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EU-Emissionshandel

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Treibhausgase sind die wichtigste anthropogene Ursache des Klimawandels


Der EU-Emissionshandel (European Emission Trading System, ETS) ist ein Politikinstriument der Europäische Union um ihr im Kyoto-Protokoll festgelegtes Klimaschutzziel, die Reduktion von Treibhausgasemissionen, zu erreichen und die Globale Erwärmung zu verlangsamen. Er deckt die Stromerzeugung und einige Industriebereiche wie Zementherstellung oder die Stahlindustrie in 30 europäischen Ländern ab, die zusammen etwa die Hälfte der Europäischen CO2-Emissionen ausmachen. Das erste multinationale Emissionsrechtehandelssystem trat am 1. Januar 2005 in Kraft und fungiert als Vorreiter eines möglichen weltweiten Systems. Momentan (2008/09) wird über die Ausgestaltung der Phase III (ab 2013) entschieden, wobei auch eine Aufnahme der Luftfahrt in das EHS diskutiert wird.

Überblick

Emissionsrechtehandel

Ein Emissionsrechtehandel wie das Europäische ETS ist ein marktwirtschaftliches Instrument der Umweltpolitik. Im Kern geht es darum, Emissionen dort zu senken, wo die Einsparung am günstigsten Erfolgen kann. ökomisch gesprochen, sollen die Grenzkosten der Vermeidung angeglichen werden. Sind die Vermeidungskosten unterschiedlich (heterogen), ist ein Handel mit Emissionszertifikaten einer Pigou-Steuer theoretisch überlegen. Neben dem ETS findet noch ein zweiter Handel mit Emissionsrechten statt: Unter dem Kyoto-Protokoll können Staaten bilateral ihre Senkungsverpflichtungen handeln.

Abdeckung und Handel im ETS

Der europäische Emissionshandel betrifft lediglich Kohlendioxid-Emissionen aus der Stromerzeugung in thermischen Kraftwerken ab 20 MW Leistung (Beispiele) und aus fünf Industriebranchen (Eisen- und Stahlverhüttung sowie Kokereien, Raffinerien und Cracker, Zement- und Kalkherstellung, Glas-, Keramik und Ziegelindustrie sowie Papier- und Zelluloseproduktion. Diese Industrien machen zusammen etwa 50 Prozent der europäischen CO2-Emissionen und 40 Prozent der gesamten Treibhausemissionen aus. Nicht erfasst werden Haushalte, andere Industrien und Gewerbe, Landwirtschaft und der Transportsektor. Ebenfalls nicht erfasst werden anderen Treibhausgase wie Methan oder Distickstoffoxid (Lachgas). Das System ist anlagenbasiert, das heißt jede der etwa 12.000 abgedeckten Fabriken und Kraftwerke wird einzeln erfasst (und nicht ganze Unternehmen oder Länder). Jede Anlage bekommt eine bestimmte Menge Emissionsberechtigungen (Zertifikate, allowances) zugeteilt, die zur Emission von einer Tonne Kohlendioxid berechtig; stößt sie mehr aus, müssen zusätzliche Zertifikate zugekauft werden. Der Handel der rein elektronischen Emissionsberechtigungen erfolgt über Börsen (etwa die Leipziger EEX), Makler oder over the counter (OTC), also direkt zwischen den Beteiligten. Emissionsrechte aus anderen Ländern, die im Rahmen des Clean Development Mechanism erworben wurden, können im EHS angerechnet werden, allerdings nur bis zu bestimmten Obergrenzen, und Rechte aus Aufforstungsprojekten sind davon ausgenommen.

Phasen

Der Emissionsrechtehandel erfolgt in Phasen, mit der abgeschlossenen Phase I (2005–07), der aktuell laufenden Phase II (2008–12) und der momentan verhandelten Phase III (2013–20). In Phase I wurde zu viele Emissionsrechte vergeben, so dass der Preis dafür auf wenige Cent einbrach. Der Preis für Futures aus Phase II schwankt zwischen 20 und 30 Euro. Die Verteilung der Anfangsausstattung an Zertifikaten ist weitgehend Entscheidungsfreiheit der Nationalstaaten und in sogenannten nationalen Allokationsplänen geregelt. So erhalten in Deutschland in Phase II die Industriebetriebe ihre Anfangsausstattung komplett kostenfrei, die Stromerzeuger allerdings nur zu 90 %, der Rest wird durch die KfW über die Börse verkauft (wobei monatlich etwa 80 Millionen Euro erzielt werden).

