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Didaktik

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Didaktik im engeren Sinn beschäftigt sich mit der Theorie des Unterrichts, in einem weiteren Sinne mit der Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens.

Nähere Begriffsbestimmung, Einordnung und Abgrenzung

Didaktik ist eine Unterdisziplin der Pädagogik und wird von einigen als deren Herzstück bezeichnet. Als "allgemeine Didaktik" beschäftigt sie sich unabhängig von spezifischen Lerninhalten mit der Gestaltung von Lernangeboten und der Lerntechnik, auch deren Vermittlung. Insoweit sie sich auf spezifische Lehrinhalte bezieht, beruht sie zugleich auf der jeweils zuständigen Fachwissenschaft (Fachdidaktik).

Lange Zeit bezog sich Didaktik allein auf die Gestaltung von schulischem Unterricht und galt als Bezugsdisziplin für das Handeln von Lehrer/innen vor allem der Primar- und Sekundarstufe. Andere Lernkontexte, wie Erwachsenen- und Weiterbildung, Lernen in beruflichen Kontexten oder der Hochschule wurden ausgeblendet oder vernachlässigt. Die Fixierung auf das Handeln der Lehrenden ist in den 90er Jahren durch die Diskussion über den Konstruktivismus relativiert worden. Didaktik ist nicht mehr (allein) Handlungswissenschaft für Lehrer/innen, sondern beschäftigt sich ganz allgemein mit allen lernförderlichen Arrangements. So hat in den 1990er Jahren etwa die Mediendidaktik ganz wesentliche Impulse für die Didaktik-Diskussion gebracht. Mit der zunehmenden Bedeutung verschiedener Lernkontexte außerhalb von Schule konstituiert sich Didaktik als kontextübergreifende Disziplin, die sich mit der Gestaltung von Lernangeboten beschäftigt.

Nach Jank und Hilbert Meyer [Didaktische Modelle, 1994] befasst sich Didaktik mit der Frage, "wer was wann mit wem wo wie womit warum und wozu lernen soll." Diese Auffassung korrigiert die in der Lehrerausbildung weitverbreitete "Vulgärdefinition" [Jank und Meyer, a.a.O.], derzufolge sich Didaktik nur um das was kümmere, in Abgrenzung zur Methodik, die sich mit dem wie des Unterrichtens befasst. Sachgerechter erscheint es, Methodik als eine Teildisziplin der Didaktik zu verstehen.

Historisch lässt sich jedoch auch der genau umgekehrte Wortgebrauch belegen, demzufolge Didaktik als Teildisziplin der Methodik angesehen wurde: Das Buch "Methodik [sic] des Mathematischen Unterrichts" von Walther Lietzmann und Stender [3. Auflage Quelle und Meyer, Heidelberg 1961] besteht aus den zwei Teilen "Methodik des mathematischen Unterrichts" (mit Kapiteln wie "Ziele" und "Wege der Unterrichtsführung") und "Didaktik der Mathematik" (mit Kapiteln wie "Elementare Algebra" oder "Die Vektormethode auf der Schule").

Jan Amos Komenský (Comenius) entwickelte die erste Didaktik der Neuzeit.

didaktische Modelle

Als ein didaktisches Modell bezeichnet man [Blankertz 1969, Ruprecht et al. 1972] ein auf Vollständigkeit zielendes Theoriegebäude zur Analyse und Planung didaktischen Handelns in schulischen und anderen Lehr- und Lernsituationen [Definition nach Jank und Meyer, a.a.O.] (siehe auch Modell).

Folgende "didaktischen Modelle" werden in Deutschland diskutiert:

  • die bildungstheoretische Didaktik, erneuert als kritisch-konstruktive Didaktik,
  • die curriculare Didaktik
  • die lern- beziehungsweise lehrtheoretische Didaktik,
  • die informationstheoretisch-kybernetische Didaktik
  • die kommunikative Didaktik,
  • die subjektive Didaktik
  • die konstruktivistische Didaktik

Diese zwischen 1930 und 1970 im deutschsprachigen Raum entstandenen Ansätze verstanden sich jeweils als konkurrierende Richtungen, die auf dem Hintergrund der Lehrerausbildung entstanden und jeweils die Bildung einer eigenen "Schule" zu etablieren versuchten. Im Vordergrund stand dagegen nicht die gemeinsame Suche nach Grundprinzipien der Gestaltung von Unterricht. Die meisten dieser, in der Praxisliteratur oft zitierten Ansätze haben in der aktuellen, wissenschaftlichen Diskussion nur historische Bedeutung, da der oft einzige Vertreter der entsprechenden "Schule" pensioniert oder verstorben ist.

