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Ulrich von Jungingen

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Ulrich von Jungingen; Illustration aus Christophorus Hartknoch: Alt und neues Preussen oder Preussischer Historien zwey Theile…, um 1674

Ulrich von Jungingen (* um 1360 in Jungingen bei Hechingen; † 15. Juli 1410 bei Tannenberg) entstammte dem schwäbischen Adel und war in den Jahren 1407 bis 1410 der 26. Hochmeister des Deutschen Ordens. Er erklärte 1409 dem in Personalunion mit dem Großfürstentum Litauen verbundenen Königreich Polen den Krieg und führte das Ordensheer in der Folge zur Niederlage in der Schlacht bei Tannenberg. Sein Tod auf dem Schlachtfeld und die schweren personellen Verluste des Ordens in Verbindung mit eklatanten finanziellen Belastungen aufgrund des späteren Friedensschlusses markieren einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte des Ordensstaates.

Leben

Aufstieg in der Ordenshierarchie

Wappenschild des Deutschen Ordens

Der um 1360 geborene Ulrich war nicht erbberechtigt und folgte daher seinem ebenfalls nicht erbberechtigten älteren Bruder Konrad von Jungingen als Mitglied der geistlichen Korporation in den Deutschen Orden. Ob sein Profess bereits im Reich erfolgte oder erst zu einem späteren Zeitpunkt im Ordensland, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Es kann als sicher gelten, dass Ulrich in Preußen die Protektion seines älteren Bruders Konrad erfuhr, der in der Hierarchie des Ordens bereits verantwortliche Positionen bekleidete. So übernahm Ulrich in den Jahren 1391 bis 1392 den Posten eines Kompans des Hochmeisters Konrad von Wallenrode[1]. Damit etablierte er sich früh auf der Marienburg, dem Machtzentrum des Ordensstaates. Die bedeutende Funktion eines hochmeisterlichen Kompans prädestinierte Ulrich für weitere einflussreiche Ämter. Insbesondere die Wahl seines Bruders Konrad zum 25. Hochmeister im Jahre 1393 wirkte sich vorteilhaft auf Ulrichs Aufstiegschancen aus.

Im Jahr 1396 wurde Ulrich Komtur von Balga[2], einer der wichtigsten Komtureien im Ordensstaat. Dieses Amt galt im Orden als Grundlage für höhere Weihen. In den Jahren nach 1398 führte Ulrich von Jungingen in dieser Eigenschaft die komplizierten diplomatischen Verhandlungen mit der dänischen Königin Margarethe I. um den Besitz Gotlands. Weiterhin nahm er an diplomatischen Missionen in Litauen[3] und dem Königreich Polen[4] teil.

Ab Ende 1404 führte er nach der krankheitsbedingten Abberufung Werners von Tettlingen als Ordensmarschall das Ordensheer zur Unterdrückung lokaler Aufstände nach Žemaitien. Damit zählte Ulrich zu den fünf Großgebietigern und hatte somit eines der höchsten Ämter innerhalb des Ordens inne. Žemaitien wurde laut des Vertrages von Salinwerder von 1398 vom litauischen Großfürsten Vytautas dem Orden übereignet. Hier zeichnete sich Ulrich durch besonnenes sowie pragmatisches Handeln aus[5], was die verbreitete Ansicht späterer Chronisten[6] Ulrich sei unbeherrscht und arrogant gewesen, widerlegt.

Nach dem unerwarteten Tod seines Bruders, des Hochmeisters Konrad von Jungingen (30. März 1407) musste ein neuer Hochmeister bestimmt werden. Wegen der wachsenden Spannungen mit dem Königreich Polen infolge des Erwerbs der Neumark im Jahre 1402 war hierbei Eile geboten. Der amtierende Statthalter des Hochmeisters, Werner von Tettlingen, schlug als Nachfolger den Ordensmarschall Ulrich von Jungingen vor[7]. Dieser soll sich gegen den Vorschlag mit dem Argument gewehrt haben, er sei des hohen Amtes nicht würdig[8]. Dennoch wählte das Ordenskapitel 1407, obwohl die Repräsentanten aus dem Reich, wie der Deutschmeister Konrad von Egloffstein, sowie einige Vertreter des Livländischen Ordenszweiges fehlten, in aller Eile Ulrich von Jungingen einstimmig zum 26. Hochmeister des Deutschen Ordens.

