Pius XII.
Pius XII. (bürgerlicher Name Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli, * 2. März 1876 in Rom, † 9. Oktober 1958) war Papst von 1939 bis 1958.

Leben
Er wurde am 2. März 1876 in Rom als Sohn eines Dekans des vatikanischen Anwaltskollegiums geboren. Pacelli studierte ab 1894 Theologie und promovierte 1901 oder 1902 zum Dr. jur. Pius schlug aber nicht nach Familientradition die Juristenlaufbahn ein, sondern ließ sich 1899 zum Priester weihen.
Pacelli durchlief eine Reihe Ämter innerhalb des römischen Klerus, im Diplomatischen Dienst, unter anderem war er Professor für kanonisches Recht am päpstlichen Institut Apollinaire und von 1909 bis 1914 Professor für kirchliche Diplomatie an der Päpstlichen Diplomatenakademie (Akademie für höhere Kirchenlehre in Rom).
Pacelli wurde Nuntius in Bayern (1917). 1920 wurde er zum ersten päpstlichen Nuntius für Deutschland ernannt und handelte Konkordate zwischen dem Vatikan und den deutschen Ländern Bayern (1924) und Preußen aus. Ab 1925 war er auch Nuntius in Preußen (1929 Konkordat). Mit seiner Ernennung zum Kardinal 1929 wurde er aus Deutschland abberufen. Pacelli nahm wieder Ämter in Rom wahr als Kardinalsstaatssekretär, Kardinalkämmerer. In dieser Funktion folgte er der politischen Linie des Papstes Pius XI., wobei er sich als fähiger Diplomat erwies. Er wurde in den folgenden Jahren von Pius XI. als Papstnachfolger vorbereitet. Am Zustandekommen des Reichskonkordats von 1933 wie auch an der 1937 veröffentlichten Enzyklika Mit brennender Sorge war er maßgeblich beteiligt.
Im Konklave am 2. März 1939 wurde er mit 61 von 62 Stimmen (ohne seine eigene) im dritten Wahlgang zum Papst gewählt und am 12. März gekrönt. Die Wahl Pacellis wurde in der ganzen Welt, besonders in Frankreich, England und USA, gerade auch von jüdischen Medien, sehr positiv aufgenommen, und lediglich in Deutschland kritisiert, da der Papst allgemein als Gegner des Nationalsozialismus bekannt war. Der Beginn seines Pontifikats stand im Zeichen der Vermeidung des drohenden Krieges. Im Zweiten Weltkrieg bewahrte er eine neutrale Stellung und widmete sich in erster Linie Friedensappellen und Unterstützung humanitärer Hilfe, ganz nach dem Vorbild von Benedikt XV. im Ersten Weltkrieg, unter dessen Pontifikat Pacelli bereits Leiter des päpstlichen Hilfswerks für Kriegsopfer aller Nationen war. Seine erste, kurz nach Kriegsausbruch herausgegebene Enzyklika Summi Pontificatus verurteilte den Herrschaftsanspruch von Diktaturen und die Besetzung Polens.
Mit der Ernennung 32 neuer Kardinäle erweiterte Pius 1946 das Heilige Kollegium. Seitdem setzt sich dieses aus Vertretern aller Kontinente zusammen. Als Papst schloss er Konkordate mit Portugal, Spanien und anderen Staaten ab. Er förderte die Hierarchiebildung der Katholischen Kirche in Staaten der Dritten Welt, um deren Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu betonen (u.a. 1946 China, 1951 Südafrika, 1955 Birma). Pius XII. nahm 33 Heiligsprechungen vor, auch die von Pius X. Wichtige Enzykliken sind "Mystici Corporis" (1943), "Divino Afflante Spiritu" (1943). In seinem Apostolischen Rundschreiben Humani Generis vom 12. August 1950 verurteilt er modernistische Lehren in der Kirche. In der Apostolischen Konstitution Munificentissimus Deus vom 1. November 1950 verkündete er das vorerst letzte Dogma Mariä Himmelfahrt. In seiner Weihnachtsbotschaft 1950 verkündete Pius öffentlich, dass das Grab des Apostel Petrus bei Ausgrabungsarbeiten unter dem Hochaltar der Peterskirche in Rom gefunden worden sei.
Papst Pius XII. starb am 9. Oktober 1958. Sein Tod war begleitet von weltweiter Trauer.
