In der Mathematik ist die Dreiecksungleichung ein Satz, der besagt, dass eine Dreiecksseite höchstens so lang wie die Summe der beiden anderen Seiten ist. In leicht veränderter Form spielt sie in vielen anderen Teilgebieten wie z. B. der Funktionalanalysis eine wichtige Rolle und zählt zu den wichtigsten mathematischen Theoremen. Auf einer 1999 veröffentlichten Liste der 100 wichtigsten mathematischen Sätze[ 1] ist sie auf Platz 91 gereiht.
Dreiecksungleichung für Dreiecke
Nach der Dreiecksungleichung ist im Dreieck die Summe der Längen zweier Seiten a und b stets größer oder gleich der Länge der dritten Seite c . Das heißt formal:
c
≤
a
+
b
{\displaystyle c\leq a+b}
Man kann auch sagen, der Abstand von A nach B ist stets kleiner oder gleich dem Abstand von A nach C und von C nach B zusammen, oder um es populär auszudrücken: „Der direkte Weg ist immer der kürzeste.“ (Was die Aussage im Grunde jedoch nicht korrekt wiedergibt. Korrekt müsste es lauten: „Es gibt keinen kürzeren Weg als den direkten.“)
Das Gleichheitszeichen gilt dabei nur, wenn a, b und c in die gleiche Richtung weisen, d. h. wenn a und b Teilstrecken von c sind.
Da aus Symmetriegründen auch
a
≤
c
+
b
{\displaystyle a\leq c+b}
gilt, folgt
a
−
b
≤
c
{\displaystyle a-b\leq c}
, analog erhält man
b
−
a
≤
c
{\displaystyle b-a\leq c}
, insgesamt also
|
a
−
b
|
≤
c
≤
a
+
b
{\displaystyle \left|a-b\right|\leq c\leq a+b}
.
Die linke Ungleichung
|
a
−
b
|
≤
c
{\displaystyle \left|a-b\right|\leq c}
wird gelegentlich auch als umgekehrte Dreiecksungleichung bezeichnet.
Die Dreiecksungleichung charakterisiert Abstands- und Betragsfunktionen. Sie wird daher als ein Axiom der abstrakten Abstandsfunktion in metrischen Räumen verwendet.
Dreiecksungleichung für reelle Zahlen
Für reelle Zahlen gilt:
|
a
+
b
|
≤
|
a
|
+
|
b
|
.
{\displaystyle |a+b|\leq |a|{+}|b|.}
Beweis
Weil beide Seiten der Ungleichung nichtnegativ sind, ist Quadrieren eine Äquivalenzumformung :
a
2
+
2
a
b
+
b
2
≤
a
2
+
2
|
a
b
|
+
b
2
.
{\displaystyle a^{2}{+}2ab{+}b^{2}\ \leq \ a^{2}{+}2{|ab|}{+}b^{2}.}
Durch Streichen identischer Terme gelangen wir zur äquivalenten Ungleichung
2
a
b
≤
2
|
a
b
|
.
{\displaystyle 2ab\leq 2|ab|.}
Diese Ungleichung gilt, weil
x
≤
|
x
|
{\displaystyle x\leq {|x|}}
für beliebige
x
∈
R
.
{\displaystyle x\in \mathbb {R} .}
Wie beim Dreieck lässt sich auch eine umgekehrte Dreiecksungleichung herleiten:
Es gilt
|
a
+
b
|
−
|
b
|
≤
|
a
|
.
{\displaystyle |a{+}b|{-}|b|\leq |a|.}
Einsetzen von
a
:=
x
+
y
,
b
:=
−
y
{\displaystyle a{\mathrel {:=\,}}x{+}y,\,b{\mathrel {:=\,}}{-}y}
gibt
|
x
|
−
|
y
|
≤
|
x
+
y
|
,
{\displaystyle |x|{-}|y|\leq |x{+}y|,}
setzt man stattdessen
b
:=
−
x
{\displaystyle b{\mathrel {:=\,}}{-}x}
so ergibt sich
|
y
|
−
|
x
|
≤
|
x
+
y
|
,
{\displaystyle |y|{-}|x|\leq |x{+}y|,}
zusammen also (denn aus
u
≤
c
{\displaystyle u\leq c}
und
−
u
≤
c
{\displaystyle {-}u\leq c}
folgt
|
u
|
≤
c
)
{\displaystyle |u|\leq c)}
|
|
x
|
−
|
y
|
|
≤
|
x
+
y
|
≤
|
x
|
+
|
y
|
.