Hochmeister

Hochmeisterwappen der Brüder Konrad und Ulrich von Jungingen
Hochmeisterwappen der Brüder Konrad und Ulrich von Jungingen

Der Herrschaftsantritt sowie die gesamte Amtszeit des neuen Hochmeisters wurde durch die wachsenden Spannungen mit dem Königreich Polen und insbesondere dem Großfürstentum Litauen überschattet. Während der polnische Adel aufgrund der Annektierung von Pommerellen im Jahre 1308 und dem Erwerb der Neumark zu einer kriegerischen Entscheidung drängte, unterstützte der litauische Großfürst Vytautas Unabhängigkeitsbestrebungen im dem Orden 1398 verpfändeten Žemaitien. Jungingen sowie seine Berater unterschätzten die wiederholt vom Ordensvogt in Žemaitien Michael Küchmeister von Sternberg übermittelten Warnungen vor gärender Unzufriedenheit in seinem Verwaltungsbereich[9]. Bereits seit 1402 gab es hier einen Kleinkrieg zwischen den aufbegehrenden Žemaiten und Streitkräften des Ordens. Obwohl Vytautas offiziell zu seinen im Vertrag von Sallinwerder eingegangenen Verpflichtungen stand, unterstützte er unter der Hand den unzufriedenen Adel Žemaitiens.

Jungingen musste dabei in Betracht ziehen, dass ein massives Eingreifen in Žemaitien - und folglich gegen das Großfürstentum Litauen - einen Krieg mit dem durch König Wladyslaw II. Jagiello, einem Verwandten des Großfürsten, verbundenen Königreich Polen nach sich ziehen würde. Es ergäbe sich eine Situation, die aufgrund der langen Grenzlinie und des immensen personellen Potentials der Kontrahenten auch die beträchtlichen militärischen Ressourcen des Ordensstaates übersteigen würde. Innerhalb des Führungszirkels des Ordens gab es schon ab 1403 konträre Ansichten, wobei einige maßgebliche Würdenträger einen Präventivkrieg gegen Polen befürworteten, wobei andere sich strikt gegen solch aggressive Maßnahmen aussprachen. Der verstorbene Hochmeister Konrad zählte zu den Letzteren und meinte „Ein Krieg ist bald angefangen, aber schwer beendet...“ [10]. Ulrich von Jungingens Rolle in diesen Kontroversen ist unbekannt, sein Handeln als Hochmeister zeigt jedoch, dass er einen kriegerischen Konflikt bis zum Sommer des Jahres 1409 zu vermeiden suchte.

Ulrich von Jungingen bemühte sich dennoch um eine geordnete Verwaltung seiner Ländereien[11]. Die Landesstände, wie die Bürgerschaft von Danzig, vertrauten dem Hochmeister und überstellten ihm, als nominellem Landesherrn, ihre Anliegen[12].

Ein im Frühjahr 1409 ausbrechender allgemeiner Aufstand in Žemaitien ließ den Konflikt mit dem Königreich Polen und Litauen dennoch eskalieren. Die Führungsriege des Ordens vermutete in Vytautas von Litauen die treibende Kraft der Rebellion. Dies betreffende Anfragen an den Großfürsten blieben unbeantwortet[13]. Stattdessen verschärfte sich der Konflikt mit Polen. Wladyslaw II. Jagiello ließ durch seinen Gesandten, den Erzbischof Mikolaj I. Kurowski von Gnesen, dem Hochmeister ausrichten, dass im Falle eines Krieges mit dem Großfürstentum Litauen die Streitmacht des Königreiches Polen unverzüglich das Ordensland selbst angreifen werde[14]. Ulrich von Jungingen, der seine Souveränität als Landesfürst durch die offenkundige Einmischung in innere Angelegenheiten verletzt sah, denn man betrachtete Žemaitien als zum Ordensstaat gehörig, soll dem königlichen Gesandten geantwortet haben:

