St.-Johannis-Kloster vor Schleswig

Das St.-Johannis-Kloster vor Schleswig wurde 1194[1] als Benediktinerinnenkloster gegründet.
Nach der Reformation wurde es in ein Frauenstift umgewandelt, die Bezeichnung St.-Johannis-Kloster wurde jedoch beibehalten. Die Anlage, die sich direkt am nördlichen Ufer der Schlei befindet, blieb bis heute bestehen und gilt als besterhaltenen mittelalterliche Klosteranlage Schleswig-Holsteins.
Geschichte

In der Zeit zwischen 1100 und 1140 wurde in Schleswig, das 948 Bischofssitz des unter dem Einfluss von Otto I. gegründeten Bistums Schleswig wurde, zunächst das Benediktinerkloster St. Michaelis auf dem Berge gegründet.[2] Nach nicht mal 100-jährigem Bestehen wurde das Doppelkloster, das Mönche wie Nonnen beherbergte, auf Grund des sittlichen Verfalls – insbesondere bei den männlichen Bewohnern – 1192 von Bischof Waldemar von Schleswig geschlossen.[3] Die Mönche mussten Schleswig verlassen und gründeten das Kloster Guldholm am Langsee nahe der heutigen Gemeinde Böklund, dort lebten sie im Zisterzienserorden streng nach den Grundsätzen des Benedikt von Nursia.[4] Die Nonnen, die im Benediktinerorden bleiben durften, sollen 1194 das St.-Johannis-Kloster am Holm − einer Fischersiedlung, die damals noch auf einer Insel in der Schlei vor der Stadt Schleswig[5] lag − gegründet haben. Erstmal schriftlich erwähnt wurde das Kloster um 1250, der Bau der Klosterkirche wird auf die Zeit zwischen 1200 und 1230 datiert.
Zur Zeit der Gründung des Klosters hatte Schleswig noch die Stellung Haithabus, das 1066 nach einem Brand aufgegeben wurde, als überregionales Handelszentrum des Nordens inne, diese Stellung sollte es jedoch in den folgenden Jahren an Lübeck und die aufkommende Hanse verlieren. Als Bischofssitz und Sitz der Herzöge von Schleswig blieb es aber zunächst ein religiöses und politisches Zentrum. An der Stelle des Schloss Gottorf befand sich zu dieser Zeit noch eine Burg, der Herzog von Schleswig – um 1200 war dies Waldemar der Sieger, König von Dänemark – hatte seine Schleswiger Residenz in der Jürgensburg (Jurisborgh) auf der Möweninsel in der Schlei. Der St.-Petri-Dom zu Schleswig existierte zu dieser Zeit noch als romanische Basilika, die vor 1134 errichtet wurde und 1275 teilweise einstürzte; etwa zur Zeit der Gründung von St.-Johannis wurden das noch heute existierende Petri-Portal (um 1180) und die Kanonikersakristei (1230) errichtet. 1234 entstand in der Stadt Schleswig – auf den Fundamenten eines ehemaligen dänischen Königshofs – das Graukloster (St. Paul), das von Franziskanern betrieben wurde, 1239 entstand das Dominikanerkloster St. Maria Magdalena.[6]

Brände in den Jahren 1299 und 1487 führten zu massiven Zerstörungen und anschließendem Wiederaufbau. 1536/1542 ging das Kloster in den Besitz der schleswig-holsteinischen Ritterschaft über und wurde in ein Stift für die unverheirateten Töchter des schleswig-holsteinischen Adels umgewandelt. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Klosteranlage um weitere Gebäude ergänzt. In den 1840er Jahren komponierte der damalige Kantor der Klosterkirche Carl Gottlieb Bellmann die Melodie des Schleswig-Holstein-Lieds Schleswig-Holstein meerumschlungen.
Die Anlage, die als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz steht, gilt heute trotz der beiden Brände als besterhaltener mittelalterlicher Klosterkomplex in Schleswig-Holstein. Die Außenanlagen sind frei zugänglich, das Innere des Klosters kann nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Teile des Stifts werden heute für Kulturveranstaltungen und Trauungen verwendet. Das Stift finanziert sich heute vorwiegend durch Vermietung, um die Restaurierung der Anlage kümmert sich – neben der öffentlichen Hand – ein eigener Förderverein.
