Sonnenuhr (Altes Ägypten)
Als Schattenuhr wird eine bestimmte, im Alten Ägypten neben anderen Arten verwendete Sonnenuhr bezeichnet. Man maß damit zuerst acht von zwölf, später zehn von zwölf saisonalen Tagesstunden.[1] Die Benennung als Schattenuhr entstammt Richard-Anthony Parker; Ludwig Borchardt beschrieb diesen Uhrentyp als Sonnenuhr mit waagerechter Auffangfläche

(Ägyptisches Museum Kairo, Nr. 33401)
Geschichte
Der Gebrauch von Sonnenuhren ließ eine Untergliederung des ägyptischen Tages in zwölf Stunden zu, die wahrscheinlich erst als Folge der Teilung der Nacht in zwölf Dekan-Stunden entstanden, denn im Alten und Mittleren Reich wurden nur die Stunden der Nacht näher erwähnt.[1]
Die frühesten Textbelege, die lehrplanmäßige Anweisungen über die Messung von Tagstunden beinhalten, stellen die Ausführungen im Osireion für die Konstruktion einer Sonnenuhr dar, die wahrscheinlich aus der Zeit von Sethos I. (1290 bis 1279 v. Chr.) stammen. Eine solche Sonnenuhr hat eine vierteilige Skala, mit der acht Stunden gemessen werden können. Die Dämmerungszeiten wurden damals zum Tag gerechnet. Mit der Sonnenuhr konnten deshalb nur die Tagesstunden drei bis zehn gemessen werden. [1] Frühere Texte beziehen sich nur auf allgemeine Angaben der gemessenen Stunden des Tages. Der Einsatz von Sonnenuhren ist beispielsweise aus den Texten über die Schlacht bei Megiddo bekannt. Thutmosis III. erwähnte am 19. Schemu I 1457 v. Chr. bei Ankunft des Ortes Qen die siebte Stunde des Tages.[2]
Aus der Regierungszeit von Thutmosis III (1479 bis 1425 v. Chr.) stammt der Fund einer Sonnenuhr mit einer fünfteiligen Skala, die eine Messung von zehn Stunden erlaubt. In dieser Zeit war man dazu übergegangen, den Tag zwischen Sonnenaufgang und -untergang zu rechnen. Mit der Sonnenuhr konnten jetzt die Tagesstunden zwei bis elf gemessen werden. Nicht messbar mit dieser Uhr waren nur die Zeiträume kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang.[1]
Die Entwicklung der ägyptischen Stundeneinteilung kann höchstwahrscheinlich als Vorläufer für die zweimal zwölf temporalen Stunden der Griechen und Römer angesehen werden, die wiederum die Grundlage für die Einteilung der Planetengötter für jeweils eine Stunde in der Planeten-Tagewoche bilden.[1] Herodot bestritt allerdings einen ägyptischen Einfluss auf die Unterteilung des griechischen Tages in zwölf Teile (mèrea), welche mit Hilfe einer Sonnenuhr mit Gnomon festgestellt wurden. Seine Beschreibungen des zwölfstündigen Tagemodells mit Verweis auf die Herkunft aus Babylonien erscheinen aber fragwürdig,[3] da das babylonische System eine derartige Einteilung des Tages nicht kannte.[4]
Formen der Sonnenuhren im Alten Ägypten
Schattenuhr
Die Schattenuhr besteht aus einem Längsbalken, auf dem die jeweiligen Stundenabschnitte markiert sind, und einem vermutlich am Ende des Längsbalkens aufgelegten Querbalken (Vermutung: eine Weih-Elle) als Schattenwerfer. Der Längsbalken wurde in Ost-West-Richtung auf den Boden gelegt. Am Morgen zeigte sein freies Ende nach Westen. Am Mittag wurde die Uhr gedreht (freies Ende des Längsbalkens nach Osten) und so mit demselben Gerät der Sonnenstand der zweiten Tageshälfte angezeigt.[5]
Streiflicht-Sonnenuhr
Die älteste bekannte Streiflicht-Sonnenuhr mit schräger Auffangfläche stammt aus der Ptolemäerzeit.[6] Gegenüber der Auffangfläche befindet sich ein vierkantiger Aufsatz als Schattenwerfer. An ihm lässt sich seitlich ein Lot befestigen, um die Uhr waagerecht aufzustellen. Die Sonnenuhr ist so zu drehen, dass die schattenwerfende Kante quer zum Sonnenazimut liegt. Die Auffangfläche ist mit sieben sechsteiligen Skalen versehen, auf der sich die saisonalen Tagesstunden für jeden Monat ablesen lassen.[7] [8] Bruchstück einer Streiflicht-Sonnenuhr (Teil mit Auffangfläche), siehe: [9]. Der moderne Name einer solchen Uhr ist Höhen-Sonnenuhr.
