Zum Inhalt springen

Allaussöhnung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. März 2005 um 15:59 Uhr durch Emes (Diskussion | Beiträge) (Geschichte: nicht neutrales wieder entfernt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Allaussöhnung bezeichnet eine Bibelauslegung, nach der sich letztlich Gott mit den Menschen und die Menschen sich mit Gott versöhnen werden, also eine gegenseitige Versöhnung aller Geschöpfe mit dem Schöpfer, die nach diesem Verständnis erst durch die Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi möglich wurde.

Begriffsklärung

Neben Allaussöhnung werden auch die Begriffe Allversöhnung, christlicher Universalismus oder Apokatastasis ("Wiederbringung Aller" (WA); griechisch: Apokatastasis panta) (oft auch synonym) verwendet:

  1. Allaussöhnung – Die Lehre einer Allaussöhnung stützt sich auf die neutestamentliche Aussage, dass Gott in Zukunft das All mit sich aussöhnen wird. (Kol. 1:20). Zentral in diesem Zitat ist das Verb aussöhnen (gr. apokatallasso pas), im Gegensatz zu versöhnen (gr. katallasso) oder sühnen (gr. hilaskomai). "Apokatallasso pas" kann nach Wortteilen übersetzt mit "Herab-ab-ändern des Alls" oder "gründliche Veränderung/Wechsel des Alls" wiedergegeben werden. Mit "pas" kann in der Auslegung von Anhängern der Allversöhnung nur die Menschheit gemeint sein, da die Versöhnung mit leblosen Dingen unmöglich ist.
  2. Allversöhnung – Der auch oft fälschlicherweise synonym verwendete Begriff Allversöhnung wird dabei einseitig gesehen und nach folgender Stelle als schon geschehen betrachtet: "Denn wenn wir, als wir Feinde waren (als Nichtchristen), mit Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt (gr. katallasso) wurden, wieviel mehr werden wir, nun versöhnt (gr. katallasso) in Seinem Leben gerettet werden!" (Römer 5:10). Von Aussöhnung kann demnach erst bei einer beidseitigen Versöhnung gesprochen werden; Allversöhnung ist in diesem Sinn die schon geschehene Vorbereitung der Allaussöhnung.
  3. Apokatastasis – Der Begriff Wiederbringung Aller oder Apokatastasis entstammt Apostelgeschichte 3:21 "Ihn (Jesus) muss der Himmel aufnehmen bis auf die Zeit, da alles wiedergebracht wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anbeginn". Im Unterschied zur Allaussöhnung, die von einem noch einzigartigen Endzustand ausgeht (also nicht von einer Wiederbringung redet), spricht diese Stelle nach Meinung vieler Ausleger von der Wiederherstellung der Theokratie im 1000-jährigen Reich. Die Verkündung der Allaussöhnung wird statt dessen vor allem bei dem Apostel Paulus gesehen, der daher auch von der Enthüllung eines Geheimnisses redet (z. B. Römer 16:25 ff).

Biblische Grundlage

Die Lehre der Allaussöhnung befasst sich mit dem Ausgang der Menschheitsgeschichte und sieht diese als Heilsgeschichte, durch die Gott Sein Heil bewirkt.

Nach dieser Auslegung ist die Allaussöhnung geschehen, wenn sich erfüllt hat: "Alles hat sich Christus untergeordnet" (1. Kor. 15:25-28, siehe auch Kol. 1:15-17; Eph. 1:9,10,20-23, Phil. 3:21), "damit in dem Namen Jesu sich jedes Knie beuge" und jede Zunge huldige: "Herr ist Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters" (Phil. 2:11, Jes. 45:23-24), was nur in Heiligem Geist möglich ist (1. Kor. 12:3). Diese Ausleger wollen sich darin auf "den lebendigen Gott verlassen, welcher der Retter aller Menschen ist" (1. Tim. 4:10, siehe auch 1. Tim. 2:4).

