Chersones (Stadt)
Die antike Stadt Chersones (griechisch Halbinsel) liegt am Südufer der grössten der insgesamt 38 Buchten von Sewastopol (Sewastopol’skaja buchta) geschützt hinter einigen Hügeln. Die zweitgrösste Stadt der Krim wiederum liegt am äussersten Südwestzipfel der Halbinsel am Schwarzen Meer.
Urgeschichte
Die Halbinsel Krim war schon in der Urgeschichte das gelobte Land. Vor 300'000 Jahren sollen frühe Vertreter der menschlichen Rasse in Höhlen und den Grotten auch bei Chersones gesiedelt haben.
Zuerst griechischer Stadtstaat
Im Jahre 422 vor Christus entstanden die ersten griechischen Kolonien auf der Krim. Sie vertrieben die als räuberisch geltenden Taurier und errichteten griechische Festungen mit dazu gehörenden Häfen. Sie bauten nachweislich auf der Krim auch erstmals Wein an, sowie Getreide und Obst – und sie führten die Demokratie ein.
Dabei wurde die Krim geografisch aufgeteilt: Die Kolonisten aus Milet gründeten Feodossija, Pantikapaj, Mirmekij und Nimphej auf der Kerc-Halbinsel im Osten der Krim am Azovschen Meer, während Kolonisten aus Heraklea den Südwesten der Krim besiedelten. Hier entstand Kerkintida (heute Jewpatoria), Kalamita (heute Sewastopol), Kalos-Limen (heute Tschernomorskoje) und eben Chersones.
Im 2. Jahrhundert vor Christus, als die Skythen die Griechen angriffen, konnte sich die griechische Polis (altgriech. Stadtstaat) Chersones nicht mehr alleine beschützen und musste deshalb den König von Pontos um Hilfe bitten. Dabei verlor das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der südwestlichen Krim seine Unabhängigkeit – und bald darauf auch seine demokratische Regierungsform.
Römischer Vorposten und Chasaren-Khanat
Im Jahre 63 nach Christus riefen nämlich die Stadtbewohner von Chersones römische Legionäre zum Schutz vor den Barbaren. Die Römer machten kurzen Prozess - mit den Barbaren und mit der Demokratie. Chersones wurde dem römischen Imperium einverleibt und diente von nun an als Vorposten der römischen Eroberungspolitik am Nordufer des Schwarzen Meeres.
Der von der Griechen und Römern eingeleitete wirtschaftliche Aufstieg von Chersones dauerte trotz Eroberungszügen verschiedener Völker bis zum 8. Jahrhundert an, bis das Turkvolk der Chasaren die Halbinsel eroberten. Dabei wurde Chersones teilweise zerstört und verbrannt, überlebte aber nicht zuletzt durch den starken Einfluss des Christentums weitere 1’000 Jahre.
Ausgangspunkt des Christentums in Europa

Schon kurz nach seiner Entstehung war das Christentum in Chersones präsent. Und im 4. Jahrhundert erhob man das Christentum zur offiziellen Religion in Chersones, das nach der Römerzeit ein christlicher Vorposten des byzantinischen Reichs war. Von hier aus wurde das Christentum auf der Krim, später in ganz Russland und dem Rest Europas bis zur Iberischen Halbinsel verbreitet. Während der so genannten Ikonen-Periode strömten viele verfolgte Ikonen-Verehrer auf die Krim und bauten dort Klöstern und Kathedralen.
Die Taufe Russlands
Im Jahre 988 eroberte der Kiewer Grossfürst Wladimir die Stadt Chersones. Er liess sich hier in einer der Kirchen taufen. Heute ist dieses religiöse Ereignis als die "Taufe Russlands" (und gleichzeitig als eigentliches Geburtsdatum der russischen Kunst) bekannt. Russland wurde damals zum orthodoxen Christentum bekehrt.
1783 hat Zarin Katharina II. neben Chersones die Stadt Sewastopol gegründet - und glücklicherweise das antike Chersones nicht abgerissen oder überbaut. Etwa 1820 begannen russische Archäologen mit Ausgrabungen und legten Teile der Stadt frei. Die sowjetische Schwarzmeerflotte war dann weniger rücksichtsvoll als Katharina II., sie errichtete mitten im Ausgrabungsfeld militärische Bauten, die aber heute wieder abgebaut sind.
Heute ein bedrohtes Weltkulturerbe

Heute kann man das archäologische und historische Freilandmuseums "Chersones von Tauria" gegen Eintrittsgeld besichtigen. Im Sommer findet hier im frei gelegten Amphitheater das jährliche Theaterfestival "Die Spiele von Chersones" statt. Seit 1996 ist Chersones eines der wertvollsten – und gleichzeitig eines der am stärksten bedrohten - Weltkulturerbe der UNESCO. Auf der Liste der 100 am meisten bedrohten Kulturstätten der Welt des World Monument Fund schafft es Chersones mit schöner Regelmässigkeit auf die vorderen Plätze.
Zwischen den malerischen Ruinen und der Wladimir-Kathedrale reissen auch schon mal Bagger die Erde auf, um auf diesem historischen Boden Ferienhäuser zu bauen. Nicht viel sensibler geht die Grabräuber-Mafia vor, welche sich ungeniert aus dem Fundus der Antike bedient und Grabfunde teuer an Sammler aus dem Westen verkauft.
Und was die Bagger und die Grabräuber-Mafia nicht schaffen, das erledigen russische und ukrainische Touristen jeden Sommer, wenn sie im ehemaligen Zentrum der antiken Stadt eigenhändig "Ausgrabungen" veranstalten und wertvolle Bauteile nach Hause nehmen oder einfach zerstören.