„„So will ich lieber das Haupt als die Glieder fassen, lieber bewohntes als ein wüstes und ödes Land aufsuchen!“[15]

Diese Worte markieren den Schlussstrich unter jegliche Bemühungen, den schwelenden Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Am 6. August 1409 ließ Ulrich von Jungingen dem König von Polen durch den offiziellen Herold des Meisters seinen und des Ordens Fehdebrief überbringen. Diese Maßnahme markiert den Anfang vom Grossen Streythe, dem in der Ordensterminologie so bezeichneten Krieg gegen das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen.

Krieg gegen Litauen und Polen

Nach der Erklärung der „Fehde“ machte Jungingen umgehend von der vorteilhaften strategischen Lage Gebrauch. Trotz des sich abzeichnenden Konflikts zeigten sich sowohl das Königreich Polen, als auch das Großfürstentum Litauen nur ungenügend auf eine kriegerische Auseinandersetzung vorbereitet. Kontingente des Ordensheeres eroberten das Dobriner Land[16], besetzten Kujawien und belagerten Bromberg. Trotz dieser Erfolge stimmte Ulrich einer Vermittlung des böhmischen Königs Wenzel IV. zu. Es wurde ein befristeter Waffenstillstand bis zum Johannestag (21. Juni 1410) vereinbart. Der Schiedsspruch des Königs wurde hingegen von Polen und Litauen nicht akzeptiert.

In der Folge zeigte sich Ulrich von Jungingen durchaus als Stratege. Nachdem die Frist des Waffenstillstandes abgelaufen war, verblieb er auf der Marienburg, da der Hochmeister über keine genauen Informationen über die Standorte der gegnerischen Heere verfügte. Eindeutig wurde die Lage Anfang Juli mit dem Eingang der Entsagungsbriefe ehemals verbündeter Fürsten, abgefasst in Biezun.

Am 2. Juli 1410 verließ Ulrich von Jungingen in voller Rüstung an der Spitze des Rennbanners, einer Eliteeinheit der Ordensritterschaft, die Marienburg mit den angeblichen Worten:

„Ich begrüße dich, hehre Feste, als Sieger, oder nimmermehr!“

Johann von Posilge, Ordenschronist[17]

Vermutlich in Absprache mit dem erfahrenen Ordensmarschall Friedrich von Wallenrod sowie den anderen Großgebietigern beließ Jungingen den kriegserprobten Komtur Heinrich von Plauen mit einigen Ordensrittern, sowie ungefähr 2.000 Söldner zum Schutz der von polnischen Streifscharen gefährdeten Neumark in Schwetz zurück.

Ulrich von Jungingens Tod in der Schlacht bei Tannenberg

Siehe Hauptartikel: Schlacht bei Tannenberg (1410)
Darstellung der Schlacht bei Tannenberg in der Berner Chronik von Diebold Schilling dem Älteren um 1483

