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Karl Friedrich Vollgraff

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Carl Friedrich Vollgraff (* 4. November 1794 in Schmalkalden, † 5. März 1863 in Marburg) war ein deutscher Jurist und Soziologe.

Leben

Vollgraff studierte von 1816 bis 1819 in Marburg und Göttingen. Zuvor war er im westfälischen Staatsdienst, dann Generalprokurator in Magdeburg und wurde Jurist und Staatsrechtler. 1820 wurde Vollgraff in Marburg Dozent und 1824 Professor für Staatswissenschaften, 1832 für Staatsrecht und Nationalökonomie.

Zunächst widmete er sich dem Studium des deutschen Uradels und dessen Niedergang in Mediatisierungen und machte sich Gedanken über die Ursachen hierfür - beim römischen Patriziat fand er dasselbe Phänomen. Dennoch war er für eine ständische anstelle der repräsentativen Verfassung. Darin kommt seine sehr rückwärtsgewandte Lebenseinstellung zum Tragen. Vollgraff erregte bald Aufsehen und meist Ablehnung durch Werke, in denen er den modernen europäischen Völkern eine Abneigung und Unfähigkeit zum Leben in Großstaaten bescheinigt. All dies hängt zusammen mit seiner Sicht der menschlichen Kultur insgesamt, die er schon in der Antike ideal gipfeln sah: in den Künsten und der Wissenschaft bei den Griechen und in der Staatskunst bei den Römern. Die germanischen und slawischen Völker seit dem Mittelalter hätten hievon nur mehr einen „schwachen Abglanz“ geboten. Er sah „Kultur“ an als etwas, an dem verschiedene Völker zu verschiedenen Zeiten in verschiedener Art und Weise Anteil nähmen. Auch der sich entwickelnden Technik des Abendlandes stand er bereits abgeneigt gegenüber, der Planet werde rücksichtslos geplündert und ausgeräumt, die Europäer seien offenbar in ihre „Altersphase“ eingetreten und stünden mitsamt der übrigen Menschheit bald am Ende. Er kann somit als Vorläufer der Umweltschützer, aber auch als früher Biologist betrachtet werden. Die Revolutionen von 1830 und besonders 1848 bereiteten ihm Sorgen.

Zitat aus 1854 (II: 947) nach einer langen Liste sämtlicher bekannter Völker und Einteilung in Stufen der Kultur: Der innere Verfall, das moralische Absterben [von Völkern einer Kulturstufe wie der unseren] versteckt sich durch etwas, was Unkundige und Oberflächliche für ein Zeichen steigender [Blüte] halten, nämlich durch einen unter Beihilfe einer hohen technischen Industrie-Kultur immer mehr steigenden egoistischen oder Privat-Luxus.

Hans-Joachim Schoeps hat diesen Kultur-Idiosynkratiker 1953 als einen „Vorläufer Spenglers“ wiederentdeckt; ein weiterer Jurist als Kulturmorphologe und „-pessimist“ ist Hartmut Piper. Vollgraff beschäftigte sich erstmals mit Dingen, die heute der Soziologie zugerechnet werden, zu seiner Zeit und noch lange danach aber der Jurisprudenz. Auch zur Ethnologie und Völkerpsychologie ergeben sich Bezüge, ebenso zur Anthropologie und Ethologie (Soziobiologie).

Publikationen

  • 1823: Gibt es noch einen hohen teutschen Adel in dem Sinne und Begriffe, den man damit doctrinell bis zur Auflösung des teutschen Reichs verband?. Darmstadt.
  • 1824: Die teutschen Standesherren. Gießen.
  • 1828: Charakteristik der germanisch-slawischen oder modernen Völker Europas. Gießen.
  • ab 1828: Die Systeme der practischen Politik im Abendlande. 4 Bände. Heidelberg.
  • 1832: Die Täuschungen des Repräsentativsystems. Marburg.
  • 1848: Von der über und unter ihr Maaß erweiterten und herabgedrückten Erneuerung in allen Nahrungs- und Erwerbszweigen des bürgerlichen Lebens. Darmstadt.
  • 1851–1855: Erster Versuch der Begründung sowohl der allgemeinen Ethnologie aus der Anthropologie wie auch der Staats- und Rechtsphilosophie durch die Ethnologie oder Nationalität der Völker. 3 Bände. Marburg.
    • 1851: Anthropognosie oder zur Kunde des Menschen überhaupt.
    • 1854: Erster Versuch der Begründung der allg. Ethnologie.
    • 1855: Polignosie und Polilogie (oder: Genetische und comparative Rechts- und Staatsphilosophie auf anthropognostischer, ethnologischer und historischer Grundlage).

Literatur

  • Pierers Universal-Lexikon Band 16. 4. Auflage. Pierer, Altenburg 1864.