Soziales Netzwerk (Internet)
Soziale Netzwerke im Sinne der Informatik sind Netzgemeinschaften bzw. Dienste, die Netzgemeinschaften beherbergen.
Für andere Bedeutungen siehe Soziale Netzwerke (Begriffsklärung).
Dienste
Soziale Netzwerke stehen umgangssprachlich für eine Form von Netzgemeinschaften, welche technisch durch Web 2.0 Anwendungen bzw. Portale beherbergt werden. Im Englischen existiert der präzisere Begriff des social network service. Die deutschen Begriffe "Gemeinschaftsportal" bzw. "Online-Kontaktnetzwerk" sind eher weniger gebräuchlich.
Beispiele für Soziale Netzwerke im Sinne eines Dienstes bzw. einer Plattform sind:
Typische Funktionen
- Persönliches Profil, mit diversen Sichtbarkeitseinstellungen für Mitglieder der Netzgemeinschaft oder generell der Öffentlichkeit des Netzes
- Kontakliste, wo andere Mitglieder der Netzgemeinschaft verwaltet werden (z.B. Freunde, Bekannte, Kollegen)
- Empfang und Versand von Nachrichten an andere Mitglieder (einzeln, an alle, etc.)
- Empfang und Versand von Benachrichtigungen über diverse Ereignisse (Profiländerungen, eingestellte Bilder, Videos, Kritiken usw., Anklopfen)
- Blogs
- Suchfunktionen
Wirkung
Globale soziale Netzwerke, wie sie in Form von Onlinecommunitys durch die Verwendung von Sozialer Software entstehen, sind hinsichtlich ihrer soziologischen, kulturellen und politischen Folgen noch nicht hinreichend erforscht, während es zu den ökonomischen und nutzungsspezifischen Aspekten bereits ein Reihe von Studien gibt. Für die Friedensforschung wäre zum Beispiel wichtig, ob solche globalen sozialen Netzwerke eher dazu führen, neue Feindbilder (z. B. gegenüber Minderheiten) entstehen zu lassen oder ob sie eher dem Frieden dienen, da interessengeleitete, vorgeschobene Begründungen der Machthabenden für Feindseligkeiten durch den weltweiten Austausch von Informationen rasch entlarvt und entkräftet werden können. In jedem Fall gehen globale soziale Netzwerke mit einer bislang nicht gekannten Eigendynamik der Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit einher.
Soziale Netzwerke als Anwendungsplattform
Einige Soziale Netzwerke treten als Anwendungsplattform auf.
Entwickler können die Portalseiten durch eigene Anwendungungen ergänzen, deren Benutzerschnittstellen innerhalb der Portale eingebettet werden können.
Beispiele sind:
- Facebook Connect, eine Programmierschnittstelle für Facebook
- MySpace Developer Plattform, ein Entwicklungsumgebung für MySpace
- OpenSocial, eine API welche mehrere Soziale Netzwerke umspannt
Auf grösserer Ebene, z.B. zwischen Portalen, findet die Föderation durch B2B APIs statt.
Nutzung
Die Briten nutzen in Europa mit 9,6 Millionen am meisten die für das Web 2.0 typischen Social-Networking-Websites. Bis 2012 werden nach einer Schätzung des Informationsanbieters Datamonitor mit über 27 Millionen fast die Hälfte der Briten Dienste wie z.B. Facebook oder MySpace in Anspruch nehmen. Dass die Briten bislang vorn liegen, führt Datamonitor auch darauf zurück, dass die Angebote in der Regel mit englischen Versionen gestartet sind. Die Menschen begrüßen es laut Datamonitor offenbar besonders, von zu Hause aus Kontakte knüpfen und Beziehungen aufrecht erhalten zu können. Zwar stünden hinter den wachsenden Nutzungszahlen vor allem jüngeren Leute, aber auch viele ältere Nutzer kämen künftig hinzu. Die Franzosen stellen mit 8,9 Millionen die zweitgrößte Nutzergruppe der Social-Networking-Angebote, die Deutschen folgen demnach mit 8,6 Millionen im April 2008 auf Platz drei. Die Studie prognostiziert in Deutschland bis zum Jahr 2012 21,7 Millionen Nutzer. Das an vierter Stelle stehende Spanien wies im Frühjahr 2008 lediglich 2,9 Millionen Nutzer auf. 41,7 Millionen Europäer insgesamt seien bei Social-Networking-Websites registriert, in vier Jahren sollen es laut Datamonitor 107 Millionen sein.[1] Zu einem das Sprachproblem hervorhebenden Ergebnis kommt auch die zweite weltweite vom Community-Betreiber Habbo erstellte Studie zur Markenanaffinität von Jugendlichen. Das bemerkenswerte Ergebnis: 40 Prozent der rund 60.000 befragten Teens aus 31 Ländern sehen Social Networks nicht als wichtigen Teil ihrer Onlineaktivitäten an. Dem Global Habbo Youth Survey zufolge ist eine der Hauptursachen hierfür, dass sich viele der Communitys an der englischen Sprache orientieren.[2] Inzwischen starten zunehmen auch Netzwerke, die sofort global agieren. Ein Beispiel hierfür ist das Network ZenZuu, das durch virale Verbreitung seit August 2008 schon mehr als eine Million User gewonnen hat. Global versteht sich. Interessant ist auch, dass eigentlich etablierte Social Networks wie Facebook oder LinkedIn, Probleme haben, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen - so unterstützten etwa die Samwer-Brüder den Einstieg von Facebook in Deutschland im Jahr 2007, konnten aber keinen durchschlagenden Erfolg verzeichnen.
