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Fahrradhelm

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Fahrradhelm

Ein Fahrradhelm (schweizerisch auch Velohelm) ist ein Sporthelm für Radfahrer, der bei einem Unfall die auf den Schädel des Radfahrers einwirkenden Kräfte verringern soll, um so Verletzungen zu verhindern oder abzumildern.

Geschichte

Rennhelm 1949, Velorama, Nijmegen (NL)

Schon lange vor Aufkommen der Fahrradhelme war bei Rennfahrern ein Sturzkappe oder Sturzring genannter Kopfschutz gebräuchlich.

Dieser ähnelte äußerlich den modernen Helmen. Die am Kopf von vorn nach hinten verlaufenden, aus Leder gefertigten, gefüllten Schläuche lagen direkt auf dem Kopf auf. Die flexible Konstruktion war, entgegen dem heutigen Helm, oft auf kleineres Format knick- oder faltbar.

Durch das direkte Aufliegen auf dem Kopf kann bei Sturzkappen anders als bei modernen Helmen keine Wärmeabfuhr durch den Fahrtwind erfolgen, was das Tragen besonders an heißen Tagen sehr unbequem macht. Durch die flexible Bauweise ist auch die Schutzwirkung weit schlechter als bei modernen Helmen. Sturzkappen werden daher nicht mehr verwendet.

Vereinzelt wurden bei Rennen auch Hartschalenhelme eingesetzt, die den alten Halbschalenhelmen der Motorradfahrer entsprachen.

Aufbau

Man unterscheidet zwischen den

  • Weichschalen-Helmen, die nur aus einer Schale aus Hartschaumstoff bestehen,
  • Hartschalen-Helmen, die um den Schaumstoff noch einen Überzug aus hartem Kunststoff haben und
  • Mikroschalen-Helmen, die einen dünnen Kunststoffüberzug haben.
Uwe Raab mit Sturzkappe bei der Flandern- Rundfahrt

Weichschalen-Helme entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik und sollten nach Expertenmeinung nicht mehr verwendet werden. Die weiche Oberfläche gleitet bei einem Aufprall nicht vom Untergrund ab, und Weichschalen-Helme können beim Sturz daher ein Schleudertrauma herbeiführen. Hartschalen-Helme sind aufgrund des hohen Gewichts praktisch nur im Downhill-Bereich anzutreffen, häufig sind sie zudem mit einem Kinnbügel als Gesichtsschutz ausgestattet.

Hartschalenhelme verfügen über eine harte, glatte Oberfläche, die Schutz gegen mechanische Einwirkung bieten und das Abgleiten vom Untergrund erleichtern soll.

Der Schale des Helmes wird bei modernen Helmen mit einem an mehreren Punkten aufgehängten Kinnriemen und durch flexible Elemente des Helmfutters spielfrei am Kopf fixiert. Ein lockerer Sitz oder ein Verschieben des Helmes, die seine Schutzwirkung beeinträchtigen würden, wird so verhindert.

Wirkungsweise

Beim Aufprall des Helmes erfüllt der Schaumstoff (oder Hartschaumstoff) des Helmes die Funktion einer Knautschzone und nimmt durch Kompression oder Bruch Energie auf. Auf diese Weise wird die auf das Gehirn ausgeübte lineare Beschleunigung vermindert und die Wahrscheinlichkeit eines Bruchs des Schädelknochens herabgesetzt.

Bei Hartschalenhelmen verteilt die Schale dabei die Kraft des Aufpralls auf eine größere Fläche, was die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur des Schädelknochens ebenfalls verringert. Softshell-Helme sind heute kaum noch im Angebot, da sie das Abgleiten des Helmes auf der Straße nicht unterstützen, und daher wahrscheinlich das Risiko einer Hirnschädigung durch rotationale Beschleunigung erhöhen. Ein Hartschalenhelm erleichtert das Abgleiten des Helmes beim Aufschlag und wirkt so diesem Risiko entgegen.

Da die Fähigkeit zur Energieaufnahme begrenzt ist, kann ein Fahrradhelm auch nur einen begrenzten Schutz bieten. Während das britische Verkehrsministerium nach Auswertung von 16 Studien zum Schluss kam, dass alle Studien eine Schutzwirkung nachweisen, die Aussagen über das Ausmaß der Schutzwirkung jedoch variieren,[1] führt die internationale Organisation Bicycle Helmet Research Foundation auch Studien an, die bestimmten Helmtypen oder Helmen im Allgemeinen die Wirksamkeit aberkennen.[2]

Bedingt durch die Energieaufnahme trägt ein Fahrradhelm beim harten Aufprall bleibende Verformungen davon und sollte nicht weiterverwendet werden, weil er seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen kann.