{\displaystyle {\Big |}|x|{-}|y|{\Big |}\leq |x{+}y|\leq |x|{+}|y|.}
Ersetzt man
y
{\displaystyle y}
durch
−
y
,
{\displaystyle {-}y,}
so erhält man auch
|
|
x
|
−
|
y
|
|
≤
|
x
−
y
|
≤
|
x
|
+
|
y
|
.
{\displaystyle {\Big |}|x|{-}|y|{\Big |}\leq |x{-}y|\leq |x|{+}|y|.}
Insgesamt also
|
|
x
|
−
|
y
|
|
≤
|
x
±
y
|
≤
|
x
|
+
|
y
|
{\displaystyle {\Big |}|x|{-}|y|{\Big |}\leq |x{\pm }y|\leq |x|{+}|y|}
für alle
x
,
y
∈
R
.
{\displaystyle x,\,y\in \mathbb {R} .}
Dreiecksungleichung für komplexe Zahlen
Für komplexe Zahlen gilt:
|
z
1
+
z
2
|
≤
|
z
1
|
+
|
z
2
|
.
{\displaystyle |z_{1}{}+z_{2}|\leq |z_{1}|{+}|z_{2}|.}
Beweis
Da alle Seiten positiv sind, ist Quadrieren eine Äquivalenzumformung und man erhält
z
1
z
1
¯
+
z
1
z
2
¯
+
z
1
¯
z
2
⏟
=
z
1
z
2
¯
¯
+
z
2
z
2
¯
≤
z
1
z
1
¯
+
2
|
z
1
z
2
|
⏟
=
|
z
1
z
2
¯
|
+
z
2
z
2
¯
,
{\displaystyle z_{1}{\overline {z_{1}}}{+}z_{1}{\overline {z_{2}}}{+}{\underbrace {{\overline {z_{1}}}z_{2}} _{={\overline {z_{1}{\overline {z_{2}}}}}}}{+}z_{2}{\overline {z_{2}}}\ \leq \ z_{1}{\overline {z_{1}}}{+}2{\underbrace {|z_{1}z_{2}|} _{=|z_{1}{\overline {z_{2}}}|}}{+}z_{2}{\overline {z_{2}}},}
wobei der Überstrich komplexe Konjugation bedeutet. Streicht man identische Terme und setzt
z
:=
z
1
z
2
¯
,
{\displaystyle z{\mathrel {:=\,}}z_{1}{\overline {z_{2}}},}
so bleibt
z
+
z
¯
≤
2
|
z
|
{\displaystyle z{+}{\bar {z}}\leq 2{|z|}}
zu zeigen. Mit
z
=
u
+
i
v
{\displaystyle z=u{+}iv}
erhält man
(
u
+
i
v
)
+
(
u
−
i
v
)
=
2
u
≤
2
u
2
+
v
2
{\displaystyle (u{+}iv){+}(u{-}iv)=2u\leq 2{\sqrt {u^{2}{+}v^{2}}}}
bzw.
|
u
|
≤
u
2
+
v
2
,
{\displaystyle |u|\leq {\sqrt {u^{2}{+}v^{2}}},}
was wegen
0
≤
v
2
{\displaystyle 0\leq v^{2}\ }
und der Monotonie der (reellen) Wurzelfunktion immer erfüllt ist.
Analog wie im reellen Fall folgt aus dieser Ungleichung auch
|
|
z
1
|
−
|
z
2
|
|
≤
|
z
1
±
z
2
|
≤
|
z
1
|
+
|
z
2
|
{\displaystyle {\Big |}|z_{1}|{-}|z_{2}|{\Big |}\leq |z_{1}{\pm }z_{2}|\leq |z_{1}|{+}|z_{2}|}
für alle
z
1
,
z
2
∈
C
.
