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Außenpolitik Georgiens

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Georgiens Außenministerin Eka Tqeschelaschwili (Mitte) begrüßt US-Außenministerin Condoleezza Rice.

Die Außenpolitik Georgiens ist darauf gerichtet, die Unabhängigkeit des Staats zu erhalten. Georgien war über Jahrhunderte ein Spielball ausländischer Interessen und Bestrebungen. Seit der Antike wurde es nacheinander von Griechen, Römern, Arabern, Persern, Mongolen, Türken und Russen kolonisiert, erobert oder annektiert. Souverän war das Land lediglich vom 13. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr., von 978 bis 1403 und von 1918 bis 1921.

Russland

Datei:Tbilisi-2008-08-12.jpg
Proteste in Tiflis gegen die Invasion Georgiens durch Russland, 12. August 2008

1991 löste es sich von Russland. Dort betrachten starke politische Gruppen Georgien bis heute als verräterischen Vasallenstaat. Sie stützen sich auf die Geschichte der vergangenen 200 Jahre, in denen Georgien fast ununterbrochen zum Russischen Reich, später zur Sowjetunion gehörte.

Unmittelbar nach der Gründung Georgiens 1991 unterstützte Russland separatistische Bewegungen in Abchasien, Südossetien und Adscharien. Die in der Folgezeit entstandenen, von Russland abhängigen Staaten, sind ein Druckmittel, mit dem jederzeit Einfluss auf die georgische Innenpolitik ausgeübt werden kann. Der Druck kann beliebig verstärkt werden, da Russland eigenes Militär in Abchasien und Südossetien stationiert hat. 1994 vermochte Russland Georgien zum Beitritt in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und zur Garantie russischer Stützpunkte in den georgischen Städten Batumi sowie Achalkalaki (siehe Gruppe der Russischen Streitkräfte in Transkaukasien) drängen.

Ende September 2006 verschlechterten sich die georgisch-russischen Beziehungen dramatisch, als die georgischen Behörden vier Offiziere der Spionage für die russische Föderation verdächtigte, verhaftete und einem OSZE-Vermittler übergab. Russland verhängte daraufhin eine Blockade sämtlicher Straßen-, See- Schienen- und Luftverbindungen nach Georgien. Im Dezember 2007 forderte Russland von Georgien, seine "gesetzmäßigen Argumente" zu beachten. Dazu gehörten laut RIA Novosti eine außenpolitische Neutralität Georgiens, keine Stützpunkte der NATO und unbeschränkte wirtschaftliche Aktivitäten des russischen Staates in der Kaukasusrepublik.

Im August 2008 kam es im Kaukasus-Konflikt 2008 zu militärischen Auseinandersetzungen mit Russland und Südossetien. Dabei drangen die russischen Streitkräfte tief in das georgische Staatsgebiet vor, zerstörten Luftwaffen- und Marinestützpunkte, unterbrachen die Hauptverkehrsadern, besetzten die Städte Gori und Poti. Allerdings war die georgische Seite der Agressor in diesem Konflikt, was durch die meisten westlichen Medien geleugnet wird. Zwar wurde auf Vermittlung der EU-Ratspräsidentschaft ein Sechs-Punkte-Plan zur Beilegung des Konflikts vereinbart, von Russland jedoch nur teilweise umgesetzt. Am 29. August 2008 brach Georgien die diplomatischen Beziehungen mit Russland ab.

Westen

Plakat im Zentrum von Tiflis

Bis 1995 kümmerte sich der Westen wenig um Georgien. Lediglich Deutschland pflegte eine Sonderbeziehung zu Präsident Eduard Schewardnadse, der als sowjetischer Außenminister die deutsche Einheit vorangetrieben hatte. Verstärkte Ölförderungen in Turkmenistan und Aserbaidschan rückten den Staat im südlichen Kaukasus als Transitland zur Verschiffung des schwarzen Goldes Mitte der 1990er Jahre wieder in den Blickpunkt. Georgien sieht sich seither in einer geopolitischen Filetlage.

Inzwischen wird Georgien durch Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt. Die NATO schloss mit Georgien eine strategische Partnerschaft ab und unterhält in Tiflis eine Vertretung. Es wurde Mitglied im Europarat und gehört zu den EU-Programmen Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) sowie TRASECA. Seit 1994 erhält Georgien US-amerikanische Militärhilfe und ist seit 2004 mit 850 Soldaten im Irak vertreten. In Afghanistan schützte eine 50-köpfige georgische Einheit die UNO-Beobachtermission.

Georgien will sich bis 2008 auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereiten. Seit dem 29. Oktober 2004 ist Georgien mit der NATO durch einen Individual Partnership Action Plan (IPAP) verbunden. In dem Plan verpflichtet sich Georgien, zur Reform seines politischen, Sicherheits- und Verteidigungssystems entsprechend den bei der NATO üblichen Standards. Im September 2006 wechselte Georgien auf eine neue Stufe der Zusammenarbeit mit der NATO, den Intensiven Dialog (ID). Eine Aufnahme Georgiens in den Membership Action Plan (MAP) wurde auf dem NATO-Gipfeltreffen in Bukarest im April 2008 abgelehnt. Deutschland hatte sich gegen eine Aufnahme Georgiens in den MAP ausgesprochen. Es verlangte, nur jene Staaten dürften NATO-Mitglied werden, in denen es keine internen Konflikte gebe. Seit dem Kaukasus-Konflikt 2008 sind die Beziehungen mit der EU gespannt. Präsident Saakaschwili gab ihr eine Mitschuld am Militärkonflikt, weil sie seine Warnungen vor einer russischen Truppenkonzentration an der georgischen Grenze nicht ernst genommen habe.

Die USA haben sich 1999 im Silk Road Strategy Act darauf festgelegt, starke politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Bindungen zwischen den Ländern des Südkaukasus ... und dem Westen zu entwickeln. Seit 2002 sind US-Militärausbilder für verschiedene Programme in Georgien tätig.

Post-sowjetischer Raum

Ein besonderes Verhältnis pflegt Georgien neben der Ukraine und Aserbaidschan mit der Gruppe der Neuen Freunde Georgiens: Estland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien unterstützen und konsultieren Georgien in seinem Wunsch, der Europäischen Union und der NATO beizutreten. Anlässlich der Wiederbelebung der GUAM im April 2005, sprach Präsident Saakaschwili von der Wiedererrichtung eines Baltischen-Schwarzmeer-Rahmens der Stabilität.

Orient

Seit 2006 baut Georgien seine Verbindungen zum Iran und zur arabischen Welt aus. Es knüpft dabei an seine traditionelle Rolle als Mittler zwischen Orient und Okzident an. Die Präsidenten Saakschwili und Mahmud Ahmadinedschad vereinbarten am Rande der UN-Vollversammlung im September 2006 eine verstärkte Zusammenarbeit auf den Feldern Energie, Transport und Industrie. Kuwait gab Georgien Kredite für den Ausbau des Straßennetzes.

Georgien pflegt zugleich freundliche Beziehungen zu Israel, liefert ihm Kampfflugzeuge, bezieht von dort Sturmgewehre.

Literatur

  • David Aphrasidze: Die Außen- und Sicherheitspolitik Georgiens: Zur Rolle kleiner und schwacher Staaten in der neuen europäischen Friedensordnung. Nomos, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0351-8
  • Andro Barnovi: Russian stance in the Caucasus and the national security strategy of Georgia. Naval Postgraduate School, Monterey, Calif. 2005
  • Dov Lynch: Why Georgia matters. Chaillot Paper No. 86, Paris 2006, (Online, PDF, 643,6 KB)