Aus Sicht der Befürworter wurde die Allaussöhnung also erst durch den Tod und die Auferstehung Jesu möglich (was nur deswegen so bedeutungsschwer ist): "Demnach nun, wie es durch die eine Kränkung Adams für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es auch durch den einen Rechtsspruch durch Jesu Tod für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens" (Römer 5:18; 1. Kor. 15:22). Das Handeln Gottes wird in diesem Heilsverständnis als ausschlaggebend gesehen, und umschliesse auch den Widerspruch der Menschen auf dem Weg hin zum Ziel (Römer 11:32).

Als Weg zu diesem Ziel Gottes wird für bis dahin ungläubig gebliebene Menschen das letzte Gericht gesehen. Diese würden nach Offenbarung 20:11 ff. auferstehen, um vor dem "großen weißen Thron" gerichtet zu werden, entsprechend ihrer Werke (Offb. 20:13). Gericht wird dabei im Sinn einer "Ausrichtung", "Richtigens" oder "Rechtmachens" als eine Maßnahme ausgelegt, durch die nach göttlicher Rechtsnorm, aufgrund der Gerechtigkeit Gottes, die Zurechtbringung des Menschen erfolge (Ps.82:3; Sach.7:9; 5.Mose 16:18; Ps.37:33, Joh.5:22f.). Sie würden dort Jesus als Ihren Herrn erkennen können. Nach diesem Gericht kommen sie in den zweiten Tod: den See des Feuers (Offb. 20:15). Anhänger der Allversöhnung sehen in der Bibel keinen Zusammenhang von Qualen für Menschen mit dem zweiten Tod (die Vorstellung der Hölle wird von ihnen als unbiblisch abgelehnt). Oft wird "Feuersee" dabei als Bild für die reinigende Präsenz Gottes ausgelegt; denn in u.a. Heb. 12:29 ist die Rede davon, dass Gott selbst "verzehrendes Feuer" ist. Der zweite Tod aus dem Buch Offenbarung dauere den letzten Äon an (Offb. 21). Nach dem Abschluss aller Äonen werde auch dieser Tod, als letzter aller Feinde Gottes, unwirksam gemacht (1. Kor. 15:26) und somit dieser Zustand beendet. Dann werde Gott "alles in allen sein" (1. Kor. 15:28).

Geschichte

Die grundsätzliche Sicht der Allaussöhnung kam im Christentum immer wieder vor. Die Ablehnung der Lehre von der Hölle (endlose Qual) bzw. der Vernichtungslehre (endloser Tod), die von den Zeugen Jehovas und manchen evangelikalen und modernen Theologen vertreten wird, verbindet die Vertreter dieser Lehre in verschiedenen Zeiten.

Historiker und Religionswissenschafter nehmen an, dass die Vorstellung der Hölle als Strafanstalt aus heidnischen oder jüdischen Vorstellungen abgeleitet ist. Mögliche Einflüsse vermuten sie aus der skandinavischen Mythologie (der deutsche Begriff Hölle kommt vom Namen der Göttin Hel, spielte allerdings in der griechischen lateinischen Theologie kaum eine Rolle), dem Kult des Zoroastrismus (der neben einer zeitlich begrenzten Hölle auch eine Wiederherstellung der Welt vertritt) oder im Mithraskult und aus dem jüdischen apokryphen Buch Henoch, das nicht zur Bibel gehört.