Untersuchung sozialer Netzwerke
Unter anderem erforschen Ethnologie, Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Computerphysik und Spieltheorie soziale Netzwerke. Dabei spielt z. B. Multiplexität, Netzwerkdichte u.v.a.m. eine Rolle. Die dort entwickelten Verfahren lassen sich auch zur webometrischen Untersuchung des Internets einsetzen. Es zeigt sich, dass Soziale Netzwerke von ihrer Struktur oft Kleine-Welt-Netzwerke bilden, in denen die maximale Distanz zwischen einzelnen Einheiten überraschend gering ist.
Popularität erlangte das Small-World-Experiment des US-amerikanischen Psychologen Stanley Milgram von 1967: 300 Versuchsteilnehmer aus dem mittleren Westen der USA sollten ein Päckchen an eine ihnen unbekannte Zielperson in der Umgebung von Boston schicken. Sie durften es nur an ihnen bekannte Personen weitersenden. Falls sie ihre Aufgabe nicht direkt erledigen konnten, sollten sie die Sendung an einen Bekannten weiterreichen, der die Zielperson ihrer Meinung nach kennen könnte. Milgram entdeckte, dass in der Regel sechs Zwischenstationen ausreichen, um die Päckchen vom Absender zum Empfänger zu liefern. Daraus entwickelte er die Theorie, dass die Mitglieder eines sozialen Netzwerks maximal über sechs Knotenpunkte miteinander in Verbindung stehen („six degrees of separation“).
Siehe auch
- CSCW
- Graphentheorie
- Karrierenetzwerk
- Netzwerktheorie
- Netzwerkdichte
- Soziale Software
- Seilschaft
- Soziales Netzwerk
Quellen
- ↑ Ein Drittel der Deutschen soll bis 2012 Social-Networking-Dienste nutzen (heise online, 2. Mai 2008)
- ↑ Social Networks von Jugendlichen selten genutzt (Horizont.net, abgerufen am 16. April 2008)
Literatur
- Albert-Laszlo Barabasi: Linked: How Everything Is Connected to Everything Else and What It Means for Business, Science, and Everyday Life, ISBN 0452284392
- Danah Boyd & Nicole Ellison (2007): Social Network Sites: Definition, History, and Scholarship in: Journal of Computer-Mediated Communication, 13(1), article 11. "[1]
- Willms Buhse, Sören Stamer (Hg.): Enterprise 2.0: Die Kunst, loszulassen. Rhombos-Verlag, Berlin 2008, ISBN 3938807687.
- Hermann Bullinger / Jürgen Nowak: 'Soziale Netzwerkarbeit. Eine Einführung. Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag 1998
- Burt, R. 1992: Structural Holes, Cambridge, MA.: Harvard University Press,
- Granovetter, M. 1973: „The strength of weak ties“, in: American Journal of Sociology, Vol. 78, 6, 1360-1380.
- Sascha Häusler (2007): Soziale Netzwerke im Internet. Entwicklung, Formen und Potenziale zu kommerzieller Nutzung, Vdm Verlag Dr. Müller, München, 2007, ISBN 3836452642.
- Michael Koch, Alexander Richter: Enterprise 2.0 - Planung, Einführung und erfolgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen, Oldenburg Verlag, München, 2007, ISBN 3486585789.