Wand-Sonnenuhr
Eine mit einer Schnur an eine Wand zu hängende Sonnenuhr stammt aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. (Neues Reich).[10] Ihre senkrechte Auffangfläche ist halbkreisförmig .[7] Die Ableseskala für zwölf Stunden besteht aus 13 radialen in Stein geritzten Linien, in deren Mittelpunkt sich ein Loch für einen waagerechten schattenwerfenden Stab befindet. Die Linien haben untereinander gleichen Winkelabstand. Der moderne Name einer solchen Uhr ist Kanonische Sonnenuhr (im Europa des Mittelalters vorwiegend in Klöstern verwendet).
Genauigkeit der Sonnenuhren im Alten Ägypten
Eine für jede Jahreszeit gültige Anzeige der seit Thutmosis III. eingeführten temporalen Tagesstunden ist mit einer schattenwerfende Kante oder einem schattenwerfenden Stab (auch nicht mit einem Polstab), und bei Verwendung nur einer Skala nicht möglich. Deshalb waren alle aus dem Alten Ägypten bekannten Sonnenuhren mit Ausnahme der Streiflicht-Sonnenuhr für diesen Zweck nicht geeignet.
Zudem führten alle verwendeten Arten zu verschiedenen Anzeigen. Das erkennbare Ziel, neben äqualen oder temporalen Nachtstunden auch äquale oder temporale Tagesstunden zu messen, wurde nicht erreicht, denn die Skalen der prinzipiell richtig funktionierenden Streiflicht-Sonnenuhren waren falsch gearbeitet.[7]
Ausstellungen
Altägyptische Sonnenuhren sind an folgenden Orten zu sehen:
- Berlin: Ägyptisches Museum (alle Arten)
- Brüssel: Musées royaux d'art et d'histoire (Sonnenuhren mit vertikaler und schräger Auffangfläche)
- Kairo: Ägyptisches Museum (alle Arten)
- London: University College und Petrie-Museum (Sonnenuhren mit schräger Auffangfläche)[9]
- New York: Metropolitan Museum of Art (alle Arten)
- Paris: Collection Hofmann (Sonnenuhren mit schräger Auffangfläche)
- Turin: Museo delle antichità egizie di Torino (Sonnenuhren mit schräger Auffangfläche)
- Rom-Vatikan: Gregoriano Egizio (alle Arten)
Literatur
- Richard-Anthony Parker: Egyptian Astronomy, Astrology and calendrical reckoning In: Charles-Coulson Gillispie: Dictionary of scientific Biography - American Council of Learned Societies - Bd. 15, Supplement 1 (Roger Adams, Ludwik Zejszner: Topical essays), Scribner, New York 1978, ISBN 0-684-14779-3, S. 706-727
- Ludwig Borchardt: Altägyptische Zeitmessung in Die Geschichte der Zeitmessung und der Uhren, Band I, Lieferung B, herausgegeben von Ernst von Bassermann-Jordan, 1920
- Alexandra von Lieven: Der Himmel über Esna – Eine Fallstudie zur religiösen Astronomie in Ägypten am Beispiel der kosmologischen Decken- und Architravinschriften im Tempel von Esna. Harrassowitz, Wiesbaden 2000, ISBN 3-447-04324-5
- Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne – Das sogenannte Nutbuch. The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies (u. a.), Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Vgl. Richard-Athony Parker: Egyptian Astronomy, Astrology and calendrical reckoning, S. 713–714.
- ↑ Vgl. Kurt Galling: Textbuch zur Geschichte Israels (TGI). Mohr, Tübingen 1979. ISBN 978-3-16-142361-1, S. 17.
- ↑ Vgl. Wilhelm Kubitschek: Grundriss der antiken Zeitrechnung, Beck, München 1928, S. 179.
- ↑ Vgl. Johan-Ludvig Heiberg: Claudii Ptolemaei, Almagest III, Bd. 1, Teubner, Lipsiae 1907, S. 205.
- ↑ Ägyptische Zeitmessung
- ↑ Die Benennung Streiflicht-Sonnenuhr stammt von Ludwig Borchardt.
- ↑ a b c Vgl. Ludwig Borchardt: Altägyptische Zeitmessung in Die Geschichte der Zeitmessung und der Uhren, herausgegeben von Ernst von Bassermann-Jordan, 1920, S. 26-53
- ↑ Altägyptische Sonnenuhren: horizontale und Wanduhr.
- ↑ a b Bild der Streiflicht-Sonnenuhr
- ↑ Ludwig Borchardt beschrieb diese Uhr als Sonnenuhr mit senkrechter Auffangfläche.