Chin Un-suk
Koreanische Schreibweise | |
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Hangeul | 진은숙 |
Hanja | 陳銀淑 |
Revidierte Romanisierung |
Jin Eun-suk |
McCune- Reischauer |
Chin Ŭn-suk |
Unsuk Chin (* 1961 in Seoul) ist eine in Berlin lebende südkoreanische Komponistin. Sie studierte 1985-1988 bei György Ligeti und wurde 2004 mit dem Grawemeyer Award sowie 2005 mit dem Arnold Schönberg-Preis ausgezeichnet.
Biografie
Unsuk Chin studierte Komposition bei Sukhi Kang an der Staatlichen Universität Seoul sowie bei György Ligeti an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Hamburg als DAAD-Stipendiatin 1985-1988. In 1984 wurde ihr Kammermusikwerk Gestalten aus drei Bildern von Paul Klee für das IGNM-Festival in Kanada sowie für das Unesco Rostrum for Composers in Paris ausgewählt. Für ein weiteres Kammermusikwerk, Spektra, wurde sie mit dem Großen Preis des Gaudeamus Stichting in Amsterdam ausgezeichnet. Während ihres Studiums bei Ligeti kam es zu einer dreijährigen Schaffenspause, da ihr Lehrer die vorher entstandenen, im postseriellen Stil verfassten Werke als überholt abtat. 1988 siedelte Unsuk Chin nach Berlin über und arbeitete dort jahrelang als freischaffende Komponistin im Tonstudio der Technischen Universität Berlin, in dem sie sieben Stücke realisierte. 1991 entstand ihr Durchbruchswerk Akrostichon-Wortspiel im Auftrag des Nieuw Ensemble. Seither wurde das Werk in 15 Ländern in Europa, Asien und Nordamerika aufgeführt. Im Oktober 1993 gewann Chin den 1.Preis beim 'Contest for Orchestra Works to Commemorate the Semicentennial for the Tokyo Governement'. 1994 kam Fantaisie mécanique zur Uraufführung als erstes in einer Reihe von Auftragswerken für das Ensemble Intercontemporain. ParaMETAString für Streichquartett und Tonband entstand 1996 als Auftragswerk für das Kronos-Quartett. Das Klavierkonzert wurde 1997 durch das BBC Symphony Orchestra uraufgeführt; die Klavieretüden Nr. 2-4 wurden beim Concours International de Piano d'Orléans mit dem 1.Preis für zeitgenössische Klaviermusik ausgezeichnet. 1999 wurde in London unter der Leitung von Kent Nagano und mit dem Hilliard Ensemble als Solisten Miroirs des Temps, ein gemeinschaftliches Auftragswerk des BBC und des London Philharmonic Orchestra aus der Taufe gehoben. Die Klavieretüde Grains entstand 2000 im Auftrag des South Bank Centre aus Anlass des 75. Geburtstages von Pierre Boulez. Kalá für Sopran und Baß solo, Chor und Orchester, wurde als Auftragswerk dreier skandinavischer Rundfunkanstalten 2001 unter der Leitung von Peter Eötvös in Göteborg uraufgeführt. In der Saison 2001/2002 war Unsuk Chin composer-in-residence beim Deutschen Symphonieorchester Berlin, die Chins Violinkonzert 2002, mit Viviane Hagner als Solistin und Kent Nagano als Dirigenten, aufführten. Seither ist das Stück in zehn Ländern - in Europa, Asien und Nordamerika - gespielt worden, unter anderem von Christian Tetzlaff und den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Simon Rattle im April 2005. Ihr Doppelkonzert für Klavier, Schlagzeug und Ensemble, vom Ensemble InterContemporain und Radio France in Auftrag gegeben, wurde 2002 uraufgeführt. snagS&Snarls [(2003-4)] für Sopran und Orchester wurde vom Los Angeles Opera in Auftrag gegeben; Cantatrix Sopranica [(2004-5)] für zwei Soprane, Countertenor und Ensemble wurde als gemeinschaftliches Auftragswerk von [[London Sinfonietta], Los Angeles Philharmonic New Group, musikFabrik NRW, dem Ensemble InterContemporain sowie dem St.Pölten Festival im Mai 2005 in London unter der Leitung von George Benjamin uraufgeführt. Programmschwerpunkte mit Unsuk Chins Musik fanden u.a. beim Festival Musica in Strasbourg sowie beim Settembre Musica in Italien statt. 2006 wurde Unsuk Chin zum Composer-in-Residence sowie zum Künstlerischen Leiter der Neue Musik-Reihe des Seoul Philharmonic Orchestra berufen. Juni 2007 wurde ihre erste Oper Alice in Wonderland an der Bayerischen Staatsoper unter der Leitung von Kent Nagano und der Regie von Achim Freyer uraufgeführt. 2007 entstand Double Bind? für Violine und Elektronik im Zusammenarbeit mit dem Pariser IRCAM, 2008 wurde ihr Orchesterwerk Rocaná, ein Auftragswerk des Montreal Symphony Orchestra, der Bayerischen Staatsoper, des Beijing Music Festival sowie des Seoul Philharmonic Orchestra in Montreal unter der Leitung von Kent Nagano aus der Taufe gehoben und anschließend vom Montreal Symphony Orchestra in Carnegie Hall sowie vom Chicago Philharmonic Orchestra aufgeführt.
