Schriftdolmetscher
Schriftdolmetscher schreiben das gesprochene Wort wortwörtlich oder in zusammengefasster Form in nahezu Echtzeit mit, um es hörgeschädigten Menschen zu erlauben, Reden, Vorträgen oder ähnlichem zu folgen, in dem sie diese mitlesen können. Hierbei ist von zentraler Bedeutung, dass durch den "Echtzeitcharakter" eine Teilnahme (Diskussionsbeteiligung, Rückfragen, ...) der hörgeschädigten Person ermöglicht wird.
Schriftdolmetschen versteht sich (als Abgrenzung zum Gebärdensprachdolmetschen) primär als Angebot für schwerhörige oder spätertaubte Menschen, die im Gegensatz zu frühertaubten Personen oft nicht oder nur sehr eingeschränkt die Gebärdensprache beherrschen, aber der Schriftsprache gut folgen können.
Schriftdolmetschverfahren
In Deutschland kommen derzeit drei verschiedene Methoden zu Einsatz.
Schnellschreiben
Hierbei wird das gesprochene Wort möglichst schnell auf herkömmliche Weise (10-Finger-System) am Computer mitgeschrieben. Um das Schreibtempo zu erhöhen und Ermüdungserscheinungen vorzubeugen kommen häufig spezielle Tastaturlayouts (z.B.: Ristome-Tastatur) zum Einsatz. Wird auch als "konventionelle Methode" bezeichnet.
Computerstenografie
Hierbei kommt eine spezielle Softwarelösung zusammen mit einer speziellen Steno-Tastatur zum Einsatz.
Schriftdolmetschen mit Spracherkennung
Hierbei spricht eine speziell geschulte Person das Gesprochene nach. Ein auf den Dolmetscher eintrainiertes Spracherkennungssystem ist dabei für die Umsetzung in geschriebene Worte zuständig.
Gesetzliche Grundlage
Schriftdolmetschen ist als eine dem Gebärdensprachdolmetscher weitestgehend gleichgestellte Kommunikationshilfe im Bundesgleichstellungsgesetz und in der Kommunikationshilfenverordnung, sowie SGB IX und diversen Landesgesetzen, verankert. Diese Gesetze regeln den Anspruch von hörgeschädigten Personen auf einen Schriftdolmetscher, Gebärdensprachdolmetscher oder eine Kommunikationsassistenz in verschiedenen Situationen (z.B. Ämter, Arztbesuche, Gericht, Studium, Aus- und Weiterbildung). Die Kosten werden in der Regel anteilig oder komplett von den entsprechenden Kostenträgern übernommen.
kritische Betrachtung
Verfügbarkeit und Verbreitung
Vom Ziel einer flächendeckenden Verfügbarkeit von Schriftdolmetschern ist man in Deutschland noch sehr weit entfernt. Schätzungen über die Anzahl praktizierender Schriftdolmetscher in Deutschland gehen von ca 30 bis knapp 100, je nachdem wie eng man die Bezeichnung Schriftdolmetscher sieht. Zur Zeit (Stand 18. August 2008) gibt es nur 7 vom DSB zertifizierte Schriftdolmetscher (siehe unten) in ganz Deutschland.
Zertifizierung und Qualität
Da es sich beim Begriff "Schriftdolmetscher" bisher um keine geschützte Berufsbezeichnung handelt, gibt es ein sehr unterschiedliches Qualitätsniveau zwischen den verschiedenen Anbietern. Der Deutscher Schwerhörigenbund e.V. als Betroffenenvereinigung der Schwerhörigen bietet mit seiner Prüfung und Zertifizierung im Moment als Einziger eine bildungsträgerübergreifende Qualitätszertifizierung von Schriftdolmetschern an, welche von Seiten der Kostenträger Anerkennung findet. Erwartete Kenntnisse an den Prüfling sind hierbei relative Fehlerfreiheit, ein fester Prozentsatz an Übereinstimmung mit dem Gesagten (schwankt je nach Technik, da nicht jede Technik Wort für Wort in Schrift umwandeln kann), sicherer Umgang mit dem hörgeschädigten Kunden (Kommunikation, Erklärung der eigenen Tätigkeit), das Einhalten der Dolmetscherrolle, sicherer Umgang mit der Technik und Unfallverhütung. In einer abschließenden schriftlichen Arbeit wird der fachliche Wortschatz und die Kenntnisse über die Kundengruppe (Sozialisation, spezielle Bedürfnisse, Problemstellungen, ...) überprüft. Eine staatliche Prüfung befindet sich in der Vorbereitung.
Begriff
"Schriftdolmetscher" als Begriff an sich ist umstritten. Der Deutsche Schwerhörigenbund geht von der Definition des Dolmetschens als Informationsübertragung und Überbrückung von Kommunikationsbarrieren sowie als Vorgang der Umwandlung von Zeichen oder Darstellungen in andere Zeichen oder Darstellungen. [1]
Der Bundesverband der Gebärdensprachdolmetscher/innen Deutschlands e.V. zieht eine Definition des Begriffes "Dolmetschens" heran, die als dolmetschen ausschließlich "eine sprachmittlerische Tätigkeit zwischen zwei in Grammatik und Wortschatz unterschiedlichen Sprachen" bezieht. Nach dieser Definition wäre die Bezeichnung Schriftdolmetschen falsch. Der Bundesverband der Gebärdensprachdolmetscher/innen Deutschland e.V. befürchtet zu dem, dass die Bezeichnung Schrift"dolmetscher" suggerieren würde, "dass beide Nutzergruppen (Spätertaubte/Schwerhörige und Gehörlose) gleichermaßen bedient werden, was eindeutig nicht der Fall ist." [2] Dieses Argument richtet sich allerdings auch gegen die Bezeichnungen LBG-Dolmetscher (Dolmetscher für lautbegleitende Gebärden), Oraldolmetscher (Dolmetscher des Mundbildes), Lormendolmetscher (Dolmetscher für tabublinde Menschen). Auch hier müsste dann die Bezeichnung "Dolmetscher" aufgegeben werden.
Der Gesetzgeber hat unterdessen in die Kommunikationshilfenverordnung die Kommunikationshilfen für hörgeschädigte Menschen in §3.2 neben Gebärdendolmetschern unter folgenden Bezeichnungen aufgeführt:
- Schriftdolmetscherinnen und Schriftdomletscher
- Simultanschriftdolmetscherinnen und Simultanschriftdolmetscher
- Oraldolmetscherinnen und Oraldolmetscher
- Kommunikationsassistentinnen und Kommunikationsassistenten
Siehe auch
Weblink
- Überblicksartikel über die Verfahren
- Zielgruppen und Einsatzmöglichkeiten von Schriftdolmetschern
- Schwerhörigen-Netz zu Computerstenographie
- Weiterführende Informationen beim DSB e.V. zum Schriftdolmetschen (z.B. Berufsbild, Prüfung / Zertifizierung, Liste der Vermittlungsstellen und zertifizierten Schriftdolmetscher)
Quellen
- ↑ http://www.schwerhoerigen-netz.de/main/stellung.asp?inhalt=2006-03
- ↑ www.bgsd.de/kundeninfo/Stellungnahme%20zur%20Berufsbezeichnung%20Schriftdolmetscher%20ZEICHEN.pdf