Apokatastasis wurde zuerst ausdrücklich in Alexandria von Clemens von Alexandria und Origenes (185-254 n. Chr.) gelehrt. Clemens von Alexandrien betrachtete Rache als etwas, was nicht zu Gottes Wesen passe. Rache ausüben wäre nichts anderes als "Böses mit Bösem zu vergelten, wohingegen Gott den Gezüchtigten um seines eigenes Wohles willen züchtigt". Origenes meinte: "Und ich bin der Überzeugung, dass er (Gott) die Lasterhaftigkeit auch in geordneter Weise (einmal) ganz und gar vertilgt, zum Heile des Ganzen." und "Wie es bei den körperlichen Krankheiten und Wunden einige gibt, die durch keine ärztliche Kunst geheilt werden können, so ist es andererseits, wie wir behaupten, unwahrscheinlich, dass bei den Seelen ein von der Sünde herstammendes Gebrechen vorhanden sei, das unmöglich von der über allen waltenden Vernunft und von Gott geheilt werden könnte." Dieser Grundgedanke wurde vom Kirchenvater Gregor von Nyssa (335-394) geteilt. Er sagte, dass "es nicht hauptsächlich und primär Strafe ist, was Gott den Sündern auferlegt, sondern Er handelt ..., nur um das Böse von dem Guten zu trennen und es in die segensvolle Gemeinschaft zu ziehen". Die hier angesprochene Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft, die so aussehen wird, dass alle Geschöpfe "in ihrem Verlagen und Wünschen dasselbe Ziel (nämlich Gott) haben werden und dieses Ziel auch (an)schauen werden, und zwar ohne das noch irgendwas Böses in ihnen anzutreffen wäre".

Im vierten Jahrhundert wurde diese Lehre auch von anderen Kirchenvätern, wie Didymus der Blinde, Diodor von Tarsus und Theodor von Mopsuestia) gelehrt. Durch Theodor von Mopsuestias Liturgie wurde sie in der Assyrischen Kirche des Ostens übernommen, wo sie bis heute zur Liturgie gehört.

Starker und auch bis heute äußerst einflussreicher Gegner dieser Sicht war der Rhetoriklehrer und Kirchenvater Augustinus (354-430) mit seiner Erbsündenlehre einen entgegengesetzten Ansatz vertrat: Jeder Mensch ist von der Zeugung an böse und kann nur durch die Taufe von diesem Urübel befreit werden. Daher kann es für Ungetaufte keine Rettung (Versöhnung mit Gott) geben.

Die gegenteilige Sicht (vertreten beispielsweise durch die byzantinische Orthodoxie) ist, dass durch Adam der Tod vererbt wurde (der zur Sünde führte: Römer 5:12), was aber gerechterweise auch wieder durch Jesus aufgehoben wird (Römer 5:18, 1.Kor.15:22).

Der Kirchenlehrer Hieronymus (gest. 420) schrieb in seiner Erklärung des Propheten Jesaja, die Verdammten würden später reichlicher Tröstungen teilhaftig, aber das müsse geheimgehalten werden, damit die Gläubigen aus Furcht vor den ewigen Höllenstrafen nicht sündigen.

Am Rande des zweiten Konzil von Konstantinopel (fünftes Ökumenisches Konzil), dessen Hauptthema die Christologie war, wurde die Lehre der Apokatastasis zusammen mit anderen Lehren der Origenisten verurteilt: "Wer behauptet, die himmlischen Mächte, alle Menschen, der Teufel und die bösen Geister würden sich mit Gott untrennbar vereinen, so wie jener göttliche Geist, den sie Christus nennen, der von göttlicher Gestalt war und sich, wie sie sagen, entäußerte (Phil. 2,6 f), und dadurch werde es ein Ende des [jetzt noch gespaltenen] Königtums Christi geben - den treffe der Bannfluch!" Auch im Athanasischen Glaubensbekenntnis aus dem 6. Jahrhundert wird Andersdenkenden mit "ewigem Feuer" gedroht. Damit war das Schicksal der Lehre von der Erlösung aller Menschen für lange Zeit besiegelt. Auch die Reformatoren ingesamt wollten sich nicht von der Höllenlehre trennen (Confessio Augustana von 1539, art. 17; Confessio Helvetica posterior von 1566, art.7).

Anselm von Canterbury (um 1033 bis 1109) schrieb auch erst hunderte Jahre später: Göttliche Güte ist so groß, wie sie größer nicht gedacht werden kann und Gottes Gerechtigkeit muss mit grenzenloser Barmherzigkeit gleichgesetzt werden. Auch der bedeutende irische Theologe Johannes Scotus Eriugena (9. Jh.) vertrat in seinem Werk den Universalismus.

