Berberin
Strukturformel | |||||||
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Allgemeines | |||||||
Name | Berberin | ||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C20H18ClNO4 | ||||||
Kurzbeschreibung |
gelbes Pulver | ||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||
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Eigenschaften | |||||||
Molare Masse | 371,81 g·mol−1 | ||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||
Schmelzpunkt |
145 °C [1] | ||||||
Löslichkeit |
löslich in Wasser | ||||||
Sicherheitshinweise | |||||||
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Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Berberin ist ein Alkaloid aus der Gruppe der Isochinolinalkaloide. Es kommt unter anderem in den Pflanzen Berberitze (Berberis vulgaris), die dem Alkaloid den Namen gab, der Gelbwurzel (Hydrastis canadensis) und Coptis chinensis, im wesentlichen in den Wurzeln, im Rhizom, im Stamm und in der Rinde, vor. Berberin ist kräftig gelb gefärbt, weshalb man früher die Berberitze zum Färben von Wolle und Leder benutzte. Noch heute wird in Nord-Indien Wolle mit Berberin gelb gefärbt. Unter UV-Licht fluoresziert Berberin kräftig gelb.[4] Es wird daher auch zur Anfärbung von Heparin in Mastzellen verwendet.[5] Als natürlicher Farbstoff hat Berberin den Colour Index CI 75160. Es ist der einzige bekannte natürliche Farbstoff, der basisch ist.
Vorkommen
Husemann[6] schreibt über das Berberin:

„Das Berberin ist eines der wenigen Alkaloide, die nicht nur über verschiedene Gattungen der nämlichen Pflanzenfamilie verbreitet sind, sondern selbst in Pflanzen der verschiedensten Familien vorkommen. Es findet sich in der Jamaikanischen Wurmrinde, der Rinde von Geoffroya jamaicensis Mur. oder Andria inermis Kuth. (Fam. Casealpineae) nach Gastell, in der Rinde von Xanthoxylum clava Herculis L. (Fam. Xanthoxyleae) nach Perrins, in Podophyllum peltatum. Leontice thalictroides und Jeffersonia diphylla (Fam. Papaveraceae) nach F. F. Mayer (Amer. Journ. Pharm. XXXV. 97), in der westafrikanischen Abeocouta-Rinde von Coelocline polycarpa De C. (Fam. Anonaceae) nach Stenhouse, in den Wurzeln von Hydrastis canadensis L., Xanthorhiza Apiifolia Herit. und Coptis Teeta (Fam. Ranunculaceae) nach Mahla und Perrins in der Colombowurzel, der Wurzel von Cocculus palmatus De C. und in dem Ceylonischen Colomboholz, dem Holz von Coscinium fenestratum Colebr. (Fam. Menispermeae) nach Bödeker und Perrins, in Wurzel, Rinde, Blüthen, unreifen Beeren und Blättern von Berberis vulgaris L., sowie auch in den indischen und mexikanischen Berberis-Arten (Fam. Berberideae) nach Buchner, Polex, Ferrein, Solley, Wittstein und Anderen, nach Perrins endlich auch in der St. Johannswurzel vom Rio grande, in der Rinde des Pachnelo-Baumes von Bogota und in einem von den Eingeborenen Woodunpar genannten gelben Farbholz aus Oberassam.“
Entdeckung des Berberins
Nach Husemann[6] isolierte Hüttenschmidt 1824 erstmals aus der Jamaikanischen Wurmrinde Jamaicin. Berberin wurde 1835 von dem deutschen Pharmakologen Johann Andreas Buchner erstmals aus der Wurzelrinde der Gewöhnlichen Berberitze (Berberis vulgaris L.) isoliert. Gastell allerdings erkannte 1866, dass Jamaicin mit Berberin identisch ist.