Klosteranlage und Inventar
Im Laufe der Geschichte kam es immer wieder zu baulichen und gestalterischen Veränderungen, einen tiefen Einschnitt stellt insbesondere die Umwandlung des Benediktinerinnenklosters in ein Hochadelsdamenstift dar. Die Veränderungen beziehen sich in erster Linie auf die Ausgestaltung der Anlage, der Grundaufbau, der durch die Lage von Remter und Kirche bestimmt wird, blieb erhalten. Er folgt im Wesentlichen dem St.-Galler-Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert. Der folgende Abschnitt beschreibt den aktuellen Zustand, der eine Mischung aus Elementen der Zeit vor und nach der Reformation darstellt.
Im Norden der direkt an der Schlei gelegenen Klosteranlage befindet sich die einschiffige romanische Klosterkirche aus der Zeit zwischen 1200 und 1230. An dieser Stelle erhob sich bereits vor der Gründung des Klosters eine in Tuff errichtete Pfarrkirche, die vor 1170 entstanden ist. Der Grundriss der Kirche gliedert sich in den Turm, das Langhaus und den Chor, die sich unter einem gemeinsamen Satteldach befinden. Statt eines sichtbaren Turmes verfügt die Kirche nur über einen einfachen Dachreiter. Der Chorschluss ist hier nicht – wie in der Romanik üblich – halbrund sondern flach.
Oberhalb des Langhauses mit dem Gestühl für das einfache Volk befindet sich die Nonnenempore, die heute als Orgelempore dient, aus der Zeit um 1240 mit ihrer bemalten Balustrade. An der Westwand des Langhauses unterhalb der Nonnenempore wurden 1936 Überreste gotischer Fresken aus dem 15. Jahrhundert freigelegt. Sie waren in späteren Jahrhunderten übermalt und teilweise von dem eingezogenen Kreuzrippengewölbe unterhalb der Empore überdeckt worden.
Ein Lettner aus der Zeit zwischen 1505 und 1525 trennt das Langhaus vom Chor. Auf ihm erhebt sich die Kreuzgruppe (der Leib Christi und die Kreuzinschrift INRI sind auf Vorder- und Rückseite des Kreuzes angebracht). Den Altarraum dominieren von barocke Elemente: Der Hauptaltar, die Kanzel und die zehn Gebetsstübchen der Konventualinnen[7] aus der Zeit zwischen 1711 und 1717. Neben dem Hochaltar an der Ostwand ragt das um 1450 entstandene spätgotische Sakramentshaus rund 5m in die Höhe. An den Wänden rund um den Altar hängen die Totenschilde der verstorbenen Konventualinnen. Verschiedene Plastiken und Gemälde, von den Stiftsdamen gestiftet, schmücken die Wände der Kirche, darunter eine spätgotische Maria im Strahlenkranz.

Auf einem Gewölbekeller aus dem 13. Jahrhundert im südlichen Teil der Anlage steht der nach dem Brand 1487 errichtete Remter, er ist der einzige unterkellerte Teil des Klosters. Das dortige mit Schnitzereien reich verzierte zehnsitzige Nonnenchorgestühl von 1240 stand ursprünglich auf der Nonnenempore der Kirche. An den Wänden hängen die Gegenstücke der Totenschilde aus dem Altarraum der Kirche. Auf der kleinen Schrankorgel aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts soll Bellmann das Schleswig-Holstein-Lied komponiert haben.