Während der Reformation vertraten zwar Martin Bucer (1491-1551) und der deutsche Täuferführer Hans Denk (1495-1527) einen Universalismus, blieben jedoch in der Minderheit. Stärkere Verbreitung fand die Sicht der Allaussöhnung erst wieder in der Folge der Aufklärung, z.B. bei Johann Kaspar Lavater. Der Superintendent Johann Wilhelm Petersen (1649-1727) führt folgende klassische Definition an:

Es ist das ewige Evangelium eine fröhliche Botschaft von der Wiederbringung aller, da verkündigt wird, wie dass alle Kreaturen, sie seien im Himmel, auf Erden und unter der Erden, im Meer und in allen Tiefen, doch eine jegliche in ihrer von Gott bestimmten Zeit und Ordnung nach ergangener Läuterung hier in dieser Zeit oder in den zukünftigen Äonen nach rückstelligen Gerichten auf die allergerechteste Art und Weise des gerechten und gütigsten Gottes durch Jesum Christum, den Anfang und Ende der Kreatur, den Wiederbringer aller Dinge, Versöhner und Friedenmacher, von der Sünde und Strafe der Sünden sollen errettet und in den vorigen Zustand, darin sie waren, ehe die Sünde war, und noch in einen besseren zum Preis, Ehre und Herrlichkeit des allerheiligsten und allmächtigen Schöpfers versetzt und wiedergebracht werden.

Auch die Hauptströmungen der biblischen Reformbewegung des Pietismus (ab 1650), vertreten durch Christian Gottlieb Pregitzer ( gest. 1824), Michael Hahn (gest. 1819), Friedrich Christoph Oetinger (gest. 1782) [33; S.123], Johann Albrecht Bengel (gest. 1752), Jung-Stilling (gest. 1817) und die beiden Blumhardts, Vater (gest. 1880) und Sohn (gest. 1919) lehrten die Allaussöhnung. Durch die missionarischen Bestrebungen von George de Benneville und den deutschen Täufergruppen kamen diese Auslegungen auch nach Nordamerika, wo sie dann vor allem durch Unitarier großen Einfluss gewannen. Einige Zeit später (1867) veröffentlichte Andrew Jukes sein Buch The Restitution of all Things (Die Wiederherstellung aller Dinge).

Obgleich mittlerweile wieder in vielen unterschiedlichen christlichen Gemeinden aller Art Christen die Aussöhnung Aller vertreten, bekennen sich nur wenige Gruppen geschlossen dazu, wie die Geistchristliche Kirche, die ehemalige Universalist Church of America (1793-1961), die Bibelkonferenzstätte Langensteinbacher Höhe (Hartmut Maier-Gerber, Karl Geyer, Manfred Mössinger), die Freunde Konkordanter Wortverkündigungin Deutschland und den USA, die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Berlin-Hasenheide sowie die niederländische Gemeinde Eben-Haëzer in Rotterdam.

In jüngerer Zeit haben sich Männer wie der "der Bund gläubiger Lehrer und Akademiker" (Walter M. Borngräber, Adolph Heller, Karl Geyer), Heinz Schumacher, Adolph Ernst Knoch, Theodor Böhmerle, Arthur Muhl und der Bibelübersetzer Fritz H. Baader zur Allaussöhnung bekannt.

Der Theologe Karl Barth, schreibt: "Es gibt kein Recht, es sich verbieten zu lassen, dass in der Wirklichkeit Gottes immer noch mehr, als wir erwarten dürfen, dass in der Wahrheit dieser Wirklichkeit auch die überschwängliche Verheißung der endlichen Errettung aller Menschen enthalten sein möchte".

Außerdem haben auch Ernst Ferdinand Ströter, Wilhelm Michaelis, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Jürgen Moltmann ("Theologie der Hoffnung"), Hans Urs von Balthasar, Herman Schell (kath. Würzburger Dogmatiker, dessen diesbezügliches Werk "Gott und Geist" auf dem Index landete), Jonathan Mayhew, Charles Chauncey, Hosea Ballou, Charles Skinner wie auch fast alle anderen Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts die Lehre der endlosen Hölle abgelehnt.