{\displaystyle z_{1},\,z_{2}\in \mathbb {C} .}
Dreiecksungleichung für Summen und Integrale
Mehrmalige Anwendung der Dreiecksungleichung bzw. vollständige Induktion ergibt
|
∑
i
=
1
n
x
i
|
≤
∑
i
=
1
n
|
x
i
|
{\displaystyle \left|\sum _{i=1}^{n}x_{i}\right|\leq \sum _{i=1}^{n}\left|x_{i}\right|}
für reelle oder komplexe Zahlen
x
i
{\displaystyle x_{i}\;}
. Diese Ungleichung gilt auch, wenn Integrale anstelle von Summen betrachtet werden:
Ist
f
:
I
→
R
{\displaystyle f:I\to {\mathbb {R}}}
, wobei
I
=
[
a
,
b
]
{\displaystyle I=[a,b]\,}
ein Intervall ist, Riemann-integrierbar , dann gilt
|
∫
I
f
(
x
)
d
x
|
≤
∫
I
|
f
(
x
)
|
d
x
{\displaystyle \left|\int _{I}f(x)\,dx\right|\leq \int _{I}|f(x)|\,dx}
.[ 2]
Dies gilt auch für komplexwertige Funktionen
f
:
I
→
C
{\displaystyle f:I\to {\mathbb {C}}}
, vgl.[ 3] . Dann existiert nämlich eine komplexe Zahl
α
{\displaystyle \alpha \;}
so, dass
α
∫
I
f
(
x
)
d
x
=
|
∫
I
f
d
x
|
{\displaystyle \alpha \int _{I}f(x)\,dx=\left|\int _{I}f\,dx\right|}
und
|
α
|
=
1
{\displaystyle |\alpha |=1\;}
.
Da
|
∫
I
f
(
x
)
d
x
|
=
α
∫
I
f
(
x
)
d
x
=
∫
I
α
f
(
x
)
d
x
=
∫
I
Re
(
α
f
(
x
)
)
d
x
+
i
∫
I
Im
(
α
f
(
x
)
)
d
x
{\displaystyle \left|\int _{I}f(x)\,dx\right|=\alpha \int _{I}f(x)\,dx=\int _{I}\alpha \,f(x)\,dx=\int _{I}\operatorname {Re} (\alpha f(x))\,dx+i\,\int _{I}\operatorname {Im} (\alpha f(x))\,dx}
reell ist, muss
∫
I
Im
(
α
f
(
x
)
)
d
x
{\displaystyle \int _{I}\operatorname {Im} (\alpha f(x))\,dx}
gleich Null sein. Außerdem gilt
Re
(
α
f
(
x
)
)
≤
|
α
f
(
x
)
|
=
|
f
(
x
)
|
{\displaystyle \operatorname {Re} (\alpha f(x))\leq |\alpha f(x)|=|f(x)|}
,
insgesamt also
|
∫
I
f
(
x
)
d
x
|
=
∫
I
Re
(
α
f
(
x
)
)
d
x
≤
∫
I
|
f
(
x
)
|
d
x
{\displaystyle \left|\int _{I}f(x)\,dx\right|=\int _{I}\operatorname {Re} (\alpha f(x))\,dx\leq \int _{I}|f(x)|\,dx}
.
Dreiecksungleichung für Vektoren
Für Vektoren gilt:
|
a
→
+
b
→
|
≤
|
a
→
|
+
|
b
→
|
{\displaystyle \left|{\vec {a}}+{\vec {b}}\right|\leq \left|{\vec {a}}\right|+\left|{\vec {b}}\right|}
.
Die Gültigkeit dieser Beziehung sieht man durch Quadrieren
|
a
→
|
2
+
2
a
→
⋅
b
→
+
|
b
→
|
2
≤
|
a
→
|
2
+
2
|
a
→
|
⋅
|
b
→
|
+
|
b
→
|
2
{\displaystyle \left|{\vec {a}}\right|^{2}+2{\vec {a}}\cdot {\vec {b}}+\left|{\vec {b}}\right|^{2}\leq \left|{\vec {a}}\right|^{2}+2\left|{\vec {a}}\right|\cdot \left|{\vec {b}}\right|+\left|{\vec {b}}\right|^{2}}
und Anwendung der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung :
|
a
→
⋅
b
→
|
≤
|
a
→
|
⋅
|
b
→
|
{\displaystyle \left|{\vec {a}}\cdot {\vec {b}}\right|\leq \left|{\vec {a}}\right|\cdot \left|{\vec {b}}\right|}
.