Hintergrund und Entstehungsgeschichte

Das Ziel des ETS ist eine Verminderung der globalen Erwärmung
Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid steigt stark an. CO2 ist für etwa 60% des anthropogenen Treibhauseffektes verantwortlich

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hat die EU 1997 zugesagt, die Treibhausgasemissionen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 um acht Prozent gegenüber 1990 zu verringern, um der globalen Erwärmung durch den Treibhauseffekt und deren Folgen entgegenzuwirken. In der Ergänzungen von Marrakesch wurden 2001 Ziele für die einzelnen Länder festgelegt, für Deutschland etwa eine Verringerung um 21 Prozent. Bis 2020 soll dieser Basiswert nach einer unilateralen Selbstverpflichtung der EU um 20 Prozent unterschritten werden. Um das Ziel zu erreichen, einigten sich die EU-Staaten im Rahmen des Europäischen Programms für den Klimaschutz (ECCP) unter anderem auf die Einführung eines grenzüberschreitenden Emissionshandels als einzentraler Baustein der europäischen Klimapolitik.[1]

Zuteilung von Emissionszertifikaten

in Mio. t p.a. Phase I Phase II
Staat Zertifikate p.a. Emissionen (2005) Zertifikate p.a. Emissionen (2008)
Osterreich Österreich 33,0 33,4 30,7 *)
Belgien Belgien 62,1 **) 55,6 58,5
Tschechien Tschechien 97,6 82,5 86,8
Frankreich Frankreich 156,5 131,3 132,8
Deutschland Deutschland 499,0 474,0 453,1
Griechenland Griechenland 74,4 71,3 69,1
Irland Irland 22,3 22,4 21,2
Lettland Lettland 4,6 2,9 3,3
Litauen Litauen 12,3 6,6 8,8
Luxemburg Luxemburg 3,4 2,6 2,7
Malta Malta*****) 2,9 2,0 2,1
Niederlande Niederlande 95,3 ***) 80,4 85,8
Polen Polen 239,1 203,1 208,5
Slowakei Slowakei 30,5 25,2 30,9
Slowenien Slowenien 8,8 8,7 8,3
Spanien Spanien 174,4 182,9 152,3
Schweden Schweden 22,9 19,3 22,8
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich 245,3 ****) 242,4 246,2
Gesamt 1784,4 1646,5 1623,9
Quelle: EU Presseerklärung IP/07/459 vom 2. April 2007[2]

Die Tabelle umfasst nicht jene Anlagen und Emissionen der Phase II, die später hinzugefügt wurden.
*)Zahlen werden im Frühjahr 2009 bekannt gegeben.
**) Einschließlich der Anlagen, die Belgien 2005 vorübergehend von dem System ausgeschlossen hat.
***) Seit 2006 umfassen die Zahlenangaben zusätzliche Anlagen und zusätzliche Emissionen in Höhe von 6 Mio. t.
****) Ohne die 2005 vom Vereinigten Königreich zurückgenommenen Anlagen (ca. 30 Mio. t), die erst in Phase II berücksichtigt werden.
*****) Zypern und Malta haben als neue Mitgliedsstaaten keinen Anhang-I-Status. Sie haben eigene nationale Allokationspläne und nehmen erst in Phase II am Emissionsrechtehandel teil.

Die Verteilung der Zertifikate wird von jedem teilehmenden Land in sogenannten Nationalen Allokationsplänen (NAPs) geregelt. Ein NAP besteht aus einem Makroplan und einem Mikroplan. Der Makroplan legt fest, wie viele Zertifikate in einem Land insgesamt ausgegeben werden sollen. Er legt dar, wie viel der im Kyoto-Protokoll festgelegten Einsparung durch den ETS-Sektor (Stromerzeugung, Raffinerien, Stahlerzeugung etc.) und wie viel durch den nicht-ETS-Sektor (Haushalte, andere Gewerbe, Transport, Landwirtschaft etc.) erreicht werden sollen. Er wird von der Europäischen Kommission auf die Erreichbarkeit der Kyoto-Ziele hin überprüft. Deutschland etwa hatte für die aktuelle Phase II 482 Mio. Zertifikate jährlich beantragt, die Kommission hat dies aber auf 453 Millionen Stück gekürzt.[3]