Jungingen führte das Heer des Ordens sowie die Aufgebote der preußischen Stände bis nach Kauernick unweit Soldau, wo man am Ufer des Flusslaufes der Drewenz ein befestigtes Lager bezog. Eine sich bereits hier andeutende Auseinandersetzung vermied das polnisch-litauische Heer, indem es zurückwich.. Nachdem jedoch am 13. Juli Gilgenburg durch Litauer und Tataren gestürmt worden war, suchte Ulrich die Konfrontation. Er führte unverzüglich das Ordensheer nach Nordosten, wo er am Abend des 14. Juli bei Frögenau einen weiteren Lagerplatz beziehen ließ. Kundschafter meldeten noch am Abend, dass die gesamte Macht des polnisch-litauischen Heeres am Ufer des Flusses Marense lagerte. Jungingen und sein Kriegsrat beschlossen, ihr Heer am folgenden Tag auf der weitgehend unbewaldeten Heidelandschaft zwischen den Dörfern Grünfelde und Tannenberg sowie Ludwigsdorf und Faulen zur Schlacht zu stellen. Das seit dem Morgen des 15. Juli in Schlachtordnung formierte Ordensheer befand sich aber nun in taktisch ungünstiger Position, da es die Initiative dem am sumpfigen Ufer der Marense bzw. in den Wäldern östlich der Tannenberger Heide verharrenden Gegner überlassen musste. In Anbetracht der sommerlichen Mittagshitze wurde das untätige Warten für die schwer gewappneten Krieger zu einer argen Belastung. Insbesondere bei den mit Kuvertüre, einem so genannten Rossmantel, und bei den höchsten Würdenträgern mit Rossharnischen ausgestatteten Schlachtrossen erwies sich das Ausharren in sommerlicher Hitze als nicht länger erträglich. Die höchsten Würdenträger einigten sich darauf, den polnischen König und den litauischen Großfürsten durch die Überbringung zweier blanker Schwerter zum unverzüglichen Kampf herauszufordern. Folgende Botschaft wurde Ulrich von Jungingen zugeschrieben:

„Es ist Brauch kriegerischer Streiter, wenn ein Kriegsheer zum Kampfe bereit des andern wartet, so sendet es diesem zwei Schwerter zu, um es zum gerechten Streit auf dem Kampfplatz zu fordern. Sehet, so reichen auch wir euch jetzt zwei Schwerter entgegen, das eine für Euch, den König, das andere für Euch, Herzog Witold (gebräuchlicher deutscher Name für Vytautas), im Namen des Meisters, des Marschalls und der Ritter des Ordens, auf dass ihr den Kampfplatz erwählet, wo ihr ihn wollt. Nehmet sie euch zur Hilfe, diese Schwerter, zum Beginne des Streites. Aber zaudert nicht ferner und versäumet nicht die Zeit. Wozu verbleibt ihr in den Wäldern und verberget euch, um dem Kampfe zu entfliehen, dem ihr für wahr doch nicht mehr entgehen könnt?“

Jan Długosz, polnischer Chronist[6]

Dieses Verfahren entsprach zwar der ritterlichen Tradition[18], wurde hingegen von den Kontrahenten (zumindest) offiziell als Beleidigung und Beweis für den Hochmut des Hochmeisters verstanden[6].

Dennoch wurde das Treffen durch den Angriff der litauischen Banner des Großfürsten Vytautas auf den linken Flügel des Heeres eröffnet. Ulrich von Jungingen leitete den Einsatz seiner Banner vorerst von einem Hügel nahe Grünfelde hinter den Schlachtlinien. So befahl er den zunächst erfolgreichen Gegenangriff gegen den litauischen Heerbann unter dem Ordensmarschall, welcher sich in der Folge in Verfolgungskämpfe verzettelte, und beobachtete den für das Ordensheer zunächst erfolgreichen Kampf auf dem rechten Flügel unter dem Großkomtur Kuno von Lichtenstein gegen die polnischen Streitkräfte. Unter dem so genannten Krakauer Banner kämpfte hier auch die Elite des polnischen Adels. Nachdem das polnische Königsbanner infolge glücklicher Umstände in die Hände des Ordens fiel, soll Ulrich selbst, nunmehr des Sieges gewiss, den Siegeschoral des Ritterordens: Christ ist erstanden angestimmt haben. Das Heer stimmte nach und nach in die Laudatio ein[6][19].

Mit dem Einsatz polnischer Reserven änderte sich jedoch die Lage: Der rechte Flügel geriet nach dem Verlust des zuvor eroberten Banners zusehends in Bedrängnis.

