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Paschtunwali

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Paschtunwali ist der Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen und zählt zu den so genannten Stammesgesetzen. Er übernimmt eine ideelle als auch physische Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre.

Das Paschtunwali birgt aufgrund seines hohen, vorislamischen Alters alte Traditionen, wie die Vergeltung (Badal, wörtlich Austausch), die auch in anderen spirituellen und religiösen Kodices der Antike vorkommen. Das Badal kann auch im wahrsten Sinne des Wortes durch Austausch (von Geld, Waren und Heirat) erlangt werden. Allerdings rangiert die Gastfreundschaft (Melmastya) über allen anderen Werten. Diese ist eng verwickelt mit dem Nanawati (Vergebung, Unterschlupfgewährung und Teil des Asylrechts, wörtlich Einlaß). Das Nanawatai muß, sobald das Wort ausgesprochen wird, jedermann gewährt werden, auch dem größten Feind. Das Badal greift somit nur in hartnäckigen, existentiellen Fällen und wird abgeschwächt. Wer kein Nanawatai gewährt, gilt nicht als Edelmann "ghairatman" und zieht Scham und Schande "scharm" auf sich. Wer gutes "sha" leistet, wird neben "ghairatman" als "nangyalay" (Ehrenmann) betitelt. Die Wortkombination "Nang" und "Namus" spielt daher eine wichtige Rolle, wobei Nang als die "männliche Ehre" zu übersetzen ist, die durch "Tura" zu erzielen ist. Wer "Tura" (wörtlich Schwert) leistet, wird als "Turyalay" bezeichnet. Er leistet einen Dienst für die Allgemeinheit, z.B. die Verteidigung der Heimat, daher das Sprichwort: "Tura ye wokra!" , wenn man etwas wichtiges erzielt. Der Begriff "Namus" bezieht sich auf die "weibliche Ehre" und erfordert den Schutz von Familie und Grund und Boden, im weitesten Sinne der Heimat. Die meisten Streitigkeiten entstehen bekannterweise in diesem Bereich, der als Alliteration "zan, zar und zamin" (Frau, Gold und Erde) bezeichnet wird. Zur Schlichtung von Konflikten wird die "Jirga" (Versammlung) einberufen, auf nationaler Ebene die "Loya Jirga" (Große Versammlung). Die streitenden Parteien (Gond), auch auf politischer Ebene wird die politische Partei "Gond" genannt, werden durch die "Jirga" versöhnt, bei Bedarf werden die Beschlüsse der Jirga durch die "Zalwekhti" (40 Mann Exekutive) durchgesetzt. Um eventuell Gruppierungen zu trennen, wird eine Demarkationslinie ausgehandelt, die durch "tiga" oder "kana" (wörtlich "Stein") abgesteckt wird. Keiner der Parteien ist es nun erlaubt, diese Grenze zu verletzen. Die Beschlüße der Jirga sind nämlich bindend, daher bedeutet das Idiom "de kano kersha" (ein mit einem Stein gezogener Strich), soviel wie "Verbindlichkeit".

einige wichtige Begriffe des Paschtunwali

Melmastya = Gastrecht Nanawati= Vergebung Badraga = Begleitschutz Schariki, Berabari = Gleichheit Jirga = Versammlung Maraka = kleine Versammlung Loya Jirga = große Versammlung Meschrano Jarga = Ältestenrat Zar = Eigentumsrecht Pana = Asylrecht Wolesi Jirga= Judikative Zalwekhti = Exekutive Gond = Parteiengesetz Láshkar= Armee Kana (Tiga) = Demarkation Tura= Verdienst Namus, parda, Scharm = Schutz der Familie und Vaterland Khpelwaki= Freiheit(individuell und Heimat, wörtlich Selbstbestimmung)

Das Paschtunwali ist ein Kanon an Gesetzen und Verhaltensregeln, ein Kodex aus der Zeit, als moderne Rechtsprechung nicht existierte. Das Paschtunwali führte zu einer Ordnung und bot die Existenzgarantie für die Paschtunen. Ein Teil dieses Kodex mit modernen Rechtsnormen verworben, könnte eine zukünftige afghanische Rechtsnorm bilden, die auch einfacher von der afghanischen Gesellschaft akzeptiert wird. Viele Elemente des Paschtunwali, z.B. die Jirgas (Loya Jirga, wolesi Jirga) wurden vom afghanischen Staat übernommen, und als die Amerikaner nach dem 11. September 2001, auf der Suche nach einer Neustrukturierung von Afghanistan waren, war es die Loya Jirga, die der Regierung Karzai ihre Legitimität gab.

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