Im Zweiten Teil des NAP, dem Mikroplan wird die Verteilung der Zertifikate auf die einzelnen Anlagen festgelegt. Alles Staaten verfahren bisher in erster Linie nach dem Prinzip des Grandfathering. Demnach erhalten die Analgen kostenlose Zertifikate gemäß ihren bisherigen Emissionen. Ein geringer Teil der Zertifikate wird in einigen Ländern auch versteigert. Außerdem haben viele NAPs Sonderregelungen für Early action und weitere Ausnahmen, in Deutschland etwa für Kraft-Wärme-Kopplung und die Abschaltung von Atomkraftwerken. Auch der Mikroplan wird von der Kommission geprüft, besonders bezüglich der Gleichbehandlung von in- und ausländischen Unternehmen und der Einhaltung des EU-Wettbewerbsrecht.

Entwicklung des ETS

Phase I (2005-07)

In Phase I mussten alle Emissionsberechtigungen kostenlos an die Anlagenbetreiber abgegeben werden.

Die Phase I stand unter dem Zeichen einer massiven Überallokation an Berechtigungen. Insgesamt wurden etwa 2150 Millionen Zertifikate pro Jahr ausgegeben, aber nur 2012 Millionen Tonnen (2005), 2034 Mio. t (2006) beziehungsweise 2050 Mio. t (2006) CO2 von den erfassten Anlagen emittiert, also jährlich gut 100 Millionen Tonnen weniger als durch Zertifikate erlaubt gewesen wäre.[4] Als im Sommer 2006 die Zahlen für das Vorjahr bekannt wurden, sank der Preis für die Zertifikate bald auf wenige Cent (siehe Abschnitt zur Preisentwicklung).

Phase II (2008-12)

Die zweite Phase läuft von 2008 bis 2012 und fällt damit mit der Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls zusammen, auf die sich die Emissionsziele beziehen. Die Beitrittsländer Rumänien und Bulgarien (seit 2007) nehmen nun genauso teil wie die EWR-Staaten Liechtenstein, Island und Norwegen.

Nach Genehmigung der 22 nationalen Allokationspläne durch die EU-Kommission stehen ab 2008 nur mehr Emissionsberechtigungen für knapp 1,9 Mrd. t CO2 pro Jahr zur Verfügung. Dies entspricht einer Unterausstattung von 111 Mio. t CO2, 5,7 % weniger als die Emissionen 2006.

Im Gegensatz zur ersten Handelsperiode können fehlende CO2-Emissionsberechtigungen auch durch Emissionsreduzierungen in Drittländern, aus sogenannten Clean Development (CDM)- oder Joint Implementation (JI)-Projekten ausgeglichen werden. Die zulässige Höhe solcher Projekte kann von den einzelnen Staaten selbst festgelegt werden. In Deutschland sind dies 22 % für jede einzelne Anlage.[5]

Außerdem werden etwas mehr Anlagen erfasst als in der ersten Periode, etwa Cracker in Chemiefabriken (insgesamt 52 Millionen Tonnen pro Jahr).

Bezüglich der Allokation der Zertifikate haben die Ländern in ihren NAPs mehr Freiheiten: Sie können bis zu 10 Prozent ihrer Zertifikate versteigern. Deutschland verkauft momentan 8,8 Prozent der Zertifikate an der Börse. Dies wird von der Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt.


Phase III (2013-20)

Die Regeln für die 2013 beginnende Phase III des ETS befinden sich gerade im Gesetzgebungsverfahren. Am 23. Januar 2008 präsentierte die EU-Kommission im Rahmen ihres Initiativrechts einen Richtlinienentwurf zur Modifikation des Emissionshandelssystems. Die beim Frühjahrsgipfel des Europäischen Rats 2008 verabredete Zeitplanung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten eine Einigung bis Ende 2008 erzielen sollen. Die Verhandlungen mit dem Europäischem Parlament sollen in den ersten Monaten des Jahres 2009 abgeschlossen werden, rechtzeitig vor der Europawahl im Juni 2009.

Nach dem Vorschlag der Kommission kommt es bei der Vergabe der Zertifikaten zu massiven Veränderungen. Die zulässige CO2-Obergrenze wird laut Richtlinienvorschlag künftig durch die EU-Kommission festgelegt, und zwar durch Festlegung einer EU-weiten Gesamtobergrenze. Damit würde es keine nationalen Allokationspläne mehr geben. 2013 sollen 60 Prozent (statt bisher bis zu 10 Prozent) der Zertifikate versteigert werden und dieser Anteil soll bis 2020 auf 100 Prozent steigen. Stromproduzenten müssen von 2013 an alle ihre Zertifikate bezahlen. Auch für CO2-Sequestrierung sind keine Gratiszuteilungen vorgesehen.[6] Die Einnahmen in Höhe eines hohen zweistelligen Milliarden Euro Betrages sollen zum Teil an die Mitgliedsländer ausgeschüttet werden, zum Teil einen Klimafond speisen.