Während die Volkskirchen zwar immer noch die Existenz der Hölle vertreten, trifft man es in der Predigtpraxis kaum mehr an. Insbesondere fundamentalistische christliche Kreise, wie in einigen Freikirchen anzutreffen, drohen aber nach wie vor offensiv mit einer Hölle.

Theologische Auseinandersetzung

Zur Frage des freien Willens des Menschen

Nach der Lehre vieler christlicher Kirchen hat Gott den Menschen einen freien Willen gegeben, um sich mindestens einmal im Leben für oder gegen Gott zu entscheiden, um in der Folge nach dem Ende der Zeiten entweder in direkter Gemeinschaft mit Gott zu verbringen oder endlos in einer Hölle gequält zu werden. Würden dagegen alle Menschen letztlich in die Gemeinschaft mit Gott geführt, würde diese angenommene frei getroffene Entscheidung nicht ausreichend respektiert. Begründet wird diese Lehre mit der These, dass Liebe auf beiden Seiten einen freien Willen erfordere. Dieser Auffassung wird besonders vom Arminianismus vertreten, der von Arminius (geb. 1559 in Holland) durch die Auseinandersetzung mit dem extremen Calvinismus entwickelt wurde, aber auch in modifizierter Form von der katholischen Kirche.

Vertreter der Allaussöhnung bestätigen, dass nach ihrer Sicht die Bibel im Widerspruch zur Lehre des freien Willen des Menschen steht und sehen auch, dass es keine daraus folgenden endlose Bestrafungen für Lebenswege gibt. Stattdessen vertreten sie, dass jeder Mensch in allem von Gott geführt wird. Wenn Gott aber will, dass alle Menschen gerettet werden (1. Tim. 2:4), indem sich Jesus als Herrn letzlich jedem zu erkennen gibt (Phil. 2:11, Jes. 45:23-24), wird jeder Mensch einmal glauben können. Menschen haben keinen freien Willen, da alle ihre Entscheidungen einem gottbestimmten Kausalgesetz unterworfen seien, was dem ungläubigen Menschen jedoch nicht bewusst sei. Einzig Gott, der Vater, ist nicht kausal und habe daher als einziger einen freien Willen (Luther: "Vom unfreien Willen").

Zur Frage der Allmacht Gottes

Gegner der Lehre von der Allversöhnung sehen in einem Verneinen der Möglichkeit einer endgültigen Verdammung eine Einschränkung der Allmacht Gottes. Der allmächtige Gott habe die Freiheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nach seinem Ermessen und nach seiner Beurteilung der Sünde auszuteilen, und der Mensch könne nicht im Voraus wissen, wie Gott sich gegenüber Gottesleugnern und Gottesfeinden verhalten wird, die eine Gemeinschaft mit Gott ablehnen.

Vertreter der Allaussöhnung sagen, dass man das sehr wohl wissen kann: Sie legen die Aussage der Bibel, dass Gott "will, dass alle Menschen gerettet werden" (1. Tim. 2:4), so aus, dass Gott dies auch wirklich will und es daher mit jedem Menschen erreichen werde, weil Gott allmächtig ist. Denn Gottes Allmacht zeige sich gerade darin, dass er durchführen könn, was er sich vorgenommen habe. Außerdem entspreche es Gottes Eigenschaften, dass er sich allen seinen Geschöpfen gegenüber barmherzig und gnädig verhalte (denn niemand kann sich selbst retten). Sie verweisen beispielsweise auf Römer 9, wo ausgesagt wird, dass selbst Gotteslästerer wie Pharao, in ihrer Ablehung von Anweisungen dennoch Gottes Wille durchführen mussten.

Zur Frage der Mission

Manche Anhänger der Höllenlehre sind auch besorgt, dass die Motivation der Missionare erlahmen könnte, denen das Christentum zu bringen, die sonst Gott nicht kennenlernen würden. Wozu sollte man das Evangelium predigen, wenn ohnehin alle erlöst würden und niemand vor einer Hölle bewahrt werden müsste?