Mit der Fokussierung auf diese "didaktischen Modelle" und "Schulen" blieb die Diskussion in Deutschland bis in die 1990er Jahre von der internationalen Forschung weitgehend abgeschnitten. Erst Ende des 20. Jahrhunderts fand die Forschung Anschluss an die internationale Diskussion und die Forschung zum Instruktionsdesign. Statt der "Schulenbildung", die die deutsche Diskussion lange Zeit geprägt hat, entwickelt sich Didaktik zunehmend zu einer empirisch fundierten Gestaltungsdisziplin.

In den 1990er Jahren hat die internationale Diskussion vor allem der Ansatz der konstruktivistischen Didaktik geprägt. Seit etwa 2000 gewinnt der Ansatz des pädagogischen Pragmatismus in der didaktischen Diskussion zunehmend an Bedeutung.


Bedeutende Vertreter sind:

Von Wolfgang Klafki weiterentwickelt zur konstruktiv-kritischen Didaktik.

curriculare Didaktik

Bedeutende Vertreter sind:

Die curriculare Didaktik interessiert sich vor allem für Lernziele, ihr aufeinander-bezogen sein-und

(lehr-)lerntheoretische Didaktik

Die Vertreter dieser Didaktik streben den Erwerb neuer Fähigkeiten, neuer Einstellungen, neuer Interessen an, mit soziokulturellen Folgen für die Stabilität, für Innovationsfähigkeit der Gesellschaft.

Elemente sind:

  1. Lehr- und Lernziele (kognitive, affektive und pragmatische Ziele)
  2. Lerninhalte
  3. Methoden der Gestaltung des Unterrichts
  4. Medien.

Bedeutende Vertreter sind:

kommunikative Didaktik

Die Vertreter dieser Didaktik betrachten Unterricht als ein kommunikatives Geschehen. Die kommunikative Didaktik hat den Blick auf das Beziehungsgeschehen in der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden gelenkt. Gelernt wird im Unterricht nicht nur auf der Inhaltsebene. Auch wie miteinander kommuniziert wird, beeinflusst das Lernen. Aus diesem Grund betont die kommunikative Didaktik besonders die Gestaltung der Beziehungsebene.

Inhaltliche Bezüge: Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick, Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas

Begründer der kommunikativen Didaktik ist:

Von ihren Vertretern wird die Methode Lernen durch Lehren als radikale Umsetzung der kommunikativen, konstruktivistischen Didaktik angesehen.

informationstheoretisch-kybernetische Didaktik

Die Informationstheorie, 1948 mit dem Aufsatz von Claude Shannon begründet, ist ein Untergebiet der Nachrichtentechnik. Unter dem Namen Kybernetik hat insbesondere Norbert Wiener Anwendungen weit über die Technik hinaus vorgeschlagen und damit etwas ausgelöst, was man wohl als eine intellektuelle Mode bezeichnen darf. Grundlegenes Modell ist der Regelkreis. Ein typischer informationstechnischer Begriff, der dauerhaft in die Geisteswissenschaften übergetreten ist, ist die Redundanz.

Die Anwendung auf die Didaktik stammt von

Der Ansatz ist nur mehr von historischer Bedeutung und hat heute keine "bekennenden" Anhänger in der Didaktik.

subjektive Didaktik

Von Edmund Kösel formuliertes Modell, das alle Überlegungen von der Perspektive des Lern-Subjekts her anstellt.

konstruktivistische Didaktik

Als Grundannahme gilt der Befund, dass im Prozess der Wahrnehmung keine Realität abgebildet, sondern vielmehr eine relative und subjektive Wirklichkeit geschaffen (konstruiert) wird. Eine konstruktivistisch orientierte Didaktik geht in diesem Sinne von folgenden Annahmen voraus: "Wissen kann nie als solches von einer Person zur anderen übermittelt werden. (...). Die einzige Art und Weise, in der ein Organismus Wissen erwerben kann, (besteht darin), es selbst aufzubauen oder für sich selbst zu konstruieren.(...) Die Tätigkeit des Lehrens (sollte) als ein Versuch angesehen werden (...), die Umwelt eines Schülers so zu verändern, dass dieser möglichst jene kognitiven Strukturen aufbaut, die der Lehrer vermitteln möchte" (von Glasersfeld 1987, 133). Im Gegensatz zzu gängigen 'Eintrichterungstheorien' wird eine KD das Lernen als einen Prozess der Selbstorganisation von Wissen verstehen, das sich auf der Basis der Wirklichkeits- und Sinnkonstruktion jedes einzelnen Lernerindividuums vollzieht und damit relativ individuell und unvorhersagbar ist. Als Lehrer sollte man möglichst reichhaltige, multimodale, interessante und kommunikationsorientierte Umgebungen schaffen, welche die subjektiven Erfahrungsbereiche ansprechen und gleichzeitig neue 'Rätsel' beinhalten, die pragmatisch, interaktiv und kreativ zur Selbstorientierung einladen. Kooperation, Kommunikation und Interaktion dienen der Problemdefinition und Problemlösung, wobei der Bedeutungsaushandlung eine große Rolle zukommt.

pragmatische Ansätze

didaktische Konzepte

Mit der Erkenntnis über die Begrenztheit "umfassender" didaktischer Modelle, rücken zunehmend "kleinere" Konzepte für die Gestaltung von Lernangeboten in den Vordergrund der Diskussion. Solche Konzepte sind als Orientierungshilfe für die Praxis gedacht und bieten in der Forschung Ansatzpunkte für gezielte Untersuchungen.

Gegenwärtig diskutierte didaktische Konzepte umfassen unter anderem:


"Lernen durch Lehren"(LdL)-Bewegung

Seit dem Anfang der 80er Jahre hat sich abseits der etablierten universitären Didaktik um den Eichstätter Didaktiker Jean-Pol Martin herum die Grasroot-Bewegung Lernen durch Lehren (LdL) entwickelt und etabliert. Durch die Übertragung von Lehrfunktionen auf die Schüler werden alle gegenwärtig diskutierten Konzepte (zum Beispiel offener Unterricht, konstruktivistische Didaktik, kommunikative Didaktik, Handlungsorientierung) aufgegriffen und integriert. Auf dem Hintergrund des Paradigmenwechsels, der die ganze Gesellschaft erfasst und zur Betonung einer aktiven, kollektiven Konstruktion von Wissen führt, findet das LdL-Modell seit einigen Jahren besondere Beachtung. So wird das LdL-Ausbildungs-Konzept sowohl in Behörden (Bundesgrenzschutz) als auch in Unternehmen eingesetzt und von den Kultusministerien gefördert. Auch durch die Gehirnforschung erhält LdL Unterstützung. So ist aus der Sicht der Bielefelder Wissenschaftlerin Prof.Teuchert-Noodt Lernen durch Lehren "zwingend". Martin entwickelt sein Konzept einer kollektiven Konstruktion von Wissen in Ausnutzung der Möglichkeiten des Internets weiter. Insbesondere die von der ZUM eingerichteten LdL-Foren bilden eine gute Infrastruktur für kollektives Denken.

Kommunikationsfähigkeit und kollektive Konstruktion von Wissen

Die zentrale Dimension, die durch den Einsatz von LdL gefördert werden soll, ist die Fähigkeit, zu kommunizieren, um gemeinsam Wissen zu konstruieren (Kollektive Intelligenz). Ausgehend von der Vorstellung, dass diese Eigenschaften zentrale Dimension erfolgreicher Problemlöser in der Zukunft sein werden (6. Kondratjew), entwickelt Jean-Pol Martin sein Konzept weiter. Siehe (Weblinks) die Beschreibung des Kurses "Internet- und Projektkompetenz" (IPK) und des von Studenten und Schüler gemeinsam konstruierten "Palastes des Wissens".

Siehe auch


Literatur

  • Herwig Blankertz, Theorien und Modelle der Didaktik; München (Juventa) 1969 (zahlreiche Neuauflagen: Begründete angeblich die Rede von "Modellen")
  • H. Ruprecht, H.-K. Beckmann, F. von Cube und W. Schulz, Modelle grundlegender didaktischer Theorien; Hannover (Schroedel) 1972
  • W. Jank und H. Meyer, Didaktische Modelle; Berlin (Cornelsen) 1991, 3. Aufl. 1994
  • H. Gudjons und R. Winkel (Hg.), Didaktische Theorien; 10. Aufl., Hamburg (Bergmann+Helbig) 1999
  • Jean-Pol Martin, Lernen durch Lehren; o.O. 2002 (PDF)

Wer sich über das rezeptartige Werk von Jank & Meyer hinaus für neuere theoretische Bemühungen um die Didaktik interessiert, dem seien folgende Bücher empfohlen:

  • Klaus Prange, Bauformen des Unterrichts. Eine Didaktik für Lehrer; Bad Heilbrunn/ Obb. (J.Klinkhardt) 1983
  • Jürgen Diederich, Didaktisches Denken. Eine Einführung in Anspruch und Aufgabe, Möglichkeiten und Grenzen einer Allgemeinen Didaktik; Weinheim (Juventa) 1988
  • Christoph Türcke, Vermittlung als Gott. Kritik des Didaktik-Kults; Lüneburg (Zu Klampen) 1994
  • Andreas Gruschka, Didaktik - Das Kreuz mit der Vermittlung. Elf Einsprüche gegen den didaktischen Betrieb; Wetzlar (Pandora) 2002
  • Meixner, Johanna/Müller, Klaus (2004): Angewandter Konstruktivismus. Ein Handbuch für die Bildungsarbeit in Schule und Beruf. Aachen. Shaker.