Die gesamte Emissionsmenge soll nach dem Willen der Kommission im Jahre 2013 nur noch 1,97 Mrd. t CO2 betragen. Die Menge soll danach jährlich um 1,74 Prozent gesenkt werden, um sie schließlich im Jahr 2020 auf 1,72 Milliarden Tonnen oder 79 Prozent der Emissionen des Jahres 2005 zu begrenzen.

Ab 2012 soll auch der Flugverkehr miteinbezogen werden.

Auch die Abdeckung des Handelssystems soll ausgeweitet werden. Laut Kommissionsvorschlag soll der EU-Emissionshandel künftig für alle Industrieunternehmen mit einem jährlichen Kohlendioxidausstoß von mehr als 10.000 Tonnen, und damit für 95 Prozent der europäischen Industrie gelten. Zudem sollen auch Lachgas und vollhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe miteinbezogen werden. Schon am 20. Dezember 2007 einigten sich die EU-Umweltminister ab 2012 auch die Fluggesellschaften in den EU-Emissionsrechtehandel einzubeziehen. Airlines, die in der EU starten oder landen, müssten dann unabhängig von ihrer Herkunft Verschmutzungszertifikate kaufen. Damit soll der seit 1990 um 87 % gewachsene CO2-Ausstoß des Luftverkehrs verringert werden. Ziel ist die Beschränkung der CO2-Emissionen auf den Durchschnittswert von 2004 bis 2006, wobei 10% der Verschmutzungsrechte versteigert werden sollen.[7] Das Europaparlament hatte einen solchen Schritt bereits für 2011 gefordert und wollte die CO2-Menge auf 90 % des genannten Durchschnittswertes beschränken. Zudem sollten bedeutend mehr, nämlich 25 % der Zertifikate EU-weit versteigert werden, um deren großzügige Zuteilung durch nationale Regierungen zu unterbinden.[8] Die Positionen der beiden Rechtsetzungsorgane müssen nun in einem Vermittlungsverfahren zu einem Konsens geführt werden.

Auf Drängen des EU-Kommissars für Unternehmen und Industrie Günter Verheugen wurde ein Passus integriert, wonach auch in Zukunft CO2-Zertifikate gratis ausgegeben werden können, falls sich andere wichtige Handelsblöcke nicht am globalen Klimaschutz beteiligen und es dadurch zu einem Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft kommen sollte.[9] Welche Branchen von dieser Regelung profitieren muss von der EU-Kommission bis 2010 entschieden werden.[10]

Technischer und rechtlicher Ablauf

Obwohl von EU-Emissionszertifikaten die Rede ist, existieren diese nicht als Dokumente in Papierform, sondern werden in einem rein elektronischen System gehandelt. Jeder Handelsteilnehmer muss hierfür ein Konto eröffnen, das ähnlich einem Bankkonto funktioniert. Rechtlich ist nicht festgelegt, wie und wo der Handel abläuft. Er kann direkt zwischen Unternehmen, aber auch über Vermittler stattfinden. Es existieren mehrere Marktplätze für Emissionsberechtigungen, z. B. die Energiebörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig oder die Energy Exchange Austria (EXAA) in Wien. In Leipzig dient der EEX Carbon Index, kurz Carbix, als Referenzpreis für Emissionsberechtigungen. Der Carbix ist ein Spotmarktpreis, der börsentäglich um 10.30 Uhr per Auktion ermittelt wird. Der Ausgang der Auktion wird meist 10 Minuten später auf der Homepage der EEX mitgeteilt. Eine globale Handelsplattform bietet das transatlantische Börsenunternehmen NYSE Euronext mit der Umweltbörse BlueNext.[11]

Die Messung der Emissionen der einzelnen Anlagen erfolgt in der Regel durch die Messung der verbrannten Energieträger. Durch die Verbrennung einer Tonne Kohlenwasserstoffe entsteht etwa knapp drei Tonnen Kohlendioxid, allerdings ist dieser Wert bei Kohle höher als bei Öl und hier höher als bei Erdgas.

