Grindadráp
Grindaboð! ist der Ruf der Färinger, wenn eine Grindwalherde in die Fjorde der Färöer schwimmt. Er läutet den traditionellen Grindwalfang (grindadráp) ein.
Wortherkunft
grind bedeutet auf Färöisch neben Grindwalschule auch Grindwalfleisch und generell die ganze Angelegenheit und damit verbundene Kultur. Der Wal selber ist ein grindahvalur oder auch grindafiskur - „Grindfisch“.
dráp bedeutet Tötung. Grindadráp heißt wörtlich daher Grindtötung, oder besser: Grindwalfang oder Grindwaljagd.
grindaboð Vorlage:Lautschrift kommt von grind und boð = Botschaft, Meldung. Es heißt wörtlich: Grind-Botschaft, oder besser: Grindalarm
Grind-Alarm und Jagd
Es ist immer Zufall, wenn eine Grindwalschule bei den Färöern gesichtet wird. Der entsprechende Skipper meldet dann Grindaboð! Die Behörden entscheiden darüber, ob See und Wetter einen Grindwalfang erlauben. Dann wird Grindaboð im nationalen Rundfunk durchgegeben. Angestellte erhalten in der Regel frei, und es wird versucht, möglichst viele Boote ins Wasser zu bringen. Es gibt auch Berichte davon, dass sogar Gottesdienste unterbrochen wurden, falls ein Grindaboð just zu dieser Zeit gemeldet wird. Jedenfalls hat es absolute Priorität - auch heute noch, wo das Einkreisen und Treiben mit Mootorbooten leichter geworden ist. Die jeweiligen Bootsführer sind gesetzlich dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass nur erlaubte Grind-Gerätschaften (grindareiðskapur) mitgeführt werden.
Für das Grindadráp gibt es speziell dafür vorgesehene seichte Buchten. An anderen Stellen ist es nicht erlaubt. Treffen alle oben genannten Bedingungen zu, werden die Tiere unter Aufsicht der örtlichen Behörden in die entsprechende Bucht getrieben. Dafür werden unterstützend Steine ins Wasser geworfen. Diejenigen Tiere, die nicht weit genug auf den Strand gelangen, werden mit einem speziellen stumpfen Fanghaken an einem Seil gehalten, der in ihr Blasloch gesteckt wird. Früher kamen auch scharfe Haken zum Einsatz, die in den Speck des Wals gebohrt wurden, um ihn festzuhalten oder an Land zu ziehen.
Getötet werden die Grindwale mit dem Grindaknívur, dem Grindmesser. Dabei wird ihnen das Rückenmark im Nacken und die Halsschlagader durchtrennt, sodass sie innerhalb weniger Sekunden sterben. Sie verbluten also nicht, wie in manchen Berichten behauptet wird. Vor 1985 kamen auch Speere und Harpunen zum Einsatz, sind aber seit einem entsprechenden Løgtingsgesetz aus Gründen des Tierschutzes verboten.
Das Wasser der entsprechenden Bucht färbt sich bei einem Grindadráp rot. Diese Bilder wirken auf Außenstehende oft schockierend, auf Beteiligte elektrisierend. Da keine Harpunen und Speere oder gar Schusswaffen verwendet werden dürfen, müssen die Jäger im eiskalten Wasser stehen und mit jedem einzelnen Tier kämpfen. Beteiligte beschreiben es als besonders anstrengend und hohe Konzentration erfordernd. Ob diese kollektive Arbeit als Blutrausch bezeichnet werden kann, ist eine Frage des Standpunktes. Für die Beteiligten bedeutet es in erster Linie kostenlose Nahrungsbeschaffung für sich und ihre Familien.
Kulturell bedeutet das Grindadráp neben dem gesellschaftlichen Faktor der gemeinsamen Jagd und Nahrungsversorgung auch für viele Färinger einen Teil ihrer Identität. Oft hört man Männer davon reden, dass sie sich beim Grindadráp als richtige Färinger fühlen. In der färöischen Literatur und Kunst ist das Grindadráp ein wichtiges Motiv. Die Grindgemälde von Sámal Mikines zählen international zu seinen bedeutendsten.
Tradition
Der Grind wird vollständig verwertet. Diese Tatsache wird allerdings von einigen Tierschutzorganisationen bestritten. Seine Verteilung erfolgt nach einem Jahrhunderte alten Schlüssel. Den relativ größten Anteil erhalten die Einwohner derjenigen Gemeinde, in deren Fjord die Tiere geschwommen sind. Dann sind die anderen Gemeinden der gleichen Insel an der Reihe und danach das restliche Land. Hierbei kommen alle Mitglieder der Gesellschaft zum Zuge, also auch diejenigen die nicht am Fang teilnahmen/teilnehmen konnten.
Der Grindwalfang geht zurück auf die Wikingerzeit auf den Färöern und galt für das abgeschiedene Nordatlantik-Archipel als wichtige Nahrungsquelle und Vitaminversorgung. Noch heute wird geschätzt, dass der Grind ca. 10 % des einheimischen Speiseplans ausmacht.
In der Landesbibliothek der Färöer befinden exakte Aufzeichnungen vergangener Zeiten. Die Statistik reicht zurück auf 1584. Zwischen 1642 und 1708 gibt es erhebliche Lücken, aber seit 1709 ist sie vollständig und gilt damit als die älteste Jagdstatistik der Welt. Von 1709 bis 2000 wurden 1.809 Grindwalschulen aufgebracht und dabei 252.108 Tiere getötet. Dort erkennt man an den Fangzahlen auch immer wiederkehrende erhebliche Schwankungen. Grindaboð! ist reiner Zufall. 1899 gelang der größte Fang aller Zeiten: Am Strand von Miðvágur wurden an einem einzigen Tag 1.300 Tiere erlegt. Aber es gibt auch Jahre ohne Grind, zuletzt 1927.