Letzte Phase des Treffens am späten Nachmittag; Hellgrau ist der vorangegangene Flankenangriff unter Ulrich von Jungingen verzeichnet

Für den bis dahin überlegt agierenden Ulrich ergaben sich nun zwei Alternativen: Zum Einen nach ritterlicher Tradition selbst seine Reserve von 15 Bannern, darunter das Rennbanner, zum Angriff zu führen; zum Anderen, die Reiter unter einem subalternen Komtur die entscheidende Attacke reiten zu lassen und die taktische Führung des Heeres selbst in der Hand zu behalten. Eine gewisse Rolle scheint in der Entscheidungsfindung des Hochmeisters der Aspekt gespielt haben, dass sich unter der Reserve die Banner des Eidechsenbundes, eines profanen Ritterbundes aus dem Kulmer Umland, befanden. Dessen Loyalität zum Deutschen Orden war sich Ulrich nicht sicher. Ohne eingehende Beratung mit einem der Großgebietiger des Ordens entschied der Hochmeister am frühen Nachmittag: Unverzüglicher Angriff auf den noch immer von den litauischen Alliierten entblößten rechten Flügel des polnischen Heeres. Unter Jungingens Führung beschrieben die Banner einen weiten Bogen nach Nordosten, um dem vorgerückten polnischen Heer nach langem Anlauf in die Flanke zu fallen.

Schon während des Anrittes kam es mehrfach zu Unregelmäßigkeiten. So fielen einige Ordensritter des Rennbanners, darunter der vom Chronisten Jan Długosz namentlich erwähnte Leopold von Kötteritz[6], nach links ab, um ein abseits des Schlachtgeschehens stehendes polnisches Banner zu attackieren[20]. Unmittelbar darauf senkte der Bannerträger des Eidechsenbundes Nicolaus von Renys die Fahne[21]. Diese Handlung stellte ein vorab beredetes Zeichen dar, das Schlachtfeld zu verlassen. Teile des Bundes schwenkten ab. Welche dieser Handlungen der Hochmeister mit seinen, vom Chronisten verzeichneten Worten, zu verhindern suchte, indem er befahl:

„Herum! Herum!“

Jan Długosz, polnischer Chronist[6]

bleibt ungeklärt. Unmittelbar darauf sah sich Ulrich von Jungingen, an der Spitze der Formation reitend, einer Abwehrfront der polnischen Reiterei unter dem Ritter Dobieslaw von Olesnica[6] gegenüber. In diesem Kampf fiel Jungingen. Inwieweit unmittelbar auf die massive Attacke der 15 Banner des Hochmeisters alarmiertes Fußvolk am Tod des Hochmeisters beteiligt war, ist nicht mehr zu klären. Ohne Führung wurde die Schlacht bei Tannenberg zum Desaster für das Ordensheer.

Ulrich von Jungingens Leichnam ließ der polnische König Wladyslaw II. Jagiello würdig in die Marienburg überführen, bevor er die Belagerung der Marienburg begann. Jungingen in der traditionellen Gruft der Hochmeister unter der Sankt Annen-Kapelle der Ordensburg beigesetzt.

Rezeption

Jungingens historische Bewertung

Eine Bewertung des Hochmeisters ist heute nur noch unter dem Gesichtspunkt seines Todes auf dem Schlachtfeld und der Niederlage bei Tannenberg möglich. Schilderungen der Persönlichkeit gehen im Grunde auf Chronisten der Schlacht bei Tannenberg wie Jan Długosz sowie auf das Werk des Johann von Posilge zurück. Długosz' Chronik Banderia Prutenorum entstand jedoch erst dreißig Jahre später aufgrund der Berichte eines Teilnehmers der Schlacht bei Tannenberg. In diesen Geschichtswerken werden unter dem Aspekt der Niederlage dem gefallenen Hochmeister Eigenschaften unterstellt, die er nachweislich nicht besaß: So beschreibt Jan Długosz Ulrich als jung und heißblütig. Gerade dieser Sachverhalt wurde von der Nachwelt, sowohl von Historikern[22] als auch in der Belletristik[23], immer wieder aufgenommen. Jungingen war zum Zeitpunkt seines Todes allerdings bereits fünfzig Jahre alt, nach mittelalterlichem Verständnis demnach recht betagt.

