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Joubert-Syndrom

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Das Joubert-Syndrom , auch bekannt unter den Synonymen Joubert-Bolthauser-Syndrom, Vermis-Agnesie und Cerebello-Parenchymale Störung IV ist eine genetisch bedingte komplexe zentralnervöse Entwicklungs- und Funktionsbesonderheit beim Menschen auf der Grundlage einer Genmutation.

Die Besonderheit ist angeboren, d.h. nicht im Verlauf des Lebens erworben, wobei eine Basisstörung bis heute (2005) nicht bekannt ist.

Die Eigenständigkeit des Joubert-Syndroms als systematisch beschriebene (= nosologische) Besonderheit ist aufgrund des Fehlens einer Basisstörung noch nicht vollständig klar. Das heißt, man weiß noch nicht genau, ob es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild oder um einen Zusammenschluss verschiedener Einzelerkrankungen handelt.

Die Häufigkeit des Auftretens verschiedener Besonderheiten legt jedoch den Schluss nahe, dass es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt, dessen Symptome eine gemeinsame Grundlage haben. Deshalb wird es in Fachbüchern als eigenständige Besonderheit behandelt.

Merkmale

Das Joubert-Syndrom wird charakterisiert durch das Fehlen oder eine weitgehende Unterentwicklung der Struktur zwischen den beiden Teilen des Kleinhirns (Kleinhirnwurm / Vermis), die sie üblicherweise verbindet. Auch angrenzende Teile der Kleinhirnregionen sind stark unterentwickelt oder fehlen.

Bei einem Teil der betroffenen Menschen bestehen Besonderheiten der Iris in Form von Fehlbildungen der Netzhaut (Retina), der Zellschicht zwischen den Sehzellen und der darunter liegenden Aderhaut (retinale Pigmentepithel / RPE) sowie der Aderhaut (Chorioidea) selbst.

Häufig auftretende Symptome

  • anfallsweise auftretende Mehratmung (Hyperpnoe)
  • beschleunigte Atemfrequenz von bis zu 100 Atemzügen in der Minute (Tachypnoe)
  • Atemaussetzer / Atemstillstand (Apnoe)
  • Bewegungsstörungen / Besonderheiten der Bewegungsabläufe (Ataxi)
  • Rhythmische Vorverlagerung (Protrusion) der Zunge
  • unwillkürliche rhythmische Bewegungen der Augen / Augenzittern (Nystagmus)
  • rhythmisches Muskelzittern (Tremor)
  • kognitive Behinderung
  • am Hinterkopf bestehende Hervorwölbung von Hirnhäuten und das Eindringen von Hirngewebe in die gebildete Blase (Okzipitale Meningoenzephalozele)
  • familienspezifisch Mangel- oder Fehlversorgung bzw. erblich bedingte Störungen und Veränderungen der Netzhaut im Auge (Retinadystrophie) und der Gewebesäcke in den Nieren, in denen sich Flüssigkeit oder Luft sammelt (Zystennieren, Häufigkeit: 2%)
  • Fehlbildungen von Netzhaut (Retina), Aderhaut (Chorioidea) und Sehnerv (Nervus opticus / N. optikus, Häufigkeit: 4%)

Weitere gelegentlich auftretende Symptome

Entwicklungsprognose

Kinder mit dem Joubert-Syndrom sterben bereits im Kindesalter. Es sind bis heute (2005) keine Therapie- oder Behandlungsmöglichkeiten bekannt. Die Erkrankung ist nicht heilbar.

Auftretenshäufigkeit

Seit der Erstbeschreibung der Besonderheit im Jahr 1969 sind über 100 zufällig auftretende Fälle und Geschwisterfälle bekannt geworden. In mindestens zehn der Fälle (vorwiegend bei Jungen) sind Fehlbildungen der Netzhaut im Auge (Retina-Kolobom) nachweisbar.

Genetik und Diagnose

Beide Geschlechter sind gleichermaßen häufig betroffen. Das Joubert-Syndrom folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang, d.h. ein Kind kann die Besonderheit nur dann bekommen, wenn beide seiner biologischen Elternteile Träger einer bestimmten genetischen Besonderheit sind und diese an das Kind vererben.

Da Fälle von Joubert-Syndrom mit und ohne Fehlbildungen der Augen an Regenbogenhaut, Netzhaut und Aderhaut bisher noch nicht gemeinsam in einer Geschwisterschaft beobachtet wurden, werden für beide Formen unterschiedliche genetische Besonderheiten angenommen.

Das teilweise (partielle) Fehlen (Aplasie) des Kleinhirnwurms (Vermis) mit lediglich noch Bewegungsstörungen (Ataxi) und Augenzittern (Nystagmus) ist wahrscheinlich X-chromosomal bedingt, d.h. die auslösende Genbesonderheit befindet sich auf dem X-Chromosom.

Der Nachweis des Joubert-Syndroms bei einem Kind ist vorgeburtlich zum Teil durch Methoden der Pränataldiagnostik mittels Computertomographie bzw. Ultraschall anhand des Fehlens bzw. der starken Unterentwicklung des Kleinhirnwurms (Vermis-Aplasie) möglich.

Eine starke interfamiliäre Variabilität der klinischen Symptomatik muss beachtet werden, d.h. die Ausprägung der Symptome kann von Familie zu Familie sehr verschieden sein. Eine Differentialdiagnose (d.h. man guckt, ob die Symptome auf eine andere Besonderheit besser passen) zu Rett-Syndrom und CHOACH kann aufgrund des frühen Manifestationsalters, d.h. aufgrund des Alters, in dem die Besonderheit erstmals aufgetreten ist, gestellt werden.

Es bestehen genetische und bzw. oder klinische Beziehungen zum

Siehe auch

Literatur

  • Witkowski, Prokop, Ullrich, Thiel: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen (7. Auflage, 2003)