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Kubakrise

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Die Kubakrise wird im Allgemeinen als der Höhepunkt und gleichzeitig als Wendepunkt in der Geschichte des Kalten Krieges angesehen. Sie war jener Zeitpunkt in der Weltgeschichte, an dem die beiden Supermächte USA und Sowjetunion kurz vor einer nuklearen Eskalation standen. Nie zuvor in der Weltgeschichte war ein Atomkrieg so wahrscheinlich wie zu diesem Zeitpunkt.

Vorgeschichte

Im Januar 1959 floh Diktator Fulgencio Batista von der Insel. Fidel Castro wurde erst Verteidigungsminister, später Ministerpräsident von Kuba. Zunächst verfolgte er eine gemäßigte und im Wesentlichen nach nationaler Unabhängigkeit strebende Politik und hielt die Beziehungen zu den USA aufrecht. Die UdSSR wusste aber ebenso wie die USA, dass in Castros Kabinett mehrere Anhänger des Kommunismus saßen (u.a. Che Guevara). Die USA entschieden sich etwa im März 1959 unter Eisenhower dazu, den Sturz Castros durch Unterstützung der Opposition, durch Terror- und Sabotageakte sowie Mordanschläge zu betreiben. Im Mai 1959 gab es nach einigen inoffiziellen Verhandlungen die ersten offiziellen diplomatischen Beziehungen zur UdSSR. Kuba hoffte damit ein Vorbild für Lateinamerika hinsichtlich nationaler Unabhängigkeit zu geben. Nach US-amerikanischer Lesart handelte es sich jedoch um einen nicht akzeptablen Versuch, den Kommunismus in Süd- und Mittelamerika salonfähig zu machen. Die USA schnitten Kuba daher die Ölzufuhr ab und untersagten Importe aus Kuba. Die UdSSR reagierte auf dieses Embargo mit der Zusage wirtschaftlicher und militärischer Unterstützung. Die USA reagierten darauf am 17. April 1961 mit einem von ihnen gesteuerten Invasionsversuch in der Schweinebucht, der jedoch scheiterte.

Teile eines abgeschossenen U2-Aufklärungsflugzeuges im Revolutionsmuseum in Havanna, Kuba

Krise

Von 1959 an stationierten die USA in Italien 30 und in der Türkei 15 Atomraketen - unweit der Südgrenze der UdSSR - die auf die UdSSR zielten.

Im April 1962 werden die amerikanischen Thor- und Jupiter-Atomraketen in der Türkei einsatzbereit. Wegen ihrer leichten Angreifbarkeit durch ungeschützte Aufstellung konnten sie nur zu einem atomaren Erstschlag genutzt werden.

Mai 1962 begann die UdSSR, unter dem Decknamen Operation Anadyr, im Geheimen auf Kuba Atomraketen sowie 40000 Soldaten der Roten Armee zu stationieren. Die Gründe dafür waren zum einen die Verteidigung der Insel gegen eine drohende US-amerikanische Invasion und zum anderen, um eine strategische Überlegenheit der USA, welche durch die Stationierung der Mittelstreckenraketen in Italien und der Türkei entstanden waren, auszugleichen. Im August 1962 entdeckte die CIA nach Agentenhinweisen mithilfe des US-Spionageflugzeuges U-2 erstmals Raketenabschussvorrichtungen auf Kuba, hauptsächlich in der Provinz Pinar del Río, an Atomraketen wurde noch nicht gedacht, weshalb das ganze auch nicht weiter verfolgt wurde.

Zur eigentlichen Krise kam es erst im Oktober 1962.

US-Präsident John F. Kennedy gibt erneut die Genehmigung für Luftaufnahmen durch die Spionageflugzeuge Lockheed U-2.

Heck eines abgeschossenen U2-Aufklärungsflugzeuges im Revolutionsmuseum in Havanna, Kuba

Auf den neuen Photos wird der direkte Beweis für die Existenz von Atomraketen erbracht.