Zukünftige Projekte beinhalten ein Cellokonzert im Auftrag der BBC für den Cellisten Alban Gerhardt, ein Konzert für Sheng und Orchester im Auftrag der Suntory Hall Tokio für den Solisten Wu Wei und neue Werke für das Ensemble Modern und das Ensemble Intercontemporain.
2005 erschien eine Porträt-CD bei der Deutschen Grammophon, 2008 kam eine DVD-Aufzeichnung ihrer Oper Alice in Wonderland auf den Markt.
Unsuk Chin wurde 1985 mit dem Großen Preis der Gaudeamus Stichting, 2004 mit dem renommierten Grawemeyer Award, 2005 mit dem Arnold Schönberg-Preis sowie 2007 mit dem Heidelberger Künstlerinnenpreis ausgezeichnet. Ihre Oper Alice in Wonderland wurde von der internationalen Kritikerumfrage des Magazins Opernwelt zur Uraufführung des Jahres 2007 gekürt.
Ihre Werke werden seit 1995 exklusiv von Boosey&Hawkes verlegt.
Werke
Unsuk Chin lehnt es strikt ab, ihre Musik als einer bestimmten Kultur, z.B. der koreanischen, zugehörig zu verstehen. Als persönlich wichtigen Komponisten der Moderne hat sie insbesondere Bartók, Strawinsky, Debussy, [1] Webern und Ligeti erwähnt. Weitere wichtige Einflüsse sind laut Chin ihre Arbeit mit elektronischer Musik sowie Gamelanmusik, mit der sie sich bei ihren Aufenthalten auf Bali beschäftigte. [2] Die schlagzeugdominierte Instrumentation ihrer Orchesterwerke lässt sich vielleicht mit der Zuneigung Unsuk Chins zur Gamelanmusik verbinden. Im Orchesterwerk Miroirs des temps hat Unsuk Chin sich mit mittelalterlicher Musik beschäftigt. Dabei ging es offensichtlich nicht um stilistische Anleihen, sondern um die Übernahme einiger komplexen kompositorischen Verfahren von Komponisten wie Machaut oder Ciconia, von Techniken wie musikalischen Palindromen oder Krebskanons. Im 3.Satz Mon fin est mon commencement, Mon commencement est ma fin werden die kanonischen Formen bis zur 14-Stimmigkeit erweitert.
Kennzeichnend für Chins Musik ist eine Faszination für Virtuosität, die in den immensen instrumentalen und sängerischen Herausforderungen ihrer Werke zum Ausdruck kommen. Diese herrscht aber auch in Tonbandstücken wie dem Gradus ad infinitum für 8 Klaviere vor. Unsuk Chin lehnt eine schroffe Unterscheidung von elektronischer Musik und instrumentaler Musik ab. "So arbeitet sie ebenso selbstverständlich mit kontrapunktischen Techniken in ihren Tonbandstücken wie sie auch Verfahrensweisen wie Schnitt, Blende und Montage in ihren Instrumentalkompositionen einsetzt". (Martin Demmler) [3] Martin Demmler spricht von einer "Vorliebe für architektonisch-konstruktivistische Modelle", und die Komponistin setzt hinzu, daß sie "nach mathematischen Prinzipien" arbeitet, "um etwas zu strukturieren, obwohl man das später nicht hört". [4]
Eine vorherrschende Facette ihrer Vokalwerke ist die Lust an sprachlichen und musikalischen Spielen; ihre Texte basieren oft auf experimentieller Poesie und oft sind sie auch selbstreferenziell. Chin hat z.B. DichterInnen wie Inger Christensen, Gerhard Rühm und Unica Zürn vertont, und der Titel von Cantatrix Sopranica ist einer Nonsense-Abhandlung von Georges Perec entlehnt. Diese Facette kommt auch deutlich in ihrer Oper Alice in Wonderland, die an der Bayerischen Staatsoper 2007 uraufgeführt wurde und bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt zur Uraufführung des Jahres gekürt wurde, zum Ausdruck. Bei Lewis Carrolls Buchvorlage hat Chin weniger die Märchenthematik als die "verdrehte Logik, der ein 'anderes' physikalisches Gesetz zugrunde liegt" fasziniert. [5] In Alice in Wonderland kommt in bestimmten Szenen ein Stilpluralismus zum Ausdruck, den man sonst nicht in Chins Musik findet. Chin weist darauf hin, daß es sich dabei - in Korrespondenz mit Lewis Carrolls Wortspielen und Verballhornungen - um musikalische Parodien handelt, und daß sie für die Oper eine von ihren anderen Werken abweichende Tonsprache gewählt hat, da die Hauptrolle ein Kind darstellt. [6] Auch in manchen Vokal- und Instrumentalwerken kommen theatralische Aktionen zum Vorschein, so etwa in Allegro ma non troppo für Schlagzeug und Tonband, in Double Bind? für Violine und Elektronik sowie in Cantatrix Sopranica für Stimmen und Ensemble.