Ulrich von Jungingen wird einerseits als tugendhaft und tüchtig beschrieben, ein klassischer Ritter des Mittelalters. Als Argument dient unter anderem sein Verhalten unmittelbar vor Tannenberg. Er verzichtet auf das Überraschungsmoment und unterließ es, die lagernden Feinde anzugreifen, bevor sie sich zur Schlacht formieren konnten. Stattdessen ließ er den gegnerischen Heerführern durch zwei Herolde jeweils ein Schwert überbringen, was traditionell unter Rittern als Aufforderung zur Schlacht galt[24]. Diese Darstellung seiner vorgeblichen Ritterlichkeit ist mittlerweile angesichts der Umstände und des Hergangs des Treffens bei Tannenberg nicht mehr haltbar[25]. Andererseits stellt das vorgeblich spontane Vorpreschen an der Spitze seiner Banner, je nach Perspektive, einen vermeintlich eindeutigen Beweis seines Mutes oder fatale Unbeherrschtheit dar.

Unbestritten ist laut Stephen Turnbull, dass Jungingen den Anforderungen an einen umsichtigen Feldherrn bei Tannenberg nicht gerecht wurde[26]. Durch die persönliche Beteiligung an der Attacke des Rennbanners ohne klare Übergabe der Führungskompetenzen an einen Stellvertreter ging das Heer des Ordens der einheitlichen Führung verlustig[27]. Die Folge war eine weitgehende Aufsplitterung der Kräfte und daraus folgend die Niederlage. Ein rechtzeitiges und geordnetes Zurücknehmen der Kräfte hätte nach gültiger Lehrmeinung zumindest in Teilen die Kampfkraft des Ordensheeres erhalten[28]. In dem Augenblick, als Ulrich von Jungingen sich an die Spitze der letzten Reserven stellte, gab der Hochmeister jegliche taktische Initiative aus der Hand, das Heer wäre auch ohne seinen Sturz führerlos gewesen[29].

Der Hochmeister in künstlerischer Darstellung

Darstellung des Todes Ulrichs von Jungingen in der Schlacht bei Tannenberg, Historiengemälde von Jan Matejko, Nationalmuseum Warschau

Herausragendes Beispiel der Darstellung Jungingens in der Bildenden Kunst ist ein Gemälde des polnischen Historienmalers Jan Matejko. Er fasste auf dieser monumentalen Darstellung der Schlacht bei Tannenberg von 4,26 x 9,87 Metern verschiedene Szenen der Schlacht zusammen. Zentral angeordnet stellt der Künstler den Schlachtentod des Hochmeisters Ulrich durch spärlich gerüstete Fußsöldner dar. Auch in der Zeit des Sozialismus von 1947 bis 1990 wurde das, eigentlichen den polnischen Adel heroisierende, Gemälde daher in Ehren gehalten. Der Mythos, der Hochmeister des Deutschen Ordens sei von einfachen Bauern erschlagen worden, ließ die Deutung des historischen Geschehens als Klassenkampf zu.

Auf preußisch-deutscher Seite erfolgte im 19. Jahrhundert bezüglich der Schlacht bei Tannenberg eine Revision des Geschichtsbildes von relativ neutraler Bewertung hin zur Darstellung einer tragischen Niederlage und damit der Sicht auf den Hochmeister. Diese Aspekte spiegeln sich eindrucksvoll im Roman Heinrich von Plauen von Ernst Wichert wider. Hier wird der heldenhaft-schöne Ulrich von Jungingen als Antagonist seines listig-hässlichen Gegenspielers Wladyslaw II. Jagiello geschildert. Auch Wichert unterstellt, dass Jungingen jünger gewesen sei als sein Protagonist Heinrich von Plauen, was nicht haltbar ist.

Der bekannte historische Roman Krzyżacy (in deutscher Übersetzung Die Kreuzritter) des späteren Literaturnobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz schildert Ulrich von Jungingen als impulsiv und kriegswütig. In der Verfilmung des Romans unter der Regie von Aleksander Ford im Jahre 1960 wird der Hochmeister in seiner Rolle als Feldherr bei Tannenberg mit negativ behafteten, sogenannten preußischen, Eigenschaften wie Militarismus, Maßlosigkeit sowie Selbstüberschätzung in Szene gesetzt. Ford stellt Jungingen zudem als hinterlistig und rücksichtslos dar[30].