Physiologische Wirkung
Gegenüber Bakterien[7] und Amöben zeigt sich Berberin antiseptisch. Es zeigt schwache antibotische Wirkungen. Die Wirkung kann allerdings durch den MDR-Inhibitor 5′-Methoxyhydnocarpin (5′-MHC) potenziert werden.[8][9][10][11] Außerdem wirkt Berberin beruhigend auf das Zentralnervensystem. In einer Reihe medizinischer Anwendungen scheint Berberin weitergehendes pharmakologisches Potential zu besitzen. So wird bzw. wurde es getestet gegen:
- Diabetes mellitus[12][13]
- Alzheimersche Krankheit[14][15]
- Prostatakrebs[16]
- Brustkrebs[17]
- Herzrhythmusstörungen[18]
- Leukämie[19]
- Hautkrebs[20]
- Lungenkrebs[21]
Berberin und seine Verbindungen Berberinsulfat und -phosphat wurden vielfach im Orient als intestinales Antiseptikum in oraler Form angewendet. Andere systemische Effekte, wie blutdrucksenkend, die Bilirubin-Sekretion steigernd, inotrop, sedativ, antiinflammatorisch (entzündungshemmend)[22], dilatierende Wirkung auf Koronararterien, antikoagulatorisch, mäßige Senkung der Herzfrequenz, Beschleunigung der Reparatur der β-Zellen des Pankreas, Low Density Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) senkend, wurden beschrieben.[23]
In vitro konnte eine mittlere Telomerase-Inhibierung festgestellt werden.[24] Ebenfalls konnte in vitro die Fähigkeit des Beberins als Radikalfänger nachgewiesen werden.[25]
Toxizität
Berberin wird in therapeutischen Gaben bis 500 mg gut vertragen. Es wurde früher in Dosen von 60–300 mg bei Erwachsenen bei Amöbiasis und Cholera verwendet. Ernstere Vergiftungen sind nicht bekannt.[26]
Auch in Tierversuchen (Ratte und Maus) wurde eine relativ schwache Toxizität für Berberinhydrochlorid ermittelt. Die höchste Dosis von Berberin, die auch bei andauernder Aufnahme keine erkennbaren und messbaren Wirkungen (Schäden) hinterließ (der sogenannte no-observed-adverse-effect level NOAEL), wurde erst bei Dosen, die um den Faktor 60–100 über den üblichen pharmakologischen Dosen für den Menschen lagen, beobachtet.[27]
Metabolismus
Berberin wird im Körper weitgehend metabolisiert. Weniger als 5 % der ursprünglichen Berberinmenge wurde bei Kaninchen im Urin, bei einer Gabe von 2 mg/kg intravenös, wieder gefunden.[28] Lediglich 0,5 % Berberin wurden im selben Versuch über die Galle und den Intestinaltrakt ausgeschieden, womit nur 5,5 % des oral aufgenommenen Berberins unverändert den Körper verließen.
In der Leber wird Berberin in der Phase I von Cytochrom P450 demethyliert und in Phase II glucuronidiert, das heißt mit Glucuronsäure umgesetzt.[29] Entsprechend sind im Plasma von Ratten die Metabolite: Berberrubin (einfach demethyliertes Berberin, (CAS# [15401-69-1]), Thalifendin (CAS# [18207-71-1]) und Jatrorrhizin (CAS# [3621-38-3]), frei oder an Glucuronsäure gebunden, nachweisbar.[30]
Synthese
Biosynthese

Die Syntheseschritte von Berberin in den Berberitzen geht über zehn Stufen und wurde Anfang der 1990er-Jahre aufgeklärt.[31] Die beiden Ausgangsverbindungen sind dabei 4-Hydroxybenzylacetaldehyd und 3,4-Dihydroxybenzyl-2-Ethylamin, die im ersten Schritt in einer Kondensationsreaktion Norcoclaurin bilden. Das wird monomethyliert und bildet dabei Coclaurin. Nach zwei weiteren Schritten bildet sich Reticulin, aus dem wiederum Scoulerin entsteht. Über eine weitere Zwischenstufe entsteht Canadin, aus dem letztlich das Berberin entsteht.[32]
Technische Synthese
Siehe Hauptartikel Isochinolin
Mehrere Synthesen für die Herstellung von Berberin sind beschrieben. Die bekannteste ist die 1910 von Pictet und Gams entwickelte Pictet-Gams-Isochinolin-Synthese.[33]
Eine elegantere Variante ist die weiterentwickelte Pictet-Spengler-Isochinolin-Synthese, die im nachfolgenden Beispiel dargestellt ist.
