibd's Knölllla,
sind weich wie Wölllla,
di Nachbara had'dara aa,
hard wie Stah'.
(In Lauscha gibt's Klöße,
weich wie Wolle,
Die Nachbarin hat auch welche,
hart wie Steine.)
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