Häuptling
Das Wort Häuptling wurde im 17 Jahrhundert vor dem Hintergrund des Kolonialismus erfunden. Mit diesem Begriff wollte man sich aus der Position des Eroberers von Machthabern in kolonalisierten Gesellschaften absetzen. Zugleich diente der Begriff dazu, zwischen den verschiedenen kulturellen Ausprägungen fremder, wilder Gesellschaften und deren politischen Systemen nicht differenzieren zu wollen (Homogenisierung). Die als Haupt einer Gesellschaft Wahrgenommenen sollten durch das angefügte verniedlichende Suffix ling (vgl. Mischling, Lehrling, Feigling etc.) herabgewürdigt werden. Eigenbenennungen der Kolonialisierten wie Eze, Sultan u.a. wurden somit sprachlich ignoriert. Dieser Prozess setzte sich auch in der Antropologie bis heute fort.
So ist es auch in der Antropologie durchaus üblich noch von ‚’Naturvölkern’’ und Stämmen zu reden, wenn in Gesellschaften im Gegensatz zu Europa kein ausgeprägtes Staatswesen existiert, und die Machthaber als Häuptlinge zu bezeichnen.
Diese Leitungsfunktion kann sich über gesellschaftliche, politische, militärische und religiöse Felder erstrecken. Je nach Kultur wird die Funktion eines Häuptlings von einem Mann, einer Frau oder unabhängig vom Geschlecht wahrgenommen. Hier wird mit dem Begriff H. auch eine geschlechtliche Homogenisierung vorgenommen.
H. verdanken ihre Würde ihrer Abstammung (Herkunft), ihrem persönlichen Besitz oder ihrer persönlichen Überlegenheit als Krieger, Jäger oder Redner. Die Machtfunktion, der H. wurde aus dem eurozentristischem Blickwinkel oft undifferenziert wahrgenommen. Reine Repräsentanzfunktionen oder das Prinzip Gleicher unter Gleichen wurden mit dieser Perspektive eingeebnet.
Mit diesem Blick der Eroberer auf die ihr fremde Zivilisation ging auch eine zweite Ebene der Herabsetzung und Homogenisierung einher: Das zu erobernde Gegenüber wurde auf die gleiche Entwicklungsstufe gesetzt, wie die eigene Vorgeschichte. Ein gutes Beispiel zeigt sich in der Übersetzung lateinischer Texte über die germanischen Gesellschaften. So schreibe Tacitus in den Volksversammlungen gewählten (sic!) germanischen Häuptlingen Rechtsprechung und einfache exekutive Aufgaben zu, soweit sie nicht vom Volke selbst erledigt werden (Quelle). Allerdings spricht Tacitus von principes und die Übersetzung dieses Wortes in Häuptlinge entspricht dem Kolonialenzeitalter.
Die Bezeichnung Indianer ist eng mit der kolonialen Begriffsgeschichte des Begriffs Häuptling verbunden.
Repräsentanten indegener Gesellschaften, die noch heute mit dem Begriff Häuptlinge belegt werden sind u.a.:
- Cochise
- Crazy Horse
- Dull Knife
- Geronimo
- Godasiyo
- Pine Leaf (genannt "Woman Chief")
- Rain in the Face
- Sitting Bull (Fremdbezeichung) Eigenbezeichnung: Tatanka Yotanka
- Tecumseh
Siehe auch: Liste berühmter Indianer
Literatur
- Susan Arndt und Antje Hornscheidt (Hg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2004, ISBN 3-89771-424-8