In Supermärkten der Färöer ist der Grind in der Regel nicht erhältlich. Im Export der Fischereination spielt er keinerlei Rolle. Ähnlich wie die Jagdbeute bei den Grönländern, ist der Grind Gegenstand der ererbten Subsistenzwirtschaft.
Traditionelle Zubereitung
Der Grind wird meist im traditionellen Verfahren der Lufttrocknung in einem speziellen Holzschuppen, dem Hjallin konserviert. An der kühlen salzhaltigen Luft der Färöer ist das ein heute noch für Klippfisch, Schaffleisch und Papageitaucher übliches Verfahren. So haltbar gemacht, wird er dann vor dem Verzehr über Stunden in Wasser – oder besser: einer Marinade – eingeweicht.
Das Fleisch wird als Steak (grindabúffur) zubereitet oder gekocht (saltgrind). Als Beilage sind heimische Kartoffeln üblich. Gewürzt wird mit Senf. Zum Grindabúffur gibt es auch eine weiße Soße. Im Färöischen wird beim Grind zwischen dem Walfleisch (tvøst) und dem Speck (spik) unterschieden. Manchmal wird zum Tvøst auch Robbenspeck gegessen. Auf dem Teller heißt das dann tvøst og spik.
Das durch die Lufttrocknung gealterte Fleisch des Meeressäugers ist schwarz und relativ zäh. Im Geschmack ähnelt es ansonsten dem Rindfleisch. Grind ist äußerst nahrhaft. Hinzu kommt das vitaminreiche Tran im Speck des Wales. Nicht zuletzt daher war er früher so wichtig für das Überleben der über Jahrhunderte von nur ca. 4.000 Menschen bewohnten Inseln.
Touristen auf den Färöern, die Grind probieren möchten, sind meist auf sogenannte Färöerabende, folkloristische Veranstaltungen mit färöischem Kettentanz und einheimischer Küche angewiesen. Es gibt aber auch Restaurants mit färöischer Küche.
Kontroverse
Der Grindwalfang auf den Färöern und die regelmäßig kursierenden Bilder des rot gefärbten Wassers an den Schauplätzen bewegen weltweit engagierte Walschützer, während sehr viele Färinger auf ihrem Recht beharren, genießbare Wildtiere auch jagen zu dürfen.
Pro
Vor den internationalen Tierschutzorganisationen, wie zum Beispiel Greenpeace, rechtfertigen sich die Färinger damit, dass sie nicht zu den Walen hinausfahren, sondern jene von selbst zu ihnen kommen. Weiter wird angeführt, dass sie den Grindwalfang nicht aus kommerziellen Gründen betreiben, sondern nach wie vor ausschließlich für den internen Verteilerschlüssel der Haushalte. Drittens meinen viele Färinger, dass der Grindwalbestand nicht gefährdet ist, denn die allermeisten würden auf ihrem Zug durch den Atlantik die kleine Inselgruppe verfehlen und so ungeschoren davon kommen. Auf den Färöern sind kritische Stimmen selten, in den letzten Jahren aber häufiger zu hören. Internationale Kritik wird oft als Einmischung in nationale Angelegenheiten empfunden.
Die Gegner argumentieren oft auf emotionaler Ebene, namentlich mit dem blutigen Ausgang am Fjordufer. Dem entgegnen die Färiger, dass dies kein Problem des Walfangs sei, sondern der Entfremdung großer Teile der ziviliserten Bevölkerung von den Grundfesten der tierischen Nahrungsgewinnung. Gegen Zustände auf einem modernen Schlachthof, die kaum ein Fleischverbraucher aus eigener Anschauung kennt, sei Walfang harmlos.
Contra
Die Tierschützer argumentieren damit, dass der Grindwalfang nicht nur besonders grausam ist, sondern angesichts der heutigen Versorgungslage der Färöer völlig unnötig. Zusätzliche Argumentationshilfe liefert ein Gutachten des färöischen Gesundheitsministeriums, das inzwischen vor übermäßigem Genuss von Grindwalfleisch warnt, da es mit Umweltgiften wie Quecksilber und PCB angereichert ist [1]. Diese Delfinart steht nämlich am Ende der maritimen Nahrungskette – vor dem Färinger.
Zudem haben sich in der jüngeren Geschichte der Färöer die Fangmethoden grundlegend geändert. Ruderten die Färinger einst mit Ruderbooten aufs Meer, um eine Walherde zu umkreisen und zu treiben, war der Aufwand dennoch oft vergeblich, die Wale hatte ein relativ große Chance zu entkommen. Heute haben sie gegen eine kleine Flotte von Motorbooten praktisch keine Chance mehr.
Literatur
- Samuel Rathbone, E.H. Grieg: A Narrative of the Cruise of the Yacht Maria among the Faroe Islands in the Summer of 1854, England 1855 (Wikisoure - Deutsche Übersetzung, Kapitel V Ausführlicher Augenzeugenbericht eines Grindwalfangs auf den Färöern 1854)
Weblinks
- CHEF - Children's Health and the Environment in the Faroes (dänisch-färöische NGO)
- Whaling.fo - Website der färöischen Regierung (englisch)
- Highnorth.no: "Walfang auf den Färöern: Modern und traditionell zugleich" (u.a. Gespräch mit dem grindaformaður von Leirvík)
- Grindaknivar.com - Grindwalmesser (Färöisches Kunsthandwerk. Auf dänisch)
Auf Färöisch
- Kunngerð nr. 46 frá 08.04.1998 um Grind (Letzte, aktuelle Verordnung über den Grindwalfang)