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Ehebruch

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In der Ethnologie und der Anthropologie wird als Ehebruch das Eingehen gesellschaftlich nicht geduldeter außerehelicher Beziehungen definiert. In Europa versteht man unter Ehebruch meist eine außereheliche sexuelle Beziehung zwischen zwei Personen, wobei wenigstens eine der beteiligten Personen mit einer anderen Person verheiratet ist.

Beim Ehebruch handelt es sich nicht zwangsläufig um eine sexuelle Beziehung. Es gibt Gesellschaften, in denen außereheliche sexuelle Beziehungen verheirateter Personen mit anderen Personen als dem rechtmässigen Ehepartner erlaubt sind. In vielen anderen Gesellschaften sind solche Beziehungen jedoch verboten und werden sehr streng sanktioniert. Die Strenge der Sanktionen hängt jeweils von der Art der Heiratsbeziehung sowie dem religiösen und/oder moralischen Umfeld ab.

In Deutschland beispielsweise ist Ehebruch zwar als Verletzung der aus der Ehe folgenden Verpflichtung zur vollständigen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) verboten, wird aber nicht strafrechtlich sanktioniert. Die staatliche Gesetzgebung definiert hier den Vollzug des Geschlechtsaktes als Ehebruch.

In manchen Gesellschaften hat sexuelle Treue einen sehr hohen Stellenwert, in anderen ist sie eher von sekundärer Bedeutung. Vor allem in Gesellschaften mit einer Ideologie der männlichen Kontrolle über die weibliche Sexualität und Reproduktivität wird Ehebruch durch die Frau streng bestraft. In Gesellschaften hingegen, in denen der biologischen Vaterschaft keine grosse Bedeutung beigemessen wird (es handelt sich dabei ausnahmslos um matrilineare Gesellschaften, d.h. solche, in denen die Verwandtschaftszugehörigkeit über die Mutter läuft), gilt der sexuelle Ehbruch als "minderschweres Delikt". In ein und derselben Gesellschaft können unterschiedliche, sich teilweise sogar sich gegenseitig ausschließende Konzepte des Ehebruchs vorkommen.

Ehebruch in ausgewählten Kulturen

Christentum

Im Christentum beispielsweise vertreten bestimmte Repräsentaten der Kirche die theologische Position des Augustinuns, dem zufolge bereits "unkeusche Gedanken" als Ehebruch gewertet werden.

Toba-Batak (Nord-Sumatra, Indonesien)

Die patrilinear lebenden Toba-Batak definieren den Ehebruch - auch Sicht der Mannes - als die Inbesitznahme einer Frau, die noch unter der Autorität eines legitimen Ehemannes oder ihrer Herkunfts-Lineage steht. Es gibt verschiedene Schweregrade des Ehebruchs. Dabei wird unterschieden, ob die Frau die Verlobte eines anderen Mannes ist, oder eine Witwe, die sich noch nicht mit einen Mann aus der Verwandtschaft ihres verstorbenen Mannes wiederverheiratet hat, oder eine Frau, die schon lange keinen regelmäßigen Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann hatte (und deshalb im Zustand der Trennung lebt), oder eine Frau, die regelmäßig Verkehr mit ihrem legitimen Ehemann hat, ist. Vor allem Letzeres wird mit den schwersten Sanktionen geahndet.

Neben diese Unterscheidungen des Ehebruchs wird auch die Existenz (oder Nichtexistenz) von Nachkommen in Betracht gezogen. Ehebruch mit einer Frau, die bereits Kinder mit einem anderen Mann hat, wird schwerer gewichtet, als Ehebruch mit einer jungen und kinderlosen Frau.

Für jede Art des Ehebruchs haben die Toba-Batak eine eigene Bezeichnung.

Soma Manu'a (Samoa)

Die Anthropologin Margaret Mead hatte 1928 behauptet, dass sexueller Ehebruch bei den Samoanern nicht als ernste Verfehlung angesehen werde, nicht das Weiterbestehen von Beziehungen bedrohe und es auch keine gesellschaftlich institutionalisierten Sanktionen gäbe.