Auch hier folgt wie im reellen Fall
|
|
a
→
|
−
|
b
→
|
|
≤
|
a
→
±
b
→
|
≤
|
a
→
|
+
|
b
→
|
{\displaystyle {\Big |}\left|{\vec {a}}\right|-\left|{\vec {b}}\right|\,\,{\Big |}\leq \left|{\vec {a}}\pm {\vec {b}}\right|\leq \left|{\vec {a}}\right|+\left|{\vec {b}}\right|}
sowie
|
∑
i
=
1
n
a
i
→
|
≤
∑
i
=
1
n
|
a
i
→
|
.
{\displaystyle \left|\sum _{i=1}^{n}{\vec {a_{i}}}\right|\leq \sum _{i=1}^{n}\left|{\vec {a_{i}}}\right|.}
Dreiecksungleichung für sphärische Dreiecke
Zwei sphärische Dreiecke
Im sphärischen Dreieck gilt die Dreiecksungleichung im allgemeinen nicht .
Sie gilt jedoch, wenn man sich jedoch auf euklidische Dreiecke, also solche, in denen jede Seite kürzer als ein halber Großkreis ist, beschränkt.
In nebenstehender Abbildung gilt zwar
|
a
−
b
|
≤
c
1
≤
a
+
b
,
{\displaystyle \left|a-b\right|\leq c_{1}\leq a+b,}
jedoch ist
c
2
>
a
+
b
{\displaystyle c_{2}>a+b}
.
Dreiecksungleichung für normierte Räume
In einem normierten Raum
(
X
,
‖
.
‖
)
{\displaystyle \left(X,\|.\|\right)}
wird die Dreiecksungleichung in der Form
‖
x
+
y
‖
≤
‖
x
‖
+
‖
y
‖
{\displaystyle \|x+y\|\leq \|x\|+\|y\|}
als eine der Eigenschaften gefordert, die die Norm für alle
x
,
y
∈
X
{\displaystyle x,y\in X\;}
erfüllen muss. Insbesondere folgt auch hier
|
‖
x
‖
−
‖
y
‖
|
≤
‖
x
±
y
‖
≤
‖
x
‖
+
‖
y
‖
{\displaystyle {\Big |}\|x\|-\|y\|{\Big |}\leq \|x\pm y\|\leq \|x\|+\|y\|}
sowie
‖
∑
i
=
1
n
x
i
‖
≤
∑
i
=
1
n
‖
x
i
‖
{\displaystyle \left\|\sum _{i=1}^{n}x_{i}\right\|\leq \sum _{i=1}^{n}\|x_{i}\|}
fur alle
x
i
∈
X
{\displaystyle x_{i}\in X\;}
.
Im Spezialfall der Lp -Räume wird die Dreiecksungleichung Minkowski-Ungleichung genannt und mittels der Hölderschen Ungleichung bewiesen.
Dreiecksungleichung für metrische Räume
In einem metrischen Raum
(
X
,
d
)
{\displaystyle \left(X,d\right)}
wird als Axiom für die abstrakte Abstandsfunktion verlangt, dass die Dreiecksungleichung in der Form
d
(
x
,
y
)
≤
d
(
x
,
z
)
+
d
(
z
,
y
)
{\displaystyle d(x,y)\leq d(x,z)+d(z,y)}
für alle
x
,
y
,
z
∈
X
{\displaystyle x,y,z\in X}
erfüllt ist. In jedem metrischen Raum gilt also per Definition die Dreiecksungleichung. Daraus lässt sich ableiten, dass in einem metrischen Raum auch die umgekehrte Dreiecksungleichung
|
d
(
x
,
z
)
−
d
(
z
,
y
)
|
≤
d
(
x
,
y
)
{\displaystyle \left|d(x,z)-d(z,y)\right|\leq d(x,y)}
für alle
x
,
y
,
z
∈
X
{\displaystyle x,y,z\in X}
gilt. Außerdem gilt für beliebige
x
i
∈
X
{\displaystyle x_{i}\in X\;}
die Ungleichung
d
(
x
0
,
x
n
)
≤
∑
i
=
1
n
d
(
x
i
−
1
,
x
i
)
{\displaystyle d(x_{0},x_{n})\leq \sum _{i=1}^{n}d(x_{i-1},x_{i})}
.
Quellen
↑ The Hundred Greatest Theorems
↑ Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis, Teil 1. 8. Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 1990, ISBN 3-519-12231-6 . Satz 85.1
↑ Walter Rudin: Real and Complex Analysis . MacGraw-Hill 1986, ISBN 0-07-100276-6 . Theorem 1.33
Siehe auch