Im Kapitelsaal direkt neben der Klosterkirche werden die Klosterschätze aufbewahrt, darunter der um 1400 geschnitzte Kopf Johannes des Täufers aus Eichenholz in einer Schüssel, einer sogenannten Johannesschüssel. Dieser Kopf ist bei allen wichtigen Ereignissen im Kloster anwesend. Das Tafelsilber soll aus dem Haus des Dichters Johann Wolfgang von Goethe stammen.[8]
Verbunden werden die Gebäude der Anlage vom vierflügligen Kreuzgang, dem sogenannten Schwahl,[9] mit seinem Kreuzrippengewölbe aus dem 14. Jahrhundert, der den Klosterhof umgibt. Rund um den Kreuzgang sind die Wohnbereiche angeordnet. Auch die Nonnenempore und der Chor sind vom Schwahl aus zu erreichen, so konnten die Nonnen ihr Chorgestühl bzw. die Konventualinnen ihre Gebetsstübchen erreichen, ohne das allgemein zugängliche Langhaus betreten zu müssen.
Auf dem Friedhof neben der Klosterkirche liegen die Gräber der Priörinnen[10] von St.-Johannis. Auch Bellmann und seine Frau wurden auf dem Friedhof neben der Klosterkirche beigesetzt, ein Grabstein und eine Gedenktafel an der Klostermauer erinnern an ihn.
Der Kirche gegenüber liegt das um 1754 erbaute Wohnhaus der Pröbste des Stifts, in ihm ist heute das Bibelzentrum der nordelbischen Kirche untergebracht. Neben dem sogenannten Probsthaus befinden sich ein Bibelgarten und der sogenannte Prophetengarten, ein Garten mit religiösen Skulpturen.
Frauenstift
Mit der Reformation im 16. Jahrhundert wurde das Kloster in ein Frauenstift umgewandelt, das zum Ziel hatte, den unverheirateten – und damit unversorgten – Töchtern des schleswig-holsteinischen Adels ein Obdach zu bieten. Ein ähnliches Schicksal erfuhren auch die Klöster Preetz, Uetersen sowie das Nonnenkloster in Itzehoe, die sich ebenfalls in den Besitz der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft übergingen.
Zum Aufnahmeritual des Hochadeljungfrauen Klosters St. Johannis gehört es, dass die Anwärterin den hölzernen Kopf des heiligen Johannes küsst. In dem Gedicht Das Haupt des heiligen Johannes in der Schüssel aus dem Buch Adjutantenritte und andere Gedichte (Leipzig, 1883) von Detlev von Liliencron[11] heißt es dazu:

„Doch er [Isern Hinnerk] machte die Bedingung,
Jedes Fräulein, das zur Nonne
Werden wollte, werden musste,
Sollte küssen diesen Kopf.“[12]
Noch heute können die Töchter der Mitglieder der Ritterschaft[13] in das Kloster aufgenommen werden. Meist wird die Tochter unmittelbar nach der Geburt eingeschrieben, die Expektanz wird mit einem Klosterbrief bestätigt und die Tochter wird zum sogenannten „expektierten Fräulein“. Bleibt die Expektantin unverheiratet, kann sie nach Freiwerden einer Stelle als Konventualin in das Kloster aufgenommen werden. Mit der Aufnahme erhält sie ein lebenslanges Wohnrecht im Kloster sowie – je nach dessen finanzieller Lage – Anrecht auf eine Apanage. Die Damen müssen jedoch nicht im Kloster leben. 2001 gab es sechs Konventualinnen, von denen zwei im Kloster lebten.
Geleitet wird das Stift von der Priörin und einem Probst. Die Priörin wird aus dem Kreise der Konventualinnen gewählt, derzeitige Priörin und einzige Bewohnerin des Stifts ist Henny von Schiller.[14] Der Probst wird von der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft vorgeschlagen und von den Konventualinnen gewählt, amtierender Probst ist Friedrich von Ahlefeldt-Dehn (Stand: Juli 2008).
Ländereien
Ab dem 14. Jahrhundert gehörten dem Kloster umfangreiche Ländereien in der Umgebung von Schleswig, darunter mehrere Dörfer (z. B. Jagel), Bauernhöfe, Mühlen und drei Kirchen (z. B. Sankt Marien im Schaalbyer Ortsteil Kahleby). Diese wurden im 19. Jahrhundert veräußert.
Erwähnenswertes
- In der 1970er Jahren diente die Klosteranlage als Kulisse für die Serie Onkel Bräsig mit Fritz Hollenbeck in der Hauptrolle.