Gedenken in wechselnder Zeitgeschichte

Der Jungingenstein auf einer Postkarte vor 1945

In den Jahren nach der Schlacht wurde auf Weisung des neuen Hochmeisters Heinrich von Plauen am vermeintlichen Todesort Ulrichs eine Kapelle errichtet, welche die Gefallenen des Grossen Streythes, insbesondere aber den ritterlich gefallenen Ulrich ehren sollte. Von diesem sakralen Bauwerk sind heute nur noch die Grundmauern erhalten[31]. Mit der Errichtung des Jungingensteins im Jahre 1901 wurde Ulrich von Jungingen nahe der neuzeitlich vermuteten Lokalisation seines Todes ein Denkmal in Form eines Findlings mitsamt einer Inschrift gesetzt. Die mit dem damaligen nationalistischen Zeitgeist korrespondierende Inschrift lautete: „Im Kampf für deutsches Wesen, deutsches Recht starb hier der Hochmeister Ulrich von Jungingen am 15. Juli 1410 den Heldentod“. Heute ist der Stein noch vorhanden, allerdings wurde er nach 1945 mit der Vorderseite nach unten gestürzt, die deutsche Inschrift ist daher nicht mehr lesbar. Ein Stein mit „neutralisierter“ Inschrift, auf dem nur noch der Name „Jungingen“ lesbar ist, befindet sich auf dem Areal der heutigen Tannenberg-Gedenkstätte[32]. Ob es sich dabei um die Reste des Jungingensteins handelt, ist umstritten.

In ihrer schwäbischen Heimat, der Gemeinde Jungingen, wird an die beiden Hochmeister Konrad und Ulrich unter anderem in Form der Benennung einer örtlichen Hauptstraße in Hochmeisterstrasse noch heute erinnert.

Literatur

Zeitgenössische Chroniken

  • Johannes Longinus (Jan Długosz): Banderia Prutenorum [33]
  • Jan Długosz: Annales seu Cronicae incliti Regni Poloniae (Chronik Polens, um 1445-1480).
  • Johann von Posilge: Chronik des Landes Preussen, um 1420
  • Unbekannter Verfasser: Cronica conflictus Wladislai, regis Poloniae, cum cruciferis anno Christi 1410

Quelleneditionen

  • Theodor Hirsch, Max Toeppen, Ernst Strehlke: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergang der Ordensherrschaft; Band 3-5, Leipzig 1861–1874.

Monographien

  • Walter Markov und Heinz Helmert: Schlachten der Weltgeschichte; Leipzig; Edition, 1983.
  • Erich Maschke: Domus Hospitalis Theutonicorum; Europäische Verbindungslinien der Deutschordensgeschichte. Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1931-1963. (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 10).
  • Erich Maschke: Der deutsche Ordensstaat, Gestalten seiner großen Meister; Berlin 1935
  • Alexander von Reitzenstein: Rittertum und Ritterschaft; München 1972
  • Stephen Turnbull: Tannenberg 1410, Osprey Publishing, Campaign 122, Oxford 2003, ISBN 1-84176-561-9
  • Wolfgang Sonthofen: Der Deutsche Orden; Weltbild, Augsburg 1995, ISBN 3-89350-713-2
  • Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden; Econ, München 1998, ISBN 3430-19959-X