Derek Freeman widerlegte Mead jedoch 1983 und hielt fest, dass der Ehebruch in Samoa sehr wohl ein schweres Verbrechen darstellt und deshalb auch mit entsprechenden Sanktionen geahndet wird. Diese gehen - je nach Schweregrad des Ehebruchs - von Tötung über Verstümmelung, Verbannung und Landkonfiszierung. Auf Samoa herrscht sowohl ein Jungfräulichkeitskult, um die weibliche Sexualität und Reproduktivität zu kontrollieren sowie ein hoher Wert der ehelichen Treue.

Cayapa (Equador)

Bei den Cayapa-Indianern gilt der sexuelle Ehebruch als verabscheuungswürdige Tat. Sie sind überzeugt, dass bei jedem Ehebruch die Frau die aktive Rolle übernimmt (und somit die Verantwortung für die Verfehlung trägt). Als "strafmildernde Faktoren" gelten das Alter und der Zivilstand der Frau. Eine junge, alleinstende Frau, die mit einem verheirateten Mann Ehebruch begeht, muss nicht zwangsläufig bestraft werden, da ihr Verhalten als Ausdruck der Suche nach einem Mann interpretiert wird. Anstatt sie zu bestrafen, sucht die Gemeinschaft dann nach einem geeigneten Ehemann für die Frau.

Basongye/Bala (Zaire)

Bei den Basongye/Bala wird für "Konkubine" und "Ehebruch" dieselbe Bezeichnung verwendet. In jedem Fall wird der Mann als aktiver Part beim Ehebruch betrachtet, denn Frauen werden als zu machtlos und einflusslos angesehen, um einen Mann zum Ehebruch bewegen zu können. Ehebruch durch verheiratete Männer mit verheirateten Frauen wird schwerer gewichtet (und bestraft), als Ehebruch mit unverheirateten Mädchen.

Im 19. Jahrhundert rächten sich betrogene Ehefrauen, indem sie ihren Mann beim "Eigentümer" der Ehebrecherin anschwärzten. Dies konnte schlimme Konsequenzen nach sich ziehen, wenn dieser von höherem gesellschaftlichem Stand als der Ehebrecher war. Der betrogene Ehemann hatte das Recht, den Ehebrecher zu töten (heute ist dies nicht mehr der Fall).

Heute ist es so, dass wenn das Paar ein Jahr oder länger getrennt lebt und die Frau schwanger wird, das Kind als "Kind von irgendwem (mwana a sanga) bezeichnet wird, jedoch trotzdem als legitimes (eheliches) Kind des Ehemannes behandelt wird. Für die Männer der Basongye/Bala gilt es als normal, dass eine Frau Ehebruch begeht, wenn ihr Ehemann ihr während so langer Zeit nicht beiliegt - der Ehebruch der Frau wird also in diesem speziellen Fall toleriert.
Wenn nun aber ein Kind aus einer solch ausserehelichen Beziehung stirbt, kommt es zu einem Gottesurteil. Die Frau muss ihrem Ehemann den Namen des biologischen Vaters nennen. Der Ehemann produziert einen Gürtel aus Palmblättern, den sich der biologische Vater anziehen muss. Anschliessend muss sich dieser über die Leiche des Kindes stellen. Fällt der Gürtel ab, gilt der Mann als Schuldig. In diesem Fall steht es dem Ehemann frei, sich an dem Ehebrecher zu rächen (heute bringt er ihn vor Gericht).

Männer haben das Recht, Ehebruch als Scheidungsgrund anzugeben - betrogene Frauen hingegen haben dieses Recht nicht. Wenn eine Frau mit ihrem Geliebten durchbrennt, gilt die Ehe ebenfalls als geschieden. Die Kinder (auch diejenigen, die durch den Ehebruch entstanden sind), werden in den meisten Fällen dem legitimen Vater (also dem betrogenen Ehemann) zugesprochen.

Literatur

  • Marshall, Donald S./Suggs, Robert C. (ed.): Human Sexual Behavior. Variations in the Ethnographic Spectrum. London, Basic Books, 1971.