Dem entgegnen Anhänger der Allaussöhnung mit der Frage, ob die Erwartung eines bösen Endes für einen Teil der Menschen überhaupt eine geeignete Motivation sei, anderen Menschen einen liebenden Gott nahe zu bringen. Sie meinen außerdem, dass auch mit der Drohung einer Hölle (die oft nicht mehr direkt ausgesprochen wird) Menschen nicht dazu gebracht werden können, Gott zu lieben. Betrand Russell meinte stellvertretend in "Warum ich kein Christ bin": "Ich muß sagen, dass diese ganze Lehre vom Höllenfeuer als Strafe für die Sünde eine grausame Lehre ist. Sie hat Grausamkeit in die Welt gebracht und für Generationen unbarmherzige Folgen." Vertreter der Allaussöhnung sehen sich natürlich auch in der Pflicht, anderen Menschen die wirklich frohe Botschaft von einem liebenden Gott nahezubringen - darin sehen sie sich aber als Werkzeuge Gottes, um die Allaussöhnung zu erreichen. Die Motivation, andere vor einer "Hölle" zu bewahren, sehen sie nicht als zielführend an. Auch kirchengeschichtlich ist die Behauptung abwegig, denn zu den ersten deutschen Missionaren überhaupt gehörten Pietisten (z.B. Johann Martin Mack, 17715-1784 oder Christian Gottlob Barth, 1824-1838), die die Höllenlehre als unbiblisch ablehnten.
Gegner der Allversöhnung distanzieren sich entschieden von der pauschalen Darstellung, dass sie das Evangelium als Drohbotschaft predigen würden.

Zur Frage der Gerechtigkeit Gottes

Anhänger der Höllenlehre führen die Bibelstellen im Neuen Testament auf (beispielsweise Mt. 25,31-46, wo von einer Scheidung zwischen Gerechten und Ungerechten gesprochen wird: Gerechte erhalten das ewige Leben, während Ungerechte ewig (Grundtext: jeweils äonisch) gestraft werden (V. 46). Ebenso sehen sie in der Bibel keinen Beleg für eine Läuterung nach dem Tod. Weiter meinen sie, dass die Allaussöhnung zwar Gottes Liebe betone, aber seine Heiligkeit und seine Gerechtigkeit ganz in den Hintergrund stelle.

Befürworter der Allversöhnung finden in der Bibel keinerlei Anhaltspunkte für endlosen Qualen für Menschen bzw. einer wie auch immer gearteten "Hölle". Weder im Hades (Sheol), in der Gehenna der Evangelien noch im Feuersee der Offenbarung werden Menschen endlos gequält. Dagegen sei Gottes Ziel der Allaussöhnung in der Bibel definiert (s.o.), wobei der Weg dort hin Gottes Sache sei. Sie erklären, dass "ewiges" Leben oder "ewige" Strafe falsche Übersetzungen des griechischen "aionion" = äonisch = auf Äonen (Weltzeitalter). Für sie zeige sich die Gerechtigkeit Gottes gerade dann, wenn die Menschheit aus der passiven Kollektivstrafe der Sterblichkeit durch den Sündenfall Adams wieder kollektiv und passiv befreit werde (nach Römer 5:18). Sie stellen in Frage, ob es mit Gottes Gerechtigkeit zu vereinbaren sei, wenn Gott Menschen für Sünden, die maximal ein Menschleben dauern können, eine endlose Strafe anordnen würde. Nach Meinung der Befürworter findet die Läuterung nach der Auferstehung während des Gerichts (=Richtigung, Ausrichten auf Gott) vor dem großen, weißen Thron statt (Offb. 20).
Kritiker sehen in der konsequenten Übersetzung von "aionion" mit äonisch (=Äonen-bezogen) eine Auslegung, die dem Urtext nicht gerecht wird, da das Wort aionion auch von griechischsprachigen Kirchenvätern der ersten Jahrhunderte nur teilweise in diesem Sinn und teilweise im Sinn von ewig ausgelegt (und zwar so, dass die Übersetzung wieder zum Dogma der endlosen Höllenqual passt) - analog zu herkömmlichen Übersetzungen. Zur detaillierten Auseinandersetzung mit dem Begriff "Äon" und den Kontroversen zu seiner Übersetzung siehe Äon (Theologie).

