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Chassidismus (Begriffsklärung)

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Der Chassidismus ist eine volksreligiöse und spirituelle Bewegung innerhalb des Judentums.

Zwei unabhängige Entwicklungen des Chassidismus sind zu unterscheiden:

Der deutsche Chassidismus des Mittelalters

Aus den für das Judentum bedrohlichen Wirren der Kreuzzüge entwickelte sich der Chassidismus in Deutschland parallel zur Entstehung der christlichen Mystik von etwa 1150 bis 1250 vor allem im Rheinland (Speyer, Worms und Mainz). Prägend waren insbesondere die Angehörigen der aus Italien eingewanderten Familie der Kalonymiden:

Der Chassidismus ist keine philosophische oder theologische Lehre, sondern die religiöse Praxis des Chassid (hebräisch "der Fromme", abgeleitet vom Begriff "Gnade", "Güte"), die sich insbesondere im Gebet als spiritueller Übung äußert. Bestimmende Momente sind dabei

  • die Abwendung von der Welt
  • vollkommener seelischer Gleichmut
  • extremer Altruismus.

Der osteuropäische Chassidismus des 18. und 19. Jahrhunderts

Der Chassidismus im osteuropäischen Judentum hat mit dem deutschen Chassidismus des Mittelalters nur wenig mehr als den Namen gemeinsam und übertrifft diesen erheblich an Bedeutung.

Sein Begründer ist Israel ben Elieser (1700-1760), genannt Baal Schem Tow ("Der Meister des guten Namens"). Zu seinen wichtigsten Schülern gehören der Maggid von Mesritsch (das ist Rabbi Dow Bär), und Rabbi Jacob Josef von Polnoe.

In den großen jüdischen Gemeinden Polens, Weißrusslands, Russlands und Österreich-Ungarns fand der Chassidismus große Verbreitung. Er basiert auf dem traditionellen Studium der Thora und der jüdischen mündlichen Überlieferung, dem Talmud und seinen Kommentaren. Insbesondere aber hat die mystische Tradition der Kabbala erheblichen Einfluss gewonnen. Über dieses Studium hinaus betont der Chassidismus die Bedeutung persönlichen und gemeinschaftlichen religiösen Erlebens.

Die Chassidim (Mehrzahl von Chassid) versammeln sich besonders am Sabbat und den jüdischen Festtagen um ihren Rabbi (jiddisch "Rebbe"), um in Gebet, Liedern und Tänzen und auch religiöser Ekstase Gott näher zu kommen. Der chassidische Rabbi, genannt "Zaddik" ("Gerechter, Bewährter", von hebräisch "zädäk" = "Gerechtigkeit"), ist charismatischer Führer und Mittelpunkt der Gemeinde und gibt die chassidischen Lehren - oftmals in Form von Erzählungen und Gleichnissen - seinen Schülern weiter.

Heute werden chassidische Juden meist zum orthodoxen Judentum gerechnet, ursprünglich jedoch wurden sie von den Orthodoxen eher abgelehnt. So ist der große Vertreter der Orthodoxen in der Zeit Israel ben Eliesers, der Gaon von Wilna, ein entschiedener Gegner des Chassidismus gewesen. Man störte sich vor allem an der Spontaneität und der Lebenslust der Chassidim und ihrer Ablehnung von Kasteiung und eines asketischen Lebens.

Moderne chassidische Persönlichkeiten und Bewegungen

Chassidische Traditionen konnten in Europa nur in Ausnahmefällen die fast vollständige Vernichtung der osteuropäischen Juden durch den deutschen Nationalsozialismus überstehen. In Amerika finden sich dagegen bis heute Fortläufer dieser Richtung.

Martin Buber (1878-1965) hat Anfang des 20. Jahrhunderts den Chassidismus über viele Jahre untersucht und mehrere Bücher darüber geschrieben. Ein zentrales Werk sind seine "Erzählungen der Chassidim", worin er überlieferte Weisheitsgeschichten sammelte und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte.

Im deutschen Sprachraum hat daneben vor allem der chassidische Weise Friedrich Weinreb (1910-1988) die mystische Tradition des Ostjudentums authentisch weitergetragen und fortentwickelt.

Die bekannteste chassidische Gemeinschaft der Gegenwart ist die Chabad-Bewegung, auch bekannt als "Lubawitscher Gemeinde", mit Sitz in New York City.

Literatur

  • Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim, Zürich 1949. ISBN: 3-7175-1062-2
  • Georg Langer: Der Rabbi, über den der Himmel lachte - Die schönsten Geschichten der Chassidim, 1986, ISBN: 3-5962-5457-4