Zur Rolle des Papstes im Nationalsozialismus
Papst Pius XII. galt zeit seines Lebens als weltweit geachtetes und vorbildliches Kirchenoberhaupt. Seine Haltung im Zweiten Weltkriegs, sein Einsatz für verfolgte Juden fanden allgemeine Anerkennung. Dieses Bild wandelte sich spätestens 1963 durch das Drama „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth, in dem Pius als machtgieriger Kirchenfürst dargestellt wird, dem allein die vatikanischen Finanzen am Herz liegen, nicht aber das Schicksal der Verfolgten. Das Stück, das vom Autor ausdrücklich als Fiktion bezeichnet wird, behauptet, Pius hätte durch ein schnelleres und entschiedeneres öffentliches Auftreten gegen den Nationalsozialismus diesem ein rascheres Ende bereiten können.
Seitdem bestimmt das Stück das Bild, das Kritiker von Pius XII. während des Faschismus zeichnen. Dem Papst wird eine stillschweigende Duldung, teilweise sogar Komplizenschaft mit den Nationalsozialisten unterstellt. Ferner wird ihm vorgeworfen, dass er zum Holocaust schwieg, obwohl er als ehemaliger Nuntius für Deutschland über Kontakte dorthin verfügte und über den Völkermord informiert gewesen sein soll und viele Katholiken und Nicht-Katholiken auf der ganzen Welt sich entschiedenere Äußerungen gewünscht hätten. Ebenfalls wird Pius XII. zur Last gelegt, den nationalsozialistischen Russlandfeldzug als "Verteidigung der Grundlagen der christlichen Kultur" bezeichnet zu haben. Kritiker dieser Meinung bemängeln dagegen, dass vom Vorwurf der Untätigkeit "entlastende" Fakten in Diskussionen zumeist untergingen oder gar nicht erwähnt werden.
Bis heute wird diese Diskussion um die Person Pius XII. und sein Amt geführt. Eine Beurteilung seiner Handlungen im historischen Kontext ist schwierig.
Den Vorwürfen wird entgegnet, dass Pius XII. befürchten musste, eine offene Verurteilung des Nationalsozialismus würde eine noch stärkere Kirchenverfolgung nach sich ziehen und insbesondere die ohnehin schon bedrängten katholischen Priester einer noch größeren Gefahr aussetzen. Dass diese Befürchtung durchaus realistisch war, wird durch Berichte aus den Niederlanden deutlich, nach denen scharfer Protest der dortigen Kirchen zum Katholizismus übergetretenen Juden, darunter auch Edith Stein, das Leben gekostet habe. Über die genaue Zahl der Todesopfer gibt es unterschiedliche Angaben.
Ebenfalls wird eingewandt, dass Pius nicht die Möglichkeit aufs Spiel setzen wollte, Kirchen und Klöster als Zuflucht für von den Nationalsozialisten Verfolgte zu nutzen. Im Hintergrund wirkte die Kirche durch Umtaufungen, Fälschung von Ausweisen und Gewährung des Asyls in katholischen Einrichtungen und konnte so Menschenleben retten. Der jüdische Theologe und Historiker Pinchas Lapide schätzt, dass die katholische Kirche mindestens 700.000, wahrscheinlich aber sogar 860.000 Juden vor dem sicheren Tod rettete. In Anbetracht von ca 1.000.000 jüdischen Holocaustüberlebenden erscheinen diese Zahlen aber sehr hoch, da mehrere Juden bereits vor dem 2. Weltkrieg aus Deutschland fliehen konnten und viele auch in protestantischen und orthodoxen Gebieten überlebten. Einige hunderttausend ungarische Juden überlebten aber nicht durch päpstliche Intervention, sondern durch die Kriegssituation 1944. Mehrere von ihnen wurden als Zwangsarbeiter ins Reich geschickt, andere konnten wegen der sich nähernden Ostfront nichtmehr deportiert werden.
Kritiker werfen dem Papst vor, 1941 erstmals indirekte Kritik an der Behandlung der Juden in den besetzten Gebieten Osteuropas geübt zu haben. Als die deutsche Wehrmacht 1943 Rom besetzt, schweige der Papst selbst zur Deportation von Juden "vor der Haustür" des Vatikans. Dem wird entgegnet, dass Papst Pius XII. über seine Nuntien den Weg der Diplomatie und der Verhandlungen gewählt habe.
Im Geheimen ließ er rund 4500 Juden in Klöstern und Häusern in und um Rom dauerhaft verstecken. In Castel Gandolfo fanden zeitweise bis zu 8000 Flüchtlinge Unterschlupf. Als die Judenverfolgung in Europa ihren Höhepunkt erreichte, war Pius XII. selbst Gefangener im Vatikan. Rom war von deutschen Truppen besetzt, und Hitler plante sogar, Pius XII. wegen seiner Aktivitäten gegen die Nationalsozialisten zu entführen und nach Deutschland zu deportieren. Der Papst hatte für diesen Fall bereits einen schriftlichen Amtsverzicht vorbereitet. Vor diesem Hintergrund wird argumentiert, dass kritische Äußerungen des Papstes für Hitler ein willkommener Vorwand für den offenen, direkten Angriff auf den Vatikan gewesen wären.