Notwendigkeit und Effizienz

Radfahren ist weniger gefährlich als viele anderen Tätigkeiten, bei denen kaum jemand einen Helm trägt oder dies bei anderen fordert.[3][4] So erleiden weitaus mehr Autofahrer als Fahrradfahrer Kopfverletzungen.[5] Über die Gründe, wieso ausgerechnet die Radfahrer mit Kampagnen und sozialem Druck bedrängt werden, einen Fahrradhelm zu tragen, gibt es bislang nur Spekulationen (Stand 2007).[6][7]

Eine Untersuchung von über 4.000 Fahrradunfällen mit geringem Helmträgeranteil, die klinisch behandelte Verletzungen zur Folge hatten, ergab, dass rund die Hälfte der Verletzten Kopfverletzungen erlitten, wovon wiederum rund zwei Drittel in dem Kopfbereich lagen, der von Fahrradhelmen abgedeckt wird.[8] Es wird aber darauf hingewiesen, dass wissenschaftliche Untersuchungen, die zum Ergebnis kommen, eine Schutzwirkung wäre nachweisbar, methodische Fehler enthielten, die die Ergebnisse entkräften würden.[9][10]

Manche Fahrradhelmkritiker erkennen die physikalische Wirksamkeit eines modernen, korrekt sitzenden Helmes an, weisen aber auf Gefährdungen hin, die die Schutzwirkung des Helmes ihrer Meinung nach durch mit dem Helmtragen verbundene Gefährdungen aufheben:

  • Eine soziale oder gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer führt nachweislich zu einem geringerem Radverkehrsanteil und somit zu einer höheren Gefährdung der verbleibenden Radfahrer.[11][12]
  • Die Frage wird aufgeworfen, ob das Tragen eines Helmes bei schweren Unfällen das Risiko von durch hohe Rotationsbeschleunigungen des Kopfes herbeigeführten Gehirnschädigungen erhöht.[13] Das Gesicht und der Kiefer insbesondere werden durch einen Fahrradhelm nicht abgedeckt und die Gefahr einer Kieferverletzung könnte erhöht sein.[14]
  • Ein möglicherweise verändertes, riskanteres Fahrverhalten durch das vom Helm hervorgerufene Sicherheitsgefühl (Risikokompensation).
  • Ein möglicherweise verändertes, riskanteres Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere geringere Abstände bei Überholvorgängen.[15][16]
  • Fehleinschätzung des Abstandes eines Helmes zu Hindernissen, z.B. wegüberspannenden Hinweisschildern.

Diese negativen Auswirkungen sprechen nach Meinung von Fahrradhelmkritikern deutlich gegen eine Einführung einer Helmpflicht für Radfahrer. Besonders falscher Sitz des Helmes und das Tragen von ungeeigneten Helmen sei häufig bei Personen zu beobachten, die sich nicht selbst zum Tragen eines Helmes entschlossen hätten, sondern durch Vorschriften oder sozialen Druck gezwungen den Helm nur unwillig tragen würden.

Gesetzliche Vorschriften

Tragepflicht

In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es keine gesetzlichen Vorschriften zum Tragen von Radhelmen im Straßenverkehr. Das Tragen eines Helms wird aber besonders durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) und die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) gefordert. Die Suva möchte eine Helmpflicht per Gesetz einführen, sobald die freiwillige Trägerquote 50 % erreicht, die BfU schon bei 40 %. 2006 lag die Quote in der Schweiz laut beiden Institutionen bei knapp über 34 %. Unabhängig davon hat die BfU im Sommer 2006 die Einführung einer Helmpflicht für Kinder bis 14 Jahre gefordert. In Deutschland gibt es zur Zeit eine Petition an den Bundestag, die eine Helmpflicht für Fahrradfahrer mit dem Verweis auf den schlechten Zustand der Radwege und auf „Billigfahrräder“ fordert (Stand 2007).[17]

In Finnland besteht Helmpflicht für alle Radfahrer, sie ist allerdings nicht mit Geldbußen oder Gebühren bewehrt.[18] In Spanien besteht eine Helmpflicht außerhalb geschlossener Ortschaften und in Tschechien seit dem 1. Juli 2005 eine Helmpflicht für Radfahrer unter 18 Jahren, in Schweden seit demselben Zeitpunkt für Radfahrer unter 15 Jahren.

Beispiele für Staaten mit Tragepflicht außerhalb Europas sind Australien, wo in einigen Gebieten ebenfalls eine Helmpflicht eingeführt wurde, Neuseeland, sowie einige Staaten der USA. In Australien nahm seit der Helmpflicht die Zahl der Fahrradfahrer ab, die absolute Zahl schwer und tödlich verunglückter Radfahrer hingegen zu. Man vermutet, dass Autofahrer weniger mit Radfahrern rechnen, sie darum gehäuft übersehen und mit ihnen kollidieren.

