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Sonnengesang (Franz von Assisi)

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Der Sonnengesang ist ein Gebet, das Franz von Assisi im 13. Jahrhundert verfasste. Es preist die Schönheit der Schöpfung und dankt Gott dafür.

Allgemeines

Franziskus dichtete seinen Gesang auf die Schöpfung (Il Cantico di Frate Sole) am Ende seines Lebens, vermutlich Ende 1224 oder Anfang 1225, als er schwer krank in San Damiano bei Assisi lag. Er ruft darin den Menschen zum Lobpreis Gottes in all seinen Geschöpfen auf. Die Echtheit ist durch die Biografie des Thomas von Celano bezeugt (2 Celano 213). Er vergleicht das Lied mit dem Gesang der drei Jünglinge im Feuerofen (Dan 3,51 EU). Celano berichtet, Franziskus habe das Lied in seiner Todesstunde von zweien seiner Brüder singen lassen. Einige Quellen [1] gehen davon aus, dass die ersten neun Strophen früher entstanden sind und die Friedensstrophe etwas später angefügt wurde. Die Todesstrophe sei von Franziskus erst kurz vor seinem Tod verfasst worden.

Das Lied ist von Franz von Assisi ursprünglich auf altitalienisch geschrieben worden und wurde dann von einem schriftkundigen Bruder ins Lateinische übertragen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schriften des Heiligen Franziskus ist vom Sonnengesang die altitalienische Fassung erhalten geblieben. Dichtung in der Alltagssprache war in der italienischen Kultur dieser Zeit noch höchst ungewöhnlich. Der Sonnengesang wird deshalb auch als Beginn der italienischsprachigen Literatur rezipiert.

Im italienischen Original ist von „Bruder Sonne“ und „Schwester Mond“ die Rede, weil im Italienischen wie im Lateinischen die Sonne männlich (il sole), der Mond weiblich (la luna) ist. Der Übersetzer ins Deutsche hat das Geschlecht aus dem Italienischen übernommen.

Der Sonnengesang gehört zu den am meisten rezipierten Gebeten Franziskus’. Es wird häufig im Sinne einer reinen Naturromantik betrachtet, jedoch beinhaltet das Gebet ein Mitnehmen der gesamten Schöpfung vor den Schöpfer und ist damit theologisch wesentlich tiefgründiger als eine reine Naturidylle.

Der Sonnengesang

Altitalienischer Text Deutsche Übersetzung

CANTICUM FRATRIS SOLIS VEL LAUDES CREATURARUM

Incipunt laudes creaturarum quas fecit beatus Franciscus
ad laudem et honorem Dei cum esset infirmus apud sanctum Damianum

Altissimu onnipontente bon signore,
tue so le laude la gloria e l'honore et onne benedictione.
Ad te solo, altissimo, se konfano,
et nullu homo ene dignu te mentovare.

Laudato si, mi signore, cun tucte le tue creature,
spetialmente messor lo frate sole,
lo qual'è iorno, et allumini noi per loi.
Et ellu è bellu e radiante cun grande splendore,
de te, altissimo, porta significatione.

Laudato si, mi signore, per sora luna e le stelle,
in celu l'àI formate clarite et pretiose et belle.

Laudato si, mi signore, per frate vento,
et per aere et nubilo et sereno et onne tempo,
per lo quale a le tue creature dai sustentamento.

Laudato si, mi signore, per sor aqua,
la quale è multo utile et humile et pretiosa et casta.

Laudato si, mi signore, per frate focu,
per lo quale enn'allumini la nocte,
ed ello è bello et iocundo et robustoso et forte.

Laudato si, mi signore, per sora nostra matre terra,
la quale ne sustenta et governa,
et produce diversi fructi con coloriti flori et herba.

Laudato si, mi signore, per quelli ke persondano per lo tuo amore,
et sostengo infirmitate et tribulatione.
Beati quelli ke 'l sosterrano in pace,
ka da te, altissimo, sirano incoronati.

Laudato si, mi signore, per sora nostra morte corporale,
da la quale nullu homo vivente pò skappare.
Guai acquelli, ke morrano ne le peccata mortali:
beati quelli ke trovarà ne le tue sanctissime voluntati,
ka la morte secunda nol farrà male.

Laudate et benedicete mi signore,
et rengraiate et serviateli cun grande humilitate.






Du höchster, mächtigster, guter Herr,
Dir sind die Lieder des Lobes, Ruhm und Ehre und jeglicher Dank geweiht;
Dir nur gebühren sie, Höchster,
und keiner der Menschen ist würdig, Dich nur zu nennen.

Gelobt seist Du, Herr, mit allen Wesen, die Du geschaffen,
der edlen Herrin vor allem, Bruder Sonne,
die uns den Tag heraufführt und Licht mit ihren Strahlen,
die Schöne, spendet; gar prächtig in mächtigem Glanze:
Dein Gleichnis ist sie, Erhabener.

Gelobt seist Du, Herr, durch Schwester Mond und die Sterne.
Durch Dich sie funkeln am Himmelsbogen und leuchten köstlich und schön.

Gelobt seist Du, Herr, durch Bruder Wind und Luft
und Wolke und Wetter, die sanft oder streng,
nach Deinem Willen, die Wesen leiten, die durch Dich sind.

Gelobt seist Du, Herr, durch Schwester Quelle:
Wie ist sie nütze in ihrer Demut, wie köstlich und keusch!

Gelobt seist Du, Herr, durch Bruder Feuer,
durch den Du zur Nacht uns leuchtest.
Schön und freundlich ist er am wohligen Herde, mächtig als lodernden Brand.

Gelobt seist Du, Herr, durch unsere Schwester, die Mutter Erde,
die gütig und stark uns trägt
und mancherlei Frucht uns bietet mit farbigen Blumen und Matte.

Gelobt seist Du, Herr, durch die, so vergeben um Deiner Liebe willen
Pein und Trübsal geduldig tragen.
Selig, die's überwinden im Frieden:
Du, Höchster, wirst sie belohnen.

Gelobt seist Du, Herr, durch unsern Bruder, den leiblichen Tod;
ihm kann kein lebender Mensch entrinnen.
Wehe denen, die sterben in schweren Sünden!
Selig, die er in Deinem heiligsten Willen findet!
Denn Sie versehrt nicht der zweite Tod.

Lobet und preiset den Herrn!
Danket und dient Ihm in großer Demut!

Abbildungen

Originalseiten aus dem Codex 338 aus dem Fondo Antico der Biblioteca Communale in Assisi, aufbewahrt im Sacro Convento di San Francesco, Assisi, Italien:

Literatur

  • Lothar Hardick, Engelbert Grau: Die Schriften des Heiligen Franziskus von Assisi. 8. Auflage. Dietrich Coelde, Werl 1984.
  • Jacques Le Goff: Franz von Assisi. Klett Cotta, Stuttgart 2006, ISBN 3-608-94287-4.

Belege

  1. O. Schmucki: Franciscus „Dei laudator et cultor“; in: Laurentianum 10 (1969), S. 34-35