- Torsten Kleinz: Netzbekanntschaften. Neue Internet-Dienste helfen, soziale Netzwerke zu flechten, in: c't 18/2004 S. 84, ISSN 0724-8679
- Michael Kunze: Verflochtenes Leben. Web 2.0 - der nächste Schritt, in: c't 1/2006 S. 174, ISSN 0724-8679
- Niklas Luhmann: Soziale Systeme, Suhrkamp, Frankfurt am Main, mehrere Auflagen
- Harvey Mackay: „Networking“ - Das Buch über die Kunst, Beziehungen aufzubauen und zu nutzen, ECON-Verlag, ISBN 3-430-16257-2
- J. Clyde Mitchell: Social Networks in urban situations: Analyses of personal relationships in Central African towns, Manchester: University Press, 1969
- Wouter de Nooy, Andrej Mrvar, Vladimir Batagelj: Exploratory Social Network Analysis with Pajek, Cambridge University Press, 2005
- Narciso Pizzaro: Structural Identity and Equivalence of Individuals in Social Networts, in: International Sociology, 2007, Jg. 22, Nr. 6, S, 767-792
- Florian Renz: "Praktiken des Social Networking", vwh-Verlag, Boizenburg, ISBN 978-3980264365
- Christian Stegbauer / Alexander Rausch, Strukturalistische Internetforschung. Netzwerkanalysen internetbasierter Kommunikationsforen. Wiesbaden: VS-Verlag.
- Hillard von Thiessen / Christian Windler (Hg.), Nähe in der Ferne. Personale Verflechtung in den Außenbeziehungen der frühen Neuzeit, Berlin: Duncker & Humblot 2005
- Markus Vinzent (2006): Mediennetzwerke, in: Tsvasman, Leon R. (Hrsg.): Das grosse Lexikon Medien und Kommunikation. Kompendium interdisziplinärer Konzepte, Würzburg: Ergon 2006, S. 256, ISBN-10: 3899135156.
- Martin J. Waibel, (2004): Konzepte des Sozialen Netzwerks, des sozialen Rückhalts sowie des sozioemotionalen Rückhaltes für die Praxis der Integrativen Supervision In: SUPERVISION: Theorie – Praxis – Forschung. Eine interdisziplinäre Internet-Zeitschrift - 11/2004.
- Stanley Wassermann, Katherine Faust: Social Network Analysis. Methods and Applications, Cambridge u.a.: Cambridge University Press 1994
- Johannes Weyer: Soziale Netzwerke, München: Oldenbourg 2000, ISBN 3-486-25257-7
- Cai Ziegler: Schöne kleine Welt. Vom Wesen natürlicher Vernetzung, in: c't 24/2005, S. 188, ISSN 0724-8679
- Penny Power, Thomas Power with Andy Coote (2005): A Friend in Every City. One Global Family - A Networking Vision for the Twenty First Century, ISBN 0-9545093-7-4, Ecademy Press
Weblinks
- Stephanie Rosenbloom: Status: Looking for Work on Facebook („New York Times”, 1. Mai 2008 – Soziale Netzwerke spielen zunehmend ein Rolle bei der Arbeitsplatzsuche und beim Headhunting)
- Gerhard W. Loub / Lukas Weber: SNS – mehr als nur virtuell? Projekt der Universität Wien (Vergleich von Sozialen Netzwerken On- und Offline)
- Arbeitsgemeinschaft Social Media (Die am 3. April 2008 in Berlin anlässlich der re:publica gegründete Arbeitsgemeinschaft Social Media hat laut eigenem Bekunden das Ziel, Standards für die Vermessung und Erforschung von Weblogs und anderer Social Software zu etablieren.)
- Social Networks und Privatsphäre
- Alexander Richter und Michael Koch: Social Software – Status quo und Zukunft, Technischer Bericht Nr. 2007-01, Fakultät für Informatik, Universität der Bundeswehr München, 2007 (PDF)
- Holger Spieckermann: Soziale Netzwerke: Worthülse oder wissenschaftliche Kategorie? Beitrag in sciencegarden.de vom Dezember 2001
- Liste: 175 Soziale Netzwerke aus aller Welt
- Computational Models and Social Network Tools Software zur Analyse und Visualisierung sozialer Netzwerke (englisch)
- Social Networking Awards – The Top Social Networks of 2006 (englisch)