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Lagrange-Formalismus

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Der Lagrange-Formalismus ist eine 1788 von Joseph Louis Lagrange eingeführte Formulierung der klassischen Mechanik. Die Trajektorie eines Objektes wird im Lagrange-Formalismus bestimmt, indem der Pfad mit einer stationären Wirkung berechnet wird (Hamilton'sches Prinzip), d. h. der Pfad, für den das Integral der Lagrangefunktion L über die Zeit stationär ist.

Diese Betrachtungsweise vereinfacht viele physikalische Probleme, denn im Gegensatz zur Newton'schen Formulierung der Bewegungsgesetze lassen sich im Lagrange-Formalismus Zwangsbedingungen relativ einfach durch Wahl geeigneter Koordinaten (generalisierte Koordinaten) berücksichtigen.

Lagrangesche Bewegungsgleichungen

Mit Hilfe der Variationsrechnung folgen aus dem Hamiltonschen Prinzip die Bewegungsgleichungen des Lagrange-Formalismus, die (Euler-)Lagrange-Gleichungen:

Für jede generalisierte Koordinate (und die zugehörige generalisierte Geschwindigkeit ) gibt es eine solche Gleichung. Die Lagrange-Gleichungen bilden ein System partieller Differentialgleichungen zweiter Ordnung.

Die Lagrange-Funktion ergibt sich dabei zu , wobei die kinetische Energie und die potenzielle Energie aller Massenpunkte des Systems ist.

Richard Feynman (zusammen mit Albert Hibbs) hat, im Gegensatz zu vielen anderen Physikern, diese Herangehensweise auch für die Herleitung der Gleichungen der Quantenmechanik verwendet. In der klassischen Physik ergeben sich die oben beschriebenen Lagrange-Gleichungen aus der Forderung, dass das Wirkungsintegral (bei dem über die Lagrange Funktion integriert wird) stationär wird (durch die Variation des Integrals erhält man die Differenzialgleichungen). Feynman hat einen mathematischen Formalismus entwickelt, in dem der Betrag des Wirkungsintegrals als Maß für die Wahrscheinlichkeit eingeht, dass ein System einen bestimmten zeitlichen Verlauf erfährt (Pfadintegral). Hieraus ergibt sich dann (in einer mathematisch anspruchsvollen Herleitung) z. B. die Schrödingergleichung. In dieser Theorie bilden klassische Systeme den Grenzfall, bei dem außer der Systemtrajektorie, die sich aus der Lagrange-Gleichung ergibt, alle anderen Trajektorien eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit haben.

Beispiel

Ein-Massen-Schwinger als harmonischer Oszillator
Ein-Massen-Schwinger als harmonischer Oszillator

Für einen eindimensionalen harmonischen Oszillator gilt

Mit als generalisierter Koordinate folgt die Bewegungsgleichung direkt aus der Euler-Lagrange-Gleichung:



Eine Lösung dieser Gleichung ist , mit und .

Erweiterung auf nicht-konservative Systeme

Für nicht-konservative Systeme (Systeme, bei denen nicht alle Kräfte Potentialkräfte sind) lassen sich die Lagrangeschen Bewegungsgleichungen wie folgt formulieren:

: generalisierte Kräfte

Die generalisierten Kräfte bestimmt man aus der virtuellen Arbeit der eingeprägten Kräfte

durch Vergleich der Koeffizienten von .

Beispiel

Schema eines Aufzuges
Schema eines Aufzuges

Die Achse einer Aufzugtrommel wird durch ein Moment M angetrieben. Die Masse der Last beträgt m, das Massenträgheitsmoment der Trommel ist J. Der Radius der Trommel ist r.

Zwischen den Koordinaten x und φ besteht folgende Beziehung:

Die kinetische Energie ist:

Die virtuelle Arbeit der eingeprägten Kräfte ist

Daraus folgt schließlich die Bewegungsgleichung

Die Auflösung dieser Gleichung nach der Winkelbeschleunigung ergibt

Erweiterung auf Systeme mit Nebenbedingungen

Zwischen den generalisierten Koordinaten mögen noch n Nebenbedingungen folgender Form existieren:

(Nur bei holonomen Systemen lassen sich mit Hilfe der Nebenbedingungen überzählige Koordinaten eliminieren.)

Für Systeme mit Nebenbedingungen lassen sich die Lagrangeschen Bewegungsgleichungen wie folgt formulieren:

: beim Integrationsprozess zu bestimmende Lagrangesche Multiplikatoren

Siehe auch: Hamilton-Formalismus