Einzelnachweise
- ↑ Otto-Albrecht Neumüller: Roempps Chemie Lexikon, 8.Auflage, Franckh´sche Verlagshandlung, Stuttgart, 1979, Band 1, S.411
- ↑ http://www.sigmaaldrich.com/catalog/search/ProductDetail/SIGMA/B3412
- ↑ http://www.mpbio.com/includes/msds/eu/de/195857-de-eu.pdf
- ↑ Fluoreszenzfarbstoffe in der Natur
- ↑ Anwendung als Cell Stain
- ↑ a b A. Husemann und T. Husemann, Die Pflanzenstoffe in chemischer, physiologischer, pharmakologischer und toxikologischer Hinsicht, Berlin, 1871
- ↑ Y. Kaneda u. a.: In vitro effects of berberine sulphate on the growth and structure of Entamoeba histolytica, Giardia lamblia, and Trichomonas vaginalis. In: Annals of Tropical Medicine and Parasitology. 85(4)/1991, S. 417–425
- ↑ R. Verpoorte, PLANTS AS SOURCE OF MEDICINES, 2006, S. 266
- ↑ N. P. Brenwald u. a., Prevalence of a Putative Efflux Mechanism among Fluoroquinolone-Resistant Clinical Isolates of Streptococcus pneumoniae, in Antimicrob. Agents Chemother. 42/1998, S. 2032–2035
- ↑ F. R. Stermitz u. a., Synergy in a medicinal plant: Antimicrobial action of berberine potentiated by 5′-methoxyhydnocarpin, a multidrug pump inhibitor, in PNAS 97/2000, S. 1433–1437
- ↑ Dissertation Andreas Gärtner, Entwicklung und Charakterisierung von Enzymimmuntests für den Nachweis von Fluorchinolonen, 2006, S. 8
- ↑ Focus-Artikel:Chinesische Medizin bremst Zucker
- ↑ Zhou, L. et. al., Berberine stimulates glucose transport through a mechanism distinct from insulin, Metabolism. 2007 Mar;56(3):405–12
- ↑ Asai, M. et. al.,Berberine alters the processing of Alzheimer's amyloid precursor protein to decrease Abeta secretion, Biochem Biophys Res Commun. 2007 Jan 12;352(2):498–502. Epub 2006 Nov 15
- ↑ Zhu, F. et. al.,Berberine chloride can ameliorate the spatial memory impairment and increase the expression of interleukin-1beta and inducible nitric oxide synthase in the rat model of Alzheimer's disease, BMC Neurosci. 2006; 7: 78.
- ↑ Mantena, S. K. et. al., Berberine, a natural product, induces G1-phase cell cycle arrest and caspase-3-dependent apoptosis in human prostate carcinoma cells, Mol Cancer Ther. 2006 Feb;5(2):296–308
- ↑ Issat, T., et. al., Berberine, a natural cholesterol reducing product, exerts antitumor cytostatic/cytotoxic effects independently from the mevalonate pathway, Oncol Rep. 2006 Dec;16(6):1273–6.
- ↑ J. Sanchez-Chapula J. in Increase in action potential duration and inhibition of the delayed rectifier outward current IK by berberine in cat ventricular myocytes, In: Br J Pharmacol. 117(7)/1996, S. 1427–1434
- ↑ Lin, C. C. et. al., Down-regulation of cyclin B1 and up-regulation of Wee1 by berberine promotes entry of leukemia cells into the G2/M-phase of the cell cycle., Anticancer Res. 2006 Mar-Apr;26(2A):1097–104.
- ↑ Mantena, S. K., et. al., Berberine inhibits growth, induces G1 arrest and apoptosis in human epidermoid carcinoma A431 cells by regulating Cdki-Cdk-cyclin cascade, disruption of mitochondrial membrane potential and cleavage of caspase 3 and PARP, Carcinogenesis. 2006 Oct; 27(10):2018–27. Epub 2006 Apr 18
- ↑ Peng, P. L. et. al., Inhibitory effect of berberine on the invasion of human lung cancer cells via decreased productions of urokinase-plasminogen activator and matrix metalloproteinase-2, Toxicol Appl Pharmacol. 2006 Jul 1;214(1):8–15. Epub 2006 Jan 4
- ↑ Kuo, C.L. et al., The anti-inflammatory potential of berberine in vitro and in vivo, Cancer Lett. 203, 127 (2004)
- ↑ "TRADITIONELLE CHINESISCHE MEDIZIN", J KARDIOL, 1999; 6 (4), S. 215
- ↑ Naasani, I. et. al. "FJ5002: A Potent Telomerase Inhibitor Identified by Exploiting the Disease-oriented Screening Program with COMPARE Analysis", CANCER RESEARCH 59, S. 4004–4011, 1999
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- ↑ Giftinformationszentrale der Uni Bonn
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- ↑ F. Zuo u.a., Pharmacokinetics of Berberine and Its Main Metabolites in Conventional and Pseudo Germ-Free Rats Determined by Liquid Chromatography/Ion Trap Mass Spectrometry, In:Drug Metabolism and Disposition, 34(12)/2006
- ↑ Heinz G. Floss Cryptic Stereochemistry of Berberine Alkaloid Biosynthesis, In: J. Am. Chem. Soc, 117(5)/1995
- ↑ Überblick über die Biosynthese von Berberin
- ↑ A. Pictet and A. Gams. In:Ber. Dtsch Chem. Ges. 43, 2384/1910.
Literatur

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