John F. Kennedy erfährt davon, und beruft sofort seinen Beraterstab (Executive Commitee, ExComm) ein. Verschiedene Möglichkeiten der Reaktion werden erörtert, darunter Hinnehmen der Stationierung, diplomatische Lösungsversuche und die militärischen Möglichkeiten der Seeblockade, des Luftangriffes und der Invasion. Alle Beratungen und Ergebnisse werden vor der Öffentlichkeit geheim gehalten.

Luftbild vom 17. Oktober 1962 mit Raketenstellungen

Weitere Luftaufnahmen beweisen die Existenz von mindestens 16, höchstens 32 Raketen (Typ SS-4 und SS-5) mit einer Reichweite von bis zu maximal 4500 km. Diese Raketen hätten die wichtigsten Industriestädte der USA sowie Washington erreichen können.

Außerdem werden IL-28 Bomber montiert.

Der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko ist zu Besuch in den USA, er bestreitet auf Anfrage jegliche Existenz von Offensivwaffen auf Kuba.

Kennedy und die ExComm entscheiden sich zu einer Seeblockade Kubas, trotz Protesten der Hardliner unter Kennedys Beratern, die eine direkte Invasion fordern.

Die Regierungen von Kanada, Großbritannien, Frankreich und Westdeutschland werden informiert.

Einer der wichtigsten Tage der Krise: Die US-Streitkräfte werden in erhöhte Alarmbereitschaft (DEFCON III) versetzt, weitere US-Soldaten werden zur Vorbereitung einer Invasion nach Florida verlegt, und ca. 200 Schiffe rund um Kuba in Stellung gebracht. In einer Fernsehansprache verkündet Kennedy den Beginn der Seeblockade für den 24. Oktober. Ferner fordert er den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der Raketen aus Kuba auf und droht im Falle eines Angriffs mit einem atomaren Gegenschlag.

Zitat Kennedy: „It shall be the policy of this nation to regard any nuclear missile launched from Cuba against any nation to the Western Hemisphere as an attack by the Soviet Union on the United States, requiring a full retailatory response upon the Soviet Union."

Die von John F. Kennedy als "Quarantäne" bezeichnete Seeblockade aus US-amerikanischen Kriegsschiffen beginnt, es kommt zu einer ersten Zuspitzung, da eine mögliche Eskalation befürchtet wird, sollten die sowjetischen Schiffe versuchen, den Sperrgürtel zu durchbrechen. Doch alle sowjetischen Schiffe drehen ab, nachdem der Radius der Blockade verkleinert wurde, um ihnen mehr Zeit zu geben. Trotzdem ist keine Kooperationsbereitschaft der sowjetischen Regierung zu erkennen

Bei einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrates legt der US-amerikanische Vertreter Adlai Stevenson die Bilder der Aufklärungsflugzeuge von Kuba vor. Er fordert den sowjetischen UNO-Botschafter Sorin auf, klar Stellung dazu zu nehmen: „Wollen Sie immer noch leugnen, dass auf Kuba Raketen stationiert sind?“ Dieser verweigert den Kommentar. Sorin war tatsächlich nicht informiert über diese streng geheime Raketenstationierung auf Kuba. Selbst Kubas Staats- und Parteichef Fidel Castro war lange nicht über die sowjetischen Aktivitäten in seinem Land informiert.

Kennedy erreicht ein Schreiben von Chruschtschow, in dem dieser anbietet, die Raketen von Kuba abzuziehen, falls eine Invasion von Kuba durch die Amerikaner ausgeschlossen werden würde. Dies wird ihm von Kennedy zugesichert.