Abgrenzung zu nicht konfessionell-christlichen Sichtweisen

Die Allaussöhnung ist aufgrund der biblischen Basis eine spezifisch christliche Sicht, die es so in anderen Religionen oder Philosophien nicht gibt. Dennoch wird der Begriff aber manchmal mit folgenden Lehren in Verbindung gebracht:

Im Neuplatonismus gab es Lehren, dass der Tod für die menschliche Seele die Befreiung von der negativ gesehenen Materie ist und die Totenwelt daher ein Ort der Freiheit, nichts Negatives, wobei dieser Zustand oft durch viele Reinkarnationen erarbeitet werden muss.

Auch der Mahayana-Buddhismus geht davon aus, dass die Erlösung für alle Menschen zu erreichen ist.

Im New Age wird die Möglichkeit eines vollkommenen Kosmos, ein "universaler Superorganismus" erhofft, als Endstufe einer kosmischen und gesellschaftlichen Evolution, sie spricht auch von der Wiedervereinigung mit dem Brahman. Von Gott und Versöhnung ist auch hier keine Rede.

Religiöser Pluralismus geht davon aus, dass jede Religion einen Weg zur Erlösung und zur richtigen Beziehung mit dem Göttlichen hat, das damit allen Menschen offen steht. Ansatzweise kann dies auch in der Bewegung der Ökume erkannt werden.

Die Baha'i glauben an einen inneren Wandel im Menschen und der Gesellschaft, der die gesamte Welt wieder zur Harmonie bringen wird.

Reinkarnation, u.a. im Buddhismus, Hinduismus und im Bereich der Esoterik gelehrt, geht davon aus, dass es eine unsterbliche Seele (bzw. im Buddhismus wirksame Seinsfaktoren) gebe, die sich aus eigener Kraft in immer neuen Leiderfahrungen langsam läutert.

Im Pantheismus ist das Göttliche letztlich die einzige Wirklichkeit - Menschen müssen ihre Unwissenheit überwinden und erkennen, dass sie Gott bzw. ein Teil Gottes sind. Diese Weltsicht wird, mit einigen Abweichungen, u.a. von Teilen im Hinduismus, Anthroposophie, Unitariern, Christlicher Wissenschaft und Ein Kurs in Wundern vertreten.

Synkretismus, die Vermischung von Elementen aus verschiedenen Religionen, wird manchmal fälschlicherweise auch mit Universalismus gleichgesetzt, hat jedoch nichts damit zu tun.

Literatur

Pro

  • Paul Petry: Allaussöhnung, Tod und letzte Dinge. Konkordanter Verlag Pforzheim, 1986, ISBN 3-88475-011-9
  • Ernst F. Ströter: Das Evangelium Gottes von der Allversöhnung in Christus. Chemnitz, Verlag von Gottlob Könzle, 1915 - Neuauflage 2002: Philemon-Verlag Mülheim/Ruhr, ISBN 3-936461-00-7
  • Wilhelm Michaelis: Versöhnung des Alls - Die frohe Botschaft von der Gnade Gottes. Grümlingen/Bern, Verlag Siloah, 1950
  • Heinz Schumacher: Versöhnung des Alls - Gottes Wille. 3. Auflage. Paulus-Buchhandlung KG, ISBN 3-87618-092-9

Contra

  • David Hilborn (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Hölle, Brunnen, Gießen, Basel, 2004, ISBN 3-7655-1322-9
  • A.E. Wilder-Smith: Allversöhnung - Ausweg oder Irrweg?, Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart, 1985, ISBN 3-7751-0368-6
  • W. J. Ouweneel: Ende gut - alle(s) gut? - Gibt es eine Allversöhnung?, 1993, CLV, ISBN 3-89397-708-2
  • Andreas Symank: Werden alle Menschen gerettet?, Immanuel Verlag, Riehen/Schweiz, ISBN 3-952-1157-0-3