Europäische Rechtsgrundlage des Emissionshandels bildet die Emissionshandelsrichtlinie. Ausgabe von Zertifikaten und Überwachung der Emissionen übernimmt in Deutschland die Deutsche Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamtes auf Grundlage des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes. Die Umsetzung des ETS in Österreich regelt das Emissionszertifikategesetz.

Preisentwicklung der CO2-Emissionsrechte

Preisentwicklung der EU-Emissionszertifikate (März 2005 bis Dez. 2007)
Datei:EUA future period 2.png
Preisentwicklung der European-Carbon-Futures 2007 (Jan. bis Nov. 2007)

Erste Handelsperiode

Ende April 2006 ist der Preis für die Emission von einer Tonne CO2 von seinem historischen Höchststand von rund 30 Euro auf 9,13 Euro eingebrochen, nachdem bekannt wurde, dass die französischen Unternehmen im Jahr 2005 knapp 12 % weniger Kohlendioxid emittierten, als ihnen Emissionsrechte zugeteilt wurden. Da die Unternehmen die nicht benötigten Emissionsrechte an der Börse verkauften, kam es zu einem massiven Kursverfall. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Kurse im Jahr 2007 erholen werden, da die Unternehmen ausreichend Emissionsrechte besitzen und diese in die zweite Handelsperiode ab 2008 nicht mitnehmen können. Per 21. Dezember 2007 betrug der Preis eines Emissionszertifikats nur noch 0,02 Euro.[12]

Zweite Handelsperiode

Durch die von der EU-Kommission initiierte Verknappung des Angebots an Emissionszertifikaten in der zweiten Handelsperiode ergibt sich ein beträchtlich höherer Preis. Die European-Carbon-Futures 2007 wurden im November 2007 zu einem Kurs von über 22 Euro gehandelt. Futures für die Jahre 2008 und 2009 bewegen sich auf einem ähnlichen Preisniveau.[13]

Kritik am EU-Emissionsrechtehandel

Die EU-Mitgliedsländer zeigten sich bei der Zuteilung der Emissionszertifikate äußerst großzügig.[14] Speziell der Energiesektor wurde mit Emissionsrechten übervorteilt.[15] Laut der Nichtregierungsorganisation Climate Action Network standen den 15 alten EU-Staaten in Phase I nicht weniger, sondern sogar 4,3 % mehr Emissionszertifikate zur Verfügung als im Basisjahr 1990. Lediglich in Großbritannien und Deutschland führten die politischen Vorgaben zu einer CO2-Reduktion.[14]

Durch die derzeitige Ausgestaltung des EU-Emissionsrechtehandels werden die großen Einsparungen an CO2, zu denen sich die EU verpflichtet hat, nicht zu erreichen sein, da er bis dato weder den privaten Bereich noch den Verkehr einbezieht. Beide zusammen sind für etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. (siehe Artikel Treibhausgas)

Kritik an der Umsetzung in Deutschland

  • Die festgelegten Emissionsreduktionen bleiben deutlich hinter der Verpflichtung durch das Kyoto-Protokoll sowie früheren, weiter gehenden Reduktionszielen zurück.
  • Bei der Zuteilungsregelung wurden aus politischen Gründen die besonders CO2-intensiven Kohlekraftwerke, auch Neuanlagen, gegenüber den wesentlich effizienter arbeitenden Gaskraftwerken (GuD-Kraftwerken) bevorzugt, da sie mehr Zertifikate erhalten. Der Gesetzgeber hat damit die Chance vertan, den besonders reduktionswirksamen Ersatz von alten Kohlekraftwerken durch Gaskraftwerke zu fördern. Da deshalb zurzeit insbesondere viele Kohlekraftwerke neu geplant werden, wird dies die Klimaschutzbemühungen auch nach 2012 deutlich behindern.
  • Die deutsche Energiewirtschaft befürchtet aufgrund der verschärften Regelungen in der dritten Emissionshandelsperiode Kosten in Höhe von 84 Milliarden Euro. Damit werde das Ziel, Klimaschutz zu minimalen Kosten, nicht erreicht.[16]
Politische Diskussionen