Luftbild vom 1. November 1962

Morgens wird in den USA ein Test einer Trägerrakete durchgeführt, über den das ExComm nicht informiert war. Ein US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug wird über Kuba abgeschossen. Der dritte Weltkrieg, ein atomarer Konflikt, droht. Kennedy erklärt sich noch einmal zu weiteren Verhandlungen bereit. Er teilt der Sowjetunion mit, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten US-amerikanischen Raketen zustimmen würde, wie es bereits im zweiten - schon förmlicheren - Schreiben der Sowjetunion gefordert worden war. Diese Möglichkeit hält er vor den meisten Mitgliedern des ExComm, die fast alle auf Krieg pochen, geheim.

Chruschtschow lenkt ein und erklärt sich bereit, die Raketen zu entfernen. Dies wird über Radio Moskau bekanntgegeben. Die Krise ist beendet.

Folgen der Krise

Es gibt keinen Sieger, doch folgende Bedingungen haben sich die beiden Staaten auferlegt: Abzug der sowjetischen Raketen aus Kuba, Verzicht auf eine US-amerikanische Invasion, Abzug der US-amerikanischen Raketen aus der Türkei (dies geschieht etwas später und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um US-amerikanische NATO-Partner nicht zu brüskieren und um einen innenpolitischen Propagandaeffekt zu erzielen). Die Kubakrise verdeutlichte ganz klar die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Supermächten des Kalten Krieges. Sie hatte zur Folge, dass beide Länder über Möglichkeiten zur Krisenbewältigung nachdachten, es wurde ein so genannter Heißer Draht zwischen Washington und Moskau eingerichtet. Es gab später auch nie mehr direkte Konflikte der Supermächte, nur Stellvertreterkriege. Außerdem wurden in verschiedenen Abkommen eine gegenseitige Rüstungskontrolle und Atomwaffensperrverträge festgeschrieben.

Trotz dieser Fortschritte wurde das Wettrüsten nach der Kubakrise noch angeheizt. Auf sowjetischer Seite war man bestrebt, den Rückstand hinsichtlich der Anzahl von Interkontinentalraketen auszugleichen, was auch 1968 mit der Herstellung des strategischen Mächtegleichgewichts gelang. Auf US-amerikanischer Seite überwog bei den Regierungsberatern die Auffassung, die USA seien aus der Krise gestärkt hervorgegangen. Sprichwörtlich wurde der Ausspruch Dean Rusks: „Wir standen uns Auge in Auge gegenüber, und ich glaube, der andere hat geblinzelt.“ Das sollte zu der Überzeugung führen, dass eine harte Handhabung eines Konfliktes zu einem Erfolg für die USA führen kann. Nicht zuletzt deswegen wird angenommen, dass die unnachgiebige Haltung der USA während des Vietnamkriegs eine indirekte Folge des Ausgangs der Kubakrise war.

Mit den Ereignissen der Kubakrise befasst sich der Film Thirteen Days und das gleichnamige Buch von John F. Kennedys Bruder Robert.

Zitate

  • „Das ist so als würden die Sowjets Raketen in Mexiko aufstellen, oder in Kuba“ (Eisenhower 1959 anlässlich der Aufstellung amerikanischer Atomraketen in der Türkei)
  • „Man solle die Amerikaner spüren lassen, wie es sei, von feindlichen Nuklearbasen umgeben zu sein“ (Chruschtschow im Mai 1962 zu seinen engsten Vertrauten angesichts der in der Türkei und Italien stationierten US-Atomraketen)
  • „Die beiden mächtigsten Nationen der Welt waren zum Kampf gegeneinander angetreten, jede mit dem Finger auf dem Knopf. Man hatte gedacht, dass ein Krieg unvermeidlich war. ... Doch die Episode endete mit einem Triumph des gesunden Menschenverstandes.“ aus Chruschtschows Erinnerungen
  • „Es ist ganz natürlich, dass, wenn sie dir einen Schlag versetzen, eine physische Abwehr von deiner Seite muss kommen. ... Man weiß, dass der gewinnt, der zuerst losschießt.“ sowjetischer U-Boot-Kommandant Nikolaj Schumkow.