Mit dem Abschluss des Reichskonkordats sollte der deutschen katholischen Kirche die Freiheit der Religionsausübung gesichert werden. Von Seiten der Kirche war schon lange ein Konkordat erwünscht worden, die Forderungen waren aber weder zur Kaiserzeit noch in der Weimarer Republik durchsetzbar. Für das Dritte Reich bedeutete das Konkordat allerdings einen internationalen Prestigegewinn und die Ausschaltung der Opposition von Seiten der kirchennahen Zentrumspartei.
Der Streit zwischen Verteidigern und Anklägern Pius' XII. wird wohl auch zukünftig um die Fragen geführt werden, ob der Papst seinen moralischen Standpunkt gegen die Nationalsozialisten noch deutlicher publik hätte machen müssen, und ob er in der Rolle des Verantwortungsträgers tatsächlich mehr Menschenleben hätte retten können. Pius XII. hat sich als Diplomat dafür entschieden, den Verhandlungsweg offen zu lassen und nicht in offenen Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu treten. Ob dieser Weg richtig war, lässt sich auch im Nachhinein nur schwer abschliessend bewerten.
Nach dem Untergang des nationalsozialistischen Regimes waren kirchliche Stellen an der Fluchthilfe für Naziverbrecher, der sog. Rattenlinie beteiligt. Nazi-Größen wie Adolf Eichmann oder Josef Mengele verließen Italien mit Pässen und Visa, an deren Beschaffung und Herstellung unter andere auch päpstliche Behörden beteiligt waren. Es ist allerdings umstritten, ob es sich um zusammenhanglose Handlungen einzelner Personen wie etwa dem Bischof Alois Hudal handelte, oder um eine organisierte Aktion, und wieviel Papst Pius XII über diese Vorgänge wusste.
Zitate
- Pius XII.? Dies ist der einzige Mensch, der mir immer widersprochen und niemals gehorcht hat. Adolf Hitler, 1944
- Wenn Pius die Judenverfolgung verurteilt hätte, hätte er Gift in die Herzen der katholischen Gläubigen geschüttet, die zwei Glauben hatten: den Katholizismus und den Nationalsozialismus. Wenn er also keine abfälligen Katholiken in Deutschland haben wollte, dann musste er neutral bleiben. Manfred Grünberg, überlebender Jude des Holocaust
- Wir müssten eigentlich flammenden Protest gegen solche Vorkommnisse erheben. Zurück hält Uns nur das Wissen, dass Wir die Bedingungen für diese Unglücklichen durch Unsere Worte noch verschlimmern würden. Pius XII.
- Die ihn näher gekannt haben, werden ihn nicht des mangelnden Mutes bezichtigen. Richard von Weizsäcker
- Durchforscht die stürmischen zwölf Jahre Unseres Pontifikats, prüft jedes Wort, das über Unsere Lippen gekommen ist, jeden von Unserer Feder geschriebenen Satz, ihr werdet nur Aufforderungen zum Frieden finden! Pius XII. 1950
- Ich müsste mich sehr, sehr täuschen, wenn dies hier ein gutes Ende nehmen sollte. Dieser Mensch ist völlig von sich selbst besessen, alles, was ihm nicht dient, verwirft er, was er sagt und schreibt, trägt den Stempel seinerr Selbstsucht, dieser Mensch geht über Leichen und tritt nieder, was ihm im Weg ist - ich kann nur nicht begreifen, dass selbst so viele von den Besten in Deutschland dies nicht sehen, oder wenigstens aus dem, was er schreibt und sagt, eine Lehre zu ziehen - wer von all diesen hat überhaupt das haarsträubende Buch "Mein Kampf" gelesen? Pius XII. 1929 über Adolph Hitler
Literatur
- Deschner, Karlheinz: Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert, ISBN 3-498-01282-7
- Sandfuchs, Wilhelm: Papst Pius XII. Karlsruhe 1946. (Karlsruher Hefte)
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Personendaten | |
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NAME | Pacelli, Eugenio Maria Giuseppe Giovanni |
ALTERNATIVNAMEN | Pius XII. |
KURZBESCHREIBUNG | Papst von 1939 bis 1958 |
GEBURTSDATUM | 2. März 1876 |
GEBURTSORT | Rom |
STERBEDATUM | 9. Oktober 1958 |