Prüfverfahren

Fahrradhelme, die in der Europäischen Union und in der Schweiz auf den Markt kommen, müssen eine Prüfung gemäß der EN 1078 bestehen. Dabei müssen Prüfköpfe mit Massen zwischen 3,1 und 6,1 Kilogramm

  • aus einer Höhe von rund 1,5 Metern auf eine Ebene fallen, die Aufschlagsgeschwindigkeit beträgt dabei 19,5 km/h
  • aus einer Höhe von rund 1,1 Metern auf zentral ein dachförmiges Ziel fallen, die Aufschlagsgeschwindigkeit beträgt dabei 16,5 km/h

Das Fallziel besteht aus Stahl. Der im Prüfkopf eingebaute Sensor darf in keinem Fall mehr als 250 g Beschleunigung messen.[19]


Quellen

  1. Elizabeth Towner u. A.: Bicycle helmets: review of effectiveness (PDF), S. 12 und S. 17
  2. Bicycle Helmet Research Foundation: Contradictory evidence about the effectiveness of cycle helmets, 2007
  3. Wolfgang Strobl: Warum fordert die Hannelore-Kohl-Stiftung eigentlich keine Treppenhelme? In: Analyse einer Medienkampagne „Der Polizeipräsident fordert die Helmpflicht“ – oder Schuster, bleib bei Deinen Leisten! 3. Oktober 2007, abgerufen am 18. November 2007.
  4. Christian Wöhrl: Der Radhelm – Fragen, Mythen, Hypothesen und Fakten als Beitrag zur Meinungsbildung. 2004, abgerufen am 18. November 2007.
  5. Geschäftsbericht 2004 der Hannelore-Kohl-Stiftung für Verletzte mit Schäden des Zentralen Nervensystems (PDF-Dokument), Abbildung S. 15
  6. Kurt Fischer: Re: Petition zur Radwegbentuzungspflicht. 20. März 2007, abgerufen am 18. November 2007.
  7. John Forester: Cyclist Inferiority. Sheldon Brown, 28. Juni 2007, abgerufen am 18. November 2007 (englisch).
  8. Martinus Richter: Verletzungen von Fahrradfahrern, Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie, 2005; 143: 604–605, Abschnitt Verletzungsschwere
  9. Christian Wöhrl: Der Radhelm – Fragen, Mythen, Hypothesen und Fakten als Beitrag zur Meinungsbildung. 2004, abgerufen am 18. November 2007.
  10. Alison Macpherson: Bicycle helmet legislation for the uptake of helmet use and prevention of head injuries (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews, 18. April 2007, abgerufen am 18. November 2007 (englisch).
  11. Dorothy L Robinson: Do enforced bicycle helmet laws improve public health? BMJ 2006;332:722, doi:10.1136/bmj.332.7543.722, 25. März 2006, abgerufen am 19. November 2007 (englisch).
  12. Wilhelm Angenendt: Unfallrate auf Radwegen in Abhängigkeit von Radverkehrsaufkommen – bei Radwegführung. In: Verkehrssichere Anlage und Gestaltung von Radwegen. Bernd Sluka, 1994, abgerufen am 19. November 2007.
  13. Dorothy L Robinson: Bicycle helmet legislation: Can we reach a consensus? In: Ewiges Streitthema „Helm“ – warum bisherige Studien keinen Nutzen nachweisen konnten. Fahrradzukunft 4/2007, 2007, abgerufen am 19. November 2007.
  14. N. J. Mills: Accident investigation of motorcycle helmets, Impact, 1996, volume 5, pp 46─51, figure 4
  15. Walker, Ian. Drivers overtaking bicyclists: Objective data on the effects of riding position, helmet use, vehicle type and apparent gender. Accident Analysis and Prevention, deutschsprachige Zusammenfassung auf SPIEGEL-Online
  16. Bernd Sluka: Kritische Anmerkungen zu Walkers Untersuchung von Überholabständen. Fahrradzukunft 4/2007, 16. November 2007, abgerufen am 19. November 2007.
  17. Andre Peters: Sicherheit im Straßenverkehr: Helmpflicht für Fahrradfahrer. In: Öffentliche Petitionen. Deutscher Bundestag, 25. September 2007, abgerufen am 19. November 2007.
  18. Finnland. Kurzinformationen für die Radtour (PDF), ADFC
  19. Informationen zu Prüfnormen

Literatur

  • Andersson, Larsson and Sandberg, Chin strap forces in bicycle helmets, Swedish National Testing and Research Institute, SP Report, 1993
  • Kippa, Kopftuch, Velohelm, FACTS Nr. 27/2005, Seite 26─28