Fußnoten
- ↑ Diese Jahreszahl wird vom Kloster selbst angegeben, anderen Quellen gehen davon aus, dass das Kloster zwischen 1200 und 1230 gegründet wurde.
- ↑ In den Jahren vor 1196 entstand auf dem Gelände die Michaeliskirche, eine direkte Verbindung mit dem Kloster ist nicht gesichert. 1870 stürzte sie jedoch ein, der Neubau aus dem Jahr 1874–1877 wurde 1971 wegen Baufälligkeit abgerissen. Die Kirche lag etwas nördlich des heutigen Stadtwegs zwischen der Bismarck- und der Michaelisstraße. Heute befindet sich dort ein Gemeindezentrum der Schleswiger Michaelisgemeinde.
- ↑ Detlev von Liliencron verarbeitete diese Geschichte in seinem Gedicht Die schwarzen Mönche in Schleswig aus dem 1909 erschienen Buch Gute Nacht.
- ↑ 1209/1210 gründeten sie das Rüdekloster in Glücksburg; nach der Reformation entstand an der Stelle das Schloss Glücksburg.
- ↑ Aus dieser Lage etwas abseits des Stadtkerns rund um den Dom resultiert auch der Name St.-Johannis-Kloster vor Schleswig.
- ↑ Teile des Grauklosters sind noch heute als Bestandteil des Schleswiger Rathauses erhalten, die ehemalige Klosterkirche wurde zunächst zum Rathaus umfunktioniert und 1793 abgerissen; das heutige klassizistische Rathaus steht auf ihren Grundmauern. St. Maria Magdalena wurde nach der Aufhebung 1528/29 abgerissen und überbaut, es befand sich wenige Meter südlich des Domes zwischen der heutigen Süderdomstraße und der Pastorenstraße.
- ↑ In der Geschichte des Klosters wurde die Anlage nie von mehr als zehn Nonnen gleichzeitig bewohnt, nach der Umwandlung in ein Stift lebten neben der Priörin nie mehr als neun Konventualinnen in den Gemäuern.
- ↑ Die Verbindung zu Goethe besteht über Ulrike von Pogwisch (1798-1875), die von 1864 bis 1875 Priörin des Klosters war. Sie war die Schwester von Ottilie von Pogwisch, der Frau von August von Goethe, dem Sohn des Dichters.
- ↑ Der Begriff Schwahl leitet sich vom dänischen Svalen und wird auch im Zusammenhang mit dem St.-Petri-Dom zu Schleswig verwendet, er bedeutet übersetzt „kühler Gang.“
- ↑ Im Zusammenhang mit dem St.-Johannis-Kloster spricht man von der Priörin, obwohl es korrekt Priorin heißen müsste. Auch in anderen Klöstern der schleswig-holsteinischen Ritterschaft ist diese - vom französischen Wort für Prior, "prieur", abgeleitete - Bezeichnung üblich.
- ↑ Sein Onkel Rochus von Liliencron war Probst des Stifts.
- ↑ Detlef von Liliencron: Das Haupt des heiligen Johannes in der Schüssel auf Zeno.org
- ↑ Dazu gehören Adelsgeschlechter wie Reventlow, Brockdorff, Rantzau oder Bülow (siehe dazu auch sh-ritterschaft.de).
- ↑ Daneben gibt es allerdings noch Bewohner, die nicht zum Stift gehören. Die Vermietung gehört heute zu den wesentlichen Einnahmequellen des St.-Johannis-Klosters.
Weblinks und Quellen
- Website des Fördervereins: st-johannis-kloster.de
- Christan Bruckbauer u. a.: Klöster in Nordelbien – Folge 8: Gib Johannes einen Kuss!. In: Die Nordelbische. 1. März 2004, abgerufen am 18. Juli 2008.
- Kai Biermann: Leben, wo Adelsfamilien einst ihre Töchter unterbrachten. In: Stuttgarter Zeitung. 14. April 2001, abgerufen am 18. Juli 2008.
- St.Johannis im Klosterprojekt der Uni Kiel
Koordinaten: 54° 30′ 41,81″ N, 9° 34′ 44,11″ O