Zitate
"Meine Musik ist das Abbild meiner Träume. Die Visionen von immensem Licht und von unwahrscheinlicher Farbenpracht, die ich in allen meinen Träumen erblicke, versuche ich in meiner Musik darzustellen als ein Spiel von Licht und Farben, die durch den Raum fließen und gleichzeitig eine plastische Klangskulptur bilden, deren Schönheit sehr abstrakt und auch distanziert ist, aber gerade dadurch unmittelbar die Gefühle anspricht und Freude und Wärme vermittelt." (Unsuk Chin) [7]
Werkverzeichnis (Auswahl)
- Troerinnen (1986) für 3 Soprane, Frauenchor und Orchester, nach Euripides (rev. 1990)
- Gradus ad Infinitum für 8 Klaviere (1989/1990) für Tonband
- Akrostichon-Wortspiel (1991/93) für Sopran und Ensemble
- Fantaisie mécanique (1994) für Trompete, Posaune, zwei Schlagzeuger und Klavier
- Klavieretüden (1995- )
- ParaMetaString (1995) für Streichquartett und Elektronik
- Klavierkonzert (1996-97)
- Xi (1998) für Ensemble und Elektronik
- Miroirs des temps für 4 Sänger und Orchester (1999-2000)
- Kalá (2000-01) für Sopran, Bass, gem. Chor und Orchester
- Violinkonzert (2001)
- Doppelkonzert (2002)
- snagS&Snarls für Sopran und Orchester (2004)
- Cantatrix Sopranica für 3 Gesangssolisten und Ensemble (2005)
- Double Bind? für Violine und Live-Elektronik (2006-7)
- Alice in Wonderland (Oper; 2007)
- Rocaná for orchestra (2008)
Tonträger
- Unsuk Chin: Akrostichon – Wortspiel. Ensemble Intercontemporain. Deutsche Grammophon, 2005.
Bildträger
- Unsuk Chin: Alice in Wonderland. Bayerische Staatsoper. Unitel Classica, 2008.
- Allegro ma non troppo. In: Fifty Years Studio TU Berlin. EMF Media, DVD 054, 2008.
Literatur
- Hanno Ehrler: Ordnung, Chaos und Computer. Die Koreanierin Unsuk Chin. In: MusikTexte 96, Februar 2003.
- Martin Demmler: Dynamische Prozesse und architektonische Form. Das musikalische Universum der Unsuk Chin. In: Neue Zeitschrift für Musik, 6/2002.
- Arnold Whittall: Unsuk Chin in focus. Meditations & mechanics. In: Musical Times, Volume 141, Spring 2000.
- Wolfgang Burde: Unsuk Chin. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 1994-2007. Personenteil Bd.2. ISBN: 3-476-41022-6.
- Arnold Whittall: Unsuk Chin. In: Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove. ISBN 0-333-60800-3.
Weblinks
- Boosey&Hawkes: Unsuk Chin Website der Komponistin
- Paul Griffiths: Eine Einführung in die Musik von Unsuk Chin
- Hanno Ehrler: Ordnung, Chaos und Computer – Die Komponistin Unsuk Chin
- Arnold Whittall: Unsuk Chin in focus: Meditations & mechanics
Einzelnachweise
- ↑ Hanno Ehrler: Ordnung, Chaos und Computer – Die Komponistin Unsuk Chin [1]
- ↑ Bruno Serrou: Entretien Unsuk Chin. Les feux du matin calme [2]
- ↑ Martin Demmler: Dynamische Prozesse und architektonische Form – Das musikalische Universum der Unsuk Chin [Neue Zeitschrift für Musik 6/2002]
- ↑ ebda.
- ↑ Programmbuch zur Produktion von 'Alice in Wonderland' in der Bayerischen Staatsoper, 2007
- ↑ Helmut Rohm: Ein Spiel von Licht und Farben - die Komponistin Unsuk Chin [Rundfunksendung bei Bayern4 Klassik, 3.6.2008, 22.05]
- ↑ http://www.boosey.com/composer/Unsuk+Chin
Personendaten | |
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NAME | Chin, Un-suk |
KURZBESCHREIBUNG | südkoreanische Komponistin |
GEBURTSDATUM | 1961 |
GEBURTSORT | Seoul |