Das deutsche Umweltministerium unter Jürgen Trittin hatte ursprünglich eine Begrenzung auf 488 beziehungsweise 480 Millionen Tonnen, also eine Reduktion um ca. 5 Prozent vorgesehen, doch scheiterten diese Vorgaben am Widerstand des Wirtschaftsministeriums unter Wolfgang Clement. Nach einem langen und medienwirksamen Konflikt haben sich die Minister schließlich in einer Koalitionsvereinbarung am 30. März 2004 geeinigt, die Kohlendioxidemissionen für Industrie und Energiewirtschaft bis 2007 auf 503 Millionen Tonnen pro Jahr zu begrenzen, bis 2012 auf 495,5 Millionen Tonnen. Das entspricht einer Reduktion von 2 Prozent. Um das Kyoto-Ziel von maximal 962 Mio. t CO2-Äquivalenten an Gesamtemissionen zu erreichen wäre eine Reduktion von ca. 4 Prozent erforderlich gewesen. Das Ziel lässt sich damit nur durch zusätzliche Anstrengungen in anderen Bereichen erreichen.

Kritik an der Umsetzung in Österreich

Datei:Kyotorucksack.jpg

Österreich hat sich verpflichtet im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 seinen Ausstoß an CO2-Äquivalenten um 13 Prozent zu reduzieren. Durch die dominierende Stromerzeugung aus Wasserkraft (ca. 70 %) und die vergleichsweise effizienten Industrieanlagen sind solche Einsparungen in diesen Sektoren jedoch nicht darstellbar. Hauptverantwortlich für die schlechten Zahlen sind die Haushalte und der Verkehr. Im Bereich des letzteren zeichnet sich der Transitverkehr für maximal acht Millionen Tonnen bzw. 30 Prozent der Emissionen verantwortlich.[17] Nach den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2006 liegt Österreich bereits um rund 22,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente hinter seiner Verpflichtung zurück, und dies obwohl der milde Winter den CO2-Ausstoß im Bereich der Raumwärme dämpfte.[18] Hält der negative Trend an, drohen dem Land Strafzahlungen von geschätzten zwei Milliarden Euro.[19]

Einzelnachweise

  1. Bericht über die Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts – KOM(2006) 676 (79 KB), Europäische Kommission, 13. November 2006
  2. Emissionshandel: Kommission entscheidet über den nationalen Zuteilungsplan Österreichs für 2008–2012 , Europäische Union, 2. April 2007
  3. Alle NAPs der zweiten Periode zum Download bei der Europäischen Kommission (englisch und Landessprache)
  4. [1]
  5. Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 §18
  6. EU-Kommission beschränkt CO2-Emissionen 2020 auf 1,72 Mrd. t, Börse Online, 23. Januar 2008
  7. UPDATE: EU-Umweltrat will Emissionshandel für Flüge erst ab 2012, FAZ, 20. Dezember 2007
  8. EU-Parlament verschärft Emissionsziele für Flugzeuge, Financial Times Deutschland, 13. November 2007
  9. EU rudert bei Klima-Zoll zurück, Der Standard, 8. Jänner 2008
  10. EU-Kommission beschränkt CO2-Emissionen 2020 auf 1,72 Mrd. t, Börse Online, 23. Januar 2008
  11. Neue Weltumweltbörse für CO2-Emissionshandel, Hamburger Abendblatt, 23. Januar 2008
  12. EU Emission Allowances – Spotmarkt, European Energy Exchange (EEX)
  13. Emission Futures - Terminmarkt, European Energy Exchange (EEX)
  14. a b National Allocation Plans 2005-7: Do they deliver? (360 KB), Climate Action Network Europe, 2006
  15. Analysis of NAPs for the EU ETS (886 kb), Ecofys August 2004
  16. Emissionshandel kostet 84 Milliarden Euro, Handelsblatt, 30. Januar 2008
  17. Kyoto-Ziele: Österreich weit hinten, Die Presse, 27. November 2007
  18. Milder Winter schönt CO2-Bilanz, Der Standard, 15. Jänner 2007
  19. Klima-Strafzahlung steigt auf mehr als zwei Milliarden , Der Standard, 17. April 2008

Literatur

  • Michael Lucht, Gorden Spangardt: Emissionshandel. Springer Verlag., Heidelberg 2004, ISBN 3-540-21005-9.
  • Walter Frenz: Emissionshandelsrecht. Kommentar zum TEHG und ZuG. Springer Verlag., Heidelberg 2005, ISBN 3-540-22818-7.
  • Zenke, Schäfer: Energiehandel in Europa. C. H. Beck Verlag., München 2005, ISBN 3-406-52443-5.
  • Zenke, Fuhr: Handel mit CO2-Zertifikaten. C. H. Beck Verlag., München 2006, ISBN 978-3406552458.