Belletristik

Anmerkungen

  1. Erich Maschke: Der deutsche Ordensstaat, Gestalten seiner großen Meister S. 98.
  2. Erich Maschke: Der deutsche Ordensstaat, Gestalten seiner großen Meister S. 99
  3. Urkunde des Hochmeisters Konrad von Jungingen über die Passage des Komturs von Balga, Ulrich von Jungingen, nach Litauen
  4. Urkunde des Hochmeisters Konrad von Jungingen aus dem Jahr 1400 über die Teilnahme des Komturs von Balga an Verhandlungen mit dem polnischen König
  5. Urkunde von 1406
  6. a b c d e f g Johannes Longinus (Jan Długosz): Banderia Prutenorum
  7. Theodor Hirsch, Max Toeppen, Ernst Strehlke: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergang der Ordensherrschaft. Band 3, S. 287.
  8. Theodor Hirsch, Max Toeppen, Ernst Strehlke: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergang der Ordensherrschaft. Band 3, S. 287.
  9. Wolfgang Sonthofen: Der Deutsche Orden; Weltbild, Augsburg 1995, S. 119.
  10. Nach: Wolfgang Sonthofen: Der Deutsche Orden, Weltbild, Augsburg 1995, S. 136.
  11. Aufforderung an den Rat von Thorn zur Kennzeichnung ihrer Schiffe (hier allerdings im Vorfeld der Auseindersetzung mit dem Kgr. Polen zu betrachten)
  12. An den Hochmeister herangetragene Bestätigung für eine Stiftung der Gründung einer aus über 200 Personen bestehenden Bruderschaft zur Pflege der erkrankten Danziger Schiffsleute im allgemeinen und der während des Gotlandfeldzuges des Ordens (gegen die Vitalienbrüder) Verwundeten im Besonderen
  13. Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden, Econ, München 1998, S. 245.
  14. Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden, Econ, München 1998, S. 245.
  15. Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden; Econ, München 1998, S.245
  16. In der Chronik des Johann von Polsilge heißt es betreffend der Verheerung des Dobriner Landes durch das Ordensheer: "langsam mag vorwindin" ((die Schäden) sind nur schwer zu verwinden) ;in: Ernst Strehlke: Scriptores rerum Prussicarum Bd. 3, S. 39
  17. Johann von Posilge: Chronik des Landes Preußen Referenzfehler: Ungültiger Parameter in <ref>.
  18. Alexander von Reitzenstein: Rittertum und Ritterschaft, S. 204.
  19. Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden, S. 254.
  20. Bei dieser Reitergruppe befand sich laut Jan Długosz der polnische König Wladyslaw II. Jagiello; Wie sich ein Angriff der gesamten Banner des Hochmeisters auf das Schlachtgeschehen ausgewirkt hätte, bleibt Spekulation
  21. Johann von Posilge: Chronik des Landes Preussen
  22. Walter Markov und Heinz Helmert: Schlachten der Weltgeschichte, S. 230
  23. Henryk Sienkiewicz: Krzyżacy; [Die Kreuzritter] sowie Ernst Wichert: Heinrich von Plauen
  24. Wolfgang Sonthofen: Der Deutsche Orden; Weltbild, Augsburg 1995, S. 137.
  25. Stephen Turnbull: Tannenberg 1410, S. 49
  26. Stephen Turnbull: Tannenberg 1410, S. 55.
  27. Stephen Turnbull: Tannenberg 1410, S. 55.
  28. Stephen Turnbull: Tannenberg 1410, S. 56
  29. Stephen Turnbull: Tannenberg 1410, S. 56.
  30. Szenen aus der Schlacht bei Tannenberg und Darstellung des Hochmeisters im polnischen Spielfilm Krzyżacy 1960
  31. Aktuelle Bilder; u.a. die Ruinen der Kapelle von 1411 und das Fragment des vorgeblichen Jungingensteins
  32. Aktuelle Bilder; u.a. die Ruinen der Kapelle von 1411 und das Fragment des vorgeblichen Jungingensteins
  33. Beschreibung der Flaggen und auch der Kriegsereignisse von 1410/11, um 1448. Eine bedingt zeitnahe Darstellung der Ereignisse; die Niederschrift entstand erst 38 Jahren später nach mündlicher Überlieferung eines Schlachtteilnehmers. Trotz verschiedener heraldischer Fehler in den Beschreibungen der einzelnen Banner (Fahne) ist es doch gerade das Verdienst dieses Werkes, eine Beschreibung in der Schlacht verwendeten Banner in Bildform bis in unsere Zeit überliefert zu haben


VorgängerAmtNachfolger
Konrad von JungingenHochmeister des Deutschen Orden
14